Knappheit der Güter

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G RUNDLAGEN W IRTSCHAFT
Prof. Dr. Friedrich Wilke
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5
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7
............................
Knappheit der Güter
Bedürfnisse ......................................................................................... 1
Güter .................................................................................................... 1
Nutzen .................................................................................................. 2
Nachfrage ............................................................................................ 2
Knappheit ............................................................................................ 4
Verteilung ............................................................................................ 4
Preise ................................................................................................... 5
Ergänzungen ........................................................................................... 7
E1
E2
Nutzenfunktion ............................................................................ 7
Nachfragefunktion ....................................................................... 9
2009.10
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Cologne University of Applied Sciences -- Fachhochschule Köln -- Campus Gummersbach
GW 21: Knappheit der Güter
1
1 Bedürfnisse
Jeder Mensch möchte etwas erwerben oder etwas tun, sei es zur Deckung existentieller Notwendigkeiten wie Trinken, Essen, Schlafen usw., oder sei es zur Erfüllung weiter gehender
Wünsche nach einem neuen Auto, einer Urlaubsreise oder Modeschmuck. Derartige Wünsche oder Bedürfnisse – wir wollen dazwischen keinen Unterschied machen – sind die Triebfedern des wirtschaftlichen Handelns.
Bedürfnisse sind subjektive Empfindungen von Menschen, und zwar „Gefühle des Mangels, mit dem Streben, sie zu mildern oder zu beseitigen“. (VON HERMANN, 1832)
Man kann diverse Arten von Bedürfnissen unterscheiden, so etwa
− Individual- und Kollektivbedürfnisse
− offene und latente Bedürfnisse
− Existenz-, Grund- und Luxusbedürfnisse.
Diese und ähnliche Unterscheidungen sind in den Wirtschaftswissenschaften allerdings von
untergeordneter Bedeutung. Gleiches gilt für die oft erwähnte Bedürfnispyramide nach
MASLOW.
Abbildung 1: Bedürfnispyramide nach Maslow
Bedürfnisse
bauen
aufeinander
auf.
Selbstverwirklichung
z.B. Individualität, Kunst, Glaube
„WachstumsBedürfnisse“
Soziale Anerkennung
z.B. Status, Wohlstand, Geld, Macht
Soziale Beziehungen
z.B. Freunde, Partnerschaft, Fürsorge
„DefizitBedürfnisse“
Sicherheit
z.B. Wohnung, Arbeitsplatz, Gesundheit
Körperliche Bedürfnisse
z.B. Wärme, Trinken, Essen
Die menschlichen Wünsche sind von zahlreichen Determinanten abhängig, etwa vom Alter,
vom Geschlecht, von der Jahreszeit, vom Verhalten der Nachbarn oder Schulkameraden, von
Konvention und Tradition, von der sozialen Umgebung generell, von der natürlichen Umwelt
usw. Mit einer Veränderung der Umweltbedingungen (im weitesten Sinne) verändern sich folglich auch die Bedürfnisse, sie sind weder räumlich noch zeitlich stabil, und selbstverständlich
sind unsere Wünsche auch von „außen“ beeinflussbar (manipulierbar).
Abbildung 2: Bestimmungsgründe der Bedürfnisse
Wetter
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Beruf
Alter
…
Freundeskreis
Bedürfnisse
2 Güter
Alle Mittel, die zur Bedürfnisbefriedigung geeignet sind, heißen Güter. Dabei kann es sich um
Waren (= Sachgüter) wie Brot, Auto, Waschmaschine, Computer und Bleistifte oder auch um
Dienstleistungen wie Haarschnitt, juristische Beratung und Taxifahrt handeln. Waren sind
(mehr oder weniger) lagerfähig. Demgegenüber sind Dienstleistungen grundsätzlich nicht lagerfähig, sondern Produktion und Nutzung erfolgen simultan.
Güter sind sämtliche Mittel zur Bedürfnisbefriedigung.
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Diese Güter sind Ergebnisse einer Produktionstätigkeit. Im weiteren Sinne kann man auch
noch die letzten (originären) Produktionselemente wie Boden, Bodenschätze, Naturkräfte und
sogar menschliche Arbeitsleistungen als Güter ansehen.
