Die Auswirkungen des sozioökonomischen Hintergrundes auf Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund Eine Detailanalyse auf Basis der PISA-2003 Daten MAGISTERARBEIT Zur Erlangung der Magistergrades an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Salzburg Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Kultursoziologie Gutachter: Ass.Prof. DDr. Günter Haider Eingereicht von HERBERT NEUREITER Salzburg 2007 Vorwort Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei all jenen Menschen, die mir dabei geholfen haben, neben meiner beruflichen Tätigkeit als Hauptschullehrer Erziehungswissenschaften zu studieren. Ein besonderer Dank gilt besonders meiner Frau Sabine und meinen beiden Töchtern Nina und Magdalena. Sie unterstützten mich während meines Studiums dadurch, dass sie mir den nötigen Freiraum zur Verfügung stellten, der für mich notwendig war, um mich in meiner Freizeit voll auf das Studium konzentrieren zu können. Ein weiterer Dank gilt Herrn Ass.Prof.DDr. Günter Haider, der mich beim Verfassen der Magisterarbeit betreut hat und mir zahlreiche Tipps und Anregungen gab. Danken möchte ich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Projektzentrums für vergleichende Bildungsforschung“, die mir bei Fragen jederzeit bereitwillig mit Auskunft und Hilfestellungen zur Verfügung standen. Allem voran bei Frau Mag.a Dr.in Claudia Schreiner, die mir neben Herrn DDr. Haider die Mitarbeit am Forschungszentrum ermöglichte. Diese Mitarbeit gewährte mir interessante Einblicke in den wissenschaftlichen Alltag und ermöglichte mir so, wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Inhalt Inhaltsverzeichnis 1. Problemdarstellung ........................................................................................................... 1 2. Die Gruppierung der Gesellschaft .................................................................................... 8 2.1. Klassen- und Schichtkonzepte ............................................................................................ 8 2.2. Klassenmodelle..................................................................................................................... 8 2.2.1. 2.2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.5. 3. Das Fünf-Schichten-Modell von Theodor Geiger (1891 – 1952).................................................. 13 Das Haus-Modell der Schichtung von Dahrendorf ....................................................................... 14 Weitere Schichtmodelle nach Moore & Kleining, Scheuch und Bolte ......................................... 16 Lebensstile und Milieus ..................................................................................................... 18 Lebensstile..................................................................................................................................... 18 Die SINUS-Milieus ....................................................................................................................... 19 Klassen und Lebensstile in einem Modell: Der soziale Raum bei Bourdieu (1930 – 2002) ......... 21 Die sozialen Lagen.............................................................................................................. 23 3.1. Die Definition sozialer Ungleichheit ................................................................................. 26 3.2. Theorien und Modelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem . 28 Effekte familialer Sozialisation von Pierre Bourdieu.................................................................... 28 Erklärungsmodell der Entwicklung ungleicher Bildungschancen von Raymond Boudon............ 29 Die Sozialisationstheorie von Talcott Parson................................................................................ 31 Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrunds ... 33 Modelle der Schulleistung und ihrer Determinanten..................................................................... 35 Die internationale Schulleistungsstudie PISA – Ein Überblick.................................... 41 4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6. 4.1.7. 4.1.8. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.2.7. 4.2.8. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 5. Schichtmodelle.................................................................................................................... 12 Das Konstrukt der „Sozialen Ungleichheit“ .................................................................. 26 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.2.5. 4. Karl Marx (1818 – 1883) ................................................................................................................ 9 Max Weber (1864 – 1920) ............................................................................................................ 10 Grundlegendes zu PISA .................................................................................................... 41 Entwicklung und Hintergrund ....................................................................................................... 41 Merkmale ...................................................................................................................................... 42 Drei Gruppen von aus PISA resultierenden Indikatoren ............................................................... 43 Die Zielgruppe .............................................................................................................................. 44 Datenerhebung .............................................................................................................................. 45 Das Assessmentdesign .................................................................................................................. 46 Datenerhebung, Dateneingabe und -verarbeitung ......................................................................... 47 Die PISA-Skala zur Leistungsmessung......................................................................................... 47 Die Erfassung der sozialen Herkunft ............................................................................... 49 Berufsklassifikationen................................................................................................................... 51 Die internationale Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) ..................................... 54 Die internationale Berufsprestige-Skala von Treiman (SIOPS) .................................................... 57 Die internationale Skala des sozio-ökonomischen Status von Ganzeboom et al. (ISEI)............... 59 Die Messung nominaler Klassenkategorien (EGP) ....................................................................... 60 Das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA.............................................. 62 Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) ............................ 65 Die Erfassung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund in PISA ......................................... 65 Frühere Untersuchungsergebnisse über österreichische Schüler/innen ....................... 69 … mit niedriger sozio-ökonomischer Herkunft............................................................................. 70 … mit Migrationshintergrund ....................................................................................................... 71 Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund ...................................................... 76 5.1. Fragestellung ...................................................................................................................... 77 Inhalt 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3. 5.2.4. 5.2.5. 5.2.6. Beschreibung der Vergleichsstichproben ........................................................................ 80 Familienzusammensetzung und Vollständigkeit der Schülerinnen und Schüler ........................... 84 Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern.................................................................................... 85 Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation der Mutter .................................................. 86 Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation des Vaters................................................... 89 Höchster berufliche Status und Ausbildung der Eltern ................................................................. 92 Repetentenquote der Schüler/innen............................................................................................... 94 5.3. Unterschiede hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen................... 95 5.4. Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Schülerleistungen . 98 5.4.1. 5.4.2. 5.4.3. 5.4.4. 5.5. 5.5.1. 5.5.2. 5.5.3. 5.6. 5.6.1. 5.6.2. 5.7. 5.7.1. 5.7.2. 5.8. 5.8.1. 5.8.2. 5.8.3. 5.8.4. 5.8.5. 5.8.6. Mittelwertvergleiche der vier getesteten Domänen....................................................................... 98 Zusammenhang zwischen Leistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund ..................... 100 Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen und dem sozioökonomischen Status ............. 108 Zusammenfassung....................................................................................................................... 110 Mittelwertsvergleich: Schülerleistungen in vier Mathematikbereichen ..................... 112 Beschreibung der vier Mathematik-Subskalen............................................................................ 112 Mittelwertvergleich beider Vergleichsgruppen in vier Mathematik-Subskalen .......................... 114 Zusammenfassung....................................................................................................................... 116 Schulspartenvergleich: Auswirkungen des Migrationshintergrundes........................ 118 Mittelwertvergleich der Schülerleistungen mit und ohne Migrationshintergrund....................... 118 Zusammenfassung....................................................................................................................... 123 Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in Bezug auf Extremgruppen .. 125 Migrant/innen: Mittelwertvergleich der Extremgruppen............................................................. 125 Zusammenfassung....................................................................................................................... 127 Länderübergreifende Analyse (Leistungsvergleich in allen vier Domänen) .............. 128 Beschreibung der Stichprobe....................................................................................................... 128 Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Mathematik .......................... 131 Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Lesekompetenz ............................................. 134 Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Naturwissenschaft......................................... 137 Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Problemlösen ................................................ 140 Zusammenfassung....................................................................................................................... 142 6. Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................... 144 7. Resümee und Ausblick .................................................................................................. 150 Literatur:................................................................................................................................ 155 Inhalt Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Arbeitslose nach Bildungsabschluss ................................................................................................. 2 Abbildung 2: Gliederung nach Berufsabteilung ..................................................................................................... 3 Abbildung 3: Höchste abgeschlossene Ausbildung der Erwerbstätigen nach Geburtsland.................................... 6 Abbildung 4: Klassenkonzept von Weber.............................................................................................................. 11 Abbildung 5: Schichtmodell von Geiger ............................................................................................................... 13 Abbildung 6: Die soziale Schichtung in Deutschland nach Dahrendorf (1965) ................................................... 14 Abbildung 7: Schichtenaufbau in Deutschland nach Moore/Kleining .................................................................. 16 Abbildung 8: Soziale Schichtung nach Scheuch (1961) ........................................................................................ 17 Abbildung 9: Das Zwiebel-Modell von K. M. Bolte (1967) .................................................................................. 17 Abbildung 10: Die SINUS-Milieus........................................................................................................................ 20 Abbildung 11: Soziale Lagen nach Habich & Noll ............................................................................................... 24 Abbildung 12: Das Kausalmodell der Erziehung von Parson .............................................................................. 32 Abbildung 13: Komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten (Helmke & Weinert) ................................. 36 Abbildung 14: Bedingungen von Schulleistungen (Baumert et al.)....................................................................... 39 Abbildung 15: Die Zyklen von PISA ..................................................................................................................... 43 Abbildung 16: In Österreich getestete Schultypen ................................................................................................ 45 Abbildung 17: Die Instrumente im Überblick ....................................................................................................... 46 Abbildung 18: ISCO-88Gliederungsebenen mit einem Beispiel ........................................................................... 52 Abbildung 19: ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien ................................................................................ 53 Abbildung 20: Berufshauptgruppen der ISCO-88 und skill levels ........................................................................ 54 Abbildung 21: Levels of Education ....................................................................................................................... 55 Abbildung 22: ISCED Kategorien (PISA Stichprobenstratifizierung auf Österreich bezogen) ............................ 57 Abbildung 23: Die Kategorien der EGP-Klassen ................................................................................................. 61 Abbildung 24:Migrationshintergrund der österreichischen Schüler/innen .......................................................... 66 Abbildung 25: Zusammensetzung der Stichprobe ................................................................................................. 81 Abbildung 26: Verteilung auf Schulsparten .......................................................................................................... 82 Abbildung 27: Familienzusammensetzung............................................................................................................ 84 Abbildung 28: ISCO Code der Mutter .................................................................................................................. 86 Abbildung 29: ISCED der Mutter ......................................................................................................................... 87 Abbildung 30: Beschäftigungssituation der Mutter .............................................................................................. 88 Abbildung 31: ISCO Code des Vaters................................................................................................................... 89 Abbildung 32: ISCED des Vaters.......................................................................................................................... 90 Abbildung 33: Beschäftigungssituation des Vaters............................................................................................... 91 Abbildung 34: Höchster berufliche Status der Eltern ........................................................................................... 92 Abbildung 35: Höchste schulische Ausbildung der Eltern.................................................................................... 92 Abbildung 36: Repetentenquote ISCED 1 ............................................................................................................. 94 Abbildung 37: Repetentenquote ISCED 2 ............................................................................................................. 95 Abbildung 38: Gradientenvergleich Mathematik................................................................................................ 102 Abbildung 39: Gradientenvergleich Lesekompetenz........................................................................................... 104 Abbildung 40: Gradientenvergleich Naturwissenschaft ..................................................................................... 105 Abbildung 41: Gradientenvergleich Problemlösen............................................................................................. 106 Abbildung 42: Gradientenvergleich von Mathematik und dem SES ................................................................... 108 Abbildung 43: Gradientenvergleich von Lesen und SES .................................................................................... 110 Abbildung 44: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen.................................... 115 Abbildung 45: Schulspartenvergleich Mathematik ............................................................................................. 118 Abbildung 46: Schulspartenvergleich Lesekompetenz ........................................................................................ 120 Abbildung 47: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft................................................................................... 121 Abbildung 48: Schulspartenvergleich Problemlösen .......................................................................................... 122 Abbildung 49: Extremgruppenvergleich ............................................................................................................. 126 Abbildung 50: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Mathematik................................... 131 Abbildung 51: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Lesekompetenz.............................. 135 Abbildung 52: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Naturwissenschaft ........................ 138 Abbildung 53: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Problemlösen................................ 140 Inhalt Tabellenverzeichnis: Tabelle 1: Stichprobenvergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen .............................................. 96 Tabelle 2: Vergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen................................................................. 97 Tabelle 3: Mittelwertvergleiche der vier Domänen .............................................................................................. 98 Tabelle 4: Korrelation zwischen den Schülerleistungen und dem ESCS ............................................................ 100 Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und ESCS ............................................ 103 Tabelle 6: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und ESCS ....................................... 104 Tabelle 7: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und ESCS .................................. 106 Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Problemlösen und ESCS ......................................... 107 Tabelle 9: Zusammenhang zwischen dem SES und den Leistungen.................................................................... 109 Tabelle 10: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen ........................................ 114 Tabelle 11: Korrelationskoeffizienten zwischen den vier Subskalen und dem HISEI ......................................... 116 Tabelle 12: Schulspartenvergleich Mathematik.................................................................................................. 119 Tabelle 13: Schulspartenvergleich Lesekompetenz............................................................................................. 120 Tabelle 14: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft ....................................................................................... 121 Tabelle 15: Schulspartenvergleich Problemlösen............................................................................................... 122 Tabelle 16: Extremgruppenvergleich.................................................................................................................. 126 Tabelle 17: Länderübergreifende Migrationsstruktur ........................................................................................ 129 Tabelle 18: Ländervergleich: Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status ..................................... 130 Tabelle 19: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Mathematik..................................................................... 131 Tabelle 20: Zusammenhang zwischen Leistungen in Mathematik und dem sozioökonomischen Status ............. 133 Tabelle 21: Korrelationskoeffizienten des HISEI und der Lesekompetenz ......................................................... 134 Tabelle 22: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Lesen und dem SES ................................. 136 Tabelle 23: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Naturwissenschaft .......................................................... 137 Tabelle 24: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Naturwissenschaft und dem SES ............. 139 Tabelle 25: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Problemlösen.................................................................. 140 Tabelle 26: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Problemlösen und dem SES .................... 141 Kapitel 1: Problemdarstellung 1. Problemdarstellung „Zu den wichtigsten bildungspolitischen Zielen demokratischer Gesellschaften gehört es, allen Heranwachsenden gleich gute Bildungschancen zu geben, sie individuell optimal zu fördern und gleichzeitig soziale, ethische und kulturelle Disparitäten der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs auszugleichen.“ (Baumert & Schümer, 2001, S. 323) Seit Beginn der 60er Jahre war das Thema Bildung und soziale Ungleichheit eines der dominanten Themen der fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion. Bildungspolitische Bemühungen waren um die Herstellung der Chancengleichheit bemüht (vgl. Ditton, 1992, S. 7). Chancengleichheit kann auch als „verallgemeinerte Chancengerechtigkeit“ bezeichnet werden, die dann verwirklicht wird, wenn die „gleich leistungsstarken und gleich stark vom Elternhaus geförderten Kinder aus verschiedener Schichten dem Anteil dieser Schichten an der Gesamtbevölkerung entsprechend bei einem bestimmten Schulabschluss vertreten“ sind (Meulemann, 1979, S. 18). Empirische Erhebungen weisen immer noch nach, dass zwar die Bildungsbenachteiligung der Mädchen beseitigt ist, aber das Gefälle zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft unverändert besteht (Ditton, 1992, S. 8). Die stattgefundene Bildungsexpansion hat zu keiner Aufhebung oder wesentlichen Reduzierung der sozialen Ungleichheit geführt. Begründet wird es damit, weil von der Bildungsexpansion alle Schichten profitiert haben. Diese Ungleichheit der Bildungschancen wird nur auf ein höheres Gesamtniveau schulischer Bildung transponiert (vgl. Ditton, 1995, S. 94f). Die Verlierer der Bildungsexpansion sind Abgänger ohne Schulabschluss, Personen mit Migrationshintergrund und einzelne ethnische Gruppen (vgl. Ditton, 1995, S. 103). Die Ergebnisse von PISA 2003 („Programme for International Student Assessment“) zeigen ebenfalls, dass zwischen der beruflichen Stellung der Eltern und den Leistungen der Schülerinnen und Schülern ein starker Zusammenhang besteht. Gleichzeitig konnte -1- Kapitel 1: Problemdarstellung aber auch gezeigt werden, dass schlechte schulische Leistungen keine automatische Folge der Herkunft aus einem sozial benachteiligten Milieu sind (vgl. OECD, 2004, S.188). Ebenfalls nachgewiesen konnte eine Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund werden, die mit ihren Leistungen in der Tendenz unter dem Durchschnitt der Leistungen der einheimischen Schüler liegen (vgl. OECD, 2004, S. 191). In Österreich lässt sich bei einem durchschnittlichen Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Mathematik-Kompetenz ein mittleres Leistungsniveau erkennen (vgl. Haider & Reiter, 2004, S. 138). Je höher die Bildung, desto besser die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das Arbeitsmarktservice meldet für Österreich im Juli 2006 196 699 Jobsuchende (vgl. AMS, 2006a). Abbildung 1 gliedert die Anzahl der Arbeitslosen nach dem Bildungsabschluss auf (vgl. AMS, 2006b). Fast die Hälfte aller Jobsuchenden (44.8%) weist einen Pflichtschulabschluss auf. Ein weiteres Drittel (32.7%) nur einen Lehrabschluss. Anteilsmäßig entfallen rund 77% auf Personen ohne abgeschlossene Schule, Personen mit Pflichtschulabschluss oder Lehrabschluss. Abbildung 1: Arbeitslose nach Bildungsabschluss Höchste abgeschlossene Ausbildung Pflichtschule Lehre Mittlere technisch-gewerbliche Schule Mittlere kaufmännische Schule Sonstige mittlere Schule AHS Höhere technisch-gewerbliche Schule Höhere kaufmännische Schule Sonstige höhere Schule Akademie (Pädak u.ä.) Fachhochschule Universität, Hochschule Ungeklärt Insgesamt Quelle: AMS, Hauptverband, Juli 2006 Arbeitslosenbestand 88.184 64.373 1.075 6.001 6.291 7.019 4.018 3.684 5.486 1.315 718 7.755 780 196.699 Anteil 44.8% 32.7% 0.5% 3.1% 3.2% 3.6% 2.0% 1.9% 2.8% 0.7% 0.4% 3.9% 0.4% 100.0% Geschieht die Gliederung nach Berufsabteilungen (vgl. Abb. 2), so lässt sich leicht erkennen, dass mit 63 061 Jobsuchenden die größte Anzahl sich in der Abteilung „Indus- -2- Kapitel 1: Problemdarstellung trie und Gewerbe befinden. Die Berufsabteilungen „Dienstleistungen“ (39 500 Personen), „Handel und Verkehr“ (33 470 Personen) und „Verwaltung und Büro“ (33 192 Personen) folgen mit bereits beträchtlichem Abstand (vgl. BALI, 2006). Abbildung 2: Gliederung nach Berufsabteilung Berufsabteilungen Land- und Forstwirtschaft Industrie, Gewerbe Handel, Verkehr Dienstleistungen Technische Berufe Verwaltung, Büro Gesundheit, Lehrberuf Unbestimmt Inländer, Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Inländer Ausländer Aktuell 2.058 318 50.995 12.066 29.942 3.528 30.137 9.363 7.475 584 31.132 2.060 15.074 1.704 163 100 +/- Vorjahr (abs) -34 -39 -5.973 -1.743 -1.812 -213 -286 -374 -863 -91 -2.726 -46 -21 77 -22 -30 +/- Vorjahr (%) -1.6 -10.9 -10.5 -12.6 -5.7 -5.7 -0.9 -3.8 -10.4 -13.5 -8.1 -2.2 -0.1 4.7 -11.9 -23.1 Quelle: BALI, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Juli 2006 Insgesamt waren von den 196 699 arbeitslos gemeldeten Personen 166 976 (84.9%) Inländer und 29 723 (15.1%) Ausländer. Die Anzahl der als unselbstständig jobsuchenden Ausländer lässt sich aber nicht mit der Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund gleich setzen, da alle Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft als Inländer zählen. Der „wahre“ Anteil der jobsuchenden Personen mit Migrationshintergrund lässt sich also aus den Statistiken des Arbeitsmarktservices oder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht ermitteln. Da der Bildungserfolg immer noch vom sozioökonomischen Hintergrund abhängig ist, und dieser Bildungserfolg maßgeblich über die Schullaufbahn und die berufliche Ausbildung und davon abhängig den zukünftigen Einkommenserwerb und sozialen Status entscheidet, ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines Bildungssystems, die Stärke dieses Zusammenhangs zu vermindern. Leistungsunterschiede können verschiedentlich begründet werden: Wo liegt diese Schule und welchen Einzugsbereich hat sie? Wo ist das nächstgelegene Gymnasium? Sozio- -3- Kapitel 1: Problemdarstellung grafische Determinanten der Bildungsbeteiligung, basierend auf der Volkszählung 2001 (vgl. Bauer, 2005, S. 114) zeigen an der „zweiten großen Schnittstelle“ (Übertritt von der unteren in die obere Sekundarstufe) regionale Diskrepanzen. Je „ländlicher“ eine Gemeinde, desto höher ist der Anteil der Jugendlichen, die eine Lehre absolvieren. Regionale Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des Schultyps. Der Trend zu berufsbildenden höheren Schulen ist auch in den größeren Städten unübersehbar, die Allgemeinbildende Höhere Schule ist aber bei den 15- bis 19-jährigen prozentuell stärker vertreten als im ländlichen Raum. Welchen sozioökonomischen Hintergrund haben die meisten Schülerinnen und Schüler? Bauer (2005, S. 115f) weist ebenfalls auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund und der Ausbildung der Kinder hin, wobei dem Bildungshintergrund das größte Gewicht zufällt. Betrachtet man die Zusammensetzung aller jener Schülerinnen und Schüler, die in Österreich die Hauptschule absolvieren, so lässt sich erkennen, dass 55.6% davon aus Familien kommen, deren Vater bzw. die alleinerziehende Mutter selbst eine Lehrlingsausbildung oder nur die Pflichtschule (21.8%) abgeschlossen hat. Hingegen weisen in den Allgemeinbildenden Höheren Schulen 31.8% der Erziehungsberechtigten als höchste abgeschlossene Ausbildung eine Lehrlingsausbildung und 8.5% eine Allgemeinbildende Pflichtschule auf (vgl. Bauer, 2005, S. 117). Kinder aus Migrantenfamilien sind ebenfalls in höheren Schulen unterrepräsentiert. Kinder, deren Vater bzw. alleinerziehende Mutter die türkische bzw. die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten Jugoslawiens besitzt, besuchen zu vier Fünftel die Hauptschule und sind auch häufiger in den Sonderschulen zu finden (vgl. Bauer, 2005, S. 118). Ein weiterer Aspekt für Leistungsunterschiede ist die Qualität der Schule. Unter diesem Schlagwort sind auch sozial weniger selektive Schulen zu sehen (Ditton, 1995, S. 114). Denn Schulen machen einen Unterschied und die Wirkungen gleicher schulischer Bedingungen können für verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich sein (vgl. Ditton, 1992, S. 106). -4- Kapitel 1: Problemdarstellung Leistungsunterschiede gibt es aber nicht nur zwischen den Schulen, sondern auch innerhalb der Schulen. Weitere Gründe für Leistungsunterschiede könnten also lauten: Wie ist die ethnische Zusammensetzung der Klasse? Wie effizient ist die Klassenführung? Wie gut durchstrukturiert unterrichtet der oder die Lehrer/in? Wie gut auf den einzelnen Bedürfnissen ist das Lehr- und Lerntempo angepasst? Wie positiv ist das Beziehungsverhältnis zwischen Lehrer/in und Schüler/in? Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wichtige Determinanten der Schulkarriere der Bildungsgrad, das Einkommen der Eltern und das kulturelle Milieu im Elternhaus sind. Bei Kindern mit Migrationshintergrund müssen diese Determinanten mit folgenden erweitert werden: Erfahrungen im Herkunftsland, Nationalitätenzugehörigkeit, das Einreisealter der Kinder, die ethnische Konzentration in der Wohnumgebung oder die vorgefundenen Bedingungen im Schulsystem des Aufnahmelandes (vgl. Esser, 1989, S. 317f). 2003 wurden zum zweiten Mal in 41 Ländern im Rahmen der von der OECD getragenen Schulleistungsstudie PISA 15- / 16-Jährige Schülerinnen und Schüler ge-testet. Ziel dieser Schulleistungsstudie ist es zu untersuchen, wie gut diese Altersgruppe, die sich am Ende ihrer Pflichtschullaufbahn befindet, auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet ist (vgl. OECD, 2004, S. 20). Diese internationale Schulleistungsstudie beinhaltet in den Schüler- und Schulfragebogen auch eine Reihe von Variablen, die den Einfluss persönlicher Faktoren und Kontextbedingungen messen sollen (vgl. Haider & Reiter, 2003, S. 140). Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass die Faktoren Geschlecht, Migrationshintergrund und Familienstruktur einen durchschnittlichen Einfluss auf die Mathematik-Kompetenz haben. Trotz statistischer Kontrolle wirken sich die Ergebnisse besonders negativ auf Schüler/innen aus, wenn sie aus einer Immigrantenfamilie stammen. Die vorliegende Arbeit soll auf Basis dieser Variablen den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen untersuchen. Aus der Gesamtstichprobe aller österreichischen Schülerinnen und Schüler wird eine Teilstichprobe herausgenommen. Diese zu untersuchende Teilstichprobe wird auf zwei weitere -5- Kapitel 1: Problemdarstellung Teilstichproben aufgeteilt. Eine Teilstichprobe umfasst alle österreichischen Schülerinnen und Schüler mit und die andere alle ohne Migrationshintergrund. Alle Angehörigen dieser zwei Teilstichproben haben eine Gemeinsamkeit: Sie erreichen auf der von PISA durch den ISEI (International Socio-Economic Index) charakterisierter Indexskala einen Maximalwert von 35. Dieser Wert entspricht bei den Werten dieser Skala, die von 16 bis 90 reichen, dem unteren Quartil. Anders ausgedrückt: Alle Schüler/innen sind Angehörige der unteren Gesellschaftsschicht. Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchungsarbeit lautet: Sind die Ursachen des Leistungsabstandes der Schüler/innen mit Migrationshintergrund zu den Schüler/innen ohne Migrationshintergrund ein Integrationsproblem oder „Schichtenproblem“? Diese Frage lässt sich aufgrund der Tatsache stellen, dass in Österreich der Bildungshintergrund der Migrant/innen, besonders derer aus der Türkei, eher niedrig ist: Abbildung 3, deren Berechnung auf Grundlage der Volkszählung 2001, Tabelle 14 (vgl. Statistik Austria, 2005a) beruht, zeigt eindrucksvoll, dass fast 92% aller Migrant/innen aus dem ehemaligen Jugoslawien als höchste Ausbildung maximal eine Reifeprüfung aufweisen. Bei Migrant/innen aus der Türkei sind es über 96%. Dem gegenüber stehen fast 74% der in Österreich geborenen Erwerbstätigen im Alter von 25 bis 64 Jahren. Abbildung 3: Höchste abgeschlossene Ausbildung der Erwerbstätigen nach Geburtsland Insgesamt Österreich Jugoslawien (ohne Slowenien Türkei Insgesamt 3 382 217 2 868 590 189 690 68 901 % 84.8 5.6 2.0 ISCED 2 706 472 479 674 104 356 54 374 % 20,9 16,7 55,0 78,9 ISCED 3 1 820 473 1 638 485 69 189 11 985 % 53.8 57.1 36.5 17.4 Quelle: Statistik Austria, 2006, eigene Berechnung Die Arbeit gliedert sich in 6 weitere Kapitel: In Kapitel 2 werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung sozialer Herkunft und deren zentralen Begriffe genau beschrieben. Es wird einen Überblick über die älteren und neueren Ansätze zur sozialen Ungleichheit gegeben. Herausgearbeitet werden die verschiedenen Begriffe wie Klassen, Schichten, Lebensstile und Milieus. -6- Kapitel 1: Problemdarstellung Kapitel 3 beginnt mit der Beschreibung des Konstruktes der „Sozialen Ungleichheit“. Anschließend werden die möglichen Ursachen für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung beschrieben. Verschiedene Modelle und Theorien der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem werden dabei zur Erklärung herangezogen. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf die Schulleistungen. In Kapitel 4 wird erklärt, was die internationale Schulleistungsstudie PISA ist, welches Ziel diese Studie hat und was dabei gemessen werden soll. Es wird einen kurzen Überblick über den Ablauf, das Assessmentdesign und der Internationalen PISA-Skala am Beispiel der Mathematik-Kompetenz gegeben. Ein weiterer Abschnitt dieses Kapitels beschreibt das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA. Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse früherer Untersuchungen zu Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund dargestellt. Kapitel 5 erläutert die Fragestellung des empirischen Teils dieser Magisterarbeit. Einleitend erfolgt eine deskriptive Beschreibung der beiden Vergleichsstichproben. Danach werden Unterschiede zwischen beiden Vergleichsstichproben hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen herausgearbeitet und Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Hintergrund und Schülerleistungen empirisch analysiert. Zum Abschluss wird eine länderübergreifende Zusammenhangsanalyse zwischen dem sozioökonomischen Status und den Leistungen in allen vier Domänen mit den Ländern Österreich, Deutschland, Schweiz und Dänemark durchgeführt. Kapitel 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen. In Kapitel 7 wird anhand der Erkenntnisse dieser Arbeit ein Resümee gezogen. Es werden technologische Empfehlungen für die Bildungspolitik gegeben, die zur Verbesserung der Chancengleichheit beitragen sollen. -7- Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft 2. Die Gruppierung der Gesellschaft Ziel dieses Kapitels ist es, die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung sozialer Herkunft und deren zentralen Begriffe genau zu beschrieben. Es wird einen Überblick über die älteren und neueren Ansätze zur sozialen Ungleichheit geben. Herausgearbeitet werden die verschiedenen Begriffe wie Klassen, Schichten, Lebensstile, Milieus und soziale Lagen. 2.1. Klassen- und Schichtkonzepte Für das Überleben des einzelnen Individuums war es von Anbeginn der Menschheit entscheidend, sich in Gruppen zusammen zu schließen. Seit diesem Zeitpunkt waren bestimmte Menschen der Gesellschaft besser als andere gestellt. Der Begriff soziale Ungleichheit bezieht sich auf dieses Phänomen. „Unter sozialer Ungleichheit versteht man die asymmetrische Verteilung knapper und begehrter Güter auf gesellschaftliche Positionen und so entstehende vorteilhafte bzw. nachteilige Lebensbedingungen von Menschen. S. U. meint demnach nicht bloß Verschiedenartigkeit, sondern Verschiedenwertigkeit von Lebensbedingungen.“ (Reinhold, Lamneck & Recker, 1991, S. 531). Um die soziale Ungleichheit bzw. die vertikale Struktur einer fortgeschrittenen Gesellschaft besser verstehen zu können, werden Klassen- und Schichtungsmodelle benutzt. Klassenmodelle erklären die Herausbildung von Gruppen und Schichtungsmodelle beschreiben die Struktur sozialer Ungleichheit (vgl. Hradil, 1987, S. 7). 2.2. Klassenmodelle Mitte des 19. Jahrhunderts wurde zum ersten Mal versucht, die soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft zu erklären. Eine Definition erklärt Klasse im Rahmen einer dichotomen Betrachtung, in der sich Gruppierungen mit entgegengesetzten Meinungen, Lebensbedingungen und Machtstellungen gegenüber stehen (Reinhold et al., 1991, S. 299). Eine andere Definition bezeichnet die Klasse als ein „soziales Subjekt, dessen Mitglieder sich durch eine strukturell gleiche Stellung im Wirtschaftsprozeß und damit -8- Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft durch eine ähnliche soziales Lage („K.nlage“), durch gemeinsame Interessen, und unter bestimmten Bedingungen auch durch ein gemeinsames Bewußtsein dieser Lage („K..nbewußtsein“) auszeichnet (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 332). Klassenkonzepte sind ökonomisch begründete Sozialstrukturkonzepte. Sie gehen alle davon aus, dass die wesentlichen Ursachen der sozialen Ungleichheit ökonomischer Natur sind (vgl. Hradil, 1987, S. 69). Die Stellung von Menschen im Arbeitsprozess gilt als Hauptkriterium. Die Bestimmung der Klassenzugehörigkeit passiert in erster Linie über die Stellung des Einzelnen im gesellschaftlichen Arbeits- und Produktionsprozess (vgl. Kreckel, 1983, S. 3). Ebenso gehen alle Klassenkonzepte von bestimmten Ursachenvermutungen aus und erfassen soziale Ungleichheiten nur, insoweit sie als Folge dieser Ursachen in Frage kommen (vgl. Hradil, 1987, S. 70). Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die „alten“ Klassen- und Schichtmodelle gegeben, die erst ab Anfang der achtziger Jahre von den „neuen“ Erklärungsansätzen abgelöst wurden. 2.2.1. Karl Marx (1818 – 1883) Karl Marx entwarf Mitte des 19. Jahrhunderts seine Klassentheorie, in der er den Gedanken aufwirft, die Gesellschaft als Klassengesellschaft zu begreifen (vgl. Burzan, 2004, S. 14). Seine Klassen sind keine Einkommensklassen, sie berücksichtigen weder die Art noch die Höhe des Einkommens. Das grundlegende Kriterium ist bei ihm die „Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln“ (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 332). Marx analysiert die Entwicklungsgesetze in kapitalistischen Ländern dahingehend, dass er das Privateigentum, das er als Produktionsmittel bezeichnet, als Ursache sozialer Ungleichheit sieht. Er begreift die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte von Klassenkämpfen, in der die Besitzer von Produktionsmitteln über Nichtbesitzende herrschen. Die Besitzer von Produktionsmitteln bezeichnet er als Bourgeoisie und die mit unversöhnlichen Interessen gegenüberstehenden Nichtbesitzer als Proletariat, die Klasse der Arbeiter. -9- Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Für Marx war es nicht notwendig, Zwischenklassen zu definieren, weil sich diese zugunsten der zwei sich ausschließenden Klassen zunehmend auflösen. In seinem Sinne ist die soziale Mobilität immer eine Abstiegsmobilität, weil eine Mobilität in umgekehrter Richtung nicht vorkommt (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 334). Der sich zunehmend verschärfende Klassenkonflikt, bei dem die „Reichen immer reicher“ und die „Armen immer ärmer“ werden, gipfelt schlussendlich in eine Revolution (vgl. Burzan, 2004, S. 16f). Für ihn reicht es aus, Klassen nach dem Kriterium des Besitzes von Eigentum einzuteilen, weil die ökonomische Lage sich auf die Lebensverhältnisse der Einzelnen und die gesellschaftlichen Verhältnisse auswirkt. Die Folge ist die Bildung eines Klassenbewusstseins. Sein Klassenbegriff hat eine ökonomische Basis, in der er sozio-ökonomische, sozio-kulturelle und sozio-politische Komponenten mit in sein Konzept einschließt (vgl. Hradil, 1987, S. 60f). 2.2.2. Max Weber (1864 – 1920) Das Konzept von Weber beruht auf dem Klassenkonzept von Karl Marx. Er differenzierte den Marx´schen Klassenbegriff genauer und spaltet ihn in Klassen, Stände und Parteien auf. Weber zieht zur Erklärung von Sozialstrukturen den auf Marx basierenden Klassenbegriff heran und erweitert ihn zusätzlich noch mit den Begriffen „Stände“ und „Parteien“. Weiters spaltet er den Klassenbegriff in „Besitzklassen“, „Erwerbsklassen“ und „soziale Klassen“ auf (vgl. Burzan, 2004, S. 20). Die nachfolgende Übersicht (vgl. Abb. 4) veranschaulicht das differenzierte Sozialstrukturmodell: - 10 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Abbildung 4: Klassenkonzept von Weber Klassen Ökonomische Gruppierungen Besitzklassen Erwerbsklassen Soziale Klassen • Arbeiterschaft • Kleinbürgertum • Intelligenz • Besitzende Bildungsprivilegie rte Stände Soziale Gemeinschaft Lebensführungsstände Erziehungsstände Politische Aktions- und Organisationsf. Quelle: Hradil, 1987, S. 62 Berufs- u. Abstammungsstände Parteien Für Max Weber wird eine Klasse durch die gleiche Klassenlage festgesetzt. Unter Klassenlage versteht er alle Voraussetzungen, die zum „Erwerb von Einkommen bei einer bestimmten Wirtschaftsverfassung dienen“ (Reinhold et al., 1991, S. 302). Solche Voraussetzungen sind z.B. Qualifikationen, Leistungen, Besitz und persönliche Überzeugungen. Weber´s Klassenbegriff basiert ebenfalls zentral auf Besitz, er erweitert ihn aber im Gegensatz zu Marx mit den Merkmalen von Qualifikationen und Leistung. Während sich Klassen am Erwerbseinkommen orientieren, geben Stände eher die sozialen Ordnung einer Gesellschaft wider. Bei Weber basiert der Stand auf Ehre und sozialem Prestige (vgl. Burzan, 2004, S. 22f). Stände gliedern sich nach den „spezifischen Arten der Lebensführung“ (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 335). Er nennt aber keine definitive Zahl von Ständen, in die die Sozialstruktur einer Gesellschaft zerfällt, sondern nennt die grundlegenden Arten der Ständebildung (vgl. Hradil, 1987, S. 75). „Parteien“ sind „primär in der Sphäre der „Macht“ zu Hause. Ihr Handeln ist auf soziale „Macht“, d. h. auf Einfluss auf ein Gemeinschaftsleben ausgerichtet (vgl. Hradil, 1987, S. 63). Weber sieht Klassen, Stände und Parteien als „´Phänomene der Machtverteilung innerhalb einer Gemeinschaft´,…“ (Weber, 1976, zitiert nach Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 337). Max Weber´s hochdifferenziertes Modell vielfältiger Klassen, Stände - 11 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft und Parteien war geprägt von seinen Erfahrungen des Wilhelminischen Deutschlands. Diese Differenzierungen stellen den Ausgangspunkt für mehrdimensionale Analysen sozialer Ungleichheiten und bilden eine Etappe in der Entwicklung des Schichtkonzepts (vgl. Burzan, 2004, S. 25f). 2.3. Schichtmodelle Die moderne industrielle Gesellschaft erfordert die zunehmende Arbeitsteilung und zunehmende Spezialisierung, die unterschiedliche Lebensbedingungen und eine Veränderung der Statuszuweisung zur Folge haben. Anstelle des Besitzes nehmen die Bedeutung der Erwerbsarbeit und der durch formale Bildung und berufliche Leistung erworbene Status zu (vgl. Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 558). Mehrdimensionale Schichtungsmodelle betrachten als zentrale Dimension die finanzielle Ausstattung wie z. B. Einkommen, Besitz und Vermögen. Ein bestimmter sozialer Status wird durch Erreichen bzw. Nichterreichen von bestimmten berufsqualifizierender Kenntnissen, Tätigkeiten und Fertigkeiten erreicht (vgl. ebd., 1989, S. 558). Schichtspezifische Lebenslagen bedingen konkrete Verhaltensmuster, die sich in bestimmtem Konsumverhalten, Leistungsorientierung, Freizeitverhalten und Erziehungsmethoden äußern. Die Zugehörigkeit zu einer Klasse oder einer Schicht führt in der Regel zu einer bestimmen Handlungsorientierung. Die soziale Mobilität ist Gegensatz zur Klassentheorie von Karl Marx vertikal in beiden Richtungen möglich (vgl. ebd., S. 559). Die soziale Mobilität gibt Aufschluss darüber, wie durchlässig eine Gesellschaft ist. Sie kann dadurch festgestellt werden, indem man die Stärke der Abhängigkeit der jetzigen Position, die jemand innehat, von der früheren Position misst. Dazu kann ein intra- bzw. intergenerativer Vergleich angestellt werden (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 519). Zur empirischen Feststellung der sozialen Schichtung wurden verschiedene Messverfahren verwendet, wobei am häufigsten der „sozio-ökonomische Status-Index (SES)“ verwendet wird, der aus den Indikatoren Beruf, Einkommen und Schulbildung gebildet wird (vgl. Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 560). Aktuelle Schichtkonzeptmodelle - 12 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft versuchen die neuen Dimensionen sozialer Ungerechtigkeit, wie z. B. Arbeitslosigkeit, ungleiche Freizeitbedingungen, ungleiche Wohnbedingungen oder Ungleichbehandlungen in Form von Diskriminierungen zu berücksichtigen (vgl. ebd., S. 563). Hradil (1987, S. 94) weist jedoch darauf hin, dass die geläufigen Schichtkonzepte noch zu eng angelegt, zu einfach aufgebaut, zu starr und zu lebensfern sind (vgl. dazu Geißler, 1994, S. 12f). Aus diesen Gründen können sie die Aufgabe der Beschreibung der Struktur sozialer Ungleichheit nicht erfüllen. 2.3.1. Das Fünf-Schichten-Modell von Theodor Geiger (1891 – 1952) Theodor Geiger entwickelte auf Daten der Volkszählung in Deutschland von 1925 ein Fünf-Schichten-Modell (vgl. Burzan, 2004, S. 29). Geiger erfasst die Lagen und Mentalitäten bzw. Haltungen zuerst getrennt und ordnet im Nachhinein die für eine bestimmte Lage typische Mentalität zu. Als Schichten bezeichnet Geiger Gruppierungen, die bestimmte lagetypische Haltungen aufweisen (vgl. Burzan, 2004, S. 28; Hradil, 1987, S.76). Geiger verknüpft die soziale Lage mit typischen Mentalitäten zu einem deterministischen und mehrdimensionalen Schichtmodell. Anders als bei Webers Ständebegriff definiert Geiger die Art und Anzahl gesellschaftlicher Schichten: Abbildung 5: Schichtmodell von Geiger 0.9 % 17.8% 17.9% 12.7% 50.7% Kapitalisten „Alter Mittelstand“ „neuer Mittelstand“ „Proletaroide“ „Proletariat“ Mittlere und kleinere Unternehmer Lohn- und Gehaltsbezieher höherer Qualifikation Tagewerker für eigene Rechnung Lohn- und Gehaltsbezieher minder Qualifikation Quelle: Burzan, 2004, S. 29; Hradil, 1987, S. 77 Geigers Schichtmodell bezieht sich bei der Abgrenzung von Schichten nicht auf soziale Beziehungen, sondern auf individuelle Merkmale, wie z.B. Klassenposition, Beruf oder Einkommen (Hradil, 1987, S. 78). - 13 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft 2.3.2. Das Haus-Modell der Schichtung von Dahrendorf Rolf Dahrendorf geht in seinem Haus-Modell der Schichtung davon aus, dass die Herrschenden die geltenden Normen festsetzen, die durch entsprechende Sanktionen durchgesetzt werden. Jede Gesellschaft regelt das Zusammenleben mit Normen, die durch Sanktionen verbindlich werden. Normenkonformität wird durch das Erringen der günstigsten Position in einer Gesellschaft belohnt (vgl. Burzan, 2004, S. 46). Abbildung 6: Die soziale Schichtung in Deutschland nach Dahrendorf (1965) Eliten < 1% Dienstklasse 12% Mittelstand 20% Arbeiterelite 5% „Falscher Mittelstand“ 12% Arbeiterschicht 45% Unterschicht 5% Quelle: Burzan, 2004, S. 49) Die einzelnen Schichten sind nicht strikt voneinander abgegrenzt, sondern gehen ineinander über. Begrenzte Übergänge zwischen den einzelnen Schichten sind auf Grund sozialer Mobilität möglich. Meine Diplomarbeit beschäftigt sich mit den „unteren Schichten“ der Gesellschaft. Aus diesem Grund beschreibe ich nur jene Schichten im Hausmodell Dahrendorf, die sich im „unteren Teil“ des Hauses befinden: - 14 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Die Arbeiterschicht umfasst mit 45% den größten Anteil in der deutschen Bevölkerung. Dahrendorf zählt alle Beschäftigten, die in der Produktion tätig sind, zur Arbeiterschicht. Sie ist vielfach in z. B. Branchen oder Qualifikationen gegliedert. Kennzeichnend für Angehörige dieser Schicht ist eine eigene Haltung. Der „Falsche Mittelstand“ besteht aus Angestellten in einfachen Dienstleistungsberufen (Kellner, Chauffeur), die sich von ihrer Einstellung her eher zum Mittelstand zählen. Nach ihrer Bildung, dem Einkommen und dem Einfluss nach unterscheiden sie sich jedoch nicht von der Schicht der Arbeiter. Die Unterschicht, der „Bodensatz der Gesellschaft“, besteht aus Dauerarbeitslosen, Rückfallkriminellen und Halbanalphabeten (vgl. Burzan, 2004, S. 49f; Köhne-Finster, 2006) . In den 50iger und 60iger Jahren wurden Schichtmodelle in Verbindung mit Prestige und Status konstruiert. In der Soziologie wird unter Prestige die „Wertschätzung zu einer bestimmten Stellung in einer Gesellschaft (Position)“ (Reinhold et al., 1991, S. 457) verstanden. Die Schichtung des Berufsprestiges aus den 60iger Jahren trifft im Wesentlichen auch die heutige Situation. Mit der Ausnahme, dass in die unteren Prestigerängen immer mehr Migrant/innen zu finden sind (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 530f). Wichtige Vertreter dieser funktionalistischen Schichtungstheorie, die ebenfalls die soziale Ungleichheit als Ergebnis eines gesellschaftlichen Belohnungsprozesses sieht, sind u. a. • H. Moore und G. Kleining (1960): Gesellschaftsschichten nach sozialer Selbsteinstufung • E. K. Scheuch (1961): Prestigeschichten durch Indexbildung • K. M. Bolte et al. (1967). Das Zwiebel-Modell (vgl. Burzan, 2004, S. 54; Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 560; Reinhold et al., 1991, S. 530f) - 15 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft 2.3.3. Weitere Schichtmodelle nach Moore & Kleining, Scheuch und Bolte Moore und Kleining (1960) wählten zur quantitativen Bestimmung der sozialen Schichten die soziale Selbsteinschätzung. Die Zuordnung zu den einzelnen Schichten erfolgt anhand der Berufe und ihrer Rangfolge. Sie gehen bei ihrer Eingruppierung in eine Schicht vom Beruf des Mannes aus und übertrugen diese Einstufung auch auf seine Familie. Die Charakterisierung der einzelnen Schichten umfasst die Angaben zugehöriger Berufe und die der jeweiligen Schicht zuzuordnenden Einstellung (vgl. Burzan, 2004, S. 54f). Abbildung 7: Schichtenaufbau in Deutschland nach Moore/Kleining Schicht Oberschicht: Mittelschicht: • Obere Mittelschicht • Untere Mittelschicht: - Nicht industriell - industriell Unterschicht: • Obere Unterschicht: - nicht industriell - industriell • Untere Unterschicht Sozial Verachtete Anteil 1% 5% 17% 13% 10% 18% 17% 4% Quelle: Burzan, 2004, S. 56 (nach Moore & Kleining, 1960, S. 91) Der Anteil jener Personen, die sich mit Hilfe der Selbsteinstufung zur Unteren Unterschicht und zu den Sozial Verachteten abwärts zählen, beträgt 21% (vgl. Abb. 7). E. K. Scheuch (1961) kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch in seinem Modell konzentrieren sich die meisten Personen in der Unterschicht (ca. 56%), wobei hier der Anteil der Unteren Unterschicht 19.5% ausmacht (vgl. Abb. 8). Scheuch verwendete zur Messung von Prestige die Indikatoren Einkommen, Beruf und Schulbildung. Er ordnete den einzelnen Indikatoren Punktwerte zu, gewichtete sie und addierte sie zu einem Gesamtwert (Burzan, 2004, S. 55f; vgl. dazu Ganzeboom, de Graaf & Treiman, 1992). - 16 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Abbildung 8: Soziale Schichtung nach Scheuch (1961) Schicht Oberschicht: Mittelschicht: • Obere Mittelschicht • Mittlere Mittelschicht • Untere Mittelschicht: Unterschicht: • Obere Unterschicht: • Untere Unterschicht Anteil 2.5% 6.1% 14.6% 20.7% 36.6% 19.5% Quelle: Burzan, 2004, S. 57 (nach Scheuch 1961, S. 103; Hradil, 1999, S. 287) Bei genauer Betrachtung der Tabellen sieben und acht ergibt sich das Bild einer Zwiebel (vgl. Abb. 9): Ein schmaler Bereich oben und unten, mit einer breiten unteren Hälfte. Bolte et al. (1967) zieht auch nach weiteren Untersuchungen diese Schlussfolgerung (vgl. Abb. 9). Sie erkennen, dass es in der Gesellschaft viele Statusdifferenzierungen gibt, aber der Statusaufbau der Gesellschaft nicht in klar abgegrenzte Schichten, sondern es entstehen Überlappungen, unterteilt ist (vgl. Burzan, 2004, S. 57 – 59; Bolte & Hradil, 1984, S. 220; Korte & Schäfers, 2002, S. 216). Abbildung 9: Das Zwiebel-Modell von K. M. Bolte (1967) Quelle: Burzan, 2004, S. 59 (nach Bolte et al., 1967, S. 316) - 17 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Bolte et al. kommen auf die gleichen Ergebnisse, wenn sie den Anteil der Bevölkerungsgruppen, die der Unteren Unterschicht und der Sozial Verachteten angehören, wie Moore und Kleining (1960). 2.4. Lebensstile und Milieus Beide Modelle ordnen den Lebensstilen und Milieus bestimmte Personengruppen zu oder fassen Typen zusammen (Burzan, 2004, S. 115). Das Verhalten ist ein Aspekt für Lebensstilkonzepte. Mitglieder der gleichen Berufs- oder Statusgruppe gehören unterschiedlichen Milieu- und Lebensstilgruppen an. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Milieu- oder Lebensstilgruppe ist in der postindustriellen Gesellschaft meist nur temporär, sie prägt nicht mehr für das ganze Leben (Korte & Schäfers, 2002, S. 223). Die Vielfalt der Lebensweisen nimmt immer mehr zu, aus diesem Grund muss man ca. ein Dutzend verschiedener Lebensstil- und Milieugruppen auseinander halten. 2.4.1. Lebensstile „Als Lebensstil bezeichnet man typische Regelmäßigkeiten in der Gestaltung des Alltags“ (Burzan, 2004, S. 222). Der Lebensstil ist in starkem Maße vom Einkommen, vom Vermögen und den kulturellen Bedürfnissen einer Person, einer Familie oder einer Schicht abhängig (Reinhold et al., 1991, S. 364). Lebensstile setzen einen Schwerpunkt auf das Verhalten eines Menschen (vgl. Burzan, 2004, S. 101). Die heutigen soziologischen Lebensstilansätze entwickelten sich aus Lebensstilansätzen, die in der Marktforschung Anwendung fanden. Ein Mensch mit einem familienzentrierten Lebensstil wird über ein anderes Finanz- oder Zeitbudget verfügen, als ein karriereorientierter Mensch (vgl. Korte & Schäfers, 2002, S. 223). Der Anspruch der Lebensstilmodelle besteht darin, die soziale Ungleichheit differenzierter und angemessener analysieren zu können, als wenn das nur mit den Klassen- und Schichtmodellen allein gemacht werden würde (vgl. Burzan, 2004, S. 100). - 18 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Ein Beispiel für ein Lebensstilkonzept ist das nach W. Georg (1998). Er überprüfte auf empirischem Weg, welche Merkmale der sozialen Lage gegebenenfalls besonders bedeutsam für die Ausbildung von Lebensstilen sind. Die Merkmale der sozialen Lage, die die Lebensstile am stärksten beeinflussten, waren Alter, Familienstand, Anzahl der Kinder, Bildungsniveaus und Geschlecht. Danach folgten die Variablen Bildungsniveaus und beruflicher Status. Damit unterscheidet sich dieses Modell deutlich von Schichtmodellen, die als wichtigstes Merkmal den beruflichen Status verwenden (vgl. Burzan, 2004, S. 105 – 107). Eine andere Reihenfolge der Einflussfaktoren ergab eine Untersuchung von Schneider und Spellerberg (Schneider & Spellerberg, 1999, S. 119 – 123). Sie untersuchten wichtige Einflussfaktoren auf die Lebensstile in West- und Ostdeutschland und erfassten in Westdeutschland die Faktoren Alter, Bildung, Einkommen und Geschlecht, und in Ostdeutschland die Einflussfaktoren Alter, Geschlecht, Bildung und Kinder im Haushalt (vgl. Burzan, 2004, S. 108f). 2.4.2. Die SINUS-Milieus In der soziologischen Forschung versteht man unter Milieus die „Gesamtheit der Lebensumstände eines Individuums oder einer Gruppe“ (Reinhold et al., 2001, S. 392). Ein bestimmtes Milieu kennzeichnet eine bestimmte Personengruppe, die gemeinsame Werthaltungen, Einstellungen und Meinungen haben (z.B. „Rotlichtmilieu“). Hradil versteht unter „Milieu“ eine Gruppe von Menschen, „die solche äußere Lebensbedingungen und / oder inneren Haltungen aufweisen, aus denen sich gemein-same Lebensstile herausbilden“ (Hradil, 1987, S. 165). Sie lässt den Einzelnen die jeweilige Umund Mitwelt in bestimmter Weise wahrnehmen und beurteilen (z.B. Erziehungsfragen) (vgl. Burzan, 2004, S. 114; Korte & Schäfers, 2002, S. 222). Innerhalb von sozialen Schichten gibt es oft mehrere Milieus nebeneinander, die sich durch ihre Werte und Mentalitäten unterscheiden. Im Auftrag des SINUS-Institutes versuchten U. Becker und H. Novak (1985) die Lebenswelten über subjektive Lebenslagen und Lebensstile zu erfassen. Die Untersuchung - 19 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft ist eng an die Interessen des Marktforschungsinstitutes geknüpft, indem sie die jeweilige Käuferschicht, auf die die Produzenten ihre Werbung abstimmen können, genau beschreibt (vgl. Burzan, 2004, S. 116f). Abbildung 10: Die SINUS-Milieus Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2006 Quelle: http://www.sinus-sociovision.de/ Diese „Kartoffel-Grafiken“ sind vertikal nach sozialer Lage in Schichten, basierend auf die Einflussfaktoren Bildung, Beruf und Einkommen. Horizontal sind sie nach der Grundorientierung von traditionell bis postmodern angeordnet. In der Unteren Mittelschicht bzw. Unterschicht sind drei SINUS-Milieus angeordnet: Die Traditionsverwurzelten (14%) verstehen sich als Bewahrer traditioneller Werte, wie z. B. Pflichterfüllung und Disziplin, und sind im fließenden Übergang in die Mittlere Mittelschicht. Angehörige dieses Milieus sind meist ältere Personen, die ihre Wurzeln im Kleinbürgertum oder in der traditionellen Arbeiterkultur haben. Die Konsum-Materialisten machen 11% der Gesamtbevölkerung aus. Sie verfügen über beschränkte finanzielle Möglichkeiten, möchten aber als „normale Durchschnittsbürger“ gelten und zeigen daher ein ausgeprägtes Konsumverhalten. Gemeinsamkeiten dieser - 20 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Milieuangehörigen dieser Gruppe sind meist geringe Schulbildung, mangelnde Ausbildung und die dadurch häufig bedingte Arbeitslosigkeit. Die Hedonisten (11%) sind Angehörige der sogenannten „Spaßgesellschaft“. Sie sind meist Jugendliche, gehören der unteren Mittel- bis Unterschicht an, verweigern einerseits die Anforderungen der Leistungsgesellschaft, andererseits träumen sie von einem geordneten Leben mit Familie und geregeltem Einkommen. Angehörige dieses Milieus sind meist unter 30 Jahre, verfügen über eine einfache bis mittlere Ausbildung (z.B. einfache Angestellte oder Arbeiter) und sind oft ohne abgeschlossene Berufsausbildung (z.B Schüler oder Lehrlinge) (vgl. SINUS SOCIOVISION, 2006). 2.4.3. Klassen und Lebensstile in einem Modell: Der soziale Raum bei Bourdieu (1930 – 2002) Wenn Pierre Bourdieu von Kapital schreibt, so berücksichtigt er nicht nur das ökonomische Kapital, sondern er erweitert diesen Begriff des Kapitals um zwei weitere Begriffe: Das kulturelle und das soziale Kapital. Er führt den Begriff „des Kapitals in allen seinen Erscheinungsformen“ (Bourdieu, 1983, S. 184) ein. Das Kapital (Bourdieu, 1983) setzt sich im Einzelnen aus folgenden Arten zusammen: Das kulturelle Kapital. Es kann in folgenden drei Formen existieren: Das inkorporierte (verinnerlichte) Kapital meint Bildung und Wissen, das sich eine Person im Zuge des Bildungserwerbes aneignet. Wissensaneignung kostet Zeit, wird zum verinnerlichten Kapital und kann zum Unterschied zu Geld oder Besitz kurzfristig nicht weitergegeben werden. Für Bourdieu ist es wichtig, dass zur Dauer des Bildungserwerbes nicht nur die Dauer des Schulbesuches, sondern auch die Primärerziehung in der Familie mit berücksichtigt werden muss. Wie viel Zeit wird in die Erziehung des Kindes investiert? Diese Investition in das verinnerlichte Kapital kann entweder ein positiver Wert (das Kind hat Zeit bzw. einen Vorsprung in Bezug auf die schulischen Erfordernissen gewonnen), oder als doppelt verlorene Zeit (denn zur Korrektur der negativen Folgen muss Zeit aufgewendet werden) ein - 21 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft negativer Wert sein. Die Aneignung dieses „verkörperlichten Kulturkapitals“ (Bourdieu, 1983, S. 187) prägt eine Person und hinterlassen Spuren, wie z.B. eine bestimmte Sprechweise. „Das objektivierte Kulturkapital hat eine Reihe von Eigenschaften, die sich nur durch seine Beziehung zum inkorporierten, verinnerlichten Kulturkapital bestimmen lassen“ (Bourdieu, 1983, S. 188) Objektiviertes Kulturkapital hat die Form von kulturellen Gütern und ist materiell übertragbar (z.B. Schriften, Gemälde, Instrumente). Diese Güter lassen sich mit Hilfe des ökonomischen Kapitals käuflich aneignen, oder sie können auch symbolisch angeeignet werden, was verinnerlichtes Kapital voraussetzt. Institutionalisiertes Kulturkapital bezeichnet die Objektivierung von inkorporiertem Kapital in Form von Titeln. „Der schulische Titel ist ein Zeugnis für kulturelle Kompetenz, das seinen Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt“ (Bourdieu, 1983, S. 190). Schulische Titel sichern eine gewisse Übertragbarkeit in ökonomisches Kapital, die sich im Zeitverlauf ändern können (z.B. Bildungsexpansion und die daraus resultierende Titelinflation). Die zweite Form des Kapitals ist das ökonomische Kapital. Es ist unmittelbar und direkt in Geld umwandelbar und ist objektiv als Eigentum und Besitz von Außenstehenden erkennbar (vgl. Bourdieu, 1983, S. 185). Die dritte Form ist das soziale Kapital. Damit meint Bourdieu Ressourcen, die auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen (z.B. Mitglieder von Verbänden, politischen Gruppierungen, Absolventen von Eliteschulen), man hat ein Netzwerk von Beziehungen, die den einzelnen Mitgliedern Sicherheit und „Kreditwürdigkeit“ verleihen. Der Umfang des Sozialkapitals hängt vom Auf- und Ausbau seines Netzwerkes von Beziehungen ab. Diese Beziehungsarbeit hängt erheblich davon ab, wie viel es sich jemand leisten kann, Zeit und Geld zu investieren (vgl. Bourdieu, 1983, S. 190 - 193). Um die Position einer Person im sozialen Raum bestimmen zu können, muss das Kapitalvolumen in allen seinen drei Formen und die Kapitalstruktur, d. h. das Verhältnis der - 22 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Kapitalarten, bestimmt werden. Es ergeben sich somit drei Hauptklassen: Die herrschende Klasse, die Mittelklasse und die Volksklasse. Die Volksklasse ist die Gruppe der Beherrschten und setzt sich aus der Gruppe der Arbeiter und der sich im untersten Bereich befindlichen angelernten Arbeiter, Hilfsarbeiter und Landarbeiter zusammen (Burzan, 2004, S. 140 – 142). 2.5. Die sozialen Lagen Hradil definiert soziale Lagen als „typische Kontexte von Handlungsbedingungen, die vergleichsweise gute oder schlechte Chancen zur Befriedigung allgemein anerkannter Bedürfnisse gewähren“ (Hradil, 1987, S. 153). Das Konzept der sozialen Lagen hat das Ziel, ein Modell zu entwickeln, das die für alle Gesellschaftsmitglieder (z.B. auch für berufslose Hausfrauen) relevanten Merkmale berücksichtigt (vgl. Burzan, 2004, S. 153). Hradil weist auch darauf hin, dass sich durch die Abgrenzung der einzelnen Lagen zwangsläufig Doppelmitgliedschaften oder Zwischenstellungen ergeben (z.B. Wohin gehört ein Landwirt, der seine Produkte selber vermarktet?). Indem er „primäre“ Lebensbedingungen und die “zulässige“ Kombination „sekundärer“ Lebensbedingungen genau abgrenzt, besteht die Möglichkeit, „nach entsprechenden Operationalisierungen genaue Aussagen über den Umfang der einzelnen sozialen Lagen zu machen (Hradil, 1987, S. 157). Lagen bilden die „objektiven“ Lebensbedingungen ab und sind nicht notwendigerweise hierarchisch übereinander angeordnet (Burzan, 2004, S. 154). R. Habich und H. – H. Noll schreiben im Kapitel „Soziale Schichtung und soziale Lagen“ des Datenreports 2004: „Begriffe wie soziale Schichtung, Klassenlagen oder soziale Lagen beziehen sich auf die vertikale Gliederung der Gesellschaft und auf die Position von Personen in einer Statushierarchie. […] Begriffe wie „soziale Lagen“ nehmen […] auch auf sogenannte neue soziale Ungleichheiten Bezug,….In Dimensionen „neuer“ sozialer Ungleichheiten treten neben objektiven Merkmalen der Benachteiligung auch subjektive Merkmale in den Mittelpunkt der Betrachtung.“ (Habich & Noll, 2005, S. 603) - 23 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft Abbildung 11: Soziale Lagen nach Habich & Noll Quelle: Statistisches Bundesamt, 2005 Abbildung 11 präsentiert ein Gesamtbild der Bundesrepublik Deutschland, das einzelne Elemente der sozialen Schichtung aufnimmt. Dieses Modell der sozialen Schichtung unterscheidet nach dem Erwerbsstatus, Geschlecht, West- und Ostdeutschland und dem Alter. Die Ungleichheit in objektiven Lebensbedingungen, die mit der Zugehörigkeit zu den sozialen Lagen verbunden ist, äußert sich z. B. in Einkommensunterschieden und des damit verbundenen Lebensstandards. In der Gesamtbevölkerung Deutschlands identifizieren Habich & Noll (2005, S. 607) zwei Gruppen, die an materieller Unterversorgung leiden: Vor allem Pensionisten und Angehörige der unteren Berufsgruppen. Der Anteil bei un- und angelernten Arbeitern, die „sich nichts mehr leisten können“, steigt in Westdeutschland bis auf 25%. Die sozialen Lagen vergleichen die Autoren nicht nur mit objektiven Indikatoren („Pro Kopf Haushaltseinkommen“, „Unterversorgung – Lebensstandard“ und Finanzielle Situation des Haushaltes hat sich im letzten Jahr verbessert / verschlechtert“), sondern auch das subjektive Merkmal „Wohlbefinden“, das die Autoren empirisch mit den Indikatoren „Zufriedenheit mit dem Einkommen, Lebensstandard und Leben“ und „Gesellschaft lebt im Wohlstand – ja / nein“ er- - 24 - Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft mitteln, wird zwischen den einzelnen subjektiven Lagen in Ost- und Westdeutschland verglichen (Habich & Noll, 2005, S. 607f). - 25 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem 3. Das Konstrukt der „Sozialen Ungleichheit“ Ziel dieses Kapitels ist die nähere Beschreibung des Konstruktes der „Sozialen Ungleichheit“. Im Anschluss an die Definition werden mögliche Ursachen für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung beschrieben. Verschiedene Modelle und Theorien der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem werden dabei zur Erklärung herangezogen. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf die Schulleistungen. 3.1. Die Definition sozialer Ungleichheit Seit Beginn der 60er Jahre war das Thema Bildung und soziale Ungleichheit eines der dominanten Themen der fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion. Bildungspolitische Bemühungen waren um die Herstellung der Chancengleichheit bemüht (vgl. Ditton, 1992, S. 7). Für Kreckel (1992, S. 17) kommt soziale Ungleichheit überall dort vor, „wo die Möglichkeiten des Zuganges zu allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und /oder zu sozialen Positionen, die mit ungleichen Macht- und/oder Interaktionsmöglichkeiten ausgestattet sind, dauerhaft Einschränkungen erfahren und dadurch die Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen oder Gesellschaften beeinträchtigt bzw. begünstigt werden.“ Die soziale Ungleichheit wird als ein strukturelles, gesellschaftliches Phänomen aufgefasst. Kreckel versteht darunter „langfristig wirksame, die Lebenschancen ganzer Generationen prägende Ungleichheitsverhältnisse“ (1992, S. 19). Dabei unterscheidet er die vier Dimensionen: Reichtum, Wissen, Organisation und Assoziation und ordnet ihnen als „Währungen sozialer Ungleichheit„ die institutionalisierten Tauschmittel Geld, Zeugnis, Rang und Zugehörigkeit zu (vgl. ebd., S. 78ff). Kreckel unterscheidet zwei Aggregatzustände sozialer Ungleichheit: Die asymmetrischen Beziehungen zwischen Menschen und die ungleiche Verteilung von Gütern. Die ungleiche Verteilung von Gütern, ein distributiver Aspekt sozialer Ungleichheit, lässt - 26 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem sich nach Kreckel in eine „Wissens-Dimension“ und eine „Reichtums-Dimension“ unterscheiden. Er versteht unter Wissens-Dimension die Zugangschancen zur primär symbolischen Kultur, d. h. die Zugangschancen zu Bildungseinrichtungen und damit das Erwerben von Abschlusszertifikaten und Titeln. Die Reichtums-Dimension beinhaltet die Zugangschancen zu primär materiellen Produkten. Eine weitere Dimension, die für die Entstehung und Reproduktion sozialer Ungleichheit eine wichtige Rolle spielt, ist die asymmetrische Beziehung zwischen den Menschen. Hier unterscheidet Kreckel zwischen „hierarchischer Organisation“, d. h. welchen Rang nimmt ein Mensch innerhalb einer bestimmten Gesellschaft ein, und „selektiver Assoziation“. Unter selektiver Assoziation versteht Kreckel die „symmetrischen Beziehungen zwischen Gleichen, die für andere Ausschlusscharakter haben, bzw. die Integrierten begünstigen“ (Löw, 2003., S. 60). Martina Löw unterscheidet neben diesen oben erwähnten vier Dimensionen der sozialen Ungleichheit zusätzlich die zwei Kategorien Klasse (Schicht, Milieu, Lebensstile,…) und Geschlecht. Diese zwei Kategorien werden auch „Strukturkategorien“ genannt, weil sie jede Handlung durchziehen und „gleichzeitig als Ordnungsmuster des Gesellschaftlichen fungieren“ (ebd., S. 60). Die Soziologie untersucht die geschlechtsspezifische Differenz als soziale Konstruktion und sieht die Geschlechterdifferenz als ein „Kategorisierungsprinzip und ein Muster der Vergesellschaftung“ (ebd., S. 65). Sie begreift die zwei Kategorien Mann und Frau als soziale Konstruktionen (vgl. ebd., S, 65). - 27 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem 3.2. Theorien und Modelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem 3.2.1. Effekte familialer Sozialisation von Pierre Bourdieu Erklärungsansätze für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung finden sich bei Pierre Bourdieu (1983). Er führte den Begriff „des Kapitals in allen seinen Erscheinungsformen“ (Bourdieu, 1983, S. 184) ein. Im Kapitel 2.4.3. wurden das kulturelle, das ökonomische und das soziale Kapital bereits ausführlich beschrieben. Alle drei Erscheinungsformen sind voneinander abhängig und lassen sich mit mehr oder weniger großem Aufwand an Tranformationsarbeit in das jeweils andere Kapital umwandeln. Das kulturelle Kapital, im Besonderen das inkorporierte Kapital, wird in der Familie weitergegeben. Wie viel Zeit in die Erziehung eines Kindes investiert werden kann, hängt von der nutzbaren Zeit in der Familie, besonders von der Zeit der Mutter, ab. Je mehr ökonomisches Kapital zur Verfügung steht, desto mehr Zeit kann positiv in die Weitergabe des Kulturkapitals investiert werden. Der so ermöglichte spätere Eintritt in das Berufsleben erlaubt den Erwerb von schulischer Bildung und Ausbildung. Kann aus ökonomischen Gründen wenig Zeit in die Erziehung des Kindes investiert werden, so ergibt sich ein negativer Wert (vgl. Bourdieu, 1983, S. 196f). Dieser negative Wert wirkt sich in zweifacher Hinsicht aus: Zuerst hat das Kind bereits bei Schulbeginn einen Nachteil in Bezug auf die schulischen Erfordernisse. Zur Korrektur dieser negativen Folgen ist doppelt so viel Zeit erforderlich, bis es ein Kind mit positivem Investitionswert „eingeholt“ hat. Steht am Ende der Pflichtschulzeit wenig ökonomisches Kapital zur Verfügung, so wird ein möglichst baldiger Eintritt in den Arbeitsmarkt stattfinden. Bedingt durch die eher kurze Ausbildungszeit, wird dieser in niedrig qualifizierten Berufen, mit niedrigem Einkommen (= ökonomisches Kapital) stattfinden! Bourdieu (1983) stellt fest, dass die investierte Menge an Bildungskapital sich objektiv an den erworbenen Bildungszertifikaten feststellen lässt. Abschlüsse, Diplome und aka- - 28 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem demische Titel sind objektive Zeichen inkorporierten Kapitals und garantieren dem Besitzer einen Anspruch auf eine bestimmte Position (vgl dazu Krais, 1983). Der Erwerb von „titres scolaires“ ist aber meist nur möglich, wenn jemand über ökonomisches Kapital verfügt. Fehlende Bildungszertifikate verschließen aber den Zugang zu begehrten Berufspositionen und damit die Möglichkeit zum Erwerb von ökonomischem Kapital (Krais, 1983, S. 212). „Kapitalbesitz, auch an kulturellem und sozialem Kapital, wird in erster Linie vererbt, und erst in zweiter Linie geht es um seine Erhaltung und Vermehrung mit Hilfe weiterer Investitionen“ (Krais, 1983, S. 215). Vererbt wird der klassenspezifisch variierende kulturelle Habitus, über den Handlungen erklärt werden. „Handlungs- und Reproduktionsstrategien sind abhängig vom verfügbarem Kapital und der Zusammensetzung dieses Kapitals“ (Ditton, 1992, S. 20). Bourdieu (1977; Giroux 1983; zit. nach Böttcher, 1985, S. 108) erklärt die Effekte familialer Sozialisation damit, dass in der Familie „eine Matrix für Wahrnehmungen, Wertschätzungen und Handlungen“ angelegt wird. Diese Einstellungen und Verhaltensweisen erweisen sich als relativ stabil, auch wenn sich die objektiven Bedingungen bereits geändert haben. 3.2.2. Erklärungsmodell der Entwicklung ungleicher Bildungschancen von Raymond Boudon Einen anderen Ansatz als die schichtspezifisch orientierten Erziehungssoziologen Parson und Bourdieu verfolgt Boudon. In seinem erziehungssoziologischen Hauptwerk L´inégalité des Chances (1973) bzw. Education, Opportunity, and Social Inequality (1974) gelingt es ihm zu zeigen, dass „die leistungsunabhängigen Faktoren im Prozess der Entwicklung von Bildungsungleichheit eine bedeutendere Rolle spielen als die leistungsabhängigen“ (Böttcher, 1985, S. 205). Grundlegend für sein Modell zur Erklärung der Entwicklung ungleicher Bildungschancen (inequality of educational opportunity, IEO) ist die Unterscheidung von primärem und sekundärem Sozialisationseffekt. Für Boudon setzt sich die Ungleichheit der Bildungschancen aus einem Zweikomponenten- - 29 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem prozess zusammen: „Die erste Komponente bilden kulturelle Effekte der sozialen Schichtung (primärer Effekt). Die zweite Komponente ergibt sich aus der Stellung innerhalb des Schichtungssystems (sekundärer Effekt)“ (Ditton, 1992, S. 19, vgl. dazu Becker & Lauterbach, 2004, S. 11f; Becker, 2004, S. 168; Blossfeld & Shavit, 1993, S. 26f; Diefenbach & Nauck, 1997). „Der primäre Sozialisationseffekt bezeichnet den Zusammenhang zwischen schulischer Leistung bzw. dem Alter, mit dem bestimmte Schulstufen erreicht werden und der sozialen Herkunft“ (Böttcher, 1985, S. 207). Er stellt, wie z.B. Bourdieu, einen Einfluss des sozio-ökonomischen Hintergrundes und des schulischen Erfolges fest. Boudon bezeichnet die positive Korrelation zwischen Herkunftsniveau und schulischem Erfolg als „primären Schichtungseffekt“ (vgl. Böttcher, 1985, S. 209). Neu in seinem Modell ist, dass Boudon zu zeigen versucht, dass diese primären Sozialisationseffekte eher sekundär sind. Boudon führt den Begriff der „sekundären Schichteffekte“ ein. Dieser sekundäre Schichteffekt stellt einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Wahlen der Schüler/innen hinsichtlich der Bildungskarrieren her (vgl. Böttcher, 1985, S. 207). Diese Wahlen erfolgen schichtspezifisch. Sein Erklärungsmodell basiert auf der von Keller und Zavalloni 1964 formulierten „Theorie der sozialen Distanz“. Aus dieser Theorie folgt, dass „die Wahl der Alternative a für das Kind privilegierter Familien nicht nur geringere Kosten sondern auch größere Vorteile mit sich bringt, als für das Kind aus unterprivilegierter Herkunftsfamilie“ (Böttcher, 1985, S. 209). Anders ausgedrückt: Je größer die soziale Distanz zwischen dem angestrebten Bildungs- und Sozialstatus zum Status seiner oder ihrer Herkunftsfamilie ist, desto mehr Kosten müssen investiert werden. Weil die Relation zwischen dem zu erbringenden Aufwand und dem zu erwartenden Nutzen schichtspezifisch variiert, variieren auch die Wahlen der Bildungskarrieren schichtspezifisch (vgl. dazu Ditton, 1995). Diefenbach und Nauck (1997) erklären unter Verwendung des Modells von Boudon das Bildungsverhalten von Migrant/innen. Die systematische Benachteiligung von Migran- - 30 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem tenfamilien in Deutschland erklären sie dadurch, dass „die Elterngeneration ihr institutionalisiertes kulturelles Kapital nicht in der Aufnahmegesellschaft erworben hat und deshalb die intergenerationale Transmission von institutionalisiertem kulturellem Kapital […] in weit schwächerem Maße erfolgt als in nicht gewanderten Familien“ (Diefenbach & Nauck, S. 286). James Coleman S. weist auf den Zusammenhang „zwischen geographischer Mobilität und dem Verlust sozialen Kapitals“ (Coleman, 1988; 1991; zit. nach Diefenbach & Nauck, S. 286) hin. 3.2.3. Die Sozialisationstheorie von Talcott Parson Eine Theorie der Bildungsungleichheit, die ihre Wurzeln in individueller Befähigung hat, stellt Talcott Parson auf. Der Amerikaner veröffentlichte 1959 den Aufsatz „Die Schulklasse als soziales System“ (Böttcher, 1985, S. 82). Parson untersuchte amerikanische Grundschulen und entwickelt auf Basis dieser Daten ein Kausalmodell der Erziehung. Er stellt einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und der geäußerten Absicht, ein College besuchen zu wollen, „sowie zwischen Befähigung (gemessen als IQ) und dieser Absicht“ (Böttcher, 1985, S. 88) her. Die abhängige Variable bei dieser Korrelation ist nicht die Schulleistung, sondern die Handlungsabsicht. Böttcher (1985) kritisiert, dass Parson im Zusammenhang mit dem Datenmaterial eine direkte Beziehung zwischen sozio-ökonomischer Herkunft und Schulleistung ausschließt. Für Parson setzt sich die Leistung in einer Schulklasse aus zwei Komponenten zusammen. „Die erste Komponente bezieht sich auf ´kognitive´, die zweite auf ´moralische´ Aspekte“ (Parson, 1959, S. 162f, 170ff; zit. nach Böttcher, 1985, S. 99). Für Böttcher bedeutet das, dass Parson davon ausgeht, dass schulische Leistung primär eine Folge schulischer Sozialisationsprozesse ist: Erfolgreiche Schüler/innen haben gelernt, sich dem / der Lehrer/in gegenüber „richtig“ zu verhalten und erkennt die Dominanz der Erwachsenen an. Erfolglose Schüler/innen dagegen klammern sich an ihre Peergroup. - 31 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem Abbildung 12: Das Kausalmodell der Erziehung von Parson r=0 r =0 Soziale Herkunft r =1 Begabung r =1 Schulerfolg beruflicher Erfolg r=0 Quelle: Böttcher, 1985, S. 102 Das Kausalmodell der Erziehung (vgl. Abbildung 12) lässt leicht erkennen, dass Parson keinen Zusammenhang zwischen den Determinanten „Soziale Herkunft“ und „Schulerfolg“, bzw. zwischen „Soziale Herkunft“ und den „beruflichen Erfolg“ herstellt. Parson stellt fest, dass schulische Karrieren letztlich ein Resultat von individuellen Handlungen sind: „Diese Handlungen, Wahlentscheidungen der Kinder bzw. deren Eltern hinsichtlich des Einschlagens bestimmter Bildungskarrieren, sind zwar sowohl abhängig von familialen Sozialisationsprozessen wie von schulischer Sozialisation und Selektion (…); sie sind jedoch logisch das entscheidende Glied in einer Erklärungskette der Entwicklung individueller Bildungschancen“ (Böttcher, 1985, S. 103). - 32 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem 3.2.4. Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrunds Lütkens stellt 1959 in seiner Veröffentlichung „Die Schule als Mittelklasseinstitution“ fest, dass die Schule einen Habitus verlangt, wie er im Normalfall in Mittelschichtfamilien ausgebildet wird (vgl. Baumert et al., unbekannt, S. 40). Beim Eintritt in die Schule wird bereits eine bestimmte Arbeitshaltung vorausgesetzt, wie sie im Besonderen in der Mittelschicht durch die Erziehung vermittelt wird. Ein Bericht der OECD (1985) vergleicht das Bildungssystem als „difficult obstacle race“, „in das privilegierte Kinder mit entsprechendem kulturellem Kapital mit Vorteilen eintreten und von dem sie mehr profitieren“ (Ditton, 1995, S. 112, vgl. dazu Becker, 2004). Meijnen (1987) kann in einer Langzeitstudie mit 700 Schüler/innen in den Niederlanden nachweisen, dass es Kindern aus höheren Schichten im Verlauf ihrer Schulzeit gelingt, ihren Startvorsprung in einen zunehmend größer werdenden Leistungsvorsprung umzusetzen. Diese Studie bestätigt, dass die Schule eher die unterschiedlichen Startbedingungen der Kinder noch verstärkt. Meijnen stellt fest, dass die Schulleistungen von Kindern aus untereren Schichten stärker von Form und Inhalt der Curriculums beeinflusst werden, als dies bei Kindern aus oberen Schichten der Fall ist (vgl. Ditton, 1995, S. 112). „Es ist eine Frage der Gestaltung von Schule und Unterricht, ob Differenzen vergrößert oder relativiert werden“ (Ditton, 1995, S. 113). Ditton bringt noch einen weiteren Aspekt der Bevorzugung von Schüler/innen oberer Sozialgruppen ein: Den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Leistungsbewertung in Schulklassen. In Schulklassen mit großer Streuung an sozialer Herkunft tritt folgendes Phänomen ein: „Bezogen auf ihren Leistungsstand werden Schüler der unteren Sozialgruppe viel zu schlecht und Schüler der mittleren, besonders aber der oberen Sozialgruppe viel zu gut benotet“ (Ditton, 1995, S. 113). Lehrerinnen und Lehrer weisen in solchen Klassen ein reduziertes Engagement auf und sehen es auch als nicht wichtig, ihren Schülerinnen und Schülern Selbstvertrauen zu - 33 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem entwickeln. Solche Erkenntnisse lassen erkennen, dass Schüler/innnen aus sozial benachteiligten Familien in solchen Klassen doppelt benachteiligt werden (vgl. Ditton, 1995, S. 114). Ditton (1995) untersucht den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungserwartungen und differenziert das Bildungsverhalten der Beschäftigungsgruppen innerhalb der sozialen Lagen. Ein auffallendes Ergebnis ist die durchgängig reduzierte Bildungsteilhabe der Arbeiter und Landwirte. Bei den Arbeitern muss jedoch zwischen un-/angelernte und Facharbeiter differenziert werden, weil es hier deutliche Unterschiede zwischen diesen Gruppen gibt (vgl. Ditton, 1995, S. 206f). Zusätzlich zur reduzierten Bildungsteilhabe der unteren Sozialgruppe werden hier das Bildungsniveau der Mutter und ihre Einstellung zur Schule relevant, weil sie meist mit der schulischen Betreuung des Kindes betraut ist. Ditton konnte mit seinen Ergebnissen belegen, dass über alle Sozialgruppen hinweg die Bildungserfahrung der Eltern von großer Bedeutung ist. „Die Erfahrungen im Bildungssystem, die Verarbeitung der Schulzeit und der erreichte Erfolg oder Misserfolg haben eine langfristige Wirkung“ (Ditton, 1995, S. 209). Meulemann (1985) untersuchte in den 70igern die Zusammenhänge zwischen sozialer Position und Schullaufbahn. Die Ergebnisse seiner multivariaten Analyse zum primären und sekundären Effekt nach Boudon ergeben, dass im vierten Schuljahr die soziale Position des Elternhauses „nicht nur die Schullaufbahn des Schülers, sondern auch die Leistungen des Schülers“ (ebd., S. 87) und die schulischen Kriterien die Schullaufbahn beeinflussen. Im Sekundarbereich beeinflusst der sozioökonomische Hintergrund nicht mehr die Fähigkeiten und Leistungen eines/r Schüler/in, aber die Wahl der Schullaufbahn (vgl. ebd., S. 87). Kinder aus Elternhäusern niederer sozialer Positionen erfahren häufig einen geringeren Anregungsgehalt und Förderung, die sich indirekt auf die Schullaufbahn über die Vermittlung von Leistungen des Schülers oder der Schülerin niederschlagen (vgl. ebd., S. 89) - 34 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem 3.2.5. Modelle der Schulleistung und ihrer Determinanten Die Autoren Helmke und Weinert (1997) weisen darauf hin, dass Metaanalysen betreffend die Analysen der schulischen Leistungen und ihrer Determinanten im Durchschnitt schwache bis sehr schwache Zusammenhänge ergeben (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 73). Probleme für die empirische Forschung und für die theoretische Interpretation der Befunde treten dann auf, wenn zwischen den Einflussfaktoren, Indikatorvariablen und anderen Merkmalen unterschieden werden muss (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 74). Die Problematik besteht auch darin, dass es zu einfach wäre, in den Schulleistungen die abhängigen Variablen und in den Schulleistungsdeterminanten die unabhängigen Variablen, wie z.B. Kognitive Kompetenzen der Schüler/innen, Klassenführung durch den Lehrer, oder Herkunft der Schüler/innen (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 76) zu sehen. „Die Tatsache und die Wahrnehmung von Leistungen und Leistungsfortschritten wirken vielmehr auf viele kognitive, motivationale und soziale Einflussfaktoren zurück, so daß reziproke Effekte im Verhältnis zwischen Determinanten und Kriterien der Schulleistung nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind“ (Helmke & Weinert, 1997, S. 76). Verschiedene Schulleistungsmodelle wie z. B. das Modell des schulischen Lernens nach Caroll (1963), Blooms Modell des schulischen Lernens (1976), das Determinationsmodell der Schulleistung nach Harnishfeger und Wiley (1977) oder das Lernmodell von Glaser (1980) haben sich empirisch dürftig bewährt. Als ein Beispiel erwähnen Helmke und Weinert die Untersuchung von Parkerson et al. (1984, vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 84). Die Autoren berücksichtigten in ihrer Untersuchung die häusliche und schulische Umwelt der 10- bis 15jährigen. Fast alle berücksichtigten Determinanten erwiesen einen positiven, aber relativ schwachen Einfluss auf die Schulleistung, nur „der Fähigkeitsfaktor hatte einen starken Einfluß auf die Schulleistungen „ (Parkerson et al., 1984, S. 645; zit. nach Helmke & Weinert, 1997, S. 84). - 35 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem Abbildung 13: Komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten (Helmke & Weinert) Schulorganisation und Klassenzusammensetzung Persönlichkeit und Expertise des Lehrers; Prozessmerkmale des Unterrrichts und Lehrer – Schüler - Interaktion Genotyp der Eltern Genotyp des Kindes Persönlichkeit der Eltern Eltern als Erzieher: Erwartungen, Erklärungen Sanktionen Unterstützung Förderung Vertrauen Persönlichkeit des Kindes: Kognitive, konative und affektive Merkmale Schulische Leistung Status- und Strukturmerkmale der Familie Schicht, Familienkonstellation, Familiengröße sowie soziodemografische Charakteristika Andere Sozialisationsinstanzen: Gleichaltrige, Medien Historische, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen Quelle: Helmke & Weinert, 1997, S. 86 Ein komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten beschreiben die Autoren Helmke und Weinert (1997). Die Abbildung 13 zeigt einen Überblick über den komplexen Zusammenhang zwischen den individuellen, schulischen und familiären Schulleistungsdeterminanten. Wie diese Bedingungsfaktoren miteinander zusammenhängen und wie sie wirken, ist noch weitgehend unklar (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 139). Der Bedingungsfaktor „Schulorganisation und Klassenzusammensetzung“ beeinflusst z. B. die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schülern in jener Hinsicht, wie die damit verbundenen Lernbedingungen von den Lehrerinnen und Lehrern didaktisch und pädagogisch genutzt werden (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 91 – 96). Die wichtigste Determinante der Schulleistungen und der Entstehung von Schulleistungsunterschieden setzt sich aus den individuellen Merkmalen des Kindes zusammen. - 36 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem Geschlecht, Lebensalter, kognitive und konative Merkmale und die motivationalen Bedingungsfaktoren wie z.B. das Fähigkeitsselbstbild, die Prüfungsangst, Einstellung zum Lernen und zur Schule und das Interesse sind entscheidend für die Schulleistung (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 99 – 116). Klasseninterne Faktoren, die die schulische Leistung beeinflussen, werden von der Zusammensetzung der Schülerschaft beeinflusst. Risikofaktoren, die negativ auf den Unterricht und die schulische Leistung wirken können, sind die multiethische und multikulturelle Variationsbreite der Schulklasse. Stammt die Schülerschaft aus niedrigem sozioökonomischen Status, ungünstigen Milieubedingungen oder schwierigen Familienverhältnissen, so können sich diese Faktoren ebenfalls negativ bzw. belastend auf die Lehr- und Lernbedingungen auswirken. Der große Einfluss von außerschulischen Konflikten, die in das Klassenzimmer hereingetragen werden, darf nicht unterschätzt werden (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 96f). Die Status- und Strukturmerkmale der Familie beeinflussen die Persönlichkeit der Eltern, ihr Erziehungsverhalten und damit auch die Persönlichkeit des Kindes. Sie stehen im Mittelpunkt der familiensoziologisch geprägten Sozialisationsforschung. Untersucht werden die soziale Schichtzugehörigkeit, die Familienzusammensetzung (Familiengröße, Geschwisterposition, etc.), die Vollständigkeit der Familie und die Berufstätigkeit der Mutter (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 119). Geißler (1994, S. 139f) macht zusätzlich noch auf den Zusammenhang von Verhaltensstörungen und Wohnmilieu (beengte Wohnverhältnisse, keinen ungestörten Raum zum Lernen), das wiederum an die finanzielle Situation der Familien geknüpft ist, aufmerksam. Rodax und Spitz (1978) und Steinkamp (1991) publizierten Befunde über den positiven Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und schulischer Leistung (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 120; Geißler, 1994, S. 137f). Prozessmerkmale des Elternverhaltens, die für die Entwicklung der Schulleistung wichtig sind, lassen sich in die vier Funktionen Stimulation, Instruktion, Motivation und Imitation unterscheiden. So ist es z. B. entscheidend für die Entwicklung des Kindes, über welche kulturelle Ausstattung das häusliche Umfeld verfügt, ob gemeinsame familiäre Aktivitäten stattfinden, welche Er- - 37 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem wartungen in das Kind gesetzt werden, ob die schulische Tüchtigkeit eine Wertschätzung erfährt und wie es motiviert wird, neue Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 121 – 123). Sauer und Gattringer (1985, zit. nach Geißler, 1994, S. 140) erhoben den Anregungsgehalt des Familienmilieus. Er „hat erheblichen Einfluss auf die Schulleistung (r = 0.48*) und hängt mit der Schicht, gemessen am Beruf des Vaters und dem Schulabschluss beider Eltern, in der beachtlichen Stärke von r = .58* zusammen“ (Geißler, 1994, S. 140). Mansel (1993, zit. nach Geißler, 1994, S. 140) vermittelt Einblicke in die Zusammenhänge von Soziallage (z.B. Arbeitsbedingungen des Vaters,…), familiale Sozialisation (z.B. wenig Orientierung an den Interessen des Kindes, rigides Strafen,…) und Schulerfolg. Weitere Schulleistungsmodelle finden sich z.B. bei den Autoren Moser et al. (1997), die im Rahmen der TIMSS „Individuelle Determinanten der Mathematikleistung“ erheben, oder Peter Rüesch (1998), der mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse die schulischen Bedingungen ungleicher Bildungschancen von Immigrantenkindern in der deutschsprachigen Schweiz untersucht. - 38 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem Abbildung 14: Bedingungen von Schulleistungen (Baumert et al.) Familiärer und sozialer Hintergrund Persönliche und biografische Merkmale Systemischer Kontext von Schule Schulische Bedingungen für Unterricht und Lernen Unterrichts Qualität/ Schulklima Lernaktivitäten der SchülerInnen Fachliche und überfachliche Kompetenzen Peer-group-Einbindung Freizeitaktivitäten Quelle: Baumert et al., unb., S. 8 Die Autoren Baumert, Klieme, Neubrand et al. (unb.) entwickeln anhand verschiedener Modelle, die die Bedingungsfaktoren schulischer Leistung miteinander in Beziehung setzen, ein eigenes Konzept. Das Ziel ihrer Untersuchung war es, im Rahmen der PISAStudie 2000 eine Erweiterungsstudie durchzuführen, um die sozialen Bedingungen von Schulleistungen durch Schüler-, Schul- und Elternfragebögen zur erfassen. Da die internationale Schulleistungsstudie eine Querschnittsstudie ist, mussten methodische Einschränkungen in jener Hinsicht vorgenommen werden, dass keine Variablen in ihrem Modell enthalten sein dürfen, die auf einen weiteren Erhebungszeitpunkt angewiesen sind (vgl. ebd., S. 8). „Für PISA hat eine internationale Expertengruppe einen theoretischen Referenzrahmen entworfen, der sich vor allem auf die Schuleffektivitätsforschung und das darauf basierende „Bildungsproduktionsmodell“ von Scheerens (1990; vgl. dazu 1992, 1997) bezieht“ (ebd., S. 5). - 39 - Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem Abbildung 14 zeigt verschiedene Felder und Variablengruppen, die Einfluss auf die fachlichen Leistungen vermuten lassen. Diese Faktoren werden nach ihrer Nähe zum Lernprozess der Schülerinnen und Schüler gruppiert und in Prozessvariablen, Bedingungsvariablen, Systemvariablen als individuelle Lernleistung die abhängige Variable unterschieden. Als Prozessvariablen werden alle Einflussfaktoren, „die mit dem Lernprozess unmittelbar verknüpft sind“ (Baumert et al., ebd., S. 6) bezeichnet. Diese Prozessvariablen versuchen alle schulischen Bedingungen für Unterricht und Lernen, die Unterrichtsqualität, das Schul- und das Klassenklima und die Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler zu erfassen. „Von diesen Variablen zu unterscheiden sind die Einflussfaktoren, die auf den Unterricht und auf das Lernen wirken, ohne selbst Teil des Prozesses zu sein“ (Baumert et al., ebd., S. 6). Baumert et al. bezeichnen sie als Bedingungsvariablen und verstehen darunter einerseits die schulischen Bedingungen und andererseits außerschulische Bedingungen oder Merkmale der Schülerinnen und Schüler, wie z. B. den familiären und sozialen Hintergrund, persönliche und biografische Merkmale, den Freundeskreis und die Freizeitaktivitäten. Die Auswirkung des nationalen Schulsystems und dessen sozialen und kulturellen Kontext auf die Bedingungen der einzelnen Schulen werden mit Systemvariablem erfasst. Die erworbenen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen werden durch die abhängige Variable „individuelle Lernleistung“ dargestellt (vgl. ebd., S. 7). - 40 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4. Die internationale Schulleistungsstudie PISA – Ein Überblick In diesem Abschnitt wird erklärt, was die internationale Schulleistungsstudie PISA ist, welches Ziel diese Studie hat und was dabei gemessen werden soll. Es wird ein kurzer Überblick über den Ablauf, das Assessmentdesign und der Internationalen PISA-Skala am Beispiel der Mathematik-Kompetenz gegeben. Ein weiterer Abschnitt dieses Kapitels beschreibt das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA. Zum Abschluss wird ein Überblick der wesentlichen Ergebnisse früherer Untersuchungen zu Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund gegeben. 4.1. Grundlegendes zu PISA 4.1.1. Entwicklung und Hintergrund Die erste PISA (Programme for International Student Assessement) Studie wurde im Jahr 2000 in 32 Ländern (darunter 28 OECD-Mitgliedstaaten durchgeführt. PISA wurde ursprünglich von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) mit dem Ziel in das Leben gerufen, zu messen, wie gut 15-/16-jährige Schülerinnen und Schüler, die das Ende ihrer Pflichtschulzeit erreicht haben, auf die Herausforderungen der heutigen Wissensgesellschaft vorbereitet sind (vgl. OECD, 2004, S. 20f). Die internationale Schulleistungsstudie „ist das umfassendste und weitreichendste internationale Projekt zur Erfassung von Schülerleistungen und Daten über schülerspezifische, familiäre und institutionelle Faktoren, die zur Erklärung von Leistungsunterschieden herangezogen werden können“ (OECD, 2004, S. 20). Zur Erfassung dieser Daten werden strenge Mechanismen der Qualitätssicherung eingesetzt, die in der Folge einen hohen Grad an Validität und Reliabilität aufweisen. Diese hohe Qualität garantiert, dass sich die OECD zusammen mit der UNESCO „zur weltgrößten und zuverlässigsten Quelle von vergleichenden statistischen, ökonomischen und sozialen Daten“ (Haider & Reiter, 2004, S. 10) entwickelte. - 41 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Im Jahre 2003 wurde die Studie zum zweiten Mal durchgeführt. Teilgenommen haben alle 30 OECD-Mitgliedsländer und 11 Partnerländer. In jedem Land wird eine Stichprobe zwischen 4500 und 10000 Schülerinnen und Schüler getestet, welche einer Teilnehmeranzahl von mehr als 275000 Schülerinnen und Schüler entspricht (Haider & Reiter, 2004, S. 17). 4.1.2. Merkmale PISA zeichnet sich durch folgende Merkmale aus (Die folgenden Absätze werden, wenn nicht anders erwähnt, den Nationalen Berichten (Haider & Reiter, 2001; 2004) entnommen): • Grundbildungskonzept: PISA erfasst bei Schüler/innen die drei inhaltlichen Bereiche (Domänen) Lese-Kompetenz (reading literacy), Mathematik-Kompetenz (mathematic literacy) und Naturwissenschafts-Kompetenz (science literacy).Getestet werden nicht nur die Lernplaninhalte, sondern auch weitere fächerübergreifende Kompetenzen, Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Bewältigung der späteren Anforderungen notwendig sind. • Langzeitverpflichtung: PISA ist eine Längsschnittstudie. Dadurch soll es den teilnehmenden Ländern ermöglicht werden, im 3-jährigen Zyklus und durch Rotation der inhaltlichen Bereiche, die Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der Lernziele zu messen. Abbildung 15 zeigt, dass bei jeder Erhebung steht eine „Hauptdomäne“ im Mittelpunkt, im PISA 2003 war es Mathematik, die zwei Drittel aller Testaufgaben abdeckt. Die anderen Domänen werden als „Nebendomänen“, die ca. ein Sechstel der Testaufgaben abdecken, miterhoben. • Bedeutung des lebenslangen Lernens: Eine der zentralen Fragestellungen von PISA ist, ob die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet sind. Aus diesem Grund werden sie auch nach ihren eigenen Lernstrategien, „ihrer Lernmotivation sowie ihren „Präferenzen für bestimmte Lernsituationen“ (Haider & Reiter, 2004, S. 13) befragt. - 42 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Abbildung 15: Die Zyklen von PISA Die Zyklen von PISA Hauptdomäne Nebendomäne Mathematik, Naturwissenschaft PISA 2000 Lese-Kompetenz Lese-Kompetenz, Naturwissenschaft, ProblemPISA 2003 Mathematik lösen Mathematik, Lese-Kompetenz PISA 2006 Naturwissenschaft PISA 2009 Wie PISA 2000 Quelle: Haider & Reiter, 2004, S. 13) • Darüber hinaus wurden Arbeitsgruppen mit Expert/innen aus allen Teilnehmerstaaten gebildet. Ihre wissenschaftliche Kompetenz soll sicherstellen, dass „die im Rahmen von PISA eingesetzten Instrumente zur Leistungsmessung international valide sind, und zugleich dem kulturellem und curricularem Kontext der OECD-Mitgliedsländer Rechnung tragen“ (Haider & Reiter, 2004, S. 13). Die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie sollen einerseits Schulpolitiker/innen in die Lage versetzen, die Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme mit denen anderer Staaten zu vergleichen. Andererseits sollen sie auch als Anstöße für Bildungsreformen und für Qualitätssicherung in Schulen geben. 4.1.3. Drei Gruppen von aus PISA resultierenden Indikatoren Der Erhebungszyklus von drei Jahren ermöglicht einen Vergleich der Leistungen in den Teilnehmerstaaten auf Basis-, Kontext- und Trendindikatoren und damit einen Aufbau einer systematischen Datenbasis. • PISA-Basisindikatoren: Diese standardisierten Indikatoren „liefern wichtige Informationen über das Wissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Schüler/innen, die den Verantwortlichen […] zur Orientierung dienen“ (Haider & Reiter, 2001; 2004, S. 15.). Der direkte Vergleich der Ergebnisse hilft den verantwortlichen Bildungspolitikern bei der Identifizierung von Stärken und Schwächen des jeweiligen Bildungssystems und unterstützt gezielt die Qualitätsentwicklung auf System- und Schulebene. - 43 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA • Kontextindikatoren: Die mit Hilfe des Schul- und Schülerfragebogen erhobenen Kontextindikatoren ermöglichen eine Einsicht „in den Zusammenhang der Basisindikatoren mit demografischen, sozialen, ökonomischen oder allgemein pädagogischen Variablen“ (Haider & Reiter, 2001; 2004, S. 15). Indikatoren, die die allgemeine Struktur der Bildungssysteme abbilden, werden regelmäßig von der OECD in der Studie „Education at a Glance“ („Bildung auf einen Blick“) veröffentlicht. • Trendindikatoren: Der 3-jährige Zyklus ermöglicht regelmäßig Daten für alle Kompetenzbereiche zu erheben, die „eine Beobachtung von Entwicklungstrends im Wissensstand und der Kompetenz von Schüler/innen erlaubt“ (Haider & Reiter, 2001; 2004, S. 15). 