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Medical Tribune · Neurologie n Psychiatrie · 5. Jahrgang · Nr. 4 · 27.November 2013
Experts Lounge
Therapieresistente unipolare Depression: Add-on mit atypischen Antipsychotika
Signifikant verbesserte Remissionsrate
Die Experten sind sich einig und die Guidelines sprechen eine deutliche Sprache: Bei mindestens 30 % der Patienten mit unipolarer Depression lässt der Behandlungserfolg zu wünschen übrig, unabhängig
vom initial eingesetzten Antidepressivum. Während Strategien
wie Dosiserhöhung, Switch oder antidepressive Kombinationsbehandlung kontrovers diskutiert werden1, liess sich der Vorteil der
Add-on-Therapie mit dem Atypikum Quetiapin extended release
(Quetiapin XR) in Studien klar dokumentieren.2
Doch nicht nur die Therapie der Depression erweist sich immer wieder
als Herausforderung, sondern auch
die Diagnostik. In einer Studie zum
Erfahrungshorizont von Patienten
mit bipolaren Störungen3 stellte sich
heraus, dass gut zwei Drittel primär
als unipolar depressiv fehldiagnostiziert wurden. Im Durchschnitt
mussten vier Ärzte konsultiert werden, bis die korrekte Diagnosestellung erfolgte – und bei über einem
Drittel nahm das zehn und mehr
Jahre in Anspruch.
Mit dieser Problematik haben
sich auch Angst et al.4 befasst und
die BRIDGE-Studie durchgeführt.
Sie konnten zeigen, dass bei rund
30 % der Patienten, die wegen einer
«Major Depression»-Episode den
Arzt konsultieren, eine bipolare
Komponente vorhanden ist. Diese
erfüllten die «Bipolarity Specifier
Criteria». Typisch für diese Patien-
ten ist das inadäquate Ansprechen
auf eine antidepressive Monotherapie, die eine manische Phase
triggern oder die Stimmungslage
verschlechtern kann.4 Bei solchen
Patienten sind Mood Stabilizer oder
bestimmte atypische Antipsychotika indiziert statt Antidepressiva.
Frühe Response und
stabile Remission
In den Schweizer Empfehlungen
für die somatische Behandlung der
unipolaren depressiven Störung 1
kommt klar zum Ausdruck, dass
die vollständige Remission als Therapieziel anzustreben ist. Aus dem
STAR*D-Report geht jedoch hervor, dass nur etwa 40 % der Patienten mit dem primär eingesetzten
Antidepressivum dieses Ziel errei-
chen.5 Mindestens ebenso wichtig
ist die frühe Therapieresponse, d. h.
mindestens 20 % Reduktion der
depressiven Symptomatik (HDRS17-Wert) in den ersten zwei Wochen.
Diese frühe Response gilt als wichtiger Prädiktor für die spätere Remission.
Quetiapin XR als
Add-on bewährt
Die gepoolten Daten der Zulassungsstudien2 für Quetiapin XR
unterstreichen den Nutzen als Zusatztherapie.
Bei unipolar depressiven Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf das zuerst eingesetzte Antidepressivum konnte bereits nach
einer Woche – im Vergleich zu der
antidepressiven Monotherapie –
eine signifikante Verbesserung des
MADRS total Score erreicht werden.
In diesen Studien zeigte sich auch
der Vorteil der höheren Dosierung.
Während mit 150 mg Quetiapin
XR vier von zehn MADRS Single
Items signifikant verbessert wurden,
waren es unter 300 mg sieben von
zehn Items. Als entscheidend für
den Therapieerfolg wird die signifikante Besserung der depressiven
Kernsymptome unter der Add-onTherapie eingestuft: Dazu zählen
Traurigkeit, pessimistische- und
Suizidgedanken.
Mit der zusätzlichen Gabe von
300 mg Quetiapin XR zeigten mehr
als 58 % der Patienten eine MADRSResponse und jeder dritte Patient
war nach sechs Wochen in Remission.RW
Ein einfaches, aber effizientes Regime anbieten
4 Fragen – 4 Antworten
Fragen an Herrn Professor Dr. Roland Vauth, Basel
Prof. Dr. Roland Vauth
FMH Psychiatrie und Psychotherapie
Gesundheitszentrum Psychiatrie, Basel Foto :   RW
?