Abbildung 3: Güterarten
Güter
Güter
Nutzung von
originären
Produktionsergebnisse
Produktionsfaktoren
Arbeit
Boden, Natur
Waren
materielle Güter
Rechte
Dienstleistungen
Informationen
im weiteren Sinne
immaterielle Güter
Auch Rechte, wie etwa Patente, Lizenzen oder einfach nur das Recht, im Wald spazieren gehen zu dürfen, werden manchmal zu den (immateriellen) Gütern gezählt. Andererseits haben Rechte teilweise auch
den Charakter von Forderungen – und Forderungen sind keine Güter. Auch die Frage, ob Informationen
Güter im sind, kann unterschiedlich beantwortet werden.
Geld ist kein Gut1, sondern eine Forderung bzw. Verbindlichkeit. Es stiftet keinen unmittelbaren Nutzen, sondern dient als Zahlungsmittel (Tauschmittel), Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsmittel.
3 Nutzen
Man sagt auch: Güter stiften einen Nutzen. Manche Güter stiften einen hohen, manche nur
einen geringen Nutzen. Wertlos sind Güter, die keinen Nutzen stiften. Insofern haben Güter
keinen „inneren“ Wert, etwa aufgrund der Herstellungskosten, sondern der Nutzen ergibt sich
aus der individuellen (subjektiven) Beurteilung.
Der Nutzen aller Personen in einer Volkswirtschaft wird als Wohlfahrt (engl. welfare) bezeichnet2.
4 Nachfrage
Die subjektiven Bedürfnisse erfahren eine gewisse Objektivierung im „Bedarf“ und in der
„Nachfrage“. Der Bedarf ist der mit Kaufkraft ausgestattete (kleine) Teil der (vielen) Bedürfnisse. Aus der Fülle seiner Wünsche muss ein Haushalt jene herausgefiltert, die er angesichts
der begrenzten Möglichkeiten erfüllt sehen möchte (Prioritätensetzung). Nur ein kleiner Teil
seiner Bedürfnisse wird eine konkrete Kaufabsicht auslösen, insbesondere weil nicht alle
Wünsche finanzierbar sind. Mit seiner Nachfrage informiert er dann über das Ergebnis seiner
Entscheidung.
Nachfrage ist die Information über einen konkreten Kaufwunsch.
1 Früher und in Krisenzeiten haben bestimmte Güter (insbesondere Gold) die Geldfunktionen erfüllt.
Das ist heute eher eine Ausnahme.
2 Nutzen und Wohlfahrt sind empirisch kaum fassbare Begriffe. Gleichwohl versucht die Wohlfahrtstheorie, Kriterien zu formulieren, um alternative Situationen hinsichtlich ihrer Wohlfahrt miteinander zu
vergleichen. Berühmt ist das PARETO-Optimum, benannt nach Alfredo PARETO (1848–1923): Ein Situation ist PARETO-optimal, wenn es nicht mehr möglich ist, eine Person besser zu stellen, ohne eine
andere Person schlechter zu stellen. Hieraus folgt, dass eine Maßnahme die Wohlfahrt dann steigert,
wenn dadurch mindestens eine Person besser und keine andere schlechter gestellt ist (Paretokriterium). Diese Einsicht sei Ihnen nicht vorenthalten, vor allem weil Ihnen diese Begriffe in der Wirtschaftsliteratur immer wieder begegnen können.
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Beispiele:
Prägnante Beispiele für Nachfrage finden wir in den vielen Kleinanzeigen, in denen bestimmte Dinge gesucht werden: ein Auto, eine Wohnung oder Briefmarken, Arbeitsleistungen oder Maschinen. Hier werden alle drei Aspekte der Nachfrage – Entscheidungsergebnis, Kaufwunsch und Information – deutlich sichtbar.
Die Summe aller Wünsche lässt sich kaum vernünftig messen, vielleicht ist sie auch unendlich
groß, wie viele meinen. Gemessen daran ist die Höhe der Nachfrage nach einem Gut (oder
auch nach einer Gütergruppe) durch empirische Untersuchungen wesentlich leichter feststellbar. Dies ist Gegenstand der empirischen Konsumforschung (Marktforschung).
Bei der Entscheidung, ob eine Urlaubsreise für drei oder nur für eine Woche (oder gar keine)
gebucht werden soll, ob 15 oder 50 Liter Diesel für das Auto zu kaufen sind, ob eine neue
Waschmaschine geordert werden soll, 20 oder 30 oder 40 Liter Bier für die Party bestellt werden sollen, spielen üblicherweise diverse Gründe eine Rolle. Welche?