4.1.4. Die Zielgruppe Da PISA eine Längsschnittstudie ist, musste die OECD die in PISA zu untersuchende Zielpopulation genau bestimmen. Diese Entscheidung wurde vor PISA 2000 im PISA Governing Board (PGB) getroffen. Die erste von vier Entscheidungen war, dass das „Wissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen von Schüler/innen in einem Altersbereich, der sich in den meisten OECDStaaten am Ende der Pflichtschulzeit befindet“ (Haider & Reiter, 2001, S. 24; 2004, S. 19), getestet werden soll. „Die Zielpopulation von PISA 2003 sind Schülerinnen und Schüler des Altersjahrgangs 1987 ab der 7. Schulstufe. […]. Um die Vergleichbarkeit zu erreichen, testen alle Staaten Schülerinnen und Schüler desselben Alters“ (Haider & Reiter, 2004, S. 19). Die zweite und dritte Entscheidung war, dass als Zielpopulation die Gruppe der 15-/16-jährigen Schülerinnen und Schüler, egal welchen Schultyp sie besuchen, gestestet werden soll. Die vierte Entscheidung betraf das Sampling-Design. - 44 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4.1.5. Datenerhebung Die Auswahl der Stichprobe erfolgt zweistufig. In Österreich wird „eine durch 20 Strata quotierte Zufallsstichprobe aus jenen rund 2500 Schulen gezogen, in denen sich zumindest ein/e Zielschüler/in […] befindet“ (Haider & Reiter, 2004, S. 20). Die Zufallsstichprobe wird aus 20 Schultypen gezogen, wobei die Volksschule (Oberstufe) auf Grund der zu geringen Schülerzahl nicht berücksichtigt wird. Abbildung 16: In Österreich getestete Schultypen In Österreich getestete Schultypen Allgemeinbildende Pflichtschulen (APS) (1. Volksschule) 2. Hauptschule 3. Polytechnische Schule 4. Sonderschule Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS) 5. Gymnasien 6. Realgymnasien und wirtschaftskundliches RG 7. Oberstufenrealgymnasium 8. Sonstige Allgemeinbildende Schulen/ mit Statut Berufsschulen (Berufsbildende Pflichtschulen, BS) 9. Berufsschule (technisch-gewerblich) 10. Berufsschule (kaufmännisch/ Handel und Verkehr) 11. Berufsschule (land- und forstwirtschaftlich) Berufsbildende Mittlere Schulen (BMS) 12. Gewerblich-technisch-kunstgewerbliche Fachschulen 13. Kaufmännische Schulen/ Handelsschulen 14. Wirtschaftlich-sozialberufliche Fachschulen 15. Land- und forstwirtschaftliche Fachschulen Berufsbildende Höhere Schulen (BHS) 16. Technische und gewerbliche Höhere Schulen 17. Kaufmännische Höhere Schulen 18. Höhere Schulen für wirtschaftliche Berufe/ sozialberufliche Höhere Schulen 19. Land- und forstwirtschaftliche Höhere Schulen Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung 20. Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung Quelle: In Anlehnung an Haider & Reiter, 2001; 2004 Abbildung 16 zeigt, dass sich die 20 Strata aus den Allgemeinbildenden Pflichtschulen (APS), Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), Berufsschulen (BS), Berufsbil- - 45 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA dende Mittlere Schulen (BMS), Berufsbildende Höhere Schulen (BHS) und den Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung zusammensetzen. 4.1.6. Das Assessmentdesign Für die PISA Datenerhebung kommen drei verschiedene Testinstrumente zum Einsatz. Zur Messung von Schülerleistungen in den vier Kompetenzbereichen die Testhefte, zur Erhebung von Kontextindikatoren auf Schülerebene ein nationaler und internationaler Schülerfragebogen und zur Erhebung von Kontextinformationen auf Schulebene ein nationaler und internationaler Schulfragebogen (vgl. Abb. 17). Abbildung 17: Die Instrumente im Überblick Die Instrumente im Überblick Zur Messung von Schülerleistungen in den Testhefte 13 rotierte Formen vier Kompetenzbereichen. Jedes Testheft umfasst zwei Stunden Arbeitszeit. Für den Einsatz in Sonderschulen. Das Kürzerer Test für Testheft 60 Testheft umfasst eine Stunde Arbeitszeit Sonderschulen (15 Minuten je Kompetenzbereich). Zur Erhebung von Kontextvariablen auf Schülerebene (ein internationaler Teil, Schülerfragebogen 3 rotierte Formen ergänzt durch drei rotierte nationale Fragebogenteile). Zur Erhebung von Kontextvariablen auf Schulebene (ein internationaler Teil, erSchulfragebogen Eine Form gänzt durch nicht rotierte nationale Fragebogenteile). Quelle: Haider & Reiter, 2004, S. 26 Die PISA-Leistungstests sind in „Units“, bestehend aus Stimulusmaterial und mehreren „Items“, und umfassen Multiple-Choice-Aufgaben, geschlossen konstruierte Aufgaben und offen konstruierte Aufgaben. Die Kontextinformationen werden international mit Hilfe von Schul- und Schülerfragebogen erhoben und durch Zusatz nationale Zusatzerhebungen ergänzt. Der internationale Schülerfragebogen umfasste bei PISA 2003 folgende Kontextmerkmale: - 46 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Schülercharakteristika, familiärer Hintergrund, Lernen und Unterricht in Mathematik, Engagement der Schüler/innen in Mathematik, Schulklima und Selbst reguliertes Lernen in Mathematik. Der nationale Schülerfragebogen erfasst für Österreich folgende Themenbereiche: Nutzung von Informationstechnologien, Lesegewohnheiten, Belastung in der Schule, Befindlichkeit und Schulerfolg und Qualität in Schulen. Der Schulfragebogen, in denen die die Schulleitung Angaben machen soll, umfasst die Bereiche Lage und der Schule und Gemeindegröße, Management und Finanzierung, Unterrichtskontext, Schulressourcen, Tests und Förderung von Lernen, Schulklima und Schulautonomie. 4.1.7. Datenerhebung, Dateneingabe und -verarbeitung Nach der Stichprobenziehung beginnt der Screening-Prozess. Er umfasst in Österreich die Kontaktaufnahme mit den Schulen, die Stichprobenziehung auf Schüler/innenebene und Kommunikation zwischen dem PISA-Zentrum in Salzburg und den Testleiter/innen. Der PISA-Haupttest fand in einem vorab definierten 6-wöchigen Zeitfenster zwischen April und Mai 2003 in 193 Schulen statt. Um den korrekten Ablauf der PISATestsitzungen zu gewährleisten, werden externen Testadministrator/innen eingesetzt. Vor der eigentlichen Dateneingabe vom geschulten Personal in die speziell dafür entwickelte Software KeyQuest müssen die Schülerantworten auf die offenen Fragen in den Leistungstests auf die Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft und codiert werden („Marking“). Die Qualität der Daten wird durch Kontrollen während der Dateneingabe, umfangreiche File-Cleaning-Prozeduren auf nationaler und internationaler Ebene und verschiedene Arten von Integritätschecks gewährleistet. 4.1.8. Die PISA-Skala zur Leistungsmessung Da PISA eine Längsschnittstudie mit dem Ziel darstellt, international vergleichbare Daten zu erheben, werden die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den vier Domänen jeweils mithilfe einer PISA-Skala beurteilt. Die theoretisch nach oben und - 47 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA unten offene Skala ist so transformiert, dass sich ein OECD-Mittelwert von 500 und eine Standardabweichung von 100 Punkten (vgl. Haider & Reiter, 2001, S. 38; 2004, S. 31). Anders ausgedrückt bedeutet das, dass ca. 65% aller getesteten Schülerinnen und Schüler Punkte zwischen 400 und 600 erreichen. Überdurchschnittliche Schüler/innen liegen über 500 Punkte und unterdurchschnittliche Schüler/innen unter 500 Punkte. Etwa 95% aller Testpersonen erreichen eine Punkteanzahl zwischen 300 und 700 Punkten, d. h. nur 5% erreichen Punkte unter 300 bzw. über 700 Punkte. Jede PISA-Testaufgabe ist so konstruiert, dass Schüler/innen innerhalb jeder Domäne Testaufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen lösen müssen. So ist es möglich „die von ihnen erbrachte Leistung und sowie die Schwierigkeit jeder PISA-Testaufgabe auf einer kontinuierlichen Skala mit aufsteigender Schwierigkeit zu veranschaulichen“ (Haider & Reiter, 2001, S. 41; 2004, S. 32f). Der erreichte Punktewert innerhalb einer Domäne repräsentiert die höchste Schwierigkeit einer Testaufgabe, die die Testperson mit bestimmter Wahrscheinlichkeit lösen kann. Die Mathematik- und Lese-Kompetenz wird durch Proficiency Levels („Leistungsstufen“) dargestellt. Für PISA-2003 stellt die getestete Hauptdomäne Mathematik dar, die in sechs Levels definiert ist. „Schüler/innen eines bestimmten Levels verfügen sowohl über das Wissen und die Fertigkeiten, durch die dieser Level charakterisiert ist, als auch über die Fähigkeiten niedrigerer Kompetenzstufen“ (Haider & Reiter, 2001, S. 43; 2004, S. 32). Aufgaben der Stufe sechs können z.B. nur 4% aller Schüler/innen im OECD-Raum lösen, Aufgaben der Stufe drei können mindestens 53% und Aufgaben der Stufe ein können mindestens 88% aller getesteten Schülerinnen und Schüler lösen (vgl. OECD, 2004,S. 87f). Nähere und ausführliche Informationen zur OECD/PISA-Studie 2000 und 2003 finden sich u. a. aus internationaler Sicht in den OECD-Publikationen und aus nationaler Sicht in den Nationalen Berichten der PISA-Studie 2000 und 2003 (Haider & Reiter, 2001; Haider & Reiter, 2004), im Technischen Report zu PISA 2000 (Haider, 2001), im Technischen Bericht (Reiter, Lang & Haider) und in der Publikation „Die PISA-Studie“ – Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb (Haider & Schreiner, 2006). - 48 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4.2. Die Erfassung der sozialen Herkunft In der Soziologie werden zur Untersuchung der Gesellschaftsstruktur und zur Darstellung von sozialen Lagen meist Messinstrumente verwendet, bei denen die Ermittlung des sozialen Status auf Basis der beruflichen Tätigkeit oder beruflichen Stellung beruht (vgl. Wolf, 1995, S. 103f). Die meisten dieser Skalen basieren auf der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO), auf deren Grundlage internationale Vergleiche möglich sind (vgl. Schimpl-Neimanns, 1998, S. 110f). Zur Ordnung der Berufsinformationen gibt es auch noch nationale Klassifikationssysteme. Im deutschsprachigen Raum sind dies vor allem die im Rahmen der amtlichen Statistik der BRD gebräuchliche Klassifizierung der Berufe (KldB) (vgl. Christoph, 2005, S. 80) und die Berufsklassifikation von Blossfeld (Schimpl-Neimanns, 1998, S. 115). Der Beruf, neben Bildung und Einkommen eine der zentralen Dimensionen der sozialen Ungleichheit, wird mit Messinstrumenten, welche die soziale Position von Berufen mit Hilfe einer kontinuierlich, hierarchisch geordneten Skala abbilden, gemessen (vgl. Christoph, 2005, S. 80). Die meisten dieser Skalen basieren mit ihrer Vercodung der beruflichen Tätigkeiten der Befragten auf die zwei unterschiedlichen Versionen der International Standard Classification of Occupations ISCO 68 und ISCO 88. Die soziale Position von Berufen wird in drei verschiedenen Ansätzen gemessen: Statusskalen, Prestigeskalen und Klassenkategorien. „Status“ wird im Rahmen der Schichtungssoziologie definiert als eine höhere oder niedrigere Position der Person in einem hierarchisch geordneten System (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 586). Der objektive Ansatz, Status zu ermitteln, liegt in der Erfassung von z.B. Einkommen, Bildung und Beruf (vgl. ebd., S. 587). „Hiermit wird der ´soziale Status´ zum ´sozioökonomischen Status´ (Duncan 1961)“ (Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 125). Prestigeskalen messen das „Berufs-Prestige“. Prestige wird definiert als „soziales Ansehen, Anerkennung bzw. Wertschätzung einer Person, einer Gruppe oder auch einer sozialen Position“ (Reinhold et al., 1991, S. 457). Die „Klassenlage“ definiert Max Weber als „alle Voraussetzungen, die zum Erwerb von Einkommen bei einer bestimmten Wirtschaftsverfassung dienen. Hierzu gehören: Quali- - 49 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA fikationen, Leistungen, Verfügungsmacht über Güter, persönliche Überzeugungen etc.“ (Reinhold et al., 1991, S. 302). Ebenso lassen sich anhand des Skalentyps kategoriale von kontinuierlichen Skalen unterscheiden: Kategoriale Skalen werden durch die direkte Einordnung auf Basis theoretischer Erwägungen des Forschers erstellt. Er legt die Anzahl und die Kriterien zur Klassifikation im Vorhinein fest. Die Klassenkategorien, die den am weitesten verbreiteten Typ kategorialer Skalen darstellen, nehmen ihren theoretischen Bezug auf Marx und Weber. Für Marx wird die Klassenzugehörigkeit durch die Stellung im Produktionsprozess bestimmt. Weber definiert die Klassenzugehörigkeit über die Gemeinsamkeit der Marklage und die damit verbundenen Lebenschancen (vgl. Christoph, 2005, 81 – 83). „Der bekannteste Ansatz, der u. a. auch auf einen Klassenbegriff von Weber zurückgreift ist das Klassenschema von Erikson, Goldthorpe & Portocarero (Erikson et al. 1979, 1982; Erikson & Goldthorpe 1992), …“ (Christoph, 2005, S. 82). Bei den kontinuierlichen Skalen lassen sich u. a. folgende Ansätze unterscheiden: Reputationsskalierung und Indexskalierung (für die zwei weiteren Skalierungsansätze Interaktionsskalierung und Strukturskalierung vgl. dazu Christoph, 2005, S. 86). Eine Reputationsskala basiert auf der direkten Prestigeeinschätzung durch den Befragten und fällt somit in die Kategorie einer Prestigeskala. „Reputationsskalen greifen konzeptionell auf das Prestige als einer (neben dem Einkommen) zentraler Belohnung zurück, die mit einer bestimmten sozialen Position verknüpft ist“ (Christoph, 2005, S. 84). Treimanns (1977) Standard International Occupational Prestige Scale (SIOPS) ist die erste und bis heute einzige Reputationsskala, die für internationale Vergleiche genutzt werden kann. Harry B. G. Ganzeboom und Donald J. Treiman legten 1996 eine aktualisierte Version vor (Ganzeboom & Treiman, 1996). „Basis einer Indexskala ist die Feststellung, dass bestimmte Eigenschaften von Personen mit einer hohen sozialen Position dieser Personen einhergehen und daher als Statusindikatoren dienen können (Christoph, 2005, S. 85). In der Regel werden unterschiedliche Indikatoren verwendet, die als Belohnung bzw. als Bedingung für die Erreichung dieser Position interpretiert werden können. Die am häufigsten für die Konstruktion einer In- - 50 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA dexskala verwendeten Indikatoren sind Einkommen und Bildung. Ein wichtiger Aspekt bei der Skalenbildung stellt die korrekte Gewichtung dieser Variablen dar, die bis zu komplexen Prozeduren wie bei der International Socioeconomic Index of Occupational Status (ISEI, Ganzeboom & Treiman, 1996) (vgl. Christoph, 2005, 85f) reicht. 4.2.1. Berufsklassifikationen Für Max Weber ist der Beruf „die Basis für eine dauerhafte Versorgungs- und Erwerbschance“ (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 49). Der Beruf ist neben Einkommen und Bildung ein wichtiger Faktor, um eine bestimmte „Position“, d. h. einen bestimmen sozioökonomischen Status, in der Gesellschaft erreichen zu können. Hoffmeyer-Zlotnik und Geis (2003) weisen darauf hin, dass in Folge der Bildungsexpansion die Statusvariablen Einkommen und Bildung an Gewicht verloren haben. Da sich „Beruf“ nicht einheitlich definieren lässt, ist es für internationale Vergleiche wichtig, eine standardisierte Skala zu benützen, die die nationalen BerufsstatusHierarchien angemessen repräsentiert. Zurzeit wird für internationale Vergleiche meist die Standardklassifikation der Berufe der „International Standard Classification of Occupations (ISCO) verwendet (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S.126f). „Auf der Basis des ISCO-Codes lassen sich international valide Berufsrangskalen und Kategoriensysteme bilden, mit deren Hilfe die Stellung von Personen in der sozialen Hierarchie einer Gesellschaft bestimmt werden kann“ (Baumert & Schümer, 2001, S. 327). ISCO68 steht für „International Standard Classification of Occupations“ und wurde 1968 von der International Labour Office (ILO) herausgegeben (ILO, 1969). Die International Labor Office ist eine Organisation der Vereinten Nationen und gab 1958 zum ersten Mal die ISCO heraus, die sie 1968 und 1988 modifizierte (vgl. Ganzeboom & Treiman, 1996, S. 202). Die ISCO68 unterscheidet in ihrer detailliertesten Variante 1.506 Berufe (Berufsfelder, Occupations). Für statistische Zwecke genügt es meist, die 284 beruflichen Tätigkeiten (Berufsgattungen, Unit-Groups) zu verwenden. Diese werden in 83 Berufsuntergruppen - 51 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA (Minor Groups) und 8 Berufshauptgruppen (Mayor Groups) gruppiert (vgl. Christoph, 2005, S. 88). Die ISCO-88 berücksichtigt das Bildungsniveau bereits bei der Zusammensetzung der Berufshauptgruppen. Sie ordnet die Berufe hierarchisch an. „Auf der untersten Ebene befindet sich die zu klassifizierende Einheit – die Tätigkeit oder job -, definiert als die von einer Person wahrzunehmenden Aufgaben und Pflichten“ (Elias & Birch, 2000, S. 8). Alle Tätigkeiten, deren Aufgaben und Pflichten sich ähneln, werden zu Berufen zusammengefasst. Wie in Abbildung 18 dargestellt, lassen sich die 390 Berufsgattungen in 116 Berufsuntergruppen (Minor Groups) einordnen, die sich wiederum in 28 Berufsgruppen (Submayor Groups) und 10 Berufshauptgruppen (Mayor Groups) einteilen lassen (Christoph, 2005, S. 88). Abbildung 18: ISCO-88Gliederungsebenen mit einem Beispiel 10 Berufshauptgruppen (Mayor Groups) Code 9 Hilfsarbeitskräfte 28 Berufsgruppen (Submajor Groups) Code 91 Verkaufs- und Dienstleistungskräfte Code 913 z. B. Haushaltshilfen, Reinigungspersonal 116 Berufsuntergruppen (Minor Groups) 390 Berufsgattungen (Unit Groups) Code 9132 z.B. Küchenhilfe, Zimmermädchen,… Quelle: Christoph, 2005, eigene Bearbeitung „Um Berufe auf verschiedenen Hierarchieebenen in relativ ähnlichen Kategorien zusammenfassen zu können, führt die ISCO-88 das Konzept des skill ein, definiert als skill level – Grad der Komplexität der entsprechenden Aufgaben – und skill specialisation – im Grunde das Gebiet, auf dem Kenntnisse erforderlich sind, damit die jeweiligen Aufgaben kompetent ausgeführt werden können“ (Elias & Birch, 2000, S. 8) Wie Abbildung 19 zeigt, verwendet die ISCO-88 vier skill levels, um die Grundstruktur der Klassifikation auf ihrer obersten Ebene, der Hauptgruppenebene, festzulegen. - 52 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA „Diese vier skills levels wurden zum Teil auf der Grundlage der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) operationalisiert, zum Teil auf der Basis der tätigkeitsbezogenen konventionellen Berufsausbildung, die zur Entwicklung des skill level derjenigen Personen eingesetzt werden kann, die solche Tätigkeiten ausführen werden“ (Elias & Birch, 2000, S. 9). Abbildung 19: ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien ISCO skill level Erstes skill level ISCED Kategorien ISCED 1 (Primarausbildung) Zweites skill level ISCED 2 und 3 (Sekundarausbildung) Drittes skill level ISCD 5 (1. Tertiärausbildung) Viertes skill level ISCED 6 (2. Tertiärausbildung) Quelle: Elias & Birch, 2000, S. 10 Abbildung 20 zeigt, dass acht der zehn Berufshauptgruppen ISCO skill level zugeordnet sind. - 53 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Abbildung 20: Berufshauptgruppen der ISCO-88 und skill levels Berufshauptgruppe Angehörige gesetzgebender Körperschaften, leitende Verwaltungsbedienstete und Führungskräfte in der Privatwirtschaft 2 Wissenschaftler 3 Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe 4 Bürokräfte, kaufmännische Angestellte 5 Dienstleistungsberufe, Verkäufer in Geschäften und auf den Märkten 6 Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei 7 Handwerks- und verwandte Berufe 8 Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montierer 9 Hilfsarbeitskräfte 0 Soldaten Quelle: Elias & Birch, 2000, S. 15 ISCO skill level 1 4 3 2 2 2 2 2 1 - Fachleute für Berufsklassifikationen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union stimmten 1990 zu, die ISCO-88 in einer modifizierten Form zur Grundlage einer länderübergreifenden Klassifikation für statistische Vergleichszwecke zu machen. ISCO88 (COM) entspricht einer regionalen Variante der EU und ist für die Anwendung auf die Arbeitsmarkterhebung der Europäischen Union zugeschnitten (vgl. u. a. Elias & Birch, 2000; Wallner-Paschon, 2004). 4.2.2. Die internationale Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) Wie bereits schon erwähnt wurde (vgl. Abb. 19), verwendet ISCO-88 vier skill levels, um die Grundstruktur der Klassifikation auf ihrer obersten Ebene, der Hauptgruppenebene, festzulegen. Diesen vier skills levels sind jeweils jene Kategorien der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED = International Standard Classification of Education) zugeordnet, die die notwendigen Fähigkeiten, die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich sind, beschreiben. Die ISCED wurde von der UNESCO in den frühen 1970igern entwickelt und zuletzt 1997 modifiziert. Ziel dieses Klassifikationsschemas war es, Bildungsstatistiken inter- - 54 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA national vergleichbarer zu machen. Es beinhaltet zwei Komponenten: Zum einen beinhalte die ISCED einen statistischen Rahmen, um wichtige Informationen von nationalen Bildungssystemen für Bildungsverantwortliche international vergleichbar zu machen. Zum anderen eine Methodik, die nationale Bildungsprogramme in international vergleichbare Kategorien von Ausbildungsbereichen und Bildungsgänge übersetzt (UNESCO, 2006, S. 10). Die Internationale Standard Klassifikation des Bildungswesens (ISCED-97) unterscheidet sechs Bildungsbereiche (vgl. Abb. 21): • Elementarbereich (ISCED 0), • Primarbereich (ISCED 1), • Sekundarbereich I (ISCED 2), • Sekundarbereich II (ISCED 3), • Post-sekundarer, nicht tertiärer Bereich (ISCED 4), • Tertiärbereich A (ISCED 5A) • Tertiärbereich B (ISCED 5B) • Weiterführende Forschungsprogramme (ISCED 6) (vgl. u. a. OECDa, 2005, S. 491; UNESCO, 2006, S. 19). Abbildung 21: Levels of Education How to determine the level of a programme Proxy criteria for contents Main criteria Educational properties School or centrebased Minimum age Upper age limit Beginning of systematic apprenticeship of reading, writing and mathematics Subject presentation Full implementation of basic skills and foundation for lifelong learning Subsidiary criteria Staff qualification Entry into the nationally designated primary institutions or programmes Start of compulsory education End of the cycle after 9 years since the beginning of primary education End of compulsory education Several teachers conduct Name of the level Code Complementary dimensions Pre-primary education 0 None Primary education First stage of basic education 1 None Entry after some 6 years of primary education Lower secondary education Second stage of 2 Type of subsequent education or destination Programme orientation - 55 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA classes in their field of specialization basic education Typical entrance qualification Minimum entrance requirement (Upper) secondary education 3 Type of subsequent education or destination Programme orientation Cumulative duration since the beginning of ISCED level 3 Entrance requirement; Content; Age; Duration Post-secondary non tertiary education 4 Type of subsequent education or destination Cumulative duration since the beginning of ISCED level 3 Programme orientation Minimum entrance requirement; Type of certification obtained; Duration First stage of tertiary education (not leading directly to an advanced research qualification) 5 Second stage of tertiary education (leading to an advanced research qualification) 6 Type of programmes Cumulative theoretical duration at tertiary National degree and qualification structure None Research-oriented content; Submission of thesis or dissertation Prepare graduates for faculty and research posts Quelle: UNESCO, 2006, S. 19 Ziel der internationalen Schulleistungsstudie PISA ist es, die Grundkompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der Pflichtschule zu erheben, zu beschreiben und international zu vergleichen (vgl. u.a. Reiter, 2005, S. 78). Abbildung 22 stellt die einzelnen ISCED-97 Kategorien dar, die zeigen, in welchen Bereichen und Schultypen sich die 15/16jährigen Testpersonen zum Testzeitpunkt in Österreich befinden. Die österreichische Stichprobenstratifizierung beinhaltet 20 Schultypen, die sich alle auf die ISCED Level zwei und drei aufteilen (vgl. Reiter, 2005, S. 88). - 56 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Abbildung 22: ISCED Kategorien (PISA Stichprobenstratifizierung auf Österreich bezogen) ISCED-97 Level Sekundarbereich I Sekundarbereich II ISCED97 Level 2 3 Bezeichnung der Ausbildungsbereiche in Schulstufe Österreich AHS-Unterstufe , Volksschule Oberstu5–8 fe, Sonderschule (inkl. Heilstättenschule), Hauptschule, Realschule, Allgemeinbildende Statutschulen Berufsschulen, BMS, BHS, Anstalten der Ab 9 Lehrer-s & Erzieherbildung Polytechnische Schule, Sonderschule (inkl. Heilstättenschule), Internationale Schulen (ISCED 1 – 3), AHS-Oberstufe, Quelle: Eurostat, 2002, S. 60 4.2.3. Die internationale Berufsprestige-Skala von Treiman (SIOPS) Treimans „Standard International Occupational Prestige Scale“ (SIOPS-Skala) wurde in den 70iger Jahren entwickelt, um ein Instrument für internationale Vergleiche zur Verfügung zu haben. Treiman (1975, 1977) baute diese Skala auf den Berufsgattungen der ISCO-68 auf, die in den 90iger Jahren auf die ISCO-88-Codierung umgestellt wurde (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 129; Ganzeboom & Treiman, 1996). Bei dieser standardisierten internationalen PrestigeSkala erhält jeder bekannte Beruf in jeder Gesellschaft denselben Wert. Befragungspersonen aus 55 Ländern mussten eine Menge von Berufsbezeichnungen hinsichtlich ihres sozialen Ansehens beurteilen und Rangreihen. Daraus konstruierte Treiman eine Standardskala, die den Wertebereich von 0 bis 100 aufweist. Ein z. B. Montagearbeiter wird mit dem Wert 18 und ein Arzt mit 78 eingestuft (vgl. Ganzeboom & Treiman, 1996). Da diese Befragung in Ländern von der Agrargesellschaft bis zur postindustriellen Gesellschaft durchgeführt wurde, ist dieses Bewertungssystem nach Treiman für die Anwendung unproblematisch. Hoffmeyer-Zlotnik und Geis (2003) weisen aber auch auf die Problematik hin, dass diese Skala ihre Gültigkeit verliert, wenn in Ländern sich z.B. das Bewertungssystem verändert. Innerhalb der Europäischen Union und damit vergleichbaren Ländern ist die - 57 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Anwendung der auf eine der beruflichen Tätigkeit aufbauenden Prestige-Skala gerechtfertigt (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, S. 128f). - 58 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4.2.4. Die internationale Skala des sozio-ökonomischen Status von Ganzeboom et al. (ISEI) Neben der Berufsprestige-Skala von Treiman publizierten Ganzeboom, de Graaf, Treiman und de Leeuw 1992 eine weitere, international messende Bewertungs-Skala: der „Standard International Socio-Economic Index of Occupational Status“ (ISEISkala). Dieser Sozioökonomische Index des beruflichen Status wird unter anderem in PISA (Programme for International Student Assessment) als Standardindikator für die sozioökonomische Stellung der Eltern verwendet (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S. 327; Wallner-Paschon, 2004). Im Unterschied zur Berufsprestige-Skala von Treiman geht es bei diesem Index nicht um das Prestige, sondern um den sozioökomischen Status. Ausgangsmaterial bei der Erstellung dieser Skala waren Informationen über Bildung, Beruf und Einkommen von etwa 74 000 vollzeitbeschäftigten männlichen Befragungspersonen aus 16 Ländern (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 128; Schimpl-Neimanns, 2004, S. 156f). „Die Überlegung zu dieser Skala geht davon aus, dass jede berufliche Tätigkeit einen bestimmten Bildungsgrad erfordert und durch ein bestimmtes Lohnniveau entlohnt wird“ (Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 129). „Das verwendete Statuserwerbsmodell bezieht sich auf drei Kernvariablen und die Beziehungen zwischen ihnen: an zentraler Stelle das Einkommen als Maß wirtschaftlichen Wohlstands und Indikator unterschiedlicher Lebensbedingungen sowie Bildung und Beruf als individuelle Ressourcen, die zum Erwerb von Arbeitseinkommen eingesetzt werden“ (Schimpl-Neimanns, 2004, S. 156). Technisch ist der sozioökonomische Index an die Berufsgattungen („unit groups“) und die beruflichen Tätigkeiten der ISCO-68 Klassifikationen geknüpft. Ganzeboom und Treiman übertrugen 1996 diesen Index auf die Datenbasis und Logik der ISCO-88. Die Autoren berücksichtigten u. a. die skilllevels und überarbeiteten einige Kategorien (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 130; Ganzeboom & Treiman, 1996). - 59 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Der Wertebereich der ISEI-Skala geht im Unterschied zur Prestige-Skala von 16 bis 90. Je höher der Wert, desto höher ist der sozioökonomische Status der erwerbstätigen Person. Ein landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter bekommt den ISEI-Wert von 16, ein Möbeltischler 33, ein Lehrer des Sekundarbereiches 69 und ein Mediziner den Wert 85 zugewiesen (vgl. GESIS). Schimpl-Neimanns (2004, S. 159) berichtet, dass in Deutschland z. B. Migrant/innen unterdurchschnittliche Werte aufweisen, weil sie sich auf die Berufshauptgruppen „Handwerksberufe“ und Anlagen- und Maschinenbediener“ (ISEIWerte um 30) konzentrieren. Der Autor macht ebenso darauf aufmerksam, dass der ISEI-Wert nur für die erwerbstätige Bevölkerung, ausgenommen es liegt der früher erlernte Beruf vor, ermittelt werden kann. Weitere Indikatoren, die zur Bestimmung der Ungleichheit wichtig wären, wie z. B. Arbeitsverhältnisse, Haushaltszusammenhänge oder die Unterscheidung von Inhabern gleicher Berufe nach Qualifikation, Funktion und Autonomie innerhalb eines Betriebes, bleiben bei ISEI unberücksichtigt (vgl. Schimp-Neimanns, 2004, S. 157). 4.2.5. Die Messung nominaler Klassenkategorien (EGP) Die „Klassenlage“ ist ein kategoriales Differenzierungsschema, das in die drei Obergruppen „Arbeitgeber“, „Selbstständige“ und „Arbeitnehmer“ unterschieden wird. Die Kategorien der EGP-Klassen verbinden Informationen über Beschäftigten-Status und berufliche Tätigkeit (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117f). Die EPG-Klassen wurden ursprünglich speziell für britische Untersuchungen entworfen und 1979 von Erikson, Goldthorpe und Portocarero in einer Studie über drei Länder zu einem Standard internationaler Vergleiche weiterentwickelt. Erikson und Goldthorpe entwickelten 1992 in Kooperation mit dem CASMIN-Projekt (Comparative Analysis of Social Mobility in Industrial Nations) die heute vorliegende Klassifikation (vgl. Brauns, Steinmann & Haun, 2000; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, S. 131). „Die für die Konstruktion der „Klassenlage“ benötigten Variablen sind der „ausgeübte Beruf“ (für den internationalen Vergleich nach ISCO zu klassifizieren) und die „Stellung im Beruf“ inklusive einer Differenzierung nach Selbstständigen, abhängig - 60 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Beschäftigten und mithelfenden Familienangehörigen“ (Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 130; vgl. dazu Baumert & Schümer, 2001, S. 338). Ganzeboom et al. erstellten 1992 ein Modul, mit dessen Hilfe es möglich ist, die EGP-Kategorien auf der Basis der Berufsbezeichnungen von ISCO-68 herzuleiten (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 130). 1996 wurde die EGP-Skala von Ganzeboom et al. auf der Basis der ISCO-88 modernisiert. Das EGP-Modell ordnet die Berufe nach der Art der Tätigkeit, der Stellung im Beruf, den Weisungsbefugnissen und den zur Berufsausübung erforderlichen Qualifikationen. Baumert und Schümer (2001, S. 328) weisen darauf hin, dass ein großer Vorteil des Erikson-Goldthorpe-Portocarero-Modells darin besteht, dass es zum Unterschied zu den Prestigeskalen und die sozioökonomischen Indizes eine anschauliche Beschreibung konkreter Personengruppen erlaubt. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass es erhebungstechnisch von Bildungs- und Einkommensmaßen unabhängig ist. Abbildung 23: Die Kategorien der EGP-Klassen I II IIIa IIIb IVa IVb V VI VIIa VIIb IVc EGP 11 Description 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Higher Managerial and Professional Workers Lower Managerial and Professional Workers Routine Clerical Work Routine Service and Sales Work Small Self-Employed with Employees Small Self-Employed without Employees Manual Supervisors Skilled Manual Workers Semi- and Unskilled Manual Workers Agricultural Labour Self-Employed Farmers Quelle: Ganzeboom & Treimann, 2003, S. 176 Abbildung 17 zeigt, dass das vollständige EGP-Modell elf Klassen unterscheidet. Baumert und Schümer (2001) weisen darauf hin, dass in der Forschungspraxis diese elf Klassen häufig in sechs Klassen zusammengefasst werden: In die Obere Dienstklasse (I), die Untere Dienstklasse (II), in die Klasse der Routinedienstleistungen in Handel und Verwaltung (III), in die Klasse der Selbstständigen (IV), die Klassen V und VI werden in Facharbeiter und Arbeiter mit Leitungsfunktion zusammengefasst und in die unterste Klasse (VII) gehören alle Un- und angelernte Arbeiter und Landarbeiter. - 61 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Zur oberen Dienstklasse gehören Personen, die Verantwortung tragen, über Entscheidungsbefugnis und Autonomie in der Tätigkeit verfügen (z.B. führende Angestellte, höhere Beamte, Akademiker,…). Die hierarchische Abstufung der EGP-Klassifikation zeigt sich darin, dass Angehörige der untersten Klassen ungelernte und angelernte Berufe aus dem manuellen Bereich mit geringem Anforderungsniveau ausüben (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S. 338f). 