Für die unipolare ebenso wie
für die bipolare Depression
existieren exakte Diagnosekriterien. Lässt sich die Diagnose in
der Praxis immer ganz eindeutig
stellen? Und wo genau liegen die
Schwierigkeiten?
Unserem Kompetenzzentrum werden
einerseits häufig Patienten zugewiesen, bei denen die Diagnose unklar ist,
und auf der anderen Seite sehen wir
auch nicht selten falsche Diagnosen.
Viele Patienten werden erst spät als
bipolar diagnostiziert, weil v. a. hypomanische Störungen von Patient
und Umfeld nicht als krankhaft wahrgenommen werden, besonders nach
einer Depression. Trotzdem lassen sie
sich präzise diagnostizieren. Bei sehr
frühem Beginn, im Adoleszentenoder frühen Erwachsenenalter, bei
bereits gehäuften Episoden von eher
kürzerer Dauer, bei vegetativen Inverssymptomen und unvermitteltem
Umschlagen der Stimmung, drängt
sich der Verdacht einer Bipolarität
auf. Der HCL32-R von Prof. Angst
hat sich für das Screening bestens
bewährt, ist jedoch leider zu wenig
bekannt. Da solche Patienten häufig in Partnerschaften und im Beruf
scheitern, wäre eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapie essenziell.
?
Wenn bei unipolarer Depression
die Therapie mit einem ersten
Antidepressivum versagt hat, dann
besteht die Option, bis zu 300 mg
Quetiapin XR add-on zu verordnen. Welche Erfahrungen haben
Sie mit einer solchen Kombination
gemacht?
Diese Patienten weisen auch ein viel
höheres Risiko für eine unterschwellige («subthreshold») Depression
auf, mit rund 45 % chronifiziert protrahierten Verläufen. Man erzielt oft
trotz lege artis durchgeführter Therapie nur Teilremissionen. Ausser-
dem besteht bei etwa einem Viertel
dieser Patienten das Risiko eines
Rapid Cycling. Beim pharmakologischen Management orientieren wir
uns an internationalen wie auch an
den Schweizer Behandlungsempfehlungen. Grundsätzlich kommen
für diese Patienten Stimmungsstabilisatoren infrage. Auch Quetiapin XR verfügt über ein sehr gutes
stimmungsstabilisierendes Profil.
Es wirkt nicht nur antimanisch und
antipsychotisch, sondern auch antidepressiv. So kann man den Patienten ein einfaches, zugleich aber
effizientes Regime anbieten.
?
Die höhere Dosierung von 300 mg
Quetiapin XR zeigte in Studien
eine klare Überlegenheit (mit sieben von zehn signifikant gebesser-
Über unerwünschte Effekte unbedingt aufklären
ten MADRS-Items vs. vier von zehn
Items unter 150 mg). Deckt sich das
mit Ihrer Erfahrung?
Unsere Dosierungen bewegen sich
zwischen 250 mg und 350 mg Quetiapin, wobei wir die XR-Variante
verordnen, die eine tägliche Einmalgabe erlaubt und mit einem
geringeren Nebenwirkungsrisiko
assoziiert ist.
?
Wenn im Verlauf zusätzliche hypomanische oder manische Phasen auftreten, muss eine bipolare
Störung angenommen werden. Welche Konsequenzen hat das für die
Therapie?
Hier haben Stimmungsstabilisatoren wie Lamotrigin oder Quetiapin
XR einen hohen Stellenwert. RW
4 Fragen – 4 Antworten
Fragen an Herrn Dr. Andreas Horvath, Zürich
?
Für die unipolare ebenso wie für
die bipolare Depression existieren exakte Diagnosekriterien. Lässt
sich die Diagnose in der Praxis immer ganz eindeutig stellen? Wo
liegen die Schwierigkeiten?
In der Praxis ist es keineswegs immer einfach, diese Diagnose zu
stellen. Denn einerseits wird die
Hypomanie vom Patienten oft
nicht als krankhaft eingestuft oder
interpretiert – sondern als sehr angenehm. Da muss man dann schon
sehr genau nachfragen, doch selbst
dann wird es negiert. Ich ziehe da-
her gerne Angehörige hinzu, deren
Informationen uns weiterhelfen
können. Dann erscheint das nicht
selten in einem ganz anderen Licht.