Wir wollen die Entscheidungsgründe in drei Kategorien systematisieren.
• Zunächst einmal wird man davon ausgehen können, dass ein entsprechendes Bedürfnis
(b) vorhanden ist. Das Bedürfnis selbst wird vom Alter, vom Geschlecht, von der sozialen
Umgebung und vielen anderen Faktoren beeinflusst. Bedürfnisbefriedigung ist das Ziel.
Die Zielerfüllung wird durch interne und externe Rahmenbedingungen eingeschränkt.
•
Nur ein kleiner Teil unserer Bedürfnisse wird eine konkrete Kaufabsicht auslösen, insbesondere weil nicht alle Wünsche finanzierbar sind. Dabei hängen die Finanzierungsmöglichkeiten (f) vom (vergangenen, aktuellen und künftigen) Einkommen (y), von der
Kreditwürdigkeit, vom Sparguthaben und anderen Vermögenswerten ab.
•
Ein dritter Bestimmungsgrund sind sicherlich die Preise (p), und zwar der Preis des Gutes
im Vergleich zu den Preisen anderer (insbesondere ähnlicher) Güter. Von Bedeutung sind
auch die übrigen Angebotsbedingungen (at) wie Kundendienst, Zahlungsbedingungen,
Lieferfristen usw.
Beispiel:
Familie Klein möchte aus vielfältigen Gründen (Gewohnheit, Anzahl der Kleinkinder usw.)
eine Waschmaschine erwerben (Bedürfnis). Sie entscheidet sich für die Waschmaschine
CLEANIX. Bei dieser Entscheidung haben das verfügbare Einkommen und er Kontostand,
der Preis dieses Gerätes im Vergleich zu anderen Preisen ähnlicher Geräte, die sofortige
Mitnahmemöglichkeit und der Kundendienst vor Ort den Ausschlag gegeben.
Die von einem Gut nachgefragte Menge ist das Ergebnis einer individuellen Entscheidung.
Das Entscheidungsmodell beinhaltet eine Ausgangslage und Zielsetzung (hinsichtlich der Bedürfnisse) sowie die internen und externen Einschränkungen bezüglich des Mitteleinsatzes.
Abbildung 4: Nachfrage als Entscheidungsergebnis
Wetter
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Lage (Situation)
Beruf
Alter
Bedürfnisse
Entscheidung
Ziele
Angebotsbedingungen
Preis
Lieferzeiten
Service usw.
Einkommen
Kreditwürdigkeit
Vermögen usw.
Nachfrage
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Freundeskreis
Externe
Begrenzungen
Interne
Begrenzungen
Finanzierungsmöglichkeiten
…
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Aus dem großen Katalog der Bedürfnisse werden jene Wünsche ausgewählt, die man angesichts der knappen eigenen Finanzierungsmittel und unter Berücksichtigung der allgemeinen
Angebotsbedingungen konkret durch Güterkauf erfüllt sehen möchte. Die Bedürfnisbefriedigung ist das Ziel, die Nachfrage der Weg dorthin. Die beiden anderen Gründe – Finanzierungsmöglichkeiten und Vertragsbedingungen (Preise) – fordern eine Auswahlentscheidung,
denn sie beschränken die Möglichkeiten der Zielerfüllung.
5 Knappheit
Es ist eine allgemeine Lebenserfahrung, dass die verfügbaren und herstellbaren Güter nicht
ausreichen, sämtliche Wünsche danach zu erfüllen. Dieser Tatbestand heißt Knappheit. Dabei kann der Grad der Knappheit bei einem bestimmten Gut räumlich und zeitlich variieren.
Güter sind mehr oder weniger knapp.
Beispiele:
Parkplätze in der Innenstadt zu unterschiedlichen Zeiten.
Ferienwohnungen in der Hauptsaison und in der Vorsaison.
Knappe Güter (= wirtschaftliche Güter) liegen vor, wenn die verfügbare Menge nicht ausreicht, sämtliche Bedürfnisse danach zu befriedigen.
Im Ausnahmefall wird es zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten Güter geben, die in
ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Sie heißen freie Güter. So können Nordseewasser am Nordseestrand und Eis am Südpol als freie Güter gelten. Auch Luft und Wasser
werden hier häufig genannt, was allerdings schon nicht mehr generell zutrifft. Reine Luft und
sauberes Wasser werden weltweit immer mehr zu wirtschaftlichen Gütern.