4.2.6. Das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA In Kapitel 2 wurden bereits ausführlich verschiedene Indikatoren zur Erfassung des sozioökonomischen Hintergrundes dargestellt. Zur Darstellung von sozialen Lagen werden Messinstrumente verwendet, bei denen die Ermittlung auf Basis der beruflichen Tätigkeit oder beruflichen Stellung beruht. Die meisten dieser Skalen basieren auf der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO), auf deren Grundlage internationale Vergleiche möglich sind (vgl. Schimpl-Neimanns, 1998, S. 110f). Bildung und Einkommen sind zwei weitere zentrale Dimensionen, mit deren Hilfe die soziale Position in der Gesellschaft abgebildet werden kann. Die Daten zur Erfassung der sozialen Herkunft auf Schülerebene sowie auf Familienund Schulebene aus Schülersicht werden mithilfe des Kontextfragebogens „Der internationale Schülerfragebogen“ im Anschluss an die Leistungstests beantwortet. Der Fragebogen beinhaltet u. a. Fragen zu folgenden Bereichen: • Demografische Daten (Alter, Geschlecht, Muttersprache), • Sozio-ökonomischer Hintergrund (Bildung und Beruf der Eltern), • Pädagogische Ressourcen zu Hause (Anzahl der Bücher zu Hause), • Schullaufbahn und • Schülererwartungen in Bezug auf die Ausbildung. (Für weitere Details zum Schülerfragebogen vgl. dazu Haider, 2001, S. 103f). - 62 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Die Indikatoren zur Erfassung der sozialen Herkunft sind gruppiert in • Indikatoren für die sozio-ökonomischen Stellung der Eltern o Berufstätigkeit der Eltern (Berufsbezeichnung, Tätigkeitsbezeichnung) o Relativer Wohlstand der Familie • Indikatoren für das kulturelle Kapital der Familie o Nationale Herkunft der Schüler und ihrer Eltern o Humankapital der Eltern o Kulturelle Praxis der Familie • Indikatoren für das soziale Kapital der Familie o Struktur, Größe und Erwerbsstatus der Familie o Eltern-Kind-Beziehungen Die sozio-ökonomische Stellung der Eltern wird mithilfe der Indikatoren „Berufstätigkeit der Eltern“ und „Relativer Wohlstand der Familie“ festgestellt. Die Berufstätigkeit der Eltern wird nach ISCO-88 vercodet und dann in den Index ISEI transformiert. Mithilfe der Angaben zur Erwerbstätigkeit der Eltern, ob die Mutter oder der Vater zurzeit Vollzeit, Teilzeit, auf Arbeitssuche oder „Sonstiges“ sind, lassen sich zusätzlich für zwei weitere Aspekte nutzen: Längere Arbeitslosigkeit- oder Erwerbslosigkeit der Eltern, besonders des Hauptverdieners, wirken sich in der Folge negativ auf das Bildungsverhalten der Schüler/innen aus (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S. 331f). „Wie Coleman verschiedentlich betont, kann die Vollbeschäftigung beider Eltern zu einem Mangel an Zeit zur Bildung sozialen Kapitals innerhalb und außerhalb der Familie führen“ (ebd., S. 332). Der relative Wohlstand einer Familie wird anhand von Angaben zu den Wohnverhältnissen (z.B. eigenes Zimmer, ruhiger Platz zum Lernen, einen Schreibtisch zum Lernen,…) und zu ihren Besitztümern (z.B. Geschirrspülmaschine, Internetanschluss, wie viele Autos oder Handys,…) festgestellt. Das kulturelle Kapital, das „Auskunft über die Vertrautheit der Schülerinnen und Schüler mit der in ihrem Aufenthaltsland vorherrschenden Kultur“ (ebd., S. 332) geben soll, - 63 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA wird anhand von Items über das Geburtsland der Jugendlichen und deren Eltern und welche Sprache sie normalerweise zuhause sprechen, festgestellt. Das Humankapital der Eltern wird im internationalen Schülerfragebogen mit den vier Indikatoren Schulbildung und Berufsausbildung beider Elternteile festgestellt und international mithilfe der ISCED (International Standard Classification of Education) erfasst (vgl. ebd., S. 333). Die kulturelle Praxis der Familie wird mithilfe der Fragen nach dem Besitz kultureller Güter (Bücher mit Gedichten, Kunstwerke,…) und schulrelevanten Besitztümern (Internetanschluss, Lern-Software, Taschenrechner,…) erfasst. Außerdem erfasst wird die kulturelle Teilhabe innerhalb der Familie (das Hören klassischer Musik, Diskussionen über Bücher oder Filme,…) und „die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler an sozial hoch bewerteten Formen der Kultur (z. B. Theater- oder Museumsbesuche)“ (ebd., S. 333). Die Indikatoren für das soziale Kapital der Familie geben Auskunft darüber, ob innerhalb oder außerhalb der Familie der Jugendlichen ein Mangel an Zeit oder Gelegenheit zur Bildung an sozialem Kapital herrscht. Dazu werden von den Schülerinnen und Schülern Angaben darüber gemacht, welche und wie viele Personen in einem Haushalt leben und wie viele Geschwister sie haben. Zusätzlich kommt das Item „Was macht dein/ e Vater/ Mutter zurzeit“ dazu, um feststellen zu können, wie viel Zeit in der Familie in die Erziehung investiert wird. Detailinformationen zu den „Indikatoren der sozialen Herkunft“ finden sich u. a. bei den Autoren Jürgen Baumert und Gundel Schümer (2001) und die genauen Itemformulierungen des internationalen Schülerfragebogen im Anhang des Technischen Reports zu PISA 2000, herausgegeben unter Günter Haider (2001). - 64 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4.2.7. Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) wird von den drei Variablen, die im Zusammenhang mit dem familiären Hintergrund stehen, hergleitet (vgl. OECDb, 2005, S. 316). Zu den Merkmalen des familiären Hintergrundes zählen der höchste Bildungsabschluss der Eltern (umgerechnet in Bildungsjahre) nach der internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED), die berufliche Stellung der Eltern (HISEI) und die Anzahl der kulturellen Besitztümer. Diese Merkmale sind in der Regel miteinander verknüpft, denn Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss weisen in der Regel auch einen höheren beruflichen Status und damit auch ein höheres Einkommen auf. Da in den PISA-Fragebögen nicht direkt nach dem Einkommen gefragt wird, wird über die Anzahl der familiären Besitztümer (z.B. Computer, DVD, eigenes Zimmer,…) der Wohlstand der Familie geschätzt. Der PISA-Index ESCS wird als Konstrukt z-standardisiert, d.h. dass der OECDMittelwert bei 0 und eine Standardabweichung bei 1 liegen. 4.2.8. Die Erfassung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund in PISA Viele österreichische Einwohner sind Nachfahren von Einwanderern, obwohl sie selbst schon in Österreich geboren sind. Wie viele Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte muss zurückgeblickt werden, damit ein Einwohner mit österreichischer Staatsbürgerschaft nicht mehr unter den Begriff „… mit Migrationshintergrund“ fällt? Die Statistik Austria (2005b) unterteilt die österreichischen Einwohner in NichtÖsterreicher (Ausländer) und in Österreicher (Inländer). Nicht-Österreicher „sind Personen ohne österreichische Staatsangehörigkeit (identisch mit dem Begriff „Fremde“ laut Fremdengesetz) und umfassen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie Staatenlose und Personen mit ungeklärter oder unbekannter Staatsangehörigkeit“ (Statistik Austria, 2005, S. 62). Anders ausgedrückt bedeutet das, dass alle Personen ab - 65 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft Österreicher/innen sind und damit in der Statistik nicht mehr als Migrant/innen aufscheinen. Für das Schuljahr 2004/05 meldet das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur insgesamt 1.205.300 Schülerinnen und Schüler, davon sind 110.706 (9.18%) ohne österreichische Staatsbürgerschaft und 157.370 (13,06%) mit nicht deutscher Muttersprache (vgl. bm:bwk, S. 36). Die österreichische Migrationsforscherin Frau Maga Herzog-Punzenberger weist an dieser Stelle darauf hin, „dass in Österreich geborene Kinder von EinwanderInnen ebenso sehr Deutsch als Erstsprache angeben können, auch wenn es nicht die Sprache ihrer Mutter ist, d. h. auch wenn sie möglicherweise mit ihrer Mutter immer in deren Erstsprache, z. B. Türkisch, konversieren“ (2003, S. 14). Die österreichische Schulstatistik weist im Schuljahr 2002/03 114.268 ausländische Schülerinnen und Schüler aus. Dieser Anteil entspricht somit 9.4%. Abbildung 24 zeigt, dass die mit 49 Prozent mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien immigrierte. Sie setzt sich aus den Bevölkerungsgruppen BosnienHerzegowina, Serbien-Montenegro, Kroatien und Mazedonien zusammen. Abbildung 24:Migrationshintergrund der österreichischen Schüler/innen 60,0 50,0 40,0 Prozent 30,0 20,0 10,0 ow ak ei Sp ra ch e an de re Sl Ch in a VR Un ga rn Po le n De ut sc hl an d Ru m än ie n Tü rk ei eh em .J ug os la wi en 0,0 Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage der Statistik Austria 2003, S. 160 - 66 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Die mit 26 Prozent zweitgrößte Bevölkerungsgruppe stammt aus der Türkei und die drittgrößte Immigrantengruppe, die wegen des ähnlichen kulturellen Hintergrundes wie die österreichischen Schüler/innen eigentlich nicht zu den Migrant/innen gezählt werden, stammen aus Deutschland (5 Prozent). Die nächsten fünf größten Gruppen, Immigrant/innen aus Polen, Ungarn, Volksrepublik China und Slowakei, stellen nur mehr eine Größenordnung von ein bis drei Prozent dar. Die restlichen Immigrantengruppen, d. h. 12.3 Prozent der insgesamt 9.4 Prozent aller, die weniger als sechs Jahre eine österreichische Schule besuchen, sprechen mehr als hundert verschiedene Sprachen (vgl. dazu Breit & Schreiner, 2006, S. 169). Die internationale Schulleistungsstudie PISA analysiert die Daten zu den Bildungserträgen u. a. im Hinblick auf die Frage, wie gut Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund im Alter von 15 Jahren im internationalen Vergleich abschneiden. PISA definiert den Migrationsstatus nicht über die Staatsbürgerschaft, sondern über das Geburtsland der Eltern. Auf diese Weise ergeben sich drei Gruppierungen von Schüler/innen: „Einheimische Schüler/in“, „Migrant/in zweiter Generation“ und „Migrant/in erster Generation“. Die engere Definition für „Migrant/in“ lautet: • „Als „Migrant/innen zweiter Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die Schüler/in im Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden.“ • „Als „Migrant/innen erster Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die Schüler/in und beide Elternteile im Ausland geboren wurden“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 170). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nehmen aber nur bei der PISATestung teil, wenn sie entweder zumindest ein Jahr die Schule besuchen oder über ausreichende Kenntnisse der Testsprache verfügen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 170). Zur Erfassung des Migrationshintergrundes gibt es im Internationalen Schülerfragebogen zwei Fragen: - 67 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA Bei der ersten Frage geben die Schüler/innen an, in welchem Land sie selber oder beide Elternteile geboren sind. Mit Hilfe der zweiten Frage lässt sich ermitteln, wie oft die Schüler/innen welche Sprache zu Hause normalerweise sprechen. Der / die Schüler/in hat die Möglichkeit, zwischen den Möglichkeiten Deutsch, Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Serbokroatisch, Rumänisch, Polnisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowenisch und andere Sprachen zu wählen. - 68 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA 4.3. Frühere Untersuchungsergebnisse über österreichische Schüler/innen Bei der Darstellung früherer Untersuchungsergebnisse über die internationalen Schulleistungsvergleiche österreichischer Schülerinnen und Schüler konzentriere ich mich auf den von den Autoren Günter Haider und Claudia Schreiner (geb. Reiter) 2006 publizierten nationalen Ergebnisbericht „Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Vergleich“. Weitere Forschungsergebnisse der im Jahr 2003 stattgefundenen internationalen Schulleistungsstudie finden sich u. a. in den von der OECD publizierten Berichten • „Lernen für die Welt von morgen“, in der die ersten Ergebnisse von PISA 2003 publiziert sind, (Learning for Tomorrow´s World), • „Problem Solving for Tomorrow´s World“, der sich besonders mit den Problemlösekompetenzen der getesteten Schüler/innen auseinandersetzt, • im Bericht „Are Students Ready for a Technology-Rich World“ werden die PISA Daten nach den ICT (Information and communication technology) Kenntnissen analysiert und der jährlich erscheinende Bericht • „Bildung auf einen Blick“ (Education At A Glance) ermöglicht mit Hilfe von Indikatoren jedem Land, sein eigenes Schulsystem im internationalem Vergleich zu sehen. Aus nationaler Sicht betrachtet werden die Daten der PISA-2003 Studie vom Österreichischem Projektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung publiziert. Das Projektzentrum veröffentlichte bis 2006, PISA 2003 betreffend, den Nationalen Bericht (Haider & Reiter, 2004), den Thematischen Bericht (Reiter, Lang & Haider, 2004) und „Die PISA-Studie - Österreichs Schulsystem im internationalem Wettbewerb“ (Haider & Schreiner, 2006). Mit Unterstützung des Projektzentrums für Vergleichende Bildungsforschung verfassten bisher drei Diplomand/innen ihre Arbeit über Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund oder Migrationshintergrund. Simone Breit befasste sich - 69 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA mithilfe der PISA 2000 Daten mit dem Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Herkunft und Schulleistung im internationalen Vergleich, Elke Stöckl untersuchte die Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und Anita Haaser analysierte die Risikoschüler/innen der Länder Österreich, Deutschland, Finnland und Niederlande. 4.3.1. … mit niedriger sozio-ökonomischer Herkunft In allen PISA-2003-Teilnehmerländern besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem SES (sozioökonomischer Status) und den Kompetenzen der Schüler/innen. Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht in allen Ländern und in allen Kompetenzbereichen gleich stark. Die Daten lassen erkennen, dass die Lese-Kompetenz stärker vom familiären Umfeld abhängig ist als die Mathematik-Kompetenz (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 127). Diese Tendenz ist besonders in Österreich, im Unterschied zu z.B. Finnland, Dänemark und Schweden, besonders stark ausgeprägt. „Auf Grund des Zusammenhangs zwischen dem sozialen Hintergrund der Schüler/innen und ihren Kompetenzen ist zu erwarten, dass Risikoschüler/innen eher aus Familien kommen, die in dieser Hinsicht unterprivilegiert sind“ (Schreiner & Pointinger, 2006, S. 127; vgl dazu Schreiner & Breit, 2006). Mehr als die Hälfte der Risikoschüler/innen weisen auf der von 16 – 90 reichende SESSkala einen Wert von unter 40 Punkten auf. Verfügen in Österreich beide Elternteile maximal über einen Pflichtschulabschluss, so ist das relative Risiko der Risikogruppe anzugehören in Mathematik 2,3-mal und in Lesen 2,8-mal so groß wie bei zumindest mittleren Bildungsabschlüssen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S.129). Somit weist Österreich im Kompetenzbereich Lesen die zweithöchste Wahrscheinlichkeitsrate auf. Der sozioökonomische Status und der Bildungshintergrund wirken sich neben den schulischen Faktoren und außerschulischen Kontextfaktoren auf das Kompetenzniveau der Schüler/innen aus. Breit und Schreiner (2006) untersuchten mithilfe einer Regressionsanalyse diese Einflussfaktoren genauer und kamen dabei zu folgenden Ergebnissen: Die Lese-Kompetenz ist in stärkerem Ausmaß vom häuslichem Umfeld und häuslichen Fak- - 70 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA toren (familiäre Bildungsressourcen und kultureller Besitz) abhängig als die Mathematik-Kompetenz. Mithilfe dieses Modells zum soziokulturellen Hintergrund der Familie konnten in Mathematik 18% und in Lesen fast 27% der Leistungsvarianz aufgeklärt werden (vgl. Breit und Schreiner, 2006, S. 209). Weitere Zusammenhänge zwischen dem SES (sozioökonomische Herkunft) und den Leistungen, den Einfluss auf die Bildungswegentscheidungen usw. können aus dem von Schreiner und Breit verfassten Beitrag „Sozioökonomische Herkunft und Schulleistung“ (2006) entnommen werden. 4.3.2. … mit Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen beinahe in allen Ländern deutlich schlechtere Werte in den Mathematik- und Leseleistungen als ihre Mitschüler/innen ohne Migrationshintergrund. Ein Faktor, neben der sprachlichen Barriere, ist der in Österreich und Deutschland meist niedrige sozioökonomische Hintergrund der Migrant/innen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 123). Bei genauer Betrachtung lässt sich erkennen, dass einheimische Schüler/innen einen SES-Wert von 48.3, Migrant/innen zweiter Generation einen Wert von 40.3 und Migrant/innen erster Generation einen durchschnittlichen sozioökonomischen Status von 38.7 aufweisen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 172). Diese Schüler/innen erreichen in allen vier Domänen deutlich nierigere Werte als einheimische Schüler/innen und gehören somit mehrheitlich, ungefähr jede/r Vierte, zur Gruppe der Risikoschüler/innen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 124f). Als Risikoschüler/innen werden Schüler/innen bezeichnet, die „auf oder unter der Kompetenzstufe 1 der PISA-Leistungsskalen und somit […] mit einem Leistungswert von 420 Punkten und weniger auf der Mathematik-Gesamtskala bzw. 408 Punkten oder weniger in Lesen“ (Schreiner & Pointinger, 2006, S. 115) erreichen. Bei genauer Analyse der nationalen Daten lässt sich erkennen, „dass der Anteil der MathematikRisikogruppe mit 34% bei den Migrant/innen der zweiten Generation und mit 38% bei - 71 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA der ersten Einwanderergeneration bezüglich Mathematik und 39% und 44% bezüglich Lesen deutlich höher ist als unter einheimischen Schüler/innen“ (Schreiner & Pointinger, 2006, S. 125). Diese Tendenz lässt sich in fast allen PISA getesteten Ländern feststellen. Schreiner und Pointinger weisen ebenso darauf hin, dass es Österreich, im Unterschied zu z.B. Schweden, nicht gelingt, den Risikoanteil der Migrant/innen der zweiten Generation, zu verringern. Betrachtet man bei diesen Schüler/innen den Bildungshintergrund der Eltern, so lässt sich erkennen, dass sie meistens ein niedrigeres Bildungsniveau als die Eltern einheimischer Schüler/innen haben: Ein Viertel der Mütter von Migrant/innen der zweiten Generation und 14% von Migrant/innen erster Generation weisen keinen Pflichtschulabschluss auf. Der Anteil von Vätern ohne Pflichtschulabschluss bei den Migrant/innen zweiter Generation liegt bei 11%. Breit und Schreiner weisen darauf hin, dass „vor allem Eltern der Migrant/innen zweiter Generation […] im Schnitt niedrigere Qualifikation“ aufweisen (2006, S. 172). Diese Tatsache begründen sie damit, „dass manche dieser Eltern selbst als Migrant/innen erster Generation in einem fremden Land Bildungsqualifikationen erwerben mussten“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 172). Ein niedriger Bildungshintergrund und ein niedriger sozioökonomischer Status bewirkt meistens auch ein geringes Einkommen und Familienbesitz. Auch hier lässt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den einheimischen Schüler/innen und Schüler/innen mit Migrationshintergrund erkennen: Einheimische Schüler/innen liegen im OECDSchnitt, während Migrant/innen zweiter und erster Generation signifikant weniger kulturelle Güter besitzen. In Bezug auf die Bildungsressourcen unterscheiden sich die einheimischen Schüler/innen und Migrant/innen zweiter Generation statistisch nicht mehr, die Migrant/innen erster Generation verfügen aber über signifikant weniger Bildungsressourcen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 172f). Schulspartenspezifisch betrachtet findet man etwa ein Viertel der Migrant/innen zweiter Generation und ein Drittel erster Generation in den Allgemeinbildenden Pflichtschulen (Hauptschule, Sonderschule und Polytechnische Schule). Obwohl viele Jugendliche, die sich zurzeit der PISA-Testung in den Pflichtschulen befinden, eine verzögerte Schul- - 72 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA laufbahn aufweisen, lässt sich dieser überproportionale Anteil an Migrant/innen auch mit Hilfe der Schulstatistik bestätigen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 174f). Die beiden großen Sprachgruppen, Migrant/innen aus der Türkei und aus ExJugoslawien, unterscheiden sich untereinander hinsichtlich ihres sozioökonomischen Status. 50% der Familien aus der Türkei weisen einen SES-Wert zwischen 21 und 40 auf, 15% zwischen 21 und 20 und 10% aller türkischstämmigen Familien liegen noch darunter! Im Unterschied zu den Migrant/innen aus der Türkei, die einen Median von 30 aufweisen, liegt der Median des sozioökonomischen Status bei Migrant/innen aus dem Ex-Jugoslawien bei 34. 50% weisen eine Wert zwischen 29 und 40 auf, und 10% liegen unter 23. Diese Daten lassen leicht erkennen, dass Jugendliche türkischer Herkunft im Durchschnitt aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischem Status kommen als Migrant/innen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro oder Kroatien. Betrachtet man die beiden großen Sprachgruppen nach der Verteilung in den Schulsparten, so ist auch hier ein großer Unterschied erkennbar. Mehr als die Hälfte der Migrant/innen aus der Türkei besuchen die Allgemeinbildende Pflichtschule. Dieselbe Schulsparte besuchen aber nur mehr ein Viertel alle Migrant/innen aus Ex-Jugoslawien. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Repetentenquote (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 176f). Die Autoren Schreiner und Breit (2006) untersuchten diese Gruppen auf ihre Leistungen und kamen zu folgenden Ergebnissen: In Österreich, Deutschland und Belgien unterscheiden sich Schüler/innen mit Migrationshintergrund in ihrer Lesekompetenz stark von Schüler/innen ohne Migrationshintergrund. Auffällig ist ebenfalls, dass im Unterschied zu fast allen Ländern sich die Leseleistungen zwischen Migrant/innen zweiter und erster Generation nicht unterscheiden! In Österreich gelingt es also im Gegensatz zu z.B. Schweden nicht, die „Gruppe der Migrant/innen der zweiten Generation an das Leistungsniveau der einheimischen Schüler/innen“ heranzuführen (Schreiner & Breit, 2006, S. 180). Der geringe Leistungsunterschied zwischen beiden Migrantengruppen ist auch im Kompetenzbereich Mathematik festzustellen. Die österreichischen Mittelwerte - 73 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA der vier getesteten Domänen Lesen, Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen liegen alle deutlich unter den Werten der einheimischen Schüler/innen. Genauere Details sind bei Schreiner und Breit (2006) nachzulesen. Die Wahrscheinlichkeit zur Risikogruppe zu gehören, liegt im Kompetenzbereich Lesen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund 3,6-mal höher als für einheimische Schüler/innen. In Mathematik liegt das relative Risiko bei 3.1. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dieser Bereich weniger stark von sprachlichen Kompetenzen abhängig ist! Die Autoren Schreiner und Breit (2006) weisen aber mit Nachdruck darauf hin, dass 74% der Risikogruppe Mathematik und 73% der Risikostufe Lesen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund sind. Ebenso konnten sie nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, zur Risikogruppe zu gehören, „sich bei Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status zwischen einheimischen Schüler/innen und Schüler/innen mit Migrationshintergrund um bis zu 20 Prozentpunkte“ unterscheidet (Schreiner & Breit, 2006, 186). Mit Hilfe eines Regressionsmodells gehen die Autoren Schreiner und Breit (2006) der Frage nach, in wie fern der Migrationshintergrund unter der Annahme, dass familiäre Einflussfaktoren gleich sind, eine Rolle spielt. Sie kommen zum Ergebnis, dass die Leistungsdifferenz zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nur zum Teil auf Grund sozioökonomischer und familiären Faktoren erklärt werden kann. Analysiert man die Leistungen der Migrant/innen aus der Türkei und aus ExJugoslawien genauer, so lässt sich feststellen, dass die Verteilung auf die Kompetenzstufen wieder zu Ungunsten der türkischstämmigen Schüler/innen erfolgt. 32% der Türkisch sprechenden und nur 16% der Bosnisch, Kroatisch oder Serbisch sprechenden Schüler/innen sind im Bereich der Lese-Kompetenz unter Level 1 angesiedelt. 60% der Schüler/innen aus der Türkei und 42% der Schüler/innen aus dem Ex-Jugoslawien gehören der Risikogruppe an (vgl. Schreiner & Breit, 2006, S. 189). Im Bereich Mathematik sind ebenfalls doppelt so viele türkische wie ex-jugoslawische Schüler/innen unter Level 1 (22% zu 11%) angesiedelt. Die Hälfte der Schüler/innen mit türkischer Abstammung und ein Drittel ex-jugoslawischer Abstammung gehören im Bereich Mathe- - 74 - Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA matik der Risikogruppe an. Weitere interessante und aufschlussreiche Detailanalysen können aus dem von Schreiner und Breit verfassten Beitrag „Kompetenzen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund“ (2006) entnommen werden. - 75 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5. Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund Der deskriptive Teil nähert sich der Fragestellung an, wie sich ein niedriger sozioökonomischer Hintergrund auf die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund auswirkt. Dank PISA konnte bereits in mehreren Studien ausführlich der Zusammenhang zwischen den schulischen Leistungen und Migrationshintergrund, oder schulische Leistungen und niedriger sozioökonomischer Hintergrund nachgewiesen werden (vgl. Kapitel 4). Der empirische Teil geht der Frage nach, inwiefern sich die schulischen Leistungen zwischen den „einheimischen“ Schüler/innen und den Schüler/innen mit Migrationshintergrund unterscheiden, wenn es in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund keinen Unterschied mehr gibt. Abschnitt 5.1 erläutert die Fragestellung des empirischen Teils dieser Arbeit, danach folgt im Abschnitt 5.2. die ausführliche deskriptive Beschreibung der beiden Vergleichsstichproben. Im dritten Teil dieses Kapitels werden Unterschiede zwischen beiden Vergleichsstichproben hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen herausgearbeitet. Danach folgt im vierten Teil eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen. Abschnitt 5.5. vergleicht die Leistungen beider Vergleichsgruppen innerhalb der vier mathematischen Subskalen. In Abschnitt 5.6. werden die Leistungen der Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund einem Schulspartenvergleich gegenübergestellt. Danach erfolgt innerhalb der Stichprobe der Migrant/innen ein hinsichtlich des sozioökonomischen Status Extremwertgruppenvergleich. Zum Abschluss wird eine länderübergreifende Zusammenhangsanalyse zwischen dem sozioökonomischen Status und den Leistungen in allen vier Domänen mit den Ländern Österreich, Deutschland, Schweiz und Dänemark durchgeführt. - 76 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.1. Fragestellung Bildungssysteme können vieles beeinflussen – manches aber nicht. Nicht beeinflussen können Bildungssysteme den familiären Hintergrund, aber Schulen sind potenziell in der Lage die Effekte sozioökonomischer Benachteiligung zu mindern (vgl. OECD, 2004, S. 213). Die OECD stellt fest, dass es Länder, wie z.B. Finnland und Norwegen sehr gut gelingt diesen Effekt zu mindern. Anderen Ländern, wie z.B. Deutschland oder Belgien wieder weniger (vgl. ebd., S. 214). Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Studie ist, dass „Effekte des sozioökonomischen Hintergrunds der Gesamtheit der Schülerschaft einer Schule stärker ins Gewicht fällt, als der sozioökonomische Hintergrund einzelner Schüler“ (OECD, 2004, S. 216). In Österreich verzeichnen Schüler/innen, die eine Schule in einer besser situierten Wohngegend besuchen gegenüber Schüler/innen, die eine sogenannte „Brennpunktschule“ besuchen, einen Leistungsvorteil (vgl. ebd., S. 217f). Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet das, dass Schülerinnen und Schüler doppelt benachteiligt sind, wenn sie einerseits aus einer Familie mit einem niedrigen sozioökonomischen Hintergrund kommen und andererseits eine Schule in einer schlechter situierten Wohngegend besuchen. Da beide Vergleichsstichproben einen ähnlichen niedrigen sozioökonomischen Status besitzen, soll es gelingen die Frage zu beantworten, inwieweit der Migrationshintergrund als weiterer leistungsvermindernder Effekt hinzukommt. Sind Migrant/innen dreifach benachteiligt? Ziel dieser Arbeit ist es, diese Frage zu beantworten. Dabei werden folgende Fragestellungen verfolgt: • Rodax / Spitz (1978) und Steinkamp (1991) beschäftigen sich mit dem positiven Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und schulischer Leistung: Dabei möchte ich folgender Frage nachgehen: Gibt es zwischen diesen beiden Gruppen einen Unterschied in Bezug auf kulturelle Ausstattung, häuslichem Umfeld und gemeinsamen kulturellen Aktivitäten? Erwartet wird, dass es besonders in Bezug auf kulturelle Ausstattung und den gemeinsamen kulturellen Aktivitäten einen signifikanten Unterschied gibt. - 77 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund • Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen? Verglichen wird die österreichische Gesamtstichprobe mit Schüler/innen, die einen niedrigen sozioökonomischen Hintergrund bzw. Status aufweisen. Erwartet wird ein signifikant negativer Einfluss zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen in den Domänen Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen. Es wird erwartet, dass besonders in der Domäne Lesen der niedrige sozioökonomische Hintergrund einen negativen Einfluss hat. • Gibt es in Bezug auf Leistung in den vier getesteten Domänen einen Unterschied zwischen den Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund? Erwartet wird, dass insbesonders in der Domäne Lesen der Migrationshintergrund in Bezug auf Leistung einen negativen Einflussfaktor darstellt. • Gibt es innerhalb der vier Mathematikbereichen Subskalen, die von den Immigrant/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft besser als andere Bereiche bewältigt werden? Erwartet wird, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund in Bereichen, die eher sprachunabhängig sind (z.B. Raum und Form) besser als in anderen Bereichen abschneiden. • Wie wirkt sich der Migrationshintergrund auf Schülerinnen und Schüler aus, wenn sie dieselbe Schulsparte wie die Vergleichsstichprobe besuchen? Erwartet wird, dass es in den höheren Bildungsanstalten keinen signifikanten Unterschied mehr zwischen Schüler/innen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund gibt. • Gibt es in Bezug auf Leistung innerhalb der Migrant/innen einen Unterschied zwischen beiden Extremwertgruppen? Es wird ein Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in Bezug auf Extremwertgruppen vorgenommen. Es wird erwartet, dass Migrant/innen mit einem SES von 65 und höher bessere Leistungen in allen vier Domänen erbringen. - 78 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund • Welche schulischen Leistungen erreichen Schüler/innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status in den mit Österreich vergleichbaren Ländern Deutschland und Schweiz? Diese Länder besitzen ein gegliedertes Schulsystem. Aus diesem Grund werden die schulischen Leistungen mit den Leistungen Dänemarks verglichen, das eine ähnliche Migrationsstruktur, aber ein Gesamtschulsystem besitzt. Gelingt es diesen Ländern besser, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen und somit die Benachteiligung von Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status durch die Schule ausreichend zu kompensieren? Es wird erwartet, dass es Ländern mit einem Gesamtschulsystem besser gelingt, die fehlenden kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen auszugleichen. - 79 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.2. Beschreibung der Vergleichsstichproben PISA teilt die getesteten Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Herkunft in drei Gruppen ein: Auf diese Weise ergeben sich drei Gruppierungen von Schüler/innen: • „Einheimisch“ ist ein/e Schüler/in dann, wenn der/die Schüler/in oder zumindest ein Elternteil im Inland geboren wurde (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 170). • „Als „Migrant/innen zweiter Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die Schüler/in im Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden.“ • „Als „Migrant/innen erster Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die Schüler/in und beide Elternteile im Ausland geboren wurden“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 170). Bei PISA wird der Migrationshintergrund nicht über die Angabe der Staatsbürgerschaft, sondern über die Beantwortung der Frage, welche Sprache sie zu Hause am häufigsten sprechen, ermittelt. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen beider Vergleichsstichproben ist der sozioökonomische Status (SES) der Herkunftsfamilie. Für die Analysen findet jeweils der höhere Wert der beiden Elternteile Verwendung (HISEI). Alle Angehörigen dieser Vergleichsstichproben haben als gemeinsames Merkmal auf einer Skala von 16 bis 90 einen maximalen sozioökonomischen Status von 35. Der Anteil von Schülerinnen und Schüler, die Angehörige dieser Gruppe sind, lag in Österreich bei PISA 2003 bei ca. 26 Prozent (n = 22546). Getestet wurden in Österreich insgesamt 4597 15-jährige Schülerinnen und Schüler, davon gelten rund 86 % (n = 3966) als „Einheimisch“, 4 % (n = 174) als Migrant/innen zweiter Generation und 9 %, das entspricht rund 400 getesteten Schüler/innen, sind mit ihren Elternteilen nach Österreich zugewandert. Insgesamt gab es zum Testzeitpunkt von PISA 2003 rund 86 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler. - 80 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 25: Zusammensetzung der Stichprobe 8,8 Migranten 2. Generation 18,4 3,8 6,7 Migranten 1. Generation „einheimische“ Schüler/innen 86,3 72,8 0 10 20 30 40 50 österr. Gesamtpopulation 60 70 80 90 100 Testpopulation Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 25 zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe unter der Annahme, dass alle Schülerinnen und Schüler einen maximalen höchsten sozioökonomischen Status (HISEI) von 35 haben. Es lässt sich leicht erkennen, dass die Zusammensetzung dieser sozioökonomischen Schicht die gesamt österreichischen Prozentanteile nicht widerspiegelt. In dieser Stichprobe sind Schüler/innen mit Migrationshintergrund doppelt so häufig wie in der gesamt österreichischen Stichprobe vertreten. Abbildung 26 zeigt die Verteilung der getesteten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler im Vergleich mit der Stichprobe. Besonders auffallend ist der Anteil der sozial benachteiligten Schüler/innen mit Migrationshintergrund in den Pflichtschulen. Während Schüler/innen ohne Migrationshintergrund in den Hauptschulen mit 3% und in den Polytechnischen Schulen mit rund 12% gegenüber der getesteten Gesamtpopulation sich nur geringfügig unterscheiden, sind Migrant/innen in den Hauptschulen (14%) und Polytechnischen Schulen (17%) auffällig häufig vertreten. Dasselbe gilt auch in den Sonderschulen (3%). Mehrere Studien bestätigen dieses Ergebnis, dass ausländische Schülerinnen und Schüler überproportional häufig in den Pflichtschulen und in den Sonderschule vertreten sind (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 169; Herzog-Punzenberger, 2003, S. 25) - 81 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 26: Verteilung auf Schulsparten Bakip / Sozialpäd. BHS HH/ HW Schule BMS Berufsschule AHS-Oberstufe AHS Unterstufe SS-Oberstufe SS Poly HS 0 5 10 ohne Migrationshintergrund 15 20 mit Migrationshintergrund 25 30 35 Gesamtpopulation Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Auffallend unterrepräsentiert sind Angehörige der sozial benachteiligten Schicht, besonders „einheimische“ Schüler/innen, wenn es um den Schulbesuch einer AHSOberstufe geht. Nur 5% ohne und 11% der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund besuchen eine Allgemeinbildende Höhere Schule, während hingegen 20% aller österreichischen Schüler/innen einen solchen Schultyp besuchen. Ein Blick auf die Verteilung zeigt, dass „einheimische“ sozial benachteiligte Jugendliche besonders häufig nach Beendigung der Pflichtschule einen Lehrberuf ergreifen (33%) bzw. eine Berufsbildende Mittlere Schule (27%). Im Sinne Boudons (vgl. 3.2.) sind erwartungsgemäß beide Vergleichsstichproben in den Berufsbildenden Höheren Schulen (18% bzw. 20%) gegenüber der österreichischen Gesamttestpopulation (28%) weniger häufig vertreten. Ausgang für die weitere deskriptive Beschreibung dieser beiden Vergleichsstichproben ist einerseits das Schema der Schulleistungsdeterminanten von Helmke und Weinert (1997) und die Bedingungen von Schulleistungen von Baumert et al, die im Kapitel 3.6 näher beschrieben sind. Helmke und - 82 - Weinert weisen in ihrem Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Schulleistungsdeterminantenmodell auf die negativen bzw. belastenden Einflussfaktoren hin, wenn die Schülerinnen und Schüler aus niedrigem sozio-ökonomischen Status stammen. Folgende Variablen haben sich dabei als wichtige Einflussfaktoren erwiesen: • die Familienzusammensetzung • die Vollständigkeit der Familie und • die Berufstätigkeit und Ausbildung der Mutter und des Vaters. Geißler (1994, S. 139f) macht zusätzlich noch auf den Zusammenhang von Verhaltensstörungen und Wohnmilieu (beengte Wohnverhältnisse, keinen ungestörten Raum zum Lernen), das wiederum an die finanzielle Situation der Familien geknüpft ist, aufmerksam. Für die Autoren Rodax, Spitz (1978) und Steinkamp (1991) ist für die Entwicklung des Kindes noch entscheidend, • über welche kulturelle Ausstattung das häusliche Umfeld verfügt und • ob gemeinsame familiäre Aktivitäten stattfinden. - 83 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.2.1. Familienzusammensetzung und Vollständigkeit der Schülerinnen und Schüler Unbestritten ist die Tatsache, dass die Familienzusammensetzung eine wichtige Rolle in Bezug auf schulische Leistungen spielt. Helmke & Weinert (1997, S. 119f) weisen jedoch auf die teilweise widersprüchlichen Ergebnisse der Studien über Familienstrukturen hin (z.B. das Konfluenzmodell, Einkindfamilien). Schülerinnen und Schüler leben in unterschiedlichen Familienstrukturen. Abbildung 27 zeigt die Zusammensetzung der Familien, in der die Schüler/innen leben, im Vergleich zur Gesamttestpopulation. Sozial benachteiligte Schüler/innen leben im Vergleich zur Gesamtpopulation (16%) etwas weniger häufig mit nur einem Elternteil zusammen. Besonders auffällig ist, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund etwas häufiger in Kernfamilien als einheimische Schüler/innen (79%) leben. Abbildung 27: Familienzusammensetzung Gesamtpopulation 15,9 Untere Schicht mit Migrationshintergrund 75,9 10,5 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 84,8 12,3 0% 10% 8,2 4,8 78,6 20% 30% Alleinerzieher/in 40% 50% Kernfamilie 2,8 60% 70% 80% 90% 100% andere Familienform Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Die Familienzusammensetzung der sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheidet sich markant darin, dass 7% der einheimischen Schüler/innen gegenüber 2% der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in sogenannten Patchworkfamilien leben. Daraus lässt sich erkennen, dass Migrant/innen wesentlich häufiger in Kernfamilien leben als einheimische Schüler/innen. - 84 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Familienzusammensetzung (mit Ausnahme der Patchwork-Familien) in der sozial benachteiligten Schicht ähnlicher ist als in den übrigen Familien der 15-jährigen Schüler/innen. 5.2.2. Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern Die Berufstätigkeit und die schulische Ausbildung der Eltern sind neben der Familienzusammensetzung weitere wichtige Einflussfaktoren. Wie viel Zeit und Aufmerksamkeit kann in die schulische Ausbildung investiert werden? Eltern, die eine niedrige schulische Qualifikation aufweisen, können ihren Kindern oft nur schwer bei schulischen Lernproblemen helfen. Oftmals müssen auch in Familien, die meist aufgrund niedriger Qualifikation auch über ein niedriges Einkommen verfügen, häufiger beide Elternteile arbeiten. Damit verfügen sie über weniger Freizeit und weniger Zeit, in der sie mit den Kindern lernen könnten. Ziel dieser Arbeit ist es, Unterschiede und Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Standards auf die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund herauszuarbeiten. Aus diesem Grund beschränken sich nun die folgenden deskriptiven Darstellungen auf die zwei Vergleichsstichproben, ohne einen Vergleich zur getesteten Gesamtpopulation herzustellen. - 85 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.2.3. Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation der Mutter Der sozioökonomische Status wird bei PISA, wie schon erwähnt, durch den International Standard Classification of Occupations (ISCO) präzisiert. Die Schülerangaben zu den Berufen der Eltern werden durch dieses Berufsklassifizierungsschema vercodet und die entsprechenden sozioökonomischen Standardwerte (SES) reichen in diesen Vergleichsstichproben von 16 bis 35. Die Rollenverteilung in den meisten Familien ist immer noch so, dass die Erziehung und schulische Betreuung Aufgabe der Mutter ist. Eine Mutter, die über eine höhere schulische Ausbildung bzw. bei Migrant/innen über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, kann bei schulischen Lernproblemen unterstützend wirken. Abbildung 28: ISCO Code der Mutter Untere Schicht mit Migrationshintergrund 68,2 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 10 35 0% 10% 20% 33,6 30% 16 - 20 40% 50% 21 - 25 10,7 17,7 60% 26 - 30 70% 80% 11,2 13,9 90% 100% 31 - 35 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 28 zeigt, dass hinsichtlich der beruflichen Ausbildung zwischen beiden Gruppen große Unterschiede herrschen. Rund zwei Drittel aller Mütter mit Migrationshintergrund, erreichen einen Wert von 16 – 20. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass zwei Drittel der Mütter ihr Geld als Reinigungspersonal, Haushaltshilfen oder mit anderen Hilfsarbeitstätigkeiten verdienen. Bei Müttern ohne Migrationshintergrund sind dies - 86 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nur 35%. Ein weiteres Drittel der „einheimischen“ Mütter verdient ihr Geld z.B. als Verkaufs- und Dienstleistungshilfskräfte. Ausbildung und berufliche Tätigkeiten stehen zwar eng im Zusammenhang, aber gerade bei Migrant/innen ist es häufig so, dass ihre schulische Ausbildung bzw. berufliche Tätigkeit, die sie in ihrem Herkunftsland erworben haben, im Zielland nicht anerkannt werden. Abbildung 29: ISCED der Mutter Untere Schicht mit Migrationshintergrund 63,4 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 36,6 17,7 0% 10% 82,3 20% 30% 40% 50% ISCED bis 2 60% 70% 80% 90% 100% ISCED 3 und größer Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 29 zeigt, dass gerade Mütter mit einem niedrigen SES als höchste schulische Ausbildung meist (63%) nur einen Pflichtschulabschluss aufweisen. Betrachtet man die Gruppe der Migrantinnen genauer, so zeigt sich, dass rund 9% aller Migrantinnen über keine schulisch anerkannte Ausbildung verfügen. 15% über Volksschulniveau und 40% über eine 8-jährige schulische Ausbildung. Anders formuliert bedeutet das, dass rund 24 Prozent der Mütter mit Migrationshintergrund ihren Kindern spätestens nach der Volksschule nicht mehr bei der Bewältigung der Hausaufgaben helfen können! Anders stellt sich die schulische Ausbildung bei den „einheimischen“ Müttern dar. Gemäß unserem Schulsystem verfügen über 80% zumindest über einen Pflichtschulbzw. Lehrabschluss. Diesen Müttern sollte es möglich sein, ihren Kindern zumindest in der Hauptschule noch bei schulischen Problemen zu unterstützen. Abbildung 29 zeigt - 87 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund eindrucksvoll die eklatante Benachteiligung der Schüler/innen mit Migrationshintergrund, wenn sie bei schulischen Problemen nur auf die Hilfe ihrer Mütter angewiesen sind. Ein weiterer wichtiger Faktor, wenn es um die schulischen Leistungen geht, ist die Tatsache, ob die Mutter als Ansprechperson bei der nachmittäglichen Lernzeit und Hausaufgabenbewältigung zur Verfügung steht. Abbildung 30: Beschäftigungssituation der Mutter Untere Schicht mit Migrationshintergrund 42,8 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 19,6 28,9 0% 10% Vollzeitbeschäftigung 20% 29,3 30% 40% Teilzeitbeschäftigung 5,7 2,7 50% 60% Arbeitssuche 31,9 39,1 70% 80% 90% 100% Hausfrau, Ruhestand,… Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 30 zeigt die Antworten der Schüler/innen auf die Frage „Was macht deine Mutter zur Zeit?“. 43% der Schüler/innen mit Migrationshintergrund antworteten, dass ihre Mütter einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, bzw. 20% einer Teilzeitbeschäftigung. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zu den Antworten der Schüler/innen ohne Migrationshintergrund. Nur 29% der „einheimischen“ Mütter arbeiten Vollzeit und ebenso viele Teilzeit. 39% der Mütter ohne Migrationshintergrund bzw. 32% der Mütter mit Migrationshintergrund sind zurzeit Hausfrau oder im Ruhestand. Wenn es um die Frage der Betreuungssituation der Kinder bzw. Jugendlichen geht, so lässt sich vereinfacht sagen, dass rund 70% der „einheimischen“ Mütter gegenüber 57% der Mütter mit Migrationshintergrund zumindest teilweise ihren Kindern bei der Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung stehen können. - 88 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, wenn vom Rollenverständnis und der Rollenverteilung in einer typischen Familie ausgegangen wird, die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sehr stark benachteiligt sind. Für viele Schüler/innen dieser Gruppe stellt sich schlimmstenfalls die Situation so dar, dass ihre Mütter aufgrund der niedrigen oder gar keinen Qualifikation schlecht bezahlte Jobs annehmen müssen, aufgrund dieser schlechten Bezahlung viele Stunden arbeiten und so keine Zeit mehr zu Verfügung steht, um ihren Kindern bei schulischen Problemen zu unterstützen. 5.2.4. Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation des Vaters Wie stellt sich die Situation der Jugendlichen dar, wenn die berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation des Vaters betrachtet wird. Erwähnt wurde bereits, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund häufiger in Kernfamilien leben als ihre Vergleichsgruppe. Abbildung 31: ISCO Code des Vaters Untere Schicht mit Migrationshintergrund 13,5 Untere Schicht ohne 2,9 Migrationshintergrund 0% 9,3 43,7 33,5 10% 20% 33,5 35,4 30% 16 - 20 40% 50% 21 - 25 60% 26 - 30 28,4 70% 80% 90% 100% 31 - 35 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Die berufliche Ausbildung bzw. Tätigkeit zeigt hier, ähnlich wie bei der beruflichen Ausbildung der Mütter, große Unterschiede zwischen den „Einheimischen“und den Mi- - 89 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund grant/innen. Abbildung 31 zeigt, dass rund viermal so viele Väter mit Migrationshintergrund eine Tätigkeit als Reinigungspersonal oder andere Hilfsarbeitertätigkeiten ausüben. 44% verdienen ihr Einkommen mit Verkaufs- und anderen Dienstleistungshilfsarbeiten und ein weiteres Drittel als Anlagen- und Maschinenbediener, Montierer oder mit Handwerksberufen. Etwas anders stellt sich die Tätigkeitssituation der „einheimischen“ Väter dar. Abbildung 32 zeigt, dass rund 90% zumindest über einen Lehrabschluss verfügen. Verbindet man diese Tatsache mit der beruflichen Tätigkeit, so lässt sich leicht daraus ableiten, dass diejenigen, die über einen Lehrabschluss verfügen, in z.B. Handwerksberufen tätig sind. Es lässt sich vermuten, dass nur ein geringer Prozentsatz (3%) über keinen Pflichtschulabschluss verfügt und so ihr Einkommen mit schlecht bezahlten Tätigkeiten verdienen müssen. Abbildung 32: ISCED des Vaters Untere Schicht mit Migrationshintergrund 41,9 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 58,2 11,3 0% 10% 88,8 20% 30% 40% ISCED bis 2 50% 60% 70% 80% 90% 100% ISCED 3 und größer Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 32 zeigt, dass fast die Hälfte (42%) der Väter mit Migrationshintergrund über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Betrachtet man diese Gruppe etwas genauer, so lässt sich erkennen, dass fast 2% über keine schulische Ausbildung, 9% über eine vierjährige und fast 32% über eine 8-9-jährige schulische Ausbildung verfügen. Auch bei den Vätern mit Migrationshintergrund lässt sich feststellen, dass rund 10% nicht in der Lage sein können, ihren Kindern bei schulischen Problemen zu helfen. Anders sieht - 90 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund die Situation der Väter ohne Migrationshintergrund aus. Fast 10% haben zumindest einen Pflichtschulabschluss und fast 58% haben eine Berufsbildende Mittlere Schule oder eine Lehre absolviert. Wenig Unterschiede gibt es in der Beschäftigungssituation der Väter mit und ohne Migrationshintergrund. Abbildung 33 zeigt, dass ca. gleich viele Väter einer Vollzeit-bzw. einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Bemerkenswerte Unterschiede zwischen diesen Gruppen gibt es nur darin, dass fast drei Mal so viele Väter mit Migrationshintergrund sich zurzeit der PISA-Befragung auf Arbeitssuche befanden. Doppelt so viele „einheimische“ Jugendliche (11%) gaben an, dass ihre Väter zur Zeit Hausmann bzw. sich im Ruhestand befinden. Abbildung 33: Beschäftigungssituation des Vaters Untere Schicht mit Migrationshintergrund 78,3 8,8 Untere Schicht ohne Migrationshintergrund 77,7 8,6 2,5 11,2 0% Vollzeitbeschäftigung 10% 20% 30% 40% Teilzeitbeschäftigung 50% 60% Arbeitssuche 70% 80% 7,3 5,7 90% 100% Hausmann, Ruhestand,… Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Werden die oben genannten deskriptiven Ergebnisse zusammengefasst, so sind in Bezug auf schulische Unterstützung die Schüler/innen mit Migrationshintergrund ihren „einheimischen“ Klassenkamerad/innen benachteiligt. „Einheimischen“ Vätern sollte es, ähnlich wie den Müttern, aufgrund ihrer Ausbildung besser möglich sein, ihren Kindern bei der Bewältigung schulischer Probleme zu helfen. - 91 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.2.5. Höchster berufliche Status und Ausbildung der Eltern Bereits mehrfach wurde erwähnt, dass für die Analysen des sozioökonomischen Status der höhere Wert der beiden Elternteile (HISEI) Verwendung findet. Beide Vergleichsstichproben haben als wichtiges Kennzeichen einen maximalen HISEI-Wert von 35. Abbildung 34: Höchster berufliche Status der Eltern mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund 16,7 8,3 0% 8,4 39,7 29,2 10% 20% 35,3 31,9 30% 16 - 20 40% 50% 21 - 25 30,4 60% 26 - 30 70% 80% 90% 100% 31 - 35 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 34 zeigt den Highest parental occupational status (HISEI) der Eltern. Je höher der sozioökonomische Status der Eltern, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Elternteil über eine höhere Ausbildung bzw. höheres Einkommen verfügt. Der sozioökonomische Status steht im engen positiven Zusammenhang zur schulischen Leistung (vgl. Schreiner & Breit, 2006). Eltern ohne Migrationshintergrund, die einen HISEI-Wert von höchstens 35 aufweisen, unterscheiden sich von der Vergleichsgruppe darin, dass 38% einen Wert bis 25 aufweisen, dessen Wert rund 25% der Eltern mit Migrationshintergrund gegenüberstehen. Abbildung 35: Höchste schulische Ausbildung der Eltern - 92 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund 39,2 60,9 6,5 0% 93,5 10% 20% 30% 40% ISCED bis 2 50% 60% 70% 80% 90% 100% ISCED 3 und größer Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 35 zeigt noch einmal eindrucksvoll, dass fast 40% der Eltern mit Migrationshintergrund höchstens über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Diesem Wert stehen nur 7% der „einheimischen“ Eltern gegenüber. Sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind in mehrfacher Hinsicht benachteiligt, wenn es darum geht, ihren Eltern um Mithilfe in schulischen Angelegenheiten zu bitten: Viele Eltern können ihren Kindern aufgrund ihrer niedrigen Qualifikation, mangelnde Freizeit und eventuell vorhandenen Sprachschwierigkeiten trotz bestem Willen nicht helfen, wenn es um die Schule geht. - 93 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.2.6. Repetentenquote der Schüler/innen Abbildung 36 und 37 zeigen die Repetentenquote der sozial benachteiligten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund. Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass Migrant/innen bei schulischen Angelegenheiten sehr oft auf sich alleine gestellt sind, weil es ihren Eltern gar nicht möglich ist, unterstützend zu wirken. Abbildung 36 und 37 bestätigen diese Vermutung, denn es lässt sich leicht erkennen, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund häufiger eine Klasse wiederholen als ihre Vergleichsgruppe. Abbildung 36: Repetentenquote ISCED 1 mit Migrationshintergrund 83,5 ohne Migrationshintergrund 15,7 94,2 0% 10% 20% 30% 1 No, never 40% 50% 2 Yes, once 0,7 5,50,2 60% 70% 80% 90% 100% 3 Yes, twice or more Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung 16% der Migrant/innen haben ihren eigenen Angaben nach bereits in der Volksschule bzw. Sonderschule einmal die Klasse wiederholen müssen. Mindestens eine Klasse in der Hauptschule bzw. AHS-Unterstufe oder Sonderschule mussten ebenfalls drei Mal so viele Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenüber einheimischen Schüler/innen wiederholen (vgl. Abb. 37). - 94 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 37: Repetentenquote ISCED 2 mit Migrationshintergrund 90,7 ohne Migrationshintergrund 9,3 96,9 0% 10% 20% 30% 40% 3,1 50% 1 No, never 60% 70% 80% 90% 100% 2 Yes, once Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung 5.3. Unterschiede hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen Im Kapitel 5.2. konnte bereits gezeigt werden, dass ein Faktor, der beide Gruppen voneinander unterscheidet, der Bildungshintergrund der Erziehungsberechtigten darstellt. In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob es einen Unterschied in Bezug auf kulturelle Ausstattung und kulturelle Güter gibt. Beide Faktoren besitzen eine Bedeutung für das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler. Breit und Schreiner (vgl. 2006, S. 109) konnten mithilfe einer multiplen Regressionsanalyse zeigen, dass neben diesen beiden oben genannten Faktoren auch noch der sozioökonomische Status, das Geschlecht, der Migrationshintergrund und die Ausbildung der Mutter einen Einfluss auf die schulische Leistung haben. Die Verfügbarkeit bzw. das Vorhandensein familiärer Bildungsressourcen wird im Fragebogen nach der Frage nach Taschenrechner, Wörterbuch, Lernbücher, ruhiger Platz zum Lernen oder eines eigenen Schreibtisches festgestellt. Der kulturelle Besitz einer Familie wird mithilfe der Fragen nach Büchern mit klassischer Literatur oder Gedichten oder dem Besitz von Kunstwerken eruiert. Die Anforderungen und Herausforderungen der modernen Berufswelt bringen es mit sich, dass Schüler/innen einen eigenen Compu- - 95 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund ter besitzen sollten. Aus diesem Grund werden die Schüler/innen gefragt, ob sie die Möglichkeit haben einen Computer zu benützen, Lern-Software besitzen oder über einen Internetzugang verfügen. Bildungsressourcen und kulturelle Besitztümer sind als Konstrukte z-standardisiert, d.h. dass der OECD-Mittelwert bei 0 und eine Standardabweichung bei 1 liegen. Der österreichische Durchschnitt liegt bei den familiären Bildungsressourcen bei 0,15 und der kulturelle Besitz bei -0,05, was etwa dem OECD-Schnitt entspricht (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 109f). Tabelle 1: Stichprobenvergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen Bildungsressourcen Computerbesitz Gesamte österreichische Testpopulation Kulturelle Besitztümer 0.15 0.16 -0.05 0.03 -0.04 -0.40 -0.12 -0.22 -0.41 Schüler/innen ohne Migrationshintergrund (HISEI<35) Schüler/innen mit Migrationshintergrund (HISEI<35) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 1 zeigt, dass hinsichtlich kultureller Ausstattung Schülerinnen und Schüler mit niedrigem sozioökonomischen Standard fast um eine halbe Standardabweichung schlechter als der österreichische bzw. der OECD-Schnitt gestellt sind. Dieses Ergebnis bestätigt einerseits die Hypothese, dass sozial benachteiligte Gruppen erheblich weniger anspruchsvolle Bücher oder Kunstwerken besitzen, Theater oder Museumsbesuche durchführen. Hinsichtlich Bildungsressourcen und die Verfügbarkeit von Computern, Lern-Software oder Internetzugang liegen sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler im OECD-Durchschnitt. - 96 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 1 lässt leicht erkennen, dass sozial benachteiligte Migrant/innen im Vergleich zu ihren „einheimischen“ Klassenkamerad/innen zusätzlich noch darin benachteiligt werden, dass sie über weniger Zugang zu Computer oder dem World Wide Web (WWW) verfügen. Diese Benachteiligung kann durch die Schule aufgehoben werden, da besonders Jugendliche aus niedrigen sozialen Schichten überdurchschnittlich viel Wissen über Computer von der Schule beziehen (vgl. Schreiner, 2006, S.348). Tabelle 2: Vergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen Bildungsressourcen Computerbesitz „Einheimische“ Schüler/innen Migrant/innen zweiter Generation (HISEI<35) Migrant/innen erster Generation (HISEI<35) Kulturelle Besitztümer 0.03 -0.04 -0.40 -0.00 -0.16 -0.52 -0.16 -0.24 -0.37 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 2 zeigt, dass zwischen Migrant/innen erster und zweiter Generation ein Unterschied hinsichtlich der kulturellen Besitztümer herrscht. Schüler/innen, die bereits im Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden, lesen im Vergleich zu den anderen sozial benachteiligten Gruppen am wenigsten klassische Lektüre, Gedichtbände, oder besitzen weniger Kunstwerke als z.B. Migrant/innen erster Generation. Dieser Abschnitt widmete sich der Frage, ob es zwischen diesen beiden sozial benachteiligten Gruppen Unterschiede gibt, die sich leistungsmindernd auf schulische Leistungen auswirken können. Unterschiede konnten festgestellt werden, insbesonders besitzen beide Gruppen erheblich weniger kulturelle Besitztümer als der OECD-bzw. österreichische Durchschnitt. Fehlender Computerbesitz und klassische Literatur, die in einer (zumindest höheren) Schule schon sehr oft implizit von den Lehrer/innen vorausgesetzt werden, vergrößern diesen Unterschied zum Nachteil dieser untersuchten Gruppen. - 97 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.4. Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Schülerleistungen Dieser Abschnitt widmet sich dem Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen. Verglichen wird die österreichische Gesamtstichprobe mit sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund. Mehrere Studien (z.B. Schreiner & Pointinger, 2006) konnten bereits einen negativen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen in den vier getesteten Domänen feststellen. 5.4.1. Mittelwertvergleiche der vier getesteten Domänen Tabelle 3: Mittelwertvergleiche der vier Domänen Lese- Naturwissen- Problem- kompetenz schaften lösen 506 (3.3) 491 (3.8) 491 (3.4) 506 (3.2) 478 (4.9) 455 (5.3) 461 (4.8) 479 (4.9) 439 (5.8) 409 (8.8) 408 (6.2) 442 (5.9) Mathematik Gesamtstichprobe Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 3 zeigt die Mittelwertsvergleiche der vier getesteten Domänen Mathematik, Lesekompetenz, Naturwissenschaften und die erstmals bei PISA 2003 getestete Domäne Problemlösen. Mittelwerte stellen Schätzwerte der jeweiligen Leistungen auf Basis der Schülerstichproben dar. Die in der Klammer dargestellte Zahl, so wie in allen anderen folgenden Tabellen auch, stellt die Höhe des möglichen Messfehlers dieser Schätzung, den sogenannten Standardfehler (S.E.) dar (vgl. OECD, 2004, S. 378). Die großen Standardfehler bei den Schü- - 98 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund ler/innen mit Migrationshintergrund lassen sich durch die kleine Stichprobenanzahl (n=238) erklären. Wie schneiden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund im Vergleich zu allen österreichischen Schüler/innen ab? Sozialbenachteiligte Schüler/innen schneiden gegenüber dem österreichischem Durchschnitt um fast 28 Punkte in Mathematik, um 36 Punkte in der Kompetenz Lesen, um 30 Punkte in Naturwissenschaften und um fast 27 Punkte in der getesteten Domäne Problemlösen ab. Einheimische sozial benachteiligte Schüler/innen schneiden in allen vier getesteten Bereichen um fast eine halbe Kompetenzstufe schlechter ab als der/die durchschnittliche österreichische Schüler/in. Besonders im Sinnerfassenden Lesen haben Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund Probleme. Im Durchschnitt sind die Leistungen diese Schüler/innen zwischen Level 1 und 2 angesiedelt (vgl. dazu Schreiner, 2006, S. 53). Noch größer ist die Differenz gegenüber dem österreichischen Durchschnitt, wenn der/die getestete Schüler/in einen Migrationshintergrund besitzen. Hier unterscheiden sich beide Vergleichsgruppen bereits um eine ganze Kompetenzstufe, wobei der Unterschied in den Domänen Lesekompetenz und Naturwissenschaften ca. 80 Punkte beträgt. Anders formuliert bedeutet das, dass besonders viele sozial benachteiligte Schüler/innen Angehörige der sogenannten Risikogruppe sind und damit Gefahr laufen, durch mangelnde Grundkenntnisse an der aktiven Teilhabe an der Gesellschaft und ihrem privaten Leben behindert zu werden (vgl. Schreiner, 2006, S. 53). Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status (HISEI) und den erreichten Schülerleistungen ist in Bezug auf Leseleistung in Österreich besonders stark. 15% der Leistung können durch den sozialen Status erklärt werden. Im Bereich Naturwissenschaft sind es noch immerhin 13%, und die erreichten Leistungen in Mathematik und Problemlösen können mit jeweils 11% durch den sozioökonomischen Status erklärt werden (vgl. dazu Breit & Schreiner, 2006, S. 202). Eine durchgeführte Korrelation zwischen dem sozioökonomischen Status und den sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund lässt die erklärte Varianz in den vier getesteten Domänen auf 0% schwinden. - 99 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.4.2. Zusammenhang zwischen Leistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund Eine weitere Analyse der familiären Faktoren, wie z. B. familiäre Zusammensetzung, berufliche und schulische Ausbildung der Eltern und die familiären und kulturellen Besitztümer zeigen größtenteils erklärte Leistungsvarianzen zwischen 0% und 3%. Ausnahmen zeigen sich bei den Migrant/innen zwischen Lesen und dem höchsten Ausbildungsgrad der Eltern (6%) und dem Geschlecht, der bei den „einheimischen“ Schüler/innen 7% und bei den Migrant/innen 9% der Leseleistung erklären. Tabelle 4 zeigt die Korrelationswerte zwischen den Schülerleistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund. Bei diesen Berechnungen findet der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) Verwendung. Ein Vergleich zwischen der österreichischen Gesamtstichprobe und den einzelnen Vergleichsstichproben zeigt, dass der sozioökonomische Hintergrund die Leistungen der österreichischen Schüler/innen in Mathematik mit 16% erklärter Varianz, die Lesekompetenz mit 21%, die Kompetenz Naturwissenschaft 19% und die getestete Domäne Problemlösen mit 16% erklärt. Tabelle 4: Korrelation zwischen den Schülerleistungen und dem ESCS Lese- Naturwissen- Problem- kompetenz schaften lösen 0.40 (0.02) 0.46 (0.02) 0.43 (0.02) 0.40 (0.02) 0.13 (0.05) 0.19 (0.04) 0.15 (0.04) 0.10 (0.04) 0.17 (0.07) 0.28 (0.06) 0.16 (0.06) 0.17 (0.07) Mathematik Österreich Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Die Stärke des Zusammenhangs zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und der Lesekompetenz mit einem Korrelationswert von 0.46 und der Kompetenz Naturwissen- - 100 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund schaft, der Korrelationskoeffizient beträgt hier 0.43, ist bei den österreichischen Schüler/innen besonders groß. Diese Werte entsprechen einer mittleren Korrelation. Tabelle 4 lässt erkennen, dass ein Vergleich zwischen den sozial benachteiligten Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zwischen 1% und 3% der Leistungsvarianz erklären. Die zugehörigen Korrelationskoeffizienten weisen auf einen geringen Zusammenhang hin. Eine Ausnahme findet sich bei den Migrant/innen: 8% der Leistungsvarianz in der Domäne Lesekompetenz können durch den sozioökonomischen Hintergrund der Schüler/innen erklärt werden. Die nächsten vier Abbildungen stellen den Vergleich der Gradienten in Abhängigkeit des sozioökonomischen Hintergrundes und den Leistungen in den vier Domänen dar. Die Gradienten der unterschiedlichen Vergleichsgruppen sind farblich verschieden gekennzeichnet. Die Gradienten sind jeweils für die mittleren 90% der Schüler/innen aufgetragen. Die Höhe der Gradienten sind den Abbildungen und den dazugehörigen Tabellen zu entnehmen. An ihnen lässt sich das durchschnittliche Mathematikergebnis erkennen, wenn der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Status (ESCS) in allen OECD-Ländern gleich wäre. Die Steigung der Gradienten gibt einen Hinweis auf den Einfluss des sozioökonomischen Status auf die einzelnen Leistungen. Eine schwächere Steigung bedeutet, dass der soziale Hintergrund weniger Einfluss auf die Schülerleistungen ausübt. Je stärker die Steigung der Gradienten ist, desto stärker ist der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die jeweiligen Leistungen (vgl. OECD, 2004, S. 206). - 101 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 38: Gradientenvergleich Mathematik 600 550 500 450 400 350 300 -2,1 Österreich 1,5 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Abbildung 38 zeigt den Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes (ESCS) auf die Leistungen in Mathematik. Das durchschnittliche Leistungsniveau der mittleren 90% der Schüler/innen beträgt in Österreich 505 Punkte, wobei sich der Punktebereich von 452 bis 541 erstreckt (vgl. dazu Tabelle 5). Die stärkere Steigung des Gradienten (blau) weist auf einen starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Mathematikleistungen in Österreich hin. Ein ähnlich starker Einfluss lässt sich auch bei den getesteten Domänen Lesekompetenz, Naturwissenschaft und Problemlösen erkennen (vgl. Abb. 39 bis 41). Die Abhängigkeit der Leistungen vom sozioökonomischen Hintergrund sind ein Kennzeichen stark gegliederter bzw. selektiver Schulsysteme (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 202). - 102 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und ESCS Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und sozioökonomischen Hintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Mittelwert Steigung des Gradienten Wenn ESCS-MW in allen OECD Länder gleich wäre Einer ESCS-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung 505 (2.5) 43 (2.3) 497 (7.5) 460 (10.2) Länge der Projektion der Gradienten (ESCS) 5. Perzentil 95. Perzentil Differenz -1.21 1.5 2.74 24 (8.3) -1.4 0.1 1.5 20 (7.6) -2.1 0.0 2.2 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Sozial benachteiligte „einheimische“ Schüler/innen weisen ein durchschnittliches Leistungsniveau von 497 Punkten auf, wobei sich der Wertebereich von 462 bis 498 Punkten erstreckt. 90% dieser Schülergruppe weisen ein Kompetenzniveau von 2 bis 3 auf. Ein Vergleich der Gradienten zwischen den Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zeigt, dass der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes bei den Migrant/innen etwas stärker ist als bei den „Einheimischen“. 90% der Migrant/innen weisen einen Leistungsbereich von 419 bis 461 Punkte auf. Mehrmals wurde bereits auf den starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Leseleistung hingewiesen. Abbildung 39 zeigt, dass der Mittelwert der Migrant/innen im Vergleich zu ihren sozial benachteiligten „einheimischen“ Mitschüler/innen um fast 30 Punkte niedriger ist. Der Wertebereich der Migrant/innen reicht von knapp 370 bis 460 Punkte (vgl. Tabelle 6). Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass 90% aller sozial benachteiligten Migrant/innen im Kompetenzbereich Lesen Level 1 bis 2 erreichen, und damit große Schwierigkeiten im Erfassen und Verstehen von einfachen Texten haben. - 103 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 39: Gradientenvergleich Lesekompetenz 600 550 500 450 400 350 300 -2,1 Österreich 1,5 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Etwas besser sieht die Leistung bei den „einheimischen“ Schüler/innen aus, die ein mittleres Niveau von 484 Punkten erreichen. 