Das was der Betroffene als «Temperamentssache» sieht, erfüllt de facto
die Kriterien einer Hypomanie. Auf
der anderen Seite kann der Krankheitsverlauf wertvolle Hinweise
liefern.
?
Wenn bei unipolarer Depression
die Therapie mit einem ersten
Antidepressivum versagt hat, dann
besteht die Option, bis zu 300 mg
Quetiapin XR add-on zu verordnen. Welche Erfahrungen haben
Sie mit einer solchen Kombination
gemacht?
Das mache ich schon lange. Bereits
vor der entsprechenden Zulassung
habe ich Quetiapin XR als Addon-Therapie eingesetzt. Meine
Erfahrungen mit dieser Form der
Therapie sind überwiegend positiv. Symptome wie Grübeln oder
Traurigkeit sprechen sehr gut und
rasch an. Aber es kann auch gelegentlich zu einer Gewichtszunahme kommen und etwas häufiger
noch zur Sedation. Typischerweise haben solche Patienten morgens
Probleme, «in die Gänge zu kommen». Und das kann die Com­
pliance beeinflussen. Es ist deshalb
essenziell, die Patienten darüber
zu informieren und darauf hinzuweisen, dass diese unerwünschten
Effekte sich im Verlauf der Therapie abschwächen können. Oft löst
sich das Problem von selbst, wenn
Patienten merken, wie sie von der
Wirkung profitieren. Aufgrund
des guten antidepressiven Effekts
gibt es immer wieder Patienten,
Dr. Andreas Horvath
FMH Psychiatrie und Psychotherapie
niedergelassen, Zürich Foto :   RW
Seite 3
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Medical Tribune · Neurologie n Psychiatrie · 5. Jahrgang · Nr. 4 · 27.November 2013
Wechsel auf die Add-on-Behandlung
mit Lithium oder Atypikum
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4 Fragen – 4 Antworten
Fragen an Herrn Dr. Stefan Bleuer, Psychiatriezentrum Münsingen
?
Für die unipolare ebenso wie für
die bipolare Depression existieren exakte Diagnosekriterien. Lässt
sich die Diagnose in der Praxis immer ganz eindeutig stellen? Wo
liegen die Schwierigkeiten?
In aller Regel kommen die Patienten
während der depressiven Episode
und mit entsprechendem Leidensdruck zum Arzt. Eine vorangegangene Hypomanie, die auf eine bipolare Störung hinweisen könnte,
wird jedoch meist nicht thematisiert.
Wenn solche Patienten den Hausarzt
aufsuchen, ist das ein Glücksfall, da
er oft die Familienanamnese mit
entsprechenden Belastungsfaktoren
kennt. Auch im stationären Setting
kommen Patienten meistens nicht
von sich aus auf die hypomanische
Komponente zu sprechen. Hier
sind einerseits fremdanamnestische Angaben von hohem Wert und
auf der anderen Seite muss gezielt
gefragt werden: Haben Sie manchmal überschüssige Energie, geringes
Schlafbedürfnis, tendieren Sie gelegentlich dazu, kritiklos Neues zu
beginnen, Geld zu verschwenden,
sexuelle Abenteuer zu suchen? Rasche Stimmungswechsel, komorbide Suchtprobleme sowie begleitende
Angst und Panik können richtungsweisend sein. Leider vergehen heute
immer noch Jahre, bis die bipolare
Ätiologie der Depression erkannt
wird.
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Wenn bei unipolarer Depression
die Therapie mit einem ersten
Antidepressivum versagt hat, dann
besteht die Option, bis zu 300 mg
Quetiapin XR add-on zu verordnen. Welche Erfahrungen haben
Sie mit einer solchen Kombination
gemacht?
Eine gewöhnliche rezidivierende
depressive Störung ohne komorbide Probleme wird üblicherweise vom Hausarzt erfolgreich behandelt. Das gilt ganz speziell für
unsere Region, die in der Peripherie fachärztlich unterversorgt ist.
Hausärzte sind meistens sehr gut in
der Lage, eine unkomplizierte Depression erfolgreich zu behandeln.