Für ein freies Gut wird vernünftigerweise niemand einen Preis entrichten. Ist dagegen ein Gut
knapp, so sind Menschen gewillt, dafür zu bezahlen, um in den Genuss des Gutes zu gelangen. Sie verdrängen andere, die weniger (oder nichts) bezahlen wollen oder können. Je dringender das Bedürfnis empfunden wird, desto höher wird auch die Zahlungsbereitschaft sein.
Für knappe Güter existiert eine Zahlungsbereitschaft.
Knappe Güter haben einen Preis – aber nur bei freier Preisbildung. Die Schlussfolgerung, dass umgekehrt alle Güter, für die man tatsächlich keinen Preis entrichten muss, freie Güter sind, ist nicht zulässig.
So ist der Schulbesuch oder die Benutzung von Autobahnen für Pkw in Deutschland (noch) gebührenfrei.
Dennoch handelt es sich um knappe Güter, denn viele wären zur Bezahlung bereit. Indessen hat in all
diesen Fällen der Staat (die Mehrheit im Parlament) den Preismechanismus außer Kraft gesetzt und einen „Nulltarif“ beschlossen.
Der Tatbestand der Knappheit ist Ausgangspunkt des Wirtschaftens schlechthin. Erst hieraus
entstehen die beiden zentralen ökonomischen Probleme einer jeden Gesellschaft:
•
Distributionsproblem
Verteilungsproblem
Wer erhält wie viele Güter (Einkommen)?
Was ist gerecht?
•
Allokationsproblem
Verwendungsproblem
Wofür werden knappe Mittel (Ressourcen)
bestmöglich (optimal) eingesetzt?
Was ist effizient?
6 Verteilung
Aus dem Tatbestand der Knappheit resultiert, dass nicht alle Interessenten das begehrte Gut
erhalten können, einige Personen gehen zwangsläufig leer aus. Zu allen Zeiten und in allen
Wirtschaftsformen stellt sich daher das Verteilungsproblem.
Verteilungsproblem: Wer erhält das knappe Gut? Wer wird ausgeschlossen?
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Beispiel:
Die Ausgangslage kann man sich an diversen Beispielen konkret verdeutlichen.
− Bei einem sehr attraktiven Fußballspiel stehen 50.000 Plätze zur Verfügung, aber
70.000 Personen wollen eine Eintrittskarte erwerben. Wer muss draußen bleiben?
− Mehrere Sammler wollen eine sehr seltene Briefmarke erwerben. Wer bekommt sie?
− Für ein Sportstudium an einer dafür berühmten Hochschule gibt es deutlich mehr Bewerber als Studienplätze. Wer darf studieren?
− Viele Patienten benötigen eine Nierentransplantation; es gibt aber nur wenige Spendernieren. Wer wird operiert?
Das Verteilungsproblem ist immer auch ein Gerechtigkeitsproblem, was immer man unter diesem Begriff auch verstehen mag. Die wichtigsten ökonomischen Wertkategorien sind die
„Leistungsgerechtigkeit“ und die „soziale Gerechtigkeit“.
Abbildung 5: Verteilungsprinzipien
Das knappe Gut erhält …
Verteilungsprinzip
Anmerkung
… wer den höchsten Preis bezahlt
Markt
speziell: Auktion
… wer zuerst kommt
Warteschlange
… wer die Auswahlkriterien erfüllt
Zuteilung
speziell: Bezugsscheine
… wer die besten Kontakte hat
Beziehungen
Vetternwirtschaft
… wer Macht ausübt
Macht
legale und illegale Aneignung
7 Preise
In unserem Bewusstsein gilt der Preis1 als Knappheitsindikator, und aus dieser Information
resultieren ganz bestimmte Verhaltensweisen: Hohe Preise signalisieren große Knappheit und
regen zur Sparsamkeit an. Niedrige Preise signalisieren umgekehrt einen geringen Knappheitsgrad und verleiten zur Verschwendung.
Abbildung 6: Funktionen der Preise
Der Preis ist ein Knappheitsindikator
Informationsfunktion
Preise informieren über Knappheit (Angebot, Nachfrage, Markt)
Lenkungsfunktion
Preise steuern unser Verhalten, setzen Anreize für Einsparungen,
verleiten zu Sorgfalt oder auch Verschwendung
Verteilungsfunktion
Preise verteilen die Güter nach Kaufkraft und Kaufbereitschaft. Es
gilt das Ausschlussprinzip: „Wer nicht bezahlt, bekommt nichts“.
Der Preis ist Orientierungs- und Entscheidungsgröße für viele ökonomische Prozesse. Insbesondere sind Verteilungs- und Allokationsfrage aneinander gekoppelt, denn die Verteilungsprinzipen üben einen unterschiedlichen Anreiz aus, durch Produktionsausweitung die Knappheit zu mildern. Insofern stellt sich die Frage nach dem „richtigen“ Preise für eine „gerechte“
Distribution und eine „effiziente“ Allokation.
In marktwirtschaftlichen Ordnungen gehen wir grundsätzlich davon aus, dass Knappheitspreise, die sich auf funktionsfähigen Märkten durch Angebot und Nachfrage bilden, ihre Aufgaben
am besten erfüllen. Allerdings gibt es viele Ausnahmen davon.
Staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus reichen vom Verbot (z.B. Rauschgift) über die
Reduzierung der Nachfrage nach „schädlichen“ Gütern (z.B. Alkohol, Tabak, umweltschädigende Produkte) bis hin zur Stimulierung der Nachfrage nach „erwünschten“ Gütern (Katalysator, energiesparende Heizung). Für administrierte Preise mag es gute Gründe geben, doch
sollte man mögliche Konsequenzen bedenken:
1 Preise sind nicht nur die Güterpreise, sondern auch Lohn (Gehalt), Zins, Miete, Pacht, Wechselkurs,
Maut, Tarife und Gebühren.
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Abbildung 7: Typen der Preisbildung
Marktpreise
Knappheitspreise
Wettbewerb − Angebot und Nachfrage − freie Preise
Kartellpreise
Monopolpreise
Preisfestlegung ohne hinreichenden Wettbewerb aufgrund von
Marktmacht − Preisabsprachen
indirekt administrierte Marktordnungen − Preisregulierungen
Preise
Agrarprodukte (Fleisch, Milch, Brot, Zucker …)
quasi-administrierte
Preise
gezielt beeinflusste Preise (Verbrauchssteuern):
Mineralöl, Gas, Kaffee, Tabak, Alkohol, Miet(erhöhung)
teil-administrierte
Preise
Staatliches Mitspracherecht:
Strom, Post, Arzt, Rechtsanwalt, Notar, Makler, Steuerberatung,
Pflegeleistungen, …
direkt administrierte
Preise
Rundfunk und Fernsehen, Führerschein- und Parkgebühren, KfzSteuer, Studiengebühren, Friedhofsgebühren, Autobahnnutzung
(Maut), …
•
Erstens kommt es zu Umverteilungseffekten. Güterproduktion verursacht immer und überall Kosten. Wenn aber die Nutzer nicht oder nicht vollständig dafür unmittelbar zahlen,
muss die Finanzierung durch Andere erfolgen (Steuern, höhere Preise für andere Güter).
•
Zweitens ist die wichtige Signalfunktion des Preises als Knappheitsindikator geschwächt
oder gar völlig beseitigt. Es kann zu Fehllenkungen in der Wirtschaft kommen.
Der Zusammenbruch der Planwirtschaften in Osteuropa hat sicherlich eine wichtige ökonomische Ursache darin, dass viele Preise den Nutzeneinschätzungen der Haushalte nicht entsprachen. Ohne richtige Informationen kann es nun einmal keine richtigen Entscheidungen
geben. Falsche Preise setzen falsche Signale und schaffen falsche Produktionsstrukturen, je
länger desto schlimmer.
Beispiele:
Wenn warmes Wasser für die Heizung von Wohnungen dem Nutzer kein Geld kostet, sind
thermostatische Ventile an den Heizkörpern aus individueller ökonomischer Sicht überflüssig. Der Nulltarif signalisiert Überfluss, provoziert einen verschwenderischen Umgang und
bewirkt eine entsprechende Produktionsausweitung – oder Versorgungsengpässe.
In marktwirtschaftlichen Systemen unterstellen wir, dass es sich bei den Konsumentscheidungen um eine freie Entscheidung mündiger Personen handelt, die selbst am besten wissen,
was ihnen am meisten nützt. In ihrer Nachfrage dokumentiert sich ihre individuelle Bewertung
und jene Auswahl, die nach ihrer Meinung eine bestmögliche Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse darstellt. Wir erwarten zudem, dass sich Produktion und Güterangebot in der Marktwirtschaft auf die Bedienung der Nachfrage ausrichten. Sicherlich trifft diese Idealvorstellung
nicht immer zu. Gleichwohl gilt es, davon nur in begründeten Fällen abzuweichen.
In einer Marktwirtschaft reagieren Produktion und Angebot nicht auf die Bedürfnisse, sondern auf die (kaufkräftige) Nachfrage. Bedürfnisse ohne Kaufkraft bleiben unberücksichtigt.
Beispiele dafür, dass staatliche Eingriffe, die Preisfunktion als Knappheitsindikatoren sogar
stärken, entstammen vor allem aus dem Bereich der natürlichen Umwelt. Für die Nutzung natürlicher Ressourcen wird vielfach (noch) kein Preis entrichtet, meist weil kein direkter „Eigentümer“ vorhanden ist. So ist etwa die Entnahme von Wasser aus Flüssen oder die Nutzung
der Luft zu Produktionszwecken in weiten Bereichen noch immer „kostenlos“. Dies signalisiert,
dass ein sparsamer Umgang nicht erforderlich ist, was ökonomisch sogar richtig wäre, wenn
es sich tatsächlich um freie Güter handelte. Sind natürliche Ressourcen heute (und künftig)
indessen knappe und kostbare Güter, so muss die Gesellschaft als „Eigentümer“ durch (höhere) Preise die wirkliche Knappheit ausdrücken und den ökonomische Zwang zur sparsamen,
umweltschonenden Verwendung ausüben.
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Ergänzungen
E1 Nutzenfunktion
Der Nutzen ist der gemessene Grad an Bedürfnisbefriedigung durch Güterkonsum.
Eine Nutzenfunktion beschreibt den quantitativen Zusammenhang zwischen dem Nutzen
und den Gütermengen. Der Grenznutzen ist der Zusatznutzen, der einem Haushalt aus dem
Konsum einer zusätzlichen Gütereinheit erwächst. Mathematisch handelt es sich um die 1.
Ableitung der Nutzenfunktion1
Nutzenfunktion:
N = f(x1, x2, x3, ...., xn)
Ni′ =
Grenznutzen:
dN
dxi
Abbildung 8: Nutzenfunktion
30
250
Nutzen N
Grenznutzen dN:dx
25
200
20
150
15
dN
α
100
Menge
x
10
dx
5
50
0
Menge x
-5 0
0
0
2
4
6
8 10 12 14 16 18 20
2
4
6
8 10 12 14 16 18 20
-10
Menge
x
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Nutzen
N
0
18
56
104
150
188
212
222
222
214
202
dN:dx
−
9
19
24
23
19
12
0
5
-4
-6
Grenznutzen
Es gibt auch ein „Nutzengesetz“; es heißt „Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“ und wird
nach seinem Entdecker auch 1. GOSSEN´sche Gesetz genannt.
„Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit der Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritt.“ (Gossen,
1810 – 1858)
Das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen besagt, dass mit steigender Menge eines
Gutes der Zusatznutzen pro Einheit immer geringer wird.
Das klingt sehr plausibel. Nun können Sie in froher Runde Ihre Kenntnisse praxisgerecht verwerten. Endlich können Sie wissenschaftlich begründen, warum das 5. Bier (oder Glas Wein,
oder ...) nicht mehr ganz so gut schmeckt wie das 4. Bier. (Sollte es anders sein, befinden Sie
sich wahrscheinlich noch im anfänglichen Bereich der Kurve (Abbildung 10). Sie müssen nur
weiter machen). Und mit steigendem Bierkonsum wird Ihr Nutzen zwar noch ansteigen, der
Grenznutzen aber immer weiter abnehmen, irgendwann wahrscheinlich gleich Null werden
(Nutzenmaximum) und sogar negative Werte annehmen. Dann spätestens ist klar, dass jedes
weitere Bier mit ökonomisch rationalem Verhalten nicht mehr vereinbar ist. Vielleicht aber ist
es bei Ihnen auch ganz anders, denn ökonomische Gesetze sind bekanntermaßen räumlich,
zeitlich und nun auch noch personell sehr instabil.
1 Auf die Unterscheidung von Differenzenquotienten und Differentialquotienten sei hier verzichtet.
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Unabhängig von empirischen Messproblemen spielen der Nutzen und der Grenznutzen nicht
nur in der mikroökonomischen Haushaltstheorie, sondern auch in der Wirtschaftspolitik eine
gewisse Rolle. Ersetzt man Güter durch Geld und überträgt das Gesetz vom abnehmenden
Grenznutzen, dann kommt man zum Ergebnis:
Nimmt man reichen Personen Geld weg und gibt es armen Leuten, dann ist der Nutzenentgang beim Reichen geringer als der Nutzenzuwachs beim Armen, und die Summen beider
Nutzen steigt. Damit kann man etwa die Steuerprogression als Instrument zur Steigerung der
gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt begründen.
Das bisherige Modell mit nur einem Gut kann ist ohne Schwierigkeiten auf mehrere Güter erweiter werden. Bei „nur“ zwei Gütern kann man sehr schöne „Nutzengebirge“ zeichnen und
analysieren.
Es sei auch nicht verschwiegen, dass natürlich ein 2. GOSSEN´sche Gesetz existiert, das die
optimale Konsumstruktur unter Einbeziehung der Güterpreise ableitet. Sie erreichen Ihr Nutzenmaximum, wenn Sie die Grenznutzen für alle Güter, jeweils geteilt durch den Güterpreis
gleich machen (Grenznutzenausgleichsregel).
„Der Mensch, dem die Wahl zwischen mehren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht
ausreicht, alle vollaus sich zu bereiten, muss, wie verschieden auch die absolute Größe
dieser Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses zum Größten zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollaus bereitet, sie alle teilweise bereiten, und zwar in
einem solchen Verhältniß, daß die Größe eines Genusses in dem Augenblick, in welchem
seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt.“ (Gossen 1854)
Damit kennen Sie nun auch die Entscheidungsregel zur Herstellung einer optimalen Mengenkombination von Wasser und Wein. Viel Spaß bei Ihren empirischen Experimenten.
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E2 Nachfragefunktion
Die von einem Gut nachgefragte Menge ist das Ergebnis einer individuellen Entscheidung in
Abhängigkeit von den Entscheidungsgründen. Diese Ursache-Wirkungs-Beziehung kann man
als eine Funktion in mathematischen Schreibweise formulieren:
Die Menge (x) der Nachfrage (NE) nach einem Gut ist abhängig von Finanzierungspotential
(f), von den Angebotsbedingungen (at) und der Bedarfsstruktur (b).
Allgemeine Nachfragefunktion: xNE = f(at,f,b)
Begrenzt man das Finanzierungspotential auf das Einkommen (y) und die Vertragsbedingungen auf den Preis (p), so erhält man eine reduzierte (vereinfachte) Nachfragefunktion:
Vereinfachte Nachfragefunktion:
xNE = f(p,y,b)
Diese formalisierte „Schreibweise“ ist auch in den Wirtschaftswissenschaften weit verbreitet;
wir benötigen Sie an vielen Stellen. Selbstverständlich ist diese Nachfragefunktion noch weitgehend inhaltsleer und in dieser umfassenden Form auch nicht empirisch messbar. In einem
weiteren Schritt werden deshalb Teilfunktionen jeweils „unter sonst gleichen Bedingungen“
(ceteris paribus) formuliert; so insbesondere:
Preisabhängigkeit der Nachfrage
Einkommensabhängigkeit der Nachfrage
xNE = f(p) ceteris paribus
xNE = f(y) ceteris paribus
Mögliche Funktionsverläufe zeigen die beiden nachfolgenden Abbildungen1. Sie enthalten allein die Wirkung eines einzigen Bestimmungsgrundes (p bzw. y) auf die Nachfragemenge. Die
übrigen Bestimmungsgründe prägen Lage und Form der Funktion.
Abbildung 9: Nachfragefunktionen − Preisabhängigkeit
p
Preis
Preis
p
x
x
Menge
Menge
Abbildung 10: Nachfragefunktionen − Einkommensabhängigkeit
Menge
Menge
x
y
Einkommen
Einkommen
Offen lassen wir an dieser Stelle, ob man konkretere Aussagen über den Typ und die Parameter solcher Funktionen formulieren kann. Hier soll nur ein erster „Gewöhnungsprozess“ an
diese funktionale Darstellungsart eingeleitet werden.
1 Bei der Preisabhängigkeit der Nachfrage (linkes Diagramm) steht üblicher die Menge auf der x-Achse.
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