90% dieser Vergleichsgruppe liegen im Punktebereich von 430 bis knapp 490 (Level 2 bis 3). Tabelle 6: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und ESCS Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und sozioökonomischen Hintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Mittelwert Steigung des Gradienten Wenn ESCS-MW in allen OECD Länder gleich wäre Einer ESCS-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung 490 (2.5) 54 (2.3) 484 (8.7) 455 (11.0) Länge der Projektion der Gradienten (ESCS) 95. Perzentil Differenz -1.21 1.5 2.74 37 (8.0) -1.4 0.1 1.5 41 (8.8) -2.1 0.0 2.2 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 104 - 5. Perzentil Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Die Naturwissenschaftskompetenz stellt bei PISA 2006 die Hauptdomäne dar. Aus diesem Grund sind für PISA 2003 noch keine Kompetenzstufen definiert, nach denen es möglich wäre, die Leistungen der Schüler/innen genauer zu betrachten (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 143). Der Gradientenvergleich zeigt eine Ähnlichkeit mit Abb. 38 auf. Die Steilheit beider Gradienten (rot und schwarz) lässt einen gleich starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Kompetenz Naturwissenschaft schließen. Abbildung 40: Gradientenvergleich Naturwissenschaft 600 550 500 450 400 350 300 -2,1 Österreich 1,5 ohne Migrationhintergrund mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 7 (nächste Seite) zeigt, dass sich die Schüler/innen mit einem niedrigen sozialen Hintergrund im Mittelwert immerhin noch um ca. 50 Punkte unterscheiden. 90% aller Migrant/innen erreichen rund 390 bis 430 Punkten. „Einheimische“ erreichen Testleistungen die sich von rund 440 bis 480 Punkten erstrecken. - 105 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 7: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und ESCS Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und sozioökonomischen Hintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Mittelwert Steigung des Gradienten Wenn ESCS-MW in allen OECD Länder gleich wäre Einer ESCS-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung 590 (2.5) 49 (2.2) 483 (7.7) 429 (10.7) Länge der Projektion der Gradienten (ESCS) 5. Perzentil 95. Perzentil Differenz -1.21 1.5 2.74 28 (8.0) -1.4 0.1 1.5 20 (7.9) -2.1 0.0 2.2 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Die Kompetenzstufen der Problemlöseskala erstrecken sich von 1 bis 3. Abbildung 41 und Tabelle 8 lassen erkennen, dass 90% aller sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Kompetenzstufe 1 erreichen, die sich von 405 bis 499 Punkten erstreckt. Es handelt sich bei diesen Schüler/innen um „Problemlöser mit nur sehr grundlegenden Fähigkeiten“ (vgl. Lang, 2006, S. 105). Abbildung 41: Gradientenvergleich Problemlösen 600 550 500 450 400 350 300 -2,1 Österreich 1,5 ohne Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 106 - mit Migrationshintergrund Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Ein Vergleich der Gradienten zwischen den Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zeigt auch beim Problemlösen den etwas stärkeren Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Testleistungen. Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Problemlösen und ESCS Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und sozioökonomischen Hintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Mittelwert Steigung des Gradienten Wenn ESCS-MW in allen OECD Länder gleich wäre Einer ESCS-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung 505 (2.4) 42 (2.1) 493 (7.8) 465 (10.3) Länge der Projektion der Gradienten (ESCS) 95. Perzentil Differenz -1.21 1.5 2.74 18 (7.9) -1.4 0.1 1.5 21 (8.3) -2.1 0.0 2.2 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 107 - 5. Perzentil Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.4.3. Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen und dem sozioökonomischen Status Ein zusätzlich durchgeführter Gradientenvergleich, der den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den getesteten Domänen darstellen soll, lässt ein ähnliches Bild erkennen. Im Folgenden werden nur zwei Abbildungen dargestellt, weil sich der Gradientenvergleich zwischen dem SES und den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen sehr ähnlich sind. Abbildung 42: Gradientenvergleich von Mathematik und dem SES 600 550 500 450 400 350 300 Österreich (SES: 32 - 71) ohne Migrationshintergrund (SES: 16 - 34) mit Migrationshintergrund (SES: 16 - 34) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Auffallend ist die ausgeprägt schwache Steilheit des Gradienten, der den Zusammenhang zwischen dem SES und den Mathematikleistungen der Schüler/innen mit Migrationshintergrund darstellt. Daraus lässt sich erkennen, dass der sozioökonomische Status in der Gruppe der sozial Benachteiligten keinen Einfluss mehr hat. Die mittleren 90%, d. h. die Längen der Gradienten, reichen beim österreichischen Durchschnitt von einem HISEI-Wert von 32 bis 71 und bei den sozial benachteiligten Schüler/innen von 16 bis 34. - 108 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 9: Zusammenhang zwischen dem SES und den Leistungen Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischem Status Mittelwert Steigung des Gra- Länge der Projektion der dienten Gradienten (HISEI) Einer HISEI-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 5. Perzentil (Punkte) 95. Perzentil (Punkte) Differenz (Punkte) 420 (6.0) Mathematik 1.9 (0.1) 479 552 +73 505 (18.1) -1.0 (0.6) 489 472 -17 434 (27.8) 0.2 (0.9) 437 439 +3 Lesen Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 380 (6.9) 2.4 (0.1) 457 551 -94 470 (20.6) -0.6 (0.7) 462 452 -10 355 (41.5) 1.9 (1.4) 386 420 +34 392 (5.7) Naturwissenschaft 2.1 (0.1) 461 544 +83 483 (16.9) -0.6 (0.7) 474 463 -11 406 (31.5) 0.1 (1.1) 407 408 +1 421 (5.8) Problemlösen 1.8 (0.1) 480 552 +72 511 (16.1) -1.2 (0.6) 493 472 -21 444 (31.0) -0.1 (1.0) 443 442 -1 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Betrachtet man die Werte der Migrant/innen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen (Tab. 9), so lässt sich eine auffallend geringe Zunahme der Punkte mit dem steigenden sozioökonomischen Status erkennen. Eine Zunahme des sozioökonomischen Status, der Beruf, Erziehung und das Einkommen berücksichtigt, führt zu keiner Zunahme der Schülerleistungen. Gegenteiliges lässt Abbildung 43 erkennen. Ein Vergleich der Gradienten zwischen den Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund lässt den starken Zusammenhang zwischen dem SES und den Leseleistungen bei den Migrant/innen erkennen (vgl. dazu - 109 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tab. 9). In der Kompetenz Lesen weisen die Migrant/innen einen positiven Zusammenhang, die „einheimischen“ Schüler/innen dagegen einen schwach negativen Punktezuwachs auf. Abbildung 43: Gradientenvergleich von Lesen und SES 600 550 500 450 400 350 300 Österreich (SES: 32 - 71) ohne Migrationshintergrund (SES: 16 - 34) mit Migrationshintergrund (SES: 16 - 34) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung 5.4.4. Zusammenfassung Dieser Abschnitt beschäftigte sich mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistung gibt. Der erwartete negative Einfluss in den vier bei PISA 2003 getesteten Domänen konnte bestätigt werden. Auffallend ist, dass besonders in den Domänen Lesen und Problemlösen der niedrige soziale Hintergrund bei den Migrant/innen, im Gegensatz zu den „einheimischen“ Schüler/innen, einen starken Einfluss auf die Schülerleistungen hat. Der Grund dafür wird in der Sprachkompetenz der Migrant/innen vermutet, da beide Domänen Lesekompetenz und Kommunikation erfordern (vgl. Lang, 2006, S. 104). Ein Vergleich beider Stichproben konnte zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den Leistungen ähnliche Ergebnisse liefert, wie ein Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Hintergrund. Auffallend war der geringe Punktezuwachs bei den Schüler/innen mit Migrationshintergrund in den getesteten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen. Ein weiteres überraschendes - 110 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Ergebnis war, dass in der Kompetenz Lesen die Migrant/innen einen positiven und die „einheimischen“ Schüler/innen eine leichte Punkteabnahme aufweisen. - 111 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.5. Mittelwertsvergleich: Schülerleistungen in vier Mathematikbereichen 5.5.1. Beschreibung der vier Mathematik-Subskalen Dieses Kapitel widmet sich der Frage, ob es innerhalb der vier Mathematik-Subskalen, nämlich „Raum und Form“, „Veränderung und Beziehung“, Quantitatives Denken“ und „Unsicherheit“ Bereiche gibt, die von den Immigrant/innen besser als andere bewältigt werden. Es wird vermutet, dass Subskalen, die keine hohe Anforderungen an die Sprachkompetenz stellen und damit Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligen könnten, besser bewältigt werden. Um diese Frage zu beantworten, werden zwischen beiden Vergleichsgruppen die Mittelwertunterschiede empirisch untersucht und deskriptiv dargestellt. Ebenso werden die Korrelationskoeffizienten und die erklärten Varianzen zwischen dem sozioökonomischen Status und den einzelnen mathematischen Bereichen mit dem Ziel berechnet, eventuelle Zusammenhänge zwischen diesen Variablen feststellen zu können. Die einzelnen Subskalen bestehen alle aus sechs verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Im Folgenden werden immer nur jeweils die ersten drei Schwierigkeitsstufen beschrieben, da die errechneten Mittelwerte beider Gruppen nicht über Level 3 hinausgehen. Die Mathematik-Subskala „Raum und Form“ setzt sich aus Mathematikaufgaben zusammen, die „mit räumlichen und geometrischen Phänomenen und Beziehungen in Zusammenhang“ stehen (OECD, 2004, S. 58). Wenn Schüler/innen zwischen 358 und 420 Punkten erreichen, so entspricht ihr Können Kompetenzstufe 1. Sie können „anhand vertrauter Bilder oder Zeichnungen geometrische Objekte und durch Zählen oder Anwendung grundlegender Rechenverfahren einfache Probleme in einem vertrauten Kontext lösen (ebd., S. 63). Kompetenzstufe 2 (421 – 482 Punkte) erreichen Schüler/innen dann, wenn sie z.B. einfache geometrische Muster erkennen, „sich ein Objekt zweibzw. dreidimensional vorstellen und damit arbeiten“, oder „zur Lösung von Problemen in einem geometrischen Kontext einfache Rechenoperationen durchführen“ können (ebd., S. 63). Level 3 erreichen Schüler/innen dann, wenn sie z.B. „grundlegende Pro- - 112 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund blemlösefähigkeiten wie das Entwerfen einer einfachen Strategie unter Beweis stellen“ (ebd., S. 63). Die Mathematik-Subskala „Veränderung und Beziehungen“ bezieht „sich auf mathematische Darstellungen von Veränderungen und funktionalen Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Variablen“ (OECD, 2004, S. 72). Kompetenzstufe 1 erreichen in diesem Bereich Schüler/innen, wenn sie fähig sind, in einer einfachen Tabelle oder grafischen Darstellung wichtige Informationen auffinden und ablesen zu können, oder einfache „Rechnungen zu Beziehungen zwischen zwei bekannten Variablen“ durchzuführen (ebd., S. 78). Mindestens 421 Punkte und damit Kompetenzstufe 2 erreichen Schüler/innen dann, wenn sie einfache Texte und Muster interpretieren und zur Lösung von Problemen einfache Algorithmen, Formeln und Verfahren anwenden können. Kompetenzstufe 3 verlangt bereits ein Können, dass ein „gewisses Maß an Interpretation, mathematisches Denken in vertrauten Kontexten und Kommunikation der Argumente“ verlangt (ebd., S. 78). „Quantitatives Denken“ wurde von Schüler/innen bei PISA 2003 verlangt, wenn ihnen Mathematikaufgaben vorgelegt wurden, die sich auf „numerische Phänomene und quantitative Beziehungen und Muster“ bezogen haben (ebd., S. 83). Kompetenzstufe 1 ist so definiert, dass 88% aller Schüler/innen im OECD-Raum mindestens „eine einfache Zahlentabelle lesen und interpretieren, die Spalten addieren und die Ergebnisse vergleichen können“ (ebd., S. 88). Die nächste Stufe verlangt neben der Interpretation einfacher Tabellen das Identifizieren und Entnehmen wichtiger Informationen, das Durchführen grundlegender arithmetischer Rechnungen und die Interpretation und Bearbeitung einfacher quantitativer Beziehungen (ebd., S. 88). Zwischen 483 und 544 Punkte (Level 3) erreichen Schüler/innen dann, wenn sie einfache Problemlösestrategien anwenden können, „die mathematisches Denken in vertrauten Kontexten voraussetzen und Tabellen interpretieren, um Informationen aufzufinden“. Ebenso sind sie fähig, „explizit beschriebene Berechnungen in mehrschrittigen Verfahren“ durchzuführen“ (ebd., S. 88). Der vierte Mathematikbereich, der wie die anderen drei Subskalen jeweils ein Viertel der Mathematikaufgaben umfasst, bezieht sich auf „probabilistische und statistische Phänomene und Abhängigkeiten“ (ebd., S. 93). Die Skala „Unsicherheit“ verlangt z.B. - 113 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund auf Kompetenzstufe 1 „grundlegende Wahrscheinlichkeitskonzepte im Kontext eines einfachen vertrauten Experiments (z.B. mit Würfel oder Münzen)“ zu verstehen. Stufe 2 setzt das Auffinden statistischer Informationen, die in vertrauter grafischer Darstellung geliefert werden“ bzw. das Verstehen grundlegender statistischer Konzepte und Regeln voraus (vgl. ebd., S. 96). Wenn Schüler/innen „statistische Informationen und Daten interpretieren und verschiedene Informationsquellen miteinander verknüpfen können“ (ebd., S. 96), erreichen sie Stufe 3. Ebenso können diese Schüler/innen „grundlegende logische Denkschritte in Bezug auf einfache Wahrscheinlichkeitskonzepte, Symbole und Regeln vollziehen und entsprechende Aussagen dazu formulieren“ (ebd., S. 96). 5.5.2. Mittelwertvergleich beider Vergleichsgruppen in vier Mathematik-Subskalen Tabelle 10 und Abbildung 44 zeigen den Mittelwertvergleich sozial benachteiligter Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in allen vier Mathematik-Subskalen. Sie lassen erkennen, dass in allen vier Bereichen die Mittelwerte der Schüler/innen mit Migrationshintergrund hinter den Leistungen ihrer „einheimischen“ Schulkolleg/innen liegen. Tabelle 10: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Unterschied Raum und Veränderung Quantitativ. Form und Beziehung Denken 490 (5.1) 467 (5.6) 466 (4.8) 487 (4.5) 443 (7.5) 427 (6.8) 426 (5.5) 453 (5.8) 47 (9.0) 40 (9.1) 40 (7.2) 34 (7.1) Unsicherheit Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Im Bereich „Raum und Form“ erreichen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund 490 Punkte und erreichen im Durchschnitt Kompetenzstufe 3, die von 483 bis 544 Punkte reicht. Damit liegen sie 25 Punkte hinter dem österreichischen Durchschnitt (vgl. - 114 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund OECD, 2004, S. 392). Immigrant/innen liegen mit 443 Punkten mehr als eine halbe Kompetenzstufe hinter ihren „einheimischen“ Schulkolleg/innen und mehr als eine Kompetenzstufe hinter dem österreichischem Mittelwert. Im Durchschnitt erreichen sie Stufe 2, die bis 482 Punkte reicht. Abbildung 44: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen 600 550 500 450 400 350 300 Raum und Form Veränderung und Beziehung ohne Migrationshintergrund Quantitatives Denken Unsicherheit mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung In den Bereichen „Veränderung und Beziehung“ und „Quantitatives Denken“ beträgt der Unterschied zwischen beiden Gruppen jeweils 40 Punkte. „Einheimische“ Schüler/innen erreichen in beiden Bereichen etwas über 460 Punkte, liegen damit auf Kompetenzstufe 2 und mehr als eine halbe Kompetenzstufe hinter dem österreichischem Durchschnitt. Der österreichische Mittelwert beträgt in der Subskala „Veränderung und Beziehung“ 500 Punkte und in den Subskala „Quantitatives Denken“ 513 Punkte (vgl. ebd., S. 396 u. S. 400). Migrant/innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status erreichen im Mittel etwa 425 Punkte und damit um mehr als eine halbe Kompetenzstufe weniger als ihre Vergleichsgruppe. Kompetenzstufe 2 reicht von 421 bis 482 Punkte. Somit lässt sich erkennen, dass in beiden Bereichen Schüler/innen mit und ohne Migrationssintergrund im Durchschnitt sich auf derselben Kompetenzstufe befinden. - 115 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Die geringste Differenz zwischen beiden Gruppen lässt sich im Bereich „Unsicherheit“ errechnen. Schüler/innen ohne Migrationshintergrund erreichen in etwa mit ihrem Mittelwert von fast 490 Punkten den österreichischen Durchschnittswert von 494 Punkten. Migrant/innen liegen mit 34 Punkten hinter ihrer Vergleichsgruppe und nur etwa 40 Punkte hinter dem österreichischen Mittelwert. „Einheimische“ Schüler/innen bewältigen im Durchschnitt Aufgaben der Schwierigkeitsstufe 3 und Immigrant/innen mathematische Beispiele der Schwierigkeitsstufe 2. Tabelle 11: Korrelationskoeffizienten zwischen den vier Subskalen und dem HISEI Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Raum und Veränderung Quantitativ. Form und Beziehung Denken -0.05 (0.04) -0.06 (0.03) -0.05 (0.04) 0.03 (0.08) -0.01 (0.08) 0.01 (0.08) -0.00 (0.07) -0.05 (0.04) Unsicherheit Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Anhand einer Korrelationsberechnung wurde der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den einzelnen Mathematik-Subskalen berechnet. Der Korrelationskoeffizient beträgt zwischen -0.05 und 0.03, was auf einen sehr geringen Zusammenhang hinweist. Die erklärte Varianz beträgt in allen Subskalen weniger als 1% (vgl. Tab. 11). 5.5.3. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde untersucht, ob Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund in den vier bei PISA 2003 untersuchten mathematischen Subskalen unterschiedlich abschneiden. Festgestellt konnte werden, dass der Leistungsunterschied zwischen Immigrant/innen und „Einheimischen“ in jeder Subskala mehr als eine halbe Kompetenzstufe beträgt. Den größten Punkteunterschied gibt es im Bereich „Raum und Form“ und den geringsten im Bereich „Unsicherheit“. Interessant ist, dass Schreiner (2006, S. 52) darauf hinweist, dass genau in den Bereichen „Raum und Form sowie Größen die relative Stärke Österreichs, und ein schwächeres Ergebnis bezüglich Unsi- - 116 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund cherheit zu verbuchen ist. In den Subskalen „Veränderung und Beziehung“ und „Quantitatives Denken“ ist der Mittelwertunterschied zwischen Vergleichsgruppen gleich groß. Ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Leistungen konnte innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nicht festgestellt werden. Die Hypothese, dass es Mathematik-Subskalen gibt, die keine hohen Anforderungen an die Sprachkompetenz stellen (z.B. Anwendung grundlegender Rechenverfahren oder das Erkennen einfacher geometrischer Muster) und damit Migrant/innen nicht benachteiligen, konnte nicht bestätigt werden. - 117 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.6. Schulspartenvergleich: Auswirkungen des Migrationshintergrundes Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, wie sich der Migrationshintergrund auf sozial benachteiligte Schüler/innen auswirkt, wenn sie dieselbe Schulsparte wie ihre Vergleichsstichprobe besuchen. Erwartet wird, dass in den höheren Bildungsanstalten der Unterschied kleiner ist als in den Pflichtschulen. Grund für die Annahme ist, dass die Aufnahmekriterien für die weiterführenden Schulen für alle Schüler/innen gleich sind und, sobald ein/e Schüler/in den Anforderungen höherer Schulen entspricht, es keinen besonderen Leistungsunterschied zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen dürfte. 5.6.1. Mittelwertvergleich der Schülerleistungen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 45 und Tabelle 12 lassen erkennen, dass Schüler/innen ohne Migrationshintergrund in jeder Schulsparte höhere Punkte als Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen. Abbildung 45: Schulspartenvergleich Mathematik 600 550 500 450 400 350 300 APS AHS BS ohne Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 118 - BMS mit Migrationshintergrund BHS Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 12: Schulspartenvergleich Mathematik Schulspartenvergleich: Mittelwerte Mathematik Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Unterschied APS AHS BS BMS BHS 458 (9.2) 575 (10.6) 448 (7.0) 472 (7.2) 551 (9.2) 395 (9.0) 520 (11.9) 418 (9.5) 434 (10.4) 494 (13.6) 63 (13.6) 55 (20.0) 30 (9.0) 39 (14.1) 57 (15.4) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung In der Domäne Mathematik werden im Durchschnitt die meisten Punkte in den Allgemeinen Höheren Schulen (575 Punkte) und in den Berufsbildenden Höheren Schulen mit rund 550 Punkten erreicht. Migrant/innen erreichen auch hier die besten Mittelwerte, jedoch macht der Abstand zu den „einheimischen“ Schüler/innen über 50 Punkte, bzw. fast eine ganze Kompetenzstufe aus. Migrant/innen, die eine Hauptschule bzw. eine Berufsschule besuchen, erreichen im Mittelwert 400 bzw. 420 Punkte, die den Anforderungen von Level 1 entsprechen. Schüler/innen ohne Migrationshintergrund sind in der Hauptschule um eine Kompetenzstufe und in den Berufsschulen um eine halbe Kompetenzstufe besser. - 119 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 46: Schulspartenvergleich Lesekompetenz 600 550 500 450 400 350 300 APS AHS BS ohne Migrationshintergrund BMS BHS mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Der Schulspartenvergleich in der getesteten Domäne Kompetenz Lesen zeigt, dass beide Vergleichsgruppen in den AHS und in den BHS die besten Mittelwerte erzielen (vgl. Abbildung 46 und Tabelle 13). Auch hier lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund und den Migrant/innen feststellen. Tabelle 13: Schulspartenvergleich Lesekompetenz Schulspartenvergleich: Mittelwerte Lesekompetenz Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Unterschied APS AHS BS BMS BHS 421 (10.5) 574 (11.8) 418 (8.2) 457 (7.5) 535 (8.3) 347 (11.6) 519 (18.6) 373 (16.4) 425 (16.1) 484 (11.5) 74 (14.2) 54 (23.6) 45 (19.1) 33 (18.2) 51 (12.6) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Sozial benachteiligte Schüler/innen ohne Migrationshintergrund erreichen in den Hauptschulen im Durchschnitt Level 2, hingegen Schüler/innen mit Migrationshintergrund durchschnittlich Level 1. Der Abstand beträgt auch hier fast eine Kompetenzstufe, in den AHS, BHS und in den Berufsschulen eine halbe Kompetenzstufe. „Einheimische“ Schüler/innen erreichen die wenigsten Punkte in den Berufsschulen, während die - 120 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund geringste Punkteanzahl der sozial benachteiligten Migrant/innen in den Hauptschulen (APS) verzeichnet wird. Abbildung 47 und Tabelle 14 lassen ein ähnliches Bild wie in der getesteten Hauptdomäne Mathematik und in der Nebendomäne Kompetenz Lesen erkennen. Abbildung 47: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft 600 550 500 450 400 350 300 APS AHS BS ohne Migrationshintergrund BMS BHS mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Auch hier werden die besten Mittelwerte von beiden Vergleichsgruppen in den AHS 574 Punkte) und in den BHS (534 Punkte) erzielt. Tabelle 14: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft Schulspartenvergleich: Mittelwerte Naturwissenschaft Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Unterschied APS AHS BS BMS BHS 444 (10.3) 574 (10.7) 428 (7.2) 454 (7.0) 534 (9.0) 365 (11.6) 501 (16.5) 381 (12.1) 399 (11.4) 462 (14.1) 79 (16.4) 73 (20.0) 48 (12.0) 56 (14.2) 72 (16.4) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Der Leistungsabstand zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund beträgt in beiden Schulsparten rund 70 Punkte. Der Abstand vergrößert sich in der Schul- - 121 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund sparte APS mit einer Differenz von fast 80 Punkten und ist am Geringsten in den Berufsschulen mit fast 50 Punkten. Abbildung 48: Schulspartenvergleich Problemlösen 600 550 500 450 400 350 300 APS AHS BS ohne Migrationshintergrund BMS BHS mit Migrationshintergrund Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Im Kapitel 5.4.2 wurde bereits festgestellt, dass 90% aller sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Kompetenzstufe 1 erreichen. Diese erstreckt sich von 405 bis 499 Punkten. Diese „Problemlöser mit nur sehr grundlegenden Fähigkeiten“ befinden sich zum Testzeitpunkt erwartungsgemäß in den Allgemeinen Pflichtschulen (hier HS), Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen (vgl. Abbildung 48 und Tabelle 15). Tabelle 15: Schulspartenvergleich Problemlösen Schulspartenvergleich: Mittelwerte Problemlösen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Unterschied APS AHS BS BMS BHS 451 (9.6) 573 (11.9) 455 (7.1) 475 (8.7) 547 (8.2) 402 (9.0) 526 (16.8) 419 (13.0) 438 (13.6) 499 (12.5) 50 (14.0) 47 (22.6) 36 (12.2) 36 (18.0) 48 (14.3) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 122 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Wiederum auffällig ist, dass sich die größte Anzahl der „Schwachen Problemlöser“ (vgl. Lang, 2006, S. 106) in den APS befinden, und es sich dabei wieder um Migrant/innen handelt (402 Punkte). Der Abstand zwischen beiden Vergleichsstichproben ist in den Schulsparten BS mit 36 Punkten und in den BMS mit 36 Punkten am geringsten. Den größten Mittelwertsunterschied lässt sich mit 50 Punkten bei den Pflichtschüler/innen finden. 5.6.2. Zusammenfassung Dieser Abschnitt beantwortet die Frage, ob sich der Migrationshintergrund auf sozial benachteiligte Schüler/innen auswirkt, wenn sie dieselbe Schulsparte wie ihre Vergleichsstichprobe besuchen. Detailergebnisse zeigen, dass es in allen Schulsparten zum Teil sehr große Unterschiede hinsichtlich der getesteten Schülerleistungen in den Mittelwerten gibt. Auffallend groß ist der Unterschied in allen vier Domänen in den Hauptschulen. Dieser Unterschied verringert sich etwas in den Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen. Eine Erklärung dürfte sein, dass PISA Schüler/innen testet, die zum Testzeitpunkt 15 – 16 Jahre sind. Somit handelt es sich bei der Stichprobe in den APS zum größten Teil um Repetenten oder Migrant/innen, die häufig schwache Schulleistungen oder über eine sehr geringe Sprachkompetenz verfügen. Viele dieser Schüler/innen beenden die Pflichtschule ohne einen Abschluss, oder finden keine Lehrstelle und besuchen in der Folge keine Berufsschule. Aus diesem Grund verringert sich der Unterschied in den Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen, da die Gruppe der besonders leistungsschwachen Schüler/innen nach Beendigung des 9. Pflichtschuljahres (oder freiwilligen 10.) den Schulbesuch beenden. Dieselbe Annahme, dass das Alter der Stichprobe einen Teil der Erklärung liefert, ist der große Unterschied zwischen den „Einheimischen“ und den Migrant/innen in den AHS und BHS. Besonders in den Berufsbildenden Höheren Schulen (weniger in den AHS) befinden sich viele Schüler/innen der PISA-Stichprobe, die ihr 9. Pflichtschuljahr - 123 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund unter Umgehung der Polytechnischen Schule absolvieren wollen und nach Ablauf des Schuljahres den Schulbesuch an einer Höheren Schule beenden. Zu Beginn dieses Abschnittes wird die Hypothese aufgestellt, dass sich der Leistungsunterschied zwischen sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in den weiterführenden Schulen geringer ist als in den Pflichtschulen. Diese Hypothese kann nicht bestätigt werden, da die Mittelwertunterschiede zwar in den APS am größten, aber sich im Gegensatz zu den BS und BMS in den AHS und BHS kaum verringern. - 124 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.7. Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in Bezug auf Extremgruppen Die vorherigen Abschnitte befassen sich mit den Leistungen der Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Dieser Abschnitt beschäftigt sich nun genauer mit der Gruppe der Migrant/innen. Es werden innerhalb dieser Stichprobe zwei Extremgruppen gebildet: Die eine Extremgruppe weist einen maximalen sozioökonomischen Status (SES) von 35 auf, und die andere Extremgruppe von 65 und höher. Es wird die Forschungsfrage gestellt, ob innerhalb dieser beiden Extremgruppen signifikante Leistungsunterschiede in allen vier Domänen feststellbar sind. Erwartet wird, dass Schüler/innen mit einem höheren sozialen Hintergrund in allen vier Domänen bessere Leistungen erbringen, da erwartet wird, dass sie über mehr kulturelle Besitztümer und Bildungsressourcen verfügen, als sozial benachteiligte Migrant/innen. 5.7.1. Migrant/innen: Mittelwertvergleich der Extremgruppen In Österreich umfasst die Gruppe der Migrant/innen, die einem niedrigen sozioökonomischer Status angehören rund 5600 Personen (84%). Dieser Gruppe werden rund 1100 Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenübergestellt, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte über einen hohen sozioökonomischen Status verfügen (16%). Die durchgeführten Mittelwertsvergleiche lassen sehr deutlich erkennen, dass die sozioökonomische „Spitzengruppe“ in allen getesteten Bereichen um mindestens 70 Punkte besser als ihre Vergleichsgruppe sind (vgl. Abb. 49 und Tabelle 16). - 125 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 49: Extremgruppenvergleich 550 500 450 400 350 300 Mathematik Lesen Naturwissenschaft HISEI 16 - 35 Problemlösen HISEI 65 - 90 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung In der bei PISA 2003 getesteten Hauptdomäne Mathematik erreichen die sozial benachteiligten Migrant/innen im Vergleich zur „Spitzengruppe“, die im Durchschnitt 514 Punkte erreicht, fast 440 Punkte. Diese „Spitzengruppe“ liegt somit leicht über dem österreichischen Durchschnitt, der bei 506 Punkten liegt, und erreicht in der Mathematikskala Kompetenzstufe 3. Migrant/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status liegen mit ihrem Mittelwert am unteren Ende der Skala von Level 2 (421 – 482 Punkte). Tabelle 16: Extremgruppenvergleich Lese- Naturwissen- Problem- kompetenz schaften lösen 439 (5.8) 409 (8.8) 408 (6.2) 442 (5.9) 514 (13.6) 507 (14.5) 492 (15.6) 515 (15.2) Mathematik Niedriger SES (HISEI 16 – 35) Hoher SES (HISEI 65 – 90) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung In der bereits bei PISA 2000 getesteten Hauptdomäne und nunmehrigen Nebendomäne Kompetenz Lesen wächst der Unterschied zwischen beiden Gruppen auf fast 100 Punkten bzw. über eine Kompetenzstufe. Sozial benachteiligte Migrant/innen befinden sich im Mittelwert zwischen Level 1 und 2 (409 Punkte) und ihre Vergleichsgruppe auf Le- - 126 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund vel 3. Migrant/innen mit einem höheren sozioökonomischen Status liegen mit ca. 500 Punkten auch in dieser Kompetenz leicht über dem österreichischem Mittelwert von 491 Punkten. Der österreichische Mittelwert liegt im Bereich Naturwissenschaft bei 491 Punkten (vgl. OECD, 2004, 498). Die sozioökonomische „Spitzengruppe“ liegt somit genau im österreichischen Durchschnitt (vgl. Tab. 16) und um rund 80 Punkte über den sozial benachteiligten Migrant/innen, die einen Mittelwert von 408 Punkten erreichen. Es wurde bereits erwähnt, dass die Domäne Problemlösen in drei Leistungslevels eingeteilt ist. Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft erreichen im Mittelwert mit rund 440 Punkten die Kategorie „Problemlöser mit nur sehr grundlegenden Fähigkeiten“. Die Gruppe der Migrant/innen mit einem hohen sozioökonomischen Status erreicht einen Mittelwert von 515 Punkten, und somit Kompetenzstufe 2, die sich zwischen 499 und 592 Punkten erstreckt. Auch hier liegen die Leistungen über dem österreichischen Durchschnitt (508 Punkte). 5.7.2. Zusammenfassung Die Ergebnisse dieses Abschnittes zeigen, dass es zwischen beiden Vergleichsgruppen hinsichtlich der Leistungen in allen vier Domänen einen großen Unterschied gibt. Migrant/innen, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte einen hohen sozioökonomischen Status besitzen, sind in allen Domänen in der nächsthöheren Kompetenzstufe und leicht über dem österreichischen Mittelwert. Es kann somit festgestellt werden, dass der sozioökonomische Hintergrund hinsichtlich der schulischen Leistungen einen sehr viel größeren Einfluss als der Migrationshintergrund hat. Es kann die in diesem Abschnitt gestellte Hypothese bestätigt werden, dass Schüler/innen mit einem höheren sozialen Hintergrund in allen vier Domänen bessere Leistungen erbringen. Es konnte gezeigt werden, dass die ausreichende Verfügung über kulturelle Besitztümer und Bildungsressourcen den „Nachteil“ eines Migrationshintergrundes ausgleichen können. - 127 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8. Länderübergreifende Analyse (Leistungsvergleich in allen vier Domänen) Die internationale Schulleistungsstudie PISA findet in vielen Ländern statt, in denen ein relativ großer Teil der Schüler/innen einen Migrationshintergrund besitzen. In den vorigen Abschnitten wurden bereits die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen sozioökonomischen Status mit und ohne Migrationshintergrund empirisch untersucht. In diesem Abschnitt werden nun mithilfe einer einfachen Regressionsanalyse die Schülerleistungen mit drei anderen Ländern verglichen, die eine ähnliche Migrationsstruktur wie Österreich besitzen. Es werden mit Österreich die Nachbarländer Deutschland und die Schweiz verglichen. Sie alle weisen ein gegliedertes Schulsystem auf. Zum Vergleich wird Dänemark dazu genommen, das eine ähnliche Migrationsstruktur, aber ein Gesamtschulsystem aufweist. In diesem Abschnitt soll die Frage beantwortet werden, ob es anderen mit Österreich vergleichbaren Ländern besser gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen und somit die Benachteiligung von Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status durch die Schule ausreichend zu kompensieren. 