Wenn die Patienten jedoch nicht
ausreichend auf die Standardbe-
handlung ansprechen, muss an eine
schlechte medikamentöse Adhärenz
oder nicht erkannte komorbide
Störungen gedacht werden. Für die
stationäre Situation sind ambulante
Therapieversager typisch. Bei unbefriedigendem Ansprechen kommt
der Wechsel des Antidepressivums
infrage, wobei Metaanalysen zu
ernüchternden Resultaten führten. Trotzdem wird das praktiziert.
Wenn sich nach spätestens zwei
Wochen keinerlei Effekt abzeichnet, sollte die Behandlungsstrategie immer überprüft werden. Die
frühe (Teil-)Response hat sich als
bester Prädiktor für einen guten
Langzeiteffekt herausgestellt. Alternativ zum Switch auf ein anderes
Antidepressivum kommt je nach
klinischer Einschätzung die Addon-Behandlung mit Lithium oder
einem atypischen Antipsychotikum
infrage. Bei einem agitierten depressiven Syndrom habe ich gute Erfahrungen mit Quetiapin XR gemacht.
Quetiapin XR (200–400 mg/d) verfügt über eine beruhigende Eigenwirkung, Schlafstörungen werden
gebessert, innere Anspannung und
Ängste lassen nach.
?
Die höhere Dosierung von
300 mg Quetiapin XR zeigte in
Studien eine klare Überlegenheit
(mit sieben von zehn signifikant
gebesserten MADRS-Items vs.
vier von zehn Items unter 150 mg).
Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
Diese Daten stammen aus RCTs
mit hochselektierten Patienten. Die
naturalistische Situation ist immer
etwas anders, weshalb ich Quetiapin
XR bei dieser Indikation üblicherweise in Dosierungen zwischen 200
und 400 mg einsetze. Bei Therapieresistenz, v. a. in Verbindung mit Suizidalität, kommt sicher auch Lithium
ins Spiel.
?
Wenn im Verlauf zusätzliche
hypomanische oder manische
Phasen auftreten, muss eine bipolare Störung angenommen werden.
Welche Konsequenzen hat das für
die Therapie?
Wenn ein Patient unerwartet rasch
auf die antidepressive Medikation
Dr. Stefan Bleuer
FMH Psychiatrie und Psychotherapie
Psychiatriezentrum PZM, Münsingen
Foto :   zVg
anspricht, begleitet von hypomanischen Nachschwankungen, besteht
am bipolaren Charakter kaum ein
Zweifel. Hier muss eine Erhaltungstherapie mit optimalem Sicherheitsprofil etabliert werden. Mit
den besten evidenzbasierten Daten
konnte die Kombination aus Atypikum plus Lithium überzeugen, und
diese Evidenzen haben sich auch in
meinem therapeutischen Alltag bestätigt. Antidepressiva werden nur
so lange gegeben, wie depressive
Symptome bestehen. Werden Angehörige einbezogen – u. a. geht es um
die Erarbeitung eines gemeinsamen
Krankheitsverständnisses – haben
Betroffene auf lange Sicht ein besseres Outcome.
RW
Auffallend gute Compliance mit Quetiapin XR
4 Fragen – 4 Antworten
Fragen an Herrn Dr. Jens Brinken, Lausanne
Dr. Jens Brinken
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Pharmazeutische Medizin
niedergelassen, Lausanne Foto :   zVg
?
Für die unipolare ebenso wie für
die bipolare Depression existieren exakte Diagnosekriterien. Lässt
sich die Diagnose in der Praxis immer ganz eindeutig stellen? Wo
liegen die Schwierigkeiten?
Es ist de facto oft nicht einfach, die
korrekte Diagnose zu stellen, da sich
Dr. Andreas Horvath ...
Fortsetzung von Seite 2
die nach einer Absetzphase erneut
mit der Therapie beginnen.
?
Die höhere Dosierung von
300 mg Quetiapin XR zeigte in
Studien eine klare Überlegenheit
(mit sieben von zehn signifikant
gebesserten MADRS-Items vs.
vier von zehn Items unter 150 mg).
Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
Patienten mit bipolarer Störung in
aller Regel während der depressiven
Phase an den Arzt wenden. Denn
die Depression geht – anders als die
vermutlich vorausgegangene hypomanische Phase – mit einem teilweise erheblichen Leidensdruck einher.
Ausserdem wird die Hypomanie von
den Patienten meist als positiv empfunden und findet daher keine spontane Erwähnung in der Exploration.
Als erschwerender Aspekt kommt
die vergleichsweise hohe Rate an Komorbiditäten hinzu, wie z. B. Angststörungen und Suchterkrankungen.
Ausserdem beobachtet man bei der
bipolaren Depression häufiger Symptome des anderen Pols wie z. B. Angetriebenheit anstelle der Gehemmtheit
bei der unipolaren Form. Auch Züge
von emotionaler Labilität und schnell
wechselnden Symptomen können ein
Hinweis sein.
Ja, in der Regel schon. Mit der höheren Dosierung von 250–300 mg
sieht man einen ausgeprägteren
Effekt.
?
Wenn im Verlauf zusätzliche
hypomanische oder manische
Phasen auftreten, muss eine bipolare Störung angenommen werden.
Welche Konsequenzen hat das für
die Therapie?
Primär ist ganz wichtig, dass
man die Patienten «bei der Stange hält» – im Sinne einer thera-
?
Wenn bei unipolarer Depression
die Therapie mit einem ersten
Antidepressivum versagt hat, dann
besteht die Option, bis zu 300 mg
Quetiapin XR add-on zu verordnen. Welche Erfahrungen haben
Sie mit einer solchen Kombination
gemacht?
Wir haben umfassende Erfahrungen gemacht, da wir bereits mit
der Add-on-Therapie begonnen
haben, als Quetiapin noch nicht als
Retardformulierung vorlag. Quetiapin als Add-on zur antidepressiven
Therapie wirkt schlafanstossend,
und bei Patienten mit im Vordergrund stehender Stimmungslabilität fiel eine deutliche Stabilisierung
auf. Der rasche Wirkungseintritt
hat mit zur auffallend guten Compliance beigetragen. Diese Beobachtungen bestätigten sich mit Quetiapin XR. Die Patienten werden
peutischen Allianz, eines guten
Vertrauensverhältnisses. In dieser
Situation muss man mit dem Patienten eine rasche Anpassung der
Therapie besprechen und umsetzen. Man könnte zwar die Dosis
von Quetiapin XR erhöhen. Ich
tendiere dazu, die Dosis des Antidepressivums – falls verordnet – zu
reduzieren oder es ganz abzusetzen. Es bietet sich in dieser Situation die Kombination mit einem
Mood Stabilizer wie Valproat oder
Lithium an.
RW
schneller stabil, sie schlafen besser,
haben weniger Angstzustände,
verbunden mit einer verbesserten
Lebensqualität.
?
Die höhere Dosierung von
300 mg Quetiapin XR zeigte in
Studien eine klare Überlegenheit
(mit sieben von zehn signifikant
gebesserten MADRS-Items vs.
vier von zehn Items unter 150 mg).
Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
Das Bild in der Praxis ist inhomogen. Ein gewisser Teil der Patienten
erreicht das Therapieziel bereits mit
der 150-mg-Dosierung, während
andere erst mit 300 mg Quetiapin
XR vom vollen Benefit profitieren.
Bei bestimmten Patienten kann
man auch die Möglichkeit der Dosissteigerung ansprechen und eine
Steigerung empfehlen, wenn der
Effekt zu gering ist.
?
Wenn im Verlauf zusätzliche hypomanische oder manische Phasen
auftreten, muss eine bipolare Störung
angenommen werden. Welche Konsequenzen hat das für die Therapie?
Im Verlauf der bipolaren Störung
müssen viele Patienten erkennen,
dass sie die kreativen, hypomanischen
Höhenflüge zum Preis einer nachfolgenden depressiven Phase erkaufen.
Und diese emotionale Destabilisierung verlangt nach einer adäquaten
Therapie. Wenn es Zeichen für ein
Umschlagen der Stimmung gibt,
muss die Therapie überdacht und
die antidepressive Medikation auf ein
Minimum reduziert und dann abgesetzt werden. Eine Weiterbehandlung
mit Quetiapin XR sowie eine Dosissteigerung machen in der Regel Sinn,
allenfalls könnte man eine Prophylaxe
depressiver Episoden mit Lamotrigin
erwägen. RW
1. H
olsboer-Trachsler E et al. Die somatische Behandlung der unipolaren depressiven
Störung. Schweiz Med Forum 2010; 10 (46): 802-809.
2. B
auer M et al. A pooled analysis of two randomised, placebo-controlled studies of
extended release quetiapine fumarate adjunctive to antidepressant therapy in patients
with major depressive disorder. J Affect Dis 2010; 127: 19-30.
3. H
irschfeld RA et al. Perceptions and impact of bipolar disorder: how far have we really
come? Results of the national depressive and manic-depressive association 2000 survey
of individuals with bipolar disorder. J Clin Psychiatry 2003; 64 (2): 161-174.
4. A
ngst J et al. Prevalence and Characteristics of Undiagnosed Bipolar Disorders in
Patients With a Major Depressive Episode: The BRIDGE Study JAMA Psychiatry 2011;
68 (8): 791-798.
5. R
ush AJ et al. Acute and longer-term outcomes in depressed outpatients requiring one
or several treatment steps: a STAR*D report. Am J Psychiatry 2006; 163: 1905-1917.
Kommentar von Dr. Hättenschwiler auf der folgenden Seite.
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Therapieresistente unipolare Depression
Kommentar
So gelingt die Augmentation
Ein Kommentar von Dr. Josef Hättenschwiler, Zürich
Wir haben den Psychiater Dr.
Josef H ä t t e n s c h w i l e r gebeten,
einige Aspekte rund um die unipolare depressive Störung unter der
Berücksichtigung der Fragen, die
seine Kollegen beantwortet haben,
zu kommentieren.
Depressionen sind sehr häufige Erkrankungen mit umfassenden Folgen sowohl für die betroffene Person
als auch für ihr Umfeld.
Depressionen sind potenziell
lebensbedrohlich. Bis zu 15 % der
schwer depressiven Menschen sterben durch Suizid. Obwohl heute
zahlreiche und wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung
stehen, ist das Behandlungsergebnis
im einzelnen Fall oft ungenügend.
Gemäss Schätzungen der WHO
dürften Depressionen weltweit bis
2030 der häufigste Grund für Invalidität und Erwerbsunfähigkeit sein.
Das muss uns alarmieren.
Die aktuelle Situation bezüglich
Depressionen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Depressionen sind
sehr häufig, sie werden meist nicht
oder erst nach Jahren diagnostiziert.
Wenn sie diagnostiziert sind, werden
sie oft nicht behandelt und wenn
behandelt, dann oft nicht adäquat
und nicht genügend lang. Um diesen
Umständen Rechnung zu tragen, hat
die Schweizerische Gesellschaft für
Angst und Depression (SGAD) die
Entwicklung von Behandlungsempfehlungen angeregt, welche schliess-
Hirnforscher liefern
den Beweis im MRT
Gedichte klingen
wie Musik
EXETER – Was viele schon immer
ahnten, belegen Experimente mit
dem funktionellen MRI: Gedichte
werden in den gleichen Hirnregionen wahrgenommen wie Musik.
Um mehr über die Reaktion des Gehirns auf Töne und Worte zu erfahren, starteten Neurowissenschaftler
der Universität Exeter eine Pilotstudie. 13 Studenten der englischen
Sprache sollten verschiedene Texte
lesen. Das Spektrum reichte von
der Anleitung zum Montieren einer
Heizung über Passagen aus Romanen bis hin zu Sonetten. Ausserdem
las jeder aus seinem persönlichen
Lieblingsgedicht. Während der Lektüre wurde die Hirnaktivität mittels
funktionellem MRI aufgezeichnet.
Erwartungsgemäss aktivierten
Schriftstücke jeder Art das Lesenetzwerk. Emotionale Inhalte regten
zudem Hirnregionen an, die normalerweise Musik wahrnehmen. Im direkten Vergleich zwischen Dichtung
und Prosa zeigte sich, dass Gedichte
vor allem Areale aktivieren (z.B. im
medialen Temporallappen), die für
Introspektion zuständig sind. rft
lich 2010 in Zusammenarbeit mit der
Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP)
und der Schweizerischen Gesellschaft
für Biologische Psychiatrie (SGBP)
realisiert werden konnten.
Ungeachtet unserer modernen
psychotherapeutischen und psychopharmakologischen Möglichkeiten
sprechen 30 bis 50 % der unipolar
Depressiven nicht oder ungenügend
auf eine erste adäquat durchgeführte
Behandlung an. Selbst nach mehreren Behandlungsversuchen erreichen
30 % der Betroffenen keine Remission, welche definiert ist als eine mehrmonatige Symptomfreiheit und das
Wiedererreichen des psychosozialen
und beruflichen Ausgangsniveaus.
Bei Therapieresistenz
Plasmaspiegel prüfen
Nun, was ist zu tun, wenn die erste
Behandlung nicht greift? Wenn ein
Patient auf eine antidepressive Monotherapie nicht anspricht, sollten
nicht nur die Compliance, sondern
auch die Dosis und allenfalls der
Plasmaspiegel überprüft werden.
Danach bieten sich folgende Mög­
lichkeiten: Dosiserhöhung, Wechsel
des Antidepressivums, Kombination
mit einem anderen Antidepressivum
oder einer spezifischen Psychotherapie, eine Augmentationstherapie oder eine nicht pharmakologische biologische Therapie wie
Schlafentzug, Lichttherapie oder
Elektrokrampftherapie (EKT).
Bei Scheitern einer ersten adäquat
durchgeführten antidepressiven Therapie sprechen viele Studien für eine
Augmentation als zweiten Schritt.
Unter Augmentation versteht man
die Zugabe einer zweiten Substanz
mit dem Ziel, die Wirkung des Antidepressivums zu verstärken und damit die Behandlung zu optimieren.
Am besten belegt als Augmentativa
bei unipolaren Depressionen sind
Lithium, Schilddrüsenhormone und
atypische Antipsychotika. Aber auch
hier gilt: Es gibt kein «one fits all».
In Abhängigkeit der Vorgeschichte,
des Phänotyps der depressiven Störung, deren Langzeitverlauf und der
Erfahrung des Behandlers kommt
eher der eine oder andere Ansatz
zur Anwendung. Bestand lange Zeit
die beste Evidenz für Lithium und
Schilddrüsenhormone, so haben sich
in den letzten Jahren die atypischen
Antipsychotika langsam, aber sicher
zu ebenbürtigen Optionen entwickelt.
Besonders zu erwähnen ist hierbei, dass Quetiapin XR nicht nur
auf eine hervorragende Studienlage
verweisen kann, sondern auch als
bislang einziges atypisches Antipsychotikum in der Schweiz in dieser Indikation zugelassen ist. Schon
länger setzen wir diese Substanz
an unserem Zentrum für Angstund Depressionsbehandlung Zürich (ZADZ) ein, wo wir sehr viele
Menschen mit therapieresistenten
Depressionen behandeln. Wir verwenden mit grossem Erfolg Quetia-
pin XR in Dosen von 150 bis 300 mg,
wobei die Patienten neben der antidepressiven und stimmungsstabilisierenden Wirkung auch von einer
raschen entspannenden, schlafverbessernden, angst- und spannungsmildernden Wirkung profitieren.
Auch wenn das Monitoring unter
den atypischen Antipsychotika einfacher als bei Lithium scheint, darf
nicht vergessen werden, dass deren
Anwendung einer regelmässigen
Kontrolle von Gewicht und metabolischen Laborparametern bedarf.
Denn es kann zu Gewichtszunahme
kommen und bei einigen Patienten
bleibt die initial oft erwünschte Tagessedation bestehen.
Differenzialdiagnose:
Bipolare Störung
Differenzialdiagnostisch muss beim
Vorliegen einer depressiven Episode
immer auch an die Möglichkeit einer Bipolarität gedacht werden. Oft
beginnt eine bipolare Störung mit
einer oder mehreren depressiven
Episoden. Gemäss einer Untersuchung von Angst et al.1 wandeln sich
jährlich 1,5 % der primär unipolaren
Depressionen zu Bipolaren Störungen. Hypomanische Symptome
werden, auch wenn schon früher
vorhanden, oftmals übersehen und
nur ein konkretes Nachfragen, allenfalls unter Beizug von Angehörigen,
kann hier den Weg weisen. Ein hilfreiches, einfach durchzuführendes,
aber noch zu wenig verbreitetes
Dr. Josef Hättenschwiler
FMH Psychiatrie und Psychotherapie
Zentrum für Angst- und
Depressionsbehandlung Zürich (ZADZ)
Foto :  MT-Archiv
Instrument ist die HypomanieCheckliste (HCL-32-R2) nach Jules
Angst. Damit lassen sich die meisten
pseudounipolaren Depressionen als
bipolare Störung diagnostizieren,
was natürlich erhebliche therapeutische Konsequenzen hat. Denn
spätestens jetzt sollten stimmungsstabilisierende Psychopharmaka wie
z. B. Lithium, Antiepileptika (Lamotrigin) sowie atypische Antipsychotika zum Einsatz kommen.
Das Antipsychotikum Quetiapin
XR verfügt hierbei über ausgezeichnete antidepressive, antipsychotische, antimanische und stimmungsstabilisierende Eigenschaften und
erweist sich in der klinischen Anwendung als relativ einfach.
Dr. Josef Hättenschwiler
1. A
ngst J et al. Diagnostic conversion from
depression to bipolar disorders: results of
a long-term prospective study of hospital
admissions. J Affect Dis 2005; 84 (2-3):
149-157.
Die Behandlungsempfehlungen können auf den Webseiten
www.zadz.ch und www.sgad.ch
heruntergeladen werden.
Münchener Dysphagie-Test als valides Screening-Instrument nutzen
M. Parkinson: Schluckstörungen früh erkennen
DRESDEN – Bisher gab es kein ausreichend evaluiertes Verfahren, um
Schluckstörungen bei ParkinsonPatienten frühzeitig zu erkennen.
Mit einem neuen Test, den Kollegen
aus München, Lübeck und Münster
entwickelt haben, soll das jetzt anders werden.
gelegt bekommt und nur noch
sein Kreuzchen machen muss. Die
Auswertung des Fragebogens kann
der Arzt entweder webbasiert oder
anhand der herkömmlichen Testinformationen vornehmen.
Validiert wurde der Münchener
Dysphagie-Test in einer Studie an
82 Patienten mit idiopathischem
Parkinson-Syndrom. Sie erhielten nach Ausfüllen des MDT-PD
sowohl klinische Schluckuntersuchungen als auch eine modifizierte
fieberendosko­pische Schluckevaluation. Dabei wurden laryngeale Penetration, Aspiration, aber auch leichtere oropharyngeale Symptome auf
speziellen Ratingskalen festgehalten.
Dysphagie schränkt die Lebensqualität von Parkinson-Patienten
erheblich ein und kann zudem zu
Mangelernährung, Dehydratation
und Aspirationspneumonie führen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, muss man die Störung
und das Aspirationsrisiko möglichst
früh erkennen. Der Münchener Dysphagie-Test (MDT-PD) soll dazu
beitragen.
Test in deutscher und
englischer Version
82 Patienten unterzogen
sich zahlreichen Tests
Insgesamt 26 Fragen, u.a. zu Schwierigkeiten beim Schlucken von Speisen und Flüssigkeiten, zu Schluckproblemen unabhängig von der
Nahrungszufuhr, zu Begleitsymptomen, Infektionen und Gewichtsverlust, soll der Patient beantworten,
wobei er Antwortalternativen vor-
Zwischen dem mittels dieser Skalen ermittelten Score und dem MDTPD-Summenscore ergab sich eine
starke positive Korrelation, berichtete die Arbeitsgruppe um Professor
Dr. Andrès Ceballos-Baumann vom
Zentrum für Parkinson und Bewegungsstörungen der Schön-Klinik
München-Schwabing in ihrem Pos­
ter. Der gewichtete Summenscore
des MDT-PD klassifizierte «nicht
auffälliges Schlucken» versus «Aspirationsrisiko» mit einer Sensitivität
von 90 % und einer Spezifität von
82 %. Die Unterscheidung zwischen
«auffällig» und «beginnende Dysphagie» gelang mit einer Sensitivität von 82 % und einer Spezifität
von 71 %.
Der MDT-PD liegt in einer deutschen und einer englischen Version
vor. Zur einfachen Auswertung wurden eine Web-Applikation auf www.
mdt-parkinson.de und ein OfflineProgramm erstellt.
Md
Auf die Website schauen kann sich diagnostisch lohnen, meinen die deutschen Autoren
Foto: www.mdt-parkinson.de
des Dysphagie-Tests für Parkinson-Patienten. Quelle: 86. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie mit Fortbildungs­
akademie.
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