5.8.1. Beschreibung der Stichprobe Woher in Österreich die Familien der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund kommen, wurde bereits in dieser Arbeit ausreichend behandelt. Zum Erhebungszeitpunkt der PISA-Testung gaben ca. 13% der Schüler/innen an, einen Migrationshintergrund zu besitzen (vgl. Tab. 17). Der größte Teil stammt aus dem ehemaligen jugoslawischen Raum, der zweitgrößte Teil aus der Türkei und weitere Herkunftsländern sind Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien oder Slowenien. Deutschland besitzt einen Migrantenanteil von rund 15%. Hier bilden den größten Teil der Familien mit Migrationshintergrund deutschstämmige Aussiedler aus Rumänien, Polen und Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Den zweitgrößten Teil machen Familien türkischer Herkunft aus. Familien aus Griechenland, Italien und dem ehemaligen - 128 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Jugoslawien stellen weitere große Gruppen in Deutschland dar (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S. 342f). 20% der Schüler/innen gaben in der Schweiz an, einen Migrationshintergrund zu besitzen. Ihre Familien stammen hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien, Portugal und z.B. Spanien. Dänemark besitzt einen geringeren Migrationsanteil als Österreich, Deutschland oder Schweiz. 6.5% der befragten Schüler/innen gaben als Herkunftsländer Türkei, ehemaliges Jugoslawien, Pakistan oder dem arabischen Raum an (Quelle: PISA 2003, eigene Berechnung). Tabelle 17: Länderübergreifende Migrationsstruktur Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund „einheimische“ Schüler/innen Schüler/innen der 2. Generation Schüler/innen der 1. Generation Insgesamt Österreich Deutschland Schweiz Dänemark 73630 (86.7%) 683194 (84.6%) 68199 (80.0%) 47609 (93.5%) 3486 (4.1%) 55918 (6.9%) 7619 (8.9%) 1761 (3.5%) 7776 (9.2%) 68699 (8.5%) 9425 (11.1%) 1544 (3.0%) 84891 807811 85244 50914 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 18 stellt den Anteil jener Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund dar, die einen niedrigen sozioökonomischen Status (HISEI beträgt einen Maximalwert von 35) besitzen. Es lässt sich erkennen, dass sich in allen Ländern der Anteil der Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenüber ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung deutlich erhöht hat. In Österreich beträgt ihr Anteil etwa 25%, in Deutschland 31%, in Dänemark fast 9% und in der Schweiz erhöht sich ihr Anteil auf über 40%. - 129 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 18: Ländervergleich: Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status Österreich Deutschland Schüler/innen ohne 16412 130573 Migrationshintergrund (74.3%) (69.3%) 5667 (25.7%) 57902 (30.7%) 8032 (43.5%) 1030 (8.7%) 22078 188475 18484 11855 Schüler/innen mit Migrationshintergrund Insgesamt Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 130 - Schweiz 10452 (56.5%) Dänemark 10825 (91.3%) Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8.2. Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Mathematik Tabelle 19: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Mathematik Mathematik Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Österreich Deutschland Schweiz Dänemark -0.060 (0.04) 0.065 (0.04) -0.058 (0.05) 0.024 (0.05) 0.011 (0.07) 0.084 (0.07) 0.127 (0.05) 0.136 (0.10) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Anhand einer Regressionsanalyse wurde der Zusammenhang zwischen dem „Highest parental occupational status“ und den Leistungen in der bei PISA 2003 getesteten Hauptdomäne Mathematik berechnet. Der Korrelationskoeffizient beträgt bei österreichischen und Schweizer „einheimischen“ Schüler/innen –0.06 (vgl. Tabelle 19). Bei den übrigen Vergleichsgruppen beträgt der Korrelationskoeffizient zwischen 0.01 und 0.1, das entspricht einem sehr geringen, bzw. geringen Zusammenhang. Die erklärte Varianz beträgt bei den Schüler/innen mit Migrationshintergrund in der Schweiz und in Dänemark zw. 1% und 2% und in den übrigen Gruppen unter 1%. Abbildung 50: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Mathematik 550 500 450 400 350 300 16 34 Österreich (o.M.) Österreich (m.M.) Deutschland (o.M.) Deutschland (m.M.) Schweiz (o.M.) Schweiz (m.M) Dänemark (o.M.) Dänemark (m.M.) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 131 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 50 und Tabelle 20 zeigen in allen vier Ländern zwischen „einheimischen“ Schüler/innen und Migrant/innen einen Leistungsunterschied. Abbildung 50 bis 53 stellen die mittleren 90%, d.h. die Längen der Gradienten reichen bei den sozial benachteiligten Migrant/innen in allen Ländern von einem HISEI-Wert von 16 bis 34. Während diese Werte auch bei den „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen erreicht werden, reichen diese Werte bei den Schüler/innen in Deutschland von 22 bis 34, in Schweiz von 21 bis 34 und in Dänemark von 23 bis 34. Betrachtet man den Verlauf der einzelnen Gradienten (vgl. Abb. 50), so lassen sich einige Auffälligkeiten erkennen: Der Gradient verläuft bei „einheimischen“ dänischen und deutschen Schüler/innen ausgeprägt schwach. Die Werte beider Gruppen zeigen einen besonders geringen Punktezuwachs, der in Dänemark bei 5 Punkten und in Deutschland bei 14 Punkten liegt. Der Gradient der „einheimischen“ österreichischen und Schweizer Schüler/innen verläuft negativ, mit steigendem sozioökonomischem Status nehmen die Punkte um 17 bzw. 13 ab. - 132 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Die Werte der Migrant/innen aller vier Länder zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten Testleistungen in Mathematik auf: Am größten ist der Punktezuwachs der Schüler/innen in der Schweiz (35 Punkte) und am geringsten in Österreich mit nur 2 Punkten. Tabelle 20: Zusammenhang zwischen Leistungen in Mathematik und dem sozioökonomischen Status Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status Mittelwert Steigung des Gra- Länge der Projektion der dienten Gradienten (HISEI) Einer HISEI-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung Mathematik 5. Perzentil (Punkte) 95. Perzentil (Punkte) Differenz (Punkte) Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 505 (18.1) -1.0 (0.6) 489 472 -17 434 (27.8) 0.2 (0.9) 437 439 +3 Deutschland Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 443 (25.1) 1.2 (0.8) 470 484 +14 385 (36.5) 1.4 (1.2) 408 434 +26 Schweiz Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 545 (29.1) -1.1 (1.0) 522 508 -13 390 (21.9) 2.0 (0.8) 421 456 +35 Dänemark Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 472 (26.2) 0.5 (0.9) 482 488 +5 387 (33.7) 1.8 (1.3) 417 439 +23 Weitere interessante Details ergeben sich daraus, wenn die Gradientenabstände der Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund betrachtet werden. Den größten Gradientenabstand verzeichnet Schweiz. Er beträgt am 5. Perzentil 100 Punkte und verringert sich bis zum 95 Perzentil auf 50 Punkte. Bei den übrigen Ländern beträgt der Abstand am 5. Perzentil zw. 50 (Österreich) und 65 (Dänemark) Punkten. Den geringsten Punkteabstand verzeichnen am 95. Perzentil die deutschen Schüler/innen. - 133 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8.3. Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Lesekompetenz Tabelle 21: Korrelationskoeffizienten des HISEI und der Lesekompetenz Lesekompetenz Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Österreich Deutschland Schweiz Dänemark -0.10 (0.04) 0.06 (0.04) -0.04 (0.05) 0.02 (0.05) 0.10 (0.07) 0.10 (0.06) 0.13 (0.05) 0.17 (0.10) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Tabelle 21 stellt die Korrelationskoeffizienten zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten Leistungen in der Nebendomäne Kompetenz Lesen dar. Der Korrelationskoeffizient beträgt, so wie bei der Kompetenz Mathematik, wieder negative Werte. Er beträgt bei den „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen -0.10 und bei Schweizer Schüler/innen -0.04, das wieder einer schwachen bzw. sehr schwachen Korrelation entspricht. Die erklärte Varianz beträgt bei beiden Gruppen höchstens 1%. Alle Werte der Korrelationskoeffizienten liegen bei den „einheimischen“ deutschen, Schweizer und dänischen Schüler/innen unter 0.10 und weisen somit auf einen sehr geringen Zusammenhang hin. Etwas anders stellt sich das Bild bei den Migrant/innen dar: Hier liegen alle Werte über 0.10 und der Zusammenhangskoeffizient der dänischen Migrant/innen sogar bei 0.17, dessen erklärte Varianz fast 3% beträgt. Abbildung 51 (vgl. dazu Tabelle 22) zeigt den Regressionsgradientenverlauf der Kompetenz Lesen, der bei grober Betrachtung ein ähnliches Bild wie Abb. 50 darstellt. Bei genauer Betrachtung lässt sich aber erkennen, dass sich die Gradienten der „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen (schwach negative Steilheit) und der dänischen Migrant/innen, der eine stark positive Steilheit ausweist, am 95. Perzentil bei 450 Punkten treffen. Deutsche Schüler/innen ohne Migrationshintergrund verzeichnen mit steigendem sozioökonomischem Status einen Zuwachs von nur 15 Punkten, während den größten Punktezuwachs die dänischen Schüler/innen mit Migrationshintergrund (45 - 134 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Punkten) aufweisen. „Einheimische“ Schüler/innen aus der Schweiz und aus Österreich weisen mit steigendem sozioökonomischem Status eine Verringerung der Punkteanzahl um 10 auf. Abbildung 51: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Lesekompetenz 550 500 450 400 350 300 16 34 Österreich (o.M.) Österreich (m.M.) Deutschland (o.M.) Deutschland (m.M.) Schweiz (o.M.) Schweiz (m.M) Dänemark (o.M.) Dänemark (m.M) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Den größten Gradientenabstand zwischen den Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund verzeichnet, so wie in Mathematik, die Schweiz. Er beträgt am 5. Perzentil 105 Punkte und verringert sich bis zum 95 Perzentil auf etwa 54 Punkte. Bei den Ländern Österreich und Dänemark beträgt der Abstand am 5. Perzentil 75 bzw. fast 60 Punkten. Ihnen gelingst es, die Punktedifferenz auf etwa 30 bzw. 19 Punkte zu verringern. „Einheimische“ dänische Schüler/innen erreichen mit steigendem sozioökonomischem Status einen Punktezuwachs von nur 4 Punkten. - 135 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 22: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Lesen und dem SES Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status Mittelwert Steigung des Gra- Länge der Projektion der dienten Gradienten (HISEI) Einer HISEI-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung Lesekompetenz 5. Perzentil (Punkte) 95. Perzentil (Punkte) Differenz (Punkte) Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 470 (20.6) -0.6 (0.7) 462 452 -10 355 (41.5) 1.9 (1.4) 386 420 +34 Deutschland Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 431 (26.3) 1.3 (0.9) 459 474 +15 353 (34.7) 1.9 (1.2) 383 417 +34 Schweiz Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 510 (28.5) -0.8 (1.0) 494 483 -11 353 (26.5) 2.3 (0.9) 489 429 +41 Dänemark Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 455 (26.9) 0.4 (0.9) 464 468 +4 364 (45.1) 2.5 (1.5) 404 449 +45 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 136 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8.4. Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Naturwissenschaft Tabelle 23 stellt die Korrelationskoeffizienten zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten Leistungen im Bereich Naturwissenschaft dar. Ein Vergleich der Werte mit den errechneten Korrelationskoeffizienten zeigt ein ähnliches Bild wie Tabellen 19 und 21. Die Leistungen in der Naturwissenschaft lassen in Österreich und in der Schweiz wieder einen sehr schwachen, aber negativen, Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status erkennen. Tabelle 23: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Naturwissenschaft Naturwissenschaft Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Österreich Deutschland Schweiz Dänemark -0.05 (0.04) 0.09 (0.05) -0.07 (0.05) 0.03 (0.04) 0.01 (0.07) 0.11 (0.07) 0.11 (0.05) 0.12 (0.10) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Auffallend ist, dass Migrant/innen aus Deutschland, Schweiz und Dänemark die Korrelationskoeffizienten Werte um 0.11 annehmen, das auf einen geringen Zusammenhang hinweist, bzw. einer erklärten Varianz von ca. 1% entspricht. Eine Ausnahme sind hier die österreichischen Migrant/innen. Ihr Korrelationskoeffizient beträgt 0.01, was auf keinen Zusammenhang zwischen den Leistungen im Bereich Naturwissenschaft und dem sozioökonomischen Status hinweist. - 137 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Abbildung 52: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Naturwissenschaft 550 500 450 400 350 300 16 34 Österreich (o.M.) Österreich (m.M.) Deutschland (o.M.) Deutschland (m.M) Schweiz (o.M.) Schweiz (m.M) Dänemark (o.M.) Dänemark (m.M) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Der Regressionsgradientenverlauf der getesteten Nebendomäne Naturwissenschaft (vgl. Abb. 52) zeigt Ähnlichkeiten mit den vorherigen Abbildungen: Negativ steigende Gradienten der „einheimischen“ Schüler/innen aus Österreich und der Schweiz und schwach positiv steigende Gradienten der deutschen und dänischen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund (vgl. dazu Tabelle 24). Obwohl der Gradientenverlauf der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in allen vier Ländern positiv ist, fällt hier die schwache Steilheit der österreichischen Migrant/innen auf. Sie weisen mit steigendem sozioökonomischem Status den geringsten Punktezuwachs mit 13 Punkten auf, während Migrant/innen aus den übrigen drei Ländern mit steigendem HISEI-Wert 32 bis 34 Punkte zunehmen. Die Abstände zwischen den Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund betragen am 5. Perzentil in Österreich 67 Punkte, in Dänemark fast 72 Punkte, in Deutschland 81 Punkte und in der Schweiz über 110 Punkte. Allen Ländern gelingt diese Punktdifferenz zu verringern, am geringsten ist der Abstand am 95. Perzentil in Österreich mit etwa 40 Punkten und Dänemark 46 Punkten. In Deutschland und in der Schweiz beträgt der Abstand zwischen beiden sozial benachteiligten Gruppen immerhin noch über 60 Punkten. - 138 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 24: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Naturwissenschaft und dem SES Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischem Status Mittelwert Steigung des Gra- Länge der Projektion der dienten Gradienten (HISEI) Einer HISEI-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung Naturwissenschaft 5. Perzentil (Punkte) 95. Perzentil (Punkte) Differenz (Punkte) Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 483 (16.9) -0.6 (0.7) 474 463 -11 406 (31.5) 0.1 (1.1) 407 420 +13 Deutschland Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 424 (28.5) 1.8 (1.0) 463 485 +22 352 (39.7) 1.9 (1.3) 382 417 +35 Schweiz Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 539 (30.2) -1.4 (1.0) 510 492 -18 365 (28.3) 1.9 (1.0) 395 430 +35 Dänemark Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 424 (29.6) 0.7 (1.0) 440 448 +8 339 (45.1) 1.8 (1.5) 368 401 +33 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 139 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8.5. Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Problemlösen Ein Blick auf Tabelle 25 zeigt im Bereich Problemlösen ähnliche Korrelationskoeffizienten wie in der Domäne Naturwissenschaft. Tabelle 25: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Problemlösen Problemlösen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund Schüler/innen mit Migrationshintergrund Österreich Deutschland Schweiz Dänemark -0.075 (0.04) 0.051 (0.04) -0.050 (0.06) 0.031 (0.04) -0.005 (0.07) 0.058 (0.06) 0.119 (0.05) 0.184 (0.10) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung Bei genauer Betrachtung zeigen sich zwei neue Details: Österreichische Schüler/innen mit Migrationshintergrund weisen als einzige sozial benachteiligte Migrant/innen einen sehr schwach negativen Korrelationskoeffizienten (r = -0.01) auf. Der Korrelationskoeffizient der dänischen Migrant/innen beträgt 0.18, was auf eine schwache Korrelation hinweist. Die Variable „HISEI“ kann 3% der Varianz aufklären. Abbildung 53: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Problemlösen 550 500 450 400 350 300 16 34 Österreich (o.M.) Österreich (m.M.) Deutschland (o.M.) Deutschland (m.M.) Schweiz (o.M.) Schweiz (m.M.) Dänemark (o.M.) Dänemark (m.M.) Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 140 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Ein Blick auf Abbildung 53 zeigt einen fast identen Gradientenverlauf der „einheimischen“ Schüler/innen aus Deutschland und Dänemark. Den stärksten negativen Gradientenverlauf weisen österreichische „einheimische“ Schüler/innen auf, denn sie verringern ihre Punkteanzahl mit steigendem sozioökonomischem Status um 21 Punkte (vgl. Tabelle 26). Eine ausgeprägte positive Steilheit weisen die Regressionsgradienten der dänischen und schweizer Schüler/innen mit Migrationshintergrund auf. Sie können einen Punktezuwachs vom 5. auf den 95. Perzentil um 33 Punkte verzeichnen. Österreichs Schüler/innen können als einzige Schüler/innen mit Migrationshintergrund von einem steigenden sozioökonomischen Status profitieren. Sie verlieren vom 16. auf den 34-HISEI Wert sogar einen Punkt. Tabelle 26: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Problemlösen und dem SES Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status Mittelwert Steigung des Gra- Länge der Projektion der dienten Gradienten (HISEI) Einer HISEI-Einheit entsprechenden Punktzahlveränderung Problemlösen 5. Perzentil (Punkte) 95. Perzentil (Punkte) Differenz (Punkte) Österreich Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 511 (16.1) -1.2 (0.6) 493 472 -21 444 (31.0) -0.1 (1.0) 443 442 -1 Deutschland Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 464 (25.1) 0.9 (0.8) 484 495 +11 409 (30.3) 1.0 (1.0) 425 442 +17 Schweiz Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 537 (28.9) -0.9 (1.0) 519 507 -11 389 (21.5) 1.8 (0.7) 418 451 +33 Dänemark Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund 489 (24.2) 0.1 (0.8) 492 493 +1 339 (45.1) 1.8 (1.5) 368 401 +33 Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung - 141 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund 5.8.6. Zusammenfassung Dieser Abschnitt widmete sich der Frage, ob es anderen mit Österreich vergleichbaren Ländern besser gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Steilheit des Regressionsgradienten der Schüler/innen ohne Migrationshintergrund aus der Schweiz und aus Österreich ist in allen vier getesteten Domänen negativ. Die Regressionsgradienten der deutschen und dänischen „einheimische“ Schülerinnen und Schüler sind in den Domänen Lesekompetenz und Problemlösen fast deckungsgleich und lassen keinen Zusammenhang zwischen steigendem sozioökonomischen Wert und den Schülerleistungen erkennen. In den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften zeigen „einheimische“ deutsche Schüler/innen einen positiv steigenden Gradientenverlauf und dänische Schüler/innen ohne Migrationshintergrund einen sehr schwach positiv verlaufenden Gradientenverlauf. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Leistungen „einheimischer“ dänischer Schüler/innen wenig bis gar keinen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten PISA-Leistungen erkennen lassen. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass es Dänemark, das ein Gesamtschulwesen besitzt, besser gelingt Benachteiligungen sozial schlechter gestellter Schüler/innen auszugleichen. Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen in allen vier Ländern zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse als ihre „einheimischen“ Klassenkamerad/innen. Auffallend ist, dass der Leistungsabstand zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund besonders in der Schweiz am größten ist. Ein weiteres auffallendes Detail ist, dass in der Kompetenz Lesen der Gradientenverlauf „einheimischer“ österreichischer Schüler/innen stark negativ und dänische Migrant/innen, deren Gradient eine stark positive Steilheit aufweist, sich bei einem HISEI-Wert von 34 fast schneiden, bzw. fast idente Testleistungen aufweisen. Betrachtet man die Ergebnisse der Migrant/innen dahingehend, ob es hier einen Unterschied in Bezug auf selektives Schulsystem oder Ge- - 142 - Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund samtschulsystem gibt, so lässt sich diesbezüglich kein großer Unterschied, mit Ausnahme in der Kompetenz Problemlösen, erkennen. - 143 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse 6. Zusammenfassung der Ergebnisse Ziel dieser empirischen Analyse war es der Frage nachzugehen, inwiefern sich die schulischen Leistungen zwischen Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Ebenfalls wurde die Frage gestellt, inwieweit zusätzlich der Migrationshintergrund als leistungsmindernder Faktor hinzukommt. Die wichtigsten Ergebnisse werden nun im Folgenden zusammengefasst: Es gibt zwischen beiden Vergleichsgruppen hinsichtlich der Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern sehr große Unterschiede. Daraus lässt sich eine klare Benachteiligung der Migrant/innen erkennen. Ein Vergleich beider Stichproben konnte zeigen, dass es hinsichtlich der Familienzusammensetzung keine besonders großen Unterschiede gibt. Sozial benachteiligte Schüler/innen leben im Vergleich zur gesamtösterreichischen Schülerschaft häufiger in Kernfamilien, wobei dieser Prozentsatz bei den Migrant/innen etwas höher ist. Der größte Unterschied zwischen beiden Gruppen konnte in der Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern herausgearbeitet werden. In diesem Bereich sind Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund stark benachteiligt: Zwei Drittel aller Mütter, das sind doppelt so viele wie „einheimische“ Mütter, verdienen ihr Geld mit schlecht bezahlten Tätigkeiten, indem sie z.B. als Reinigungspersonal oder anderen Hilfsarbeitstätigkeiten arbeiten. Ebenso konnte gezeigt werden, dass fast ein Viertel der Mütter mit Migrationshintergrund über gar keine schulisch anerkannte bzw. nur über Volksschulniveau verfügen. Im Gegensatz dazu verfügen über 80% der „einheimischen“ Mütter zumindest über einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss. Wird von einer typischen Rollenverteilung in einer Familie ausgegangen, so ist ein weiterer wichtiger Faktor, wenn es um die schulischen Leistungen geht, die Tatsache, ob die Mutter als Ansprechperson für die Hausaufgabenbetreuung oder anderer Lernprobleme zur Verfügung steht. Hier konnte festgestellt werden, dass fast die Hälfte der Mütter mit Migrationshintergrund einer Vollzeitbeschäftigung bzw. 20% einer Teilzeit- - 144 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse beschäftigung nachgehen. Im Gegensatz zu den Migrant/innen, arbeiten 30% der „einheimischen“ Mütter den ganzen Tag über arbeiten bzw. gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach. „Einheimische“ Väter sind in der Regel besser ausgebildet, verfügen zu 90% zumindest über einen Lehrabschluss und sind als Facharbeiter tätig. Ähnlich wie bei den Müttern mit Migrationshintergrund üben viele Väter aufgrund ihrer niedrigen schulischen Ausbildung niedrig qualifizierte Tätigkeiten aus, da sie zu etwa 40% höchstens über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass viele Migrant/innen in mehrfacher Hinsicht benachteiligt sind, da viele Eltern ihren Kindern aufgrund niedriger Qualifikation, mangelnde Freizeit und mangelhafter Beherrschung der Unterrichtssprache trotz bestem Willen in schulischen Angelegenheiten gar nicht unterstützen können. Schülerinnen und Schüler mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund besitzen erheblich weniger kulturelle Güter und Bildungsressourcen als der/die österreichische Durchschnittsschüler/in. Eine Benachteiligung beider Gruppen konnte im Besitz kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen festgestellt werden. Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund besitzen erheblich weniger Besitztümer, wenn es um Computerzugang, klassische Literatur oder sonstigen anspruchsvollen Büchern geht. Benachteiligend wirkt diese Tatsache dann, wenn in der Schule dieser Besitz zur erfolgreichen Bewältigung der schulischen Anforderung von Lehrerinnen odern Lehrern vorausgesetzt wird. - 145 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischem Hintergrund und den Schülerleistungen. Innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status, dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Testleistungen in den getesteten Domänen festgestellt werden. Untersucht wurden die Leistungen in allen vier Domänen. Der erwartete negative Einfluss eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes konnte bestätigt werden. Unterschiede innerhalb der vier Bereiche konnten dahingehend analysiert werden, dass Migrant/innen in den Domänen Lesen und Problemlösen besonders schlechte Leistungen erbringen. Eine weitere Regressionsanalyse zwischen dem sozioökonomischen Status und den Leistungen brachte ähnliche Ergebnisse. Auffallend war hier der geringe Punktezuwachs bei den Immigrant/innen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen. Innerhalb der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler konnte ein Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischen Status, dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Testleistungen nicht festgestellt werden, da die Korrelationskoeffizienten nur auf einen sehr geringen bzw. geringen Zusammenhang hinweisen. Der Leistungsunterschied beträgt in den vier untersuchten mathematischen Subskalen zwischen sozial benachteiligten Schüler/innen ohne Migrationshintergrund und immigrierten Schüler/innen mehr als eine halbe Kompetenzstufe zu Ungunsten der Migrant/innen. Ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Leistungen konnte innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nicht festgestellt werden. Eine weitere Frage beschäftigte sich damit, ob Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund in den vier untersuchten mathematischen Subskalen „Raum und Form“, „Veränderungen und Beziehungen“, Quantitatives Denken“ und „Unsicherheit“ unterschiedlich abschneiden. Hier konnte festgestellt werden, dass der Leistungsunterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen in jedem Bereich mehr als eine halbe Kom- - 146 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse petenzstufe beträgt. Der größte Punkteunterschied konnte im Bereich „Raum und Form“ und der geringste im Bereich „Unsicherheit“ festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund, Migrationshintergrund und den erbrachten Leistungen in den vier Mathematik-Subskalen konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte die Hypothese, dass es Mathematik-Subskalen gibt, bei denen Migrant/innen besser als erwartet abschneiden würden, ebenfalls nicht bestätigt werden. Der Vergleich zwischen den einzelnen Schulsparten zeigt, dass sich der Migrationshintergrund sozial benachteiligter Schüler/innen zusätzlich leistungsmindernd auswirkt. Die Leistungsunterschiede sind in den AHS und BHS am größten. Wie wirkt sich der Migrationshintergrund auf sozial benachteiligte Schüler/innen aus, wenn sie dieselbe Schulsparte besuchen? Hier konnten zum Teil sehr große Unterschiede hinsichtlich der getesteten Leistungen in den Mittelwerten festgestellt werden. Der auffallend große Unterschied in den Hauptschulen dürfte auf die Zusammensetzung der PISA-Stichprobe zurückzuführen sein. Denn dieser Unterschied verringert sich etwas in den Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen. Dieselbe Annahme, dass das Alter der Stichprobe Grund für das Ergebnis sein könnte, ist der große Unterschied zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in den AHS und BHS. Die Hypothese, dass sich der Leistungsunterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen gegenüber den Pflichtschüler/innen verringert, konnte nicht bestätigt werden. Die Mittelwertunterschiede sind in den APS am größten, aber im Gegensatz zu den Berufsschulen und den Berufsbildenden Mittleren Schulen verringern sie sich in den AHS und BHS kaum. - 147 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse Der Vergleich von Schüler/innen mit einem hohen und niedrigen sozioökonomischem Status konnte zeigen, dass der sozioökonomische Status der Familie hinsichtlich der schulischen Leistungen einen sehr viel größeren Einfluss als der Migrationshintergrund hat. Interessante Ergebnisse lieferte der Stichprobenvergleich der Migrant/innen in Bezug auf Extremgruppen. Hier wurde die Hypothese aufgestellt, dass Schüler/innen mit einem höheren sozioökonomischen Status in allen vier Domänen bessere Leistungen erbringen. Diese Hypothese konnte bestätigt werden, denn in allen vier Bereichen lagen die Ergebnisse in der nächsthöheren Kompetenzstufe bzw. sogar leicht über den österreichischen Mittelwert. Somit kann festgestellt werden, dass der sozioökonomische Status der Erziehungsberechtigten hinsichtlich der schulischen Leistungen einen sehr viel größeren Einfluss als der Migrationshintergrund hat. Ein Vergleich sozial benachteiligter Schüler/innen zwischen den Ländern Österreich, Deutschland, Schweiz und Dänemark zeigt, dass Immigrant/innen in allen vier Ländern zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse als ihre „einheimischen“ Mitschüler/innen erreichen. Den Abschluss des empirischen Teiles dieser Arbeit bildete ein Leistungsvergleich der Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Es wurde Länder ähnlicher Migrationsstruktur zum Vergleich herangezogen. Darunter befanden sich die drei Länder Österreich, Deutschland und die Schweiz, die ein gegliedertes Schulsystem aufweisen und Dänemark mit einem Gesamtschulsystem. Es wurde die Frage gestellt, ob es anderen mit Österreich vergleichbaren Ländern besser gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen. Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichten in allen vier Ländern, besonders in der Schweiz, zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse als ihre „einheimischen“ Klassenkamerad/innen. Eine Zusammenhangsanalyse innerhalb der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler - 148 - Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse ließ zwischen dem sozioökonomischen Status und den Testleistungen in den einzelnen Domänen nur sehr geringe oder geringe Zusammenhänge erkennen. Ebenso konnte ein Unterschied hinsichtlich der Frage, welchem Schulsystem es besser gelingt, sozial benachteiligte Schüler/innen zu fördern nicht erkannt werden. Auffallend ist trotzdem, dass die Leistungen „einheimischer“ dänischer Schüler/innen wenig bis gar keinen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten PISALeistungen erkennen lassen. Es darf vermutet werden, dass es Dänemark, das ein Gesamtschulwesen besitzt, es besser gelingt Benachteiligungen sozial schlechter gestellter Schüler/innen auszugleichen. - 149 - Kapitel 7: Resümee und Ausblick 7. Resümee und Ausblick In den „Salzburger Nachrichten“ sind in der Samstagausgabe am 21.April.2007 zwei interessante Artikel zu lesen. Einerseits sind in Österreich „ein Viertel aller Armutsgefährdeten jünger als 19 Jahre (S. 6) und andererseits versucht „Arbeitgeber Industrie“ Schulabgänger/innen eine Lehre „schmackhaft“ zu machen (S. 33f). „Die Erfolge der Wirtschaft, der Unternehmen auf nationalen und internationalen Märkten hängen zu einem guten Teil vom Wissen, den Fähigkeiten und Kenntnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Vor diesem Hintergrund kommt dem bekannten Mangel an Facharbeitern eine besondere Bedeutung zu“ (ebd., S. 34). Der Vergleich Migrant/innen niedriger und hoher sozioökonomischer Herkunft (vgl. Abschnitt 5.7.) konnte eindrucksvoll zeigen, dass schulische Leistungen maßgeblich vom sozioökonomischen Hintergrund abhängen. Die Politik oder ein Schulsystem kann nicht beeinflussen, ob Schüler/innen in einer „intakten Familie“ leben, einer anderen Kultur angehören, in beengten Wohnverhältnissen leben oder aus finanziellen Gründen auf vieles verzichten müssen, was von Lehrerinnen und Lehrern oft schon implizit vorausgesetzt wird. Besonders negativ wird es für sozial benachteiligte Schüler/innen dann, wenn das zusätzlich die Notengebung beeinflusst, indem es z.B. heißt: „Ihr macht jetzt zu Hause ein Referat, inklusive Internetrecherche, schreibt das alles schön formatiert in Word zusammen und präsentiert das dann mit Powerpoint!“ In dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass es vielen Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Hintergrund an ausreichenden Bildungsressourcen (Computer, Internetzugang, schulrelevante Sachbücher,…) und kultureller Ausstattung mangelt. Dieses oben erwähnte Beispiel aus dem Schulalltag zeigt, dass es viele kleine unbeabsichtigte Benachteiligungen gegenüber den „Durchschnittsschüler/innen“ auch von Seiten der Schule oder den Lehrer/innen geben kann. Solche Benachteiligungen können von der Schulpolitik beeinflusst werden, indem sie kompensatorische Maßnahmen für Schüler/innen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen bietet. - 150 - Kapitel 7: Resümee und Ausblick Das Fehlen von Bildungsressourcen kann durch einen möglichst unkomplizierten Zugang zu Computern und Büchern behoben werden. Bergmüller und Böck (2006) weisen auf die Wichtigkeit einer gut ausgestatteten Schulbibliothek besonders für Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft hin und fordern die flächendeckende Einrichtung von Schulbibliotheken zur Herstellung erhöhter Chancengleichheit. Schreiner stellt fest, „dass der Schule besonders bei Jugendlichen aus niedrigen sozialen Schichten, insbesondere bei Mädchen, eine wichtige Rolle in Bezug auf die Vermittlung von Computerfähigkeiten zukommt“ (2006, S. 348). Mehrmals wurde bereits darauf hingewiesen, dass viele Schüler/innen, besonders Migrant/innen, auch dadurch benachteiligt werden, dass ihre Eltern oft über wenig Möglichkeiten verfügen (niedrige Schulbildung, mangelhafte Beherrschung der Unterrichtssprache, wenig Freizeit), um ihren Kindern bei Lernfragen zu helfen. Aus persönlicher Erfahrung ist mir dieser Umstand bestens bekannt, indem z.B. am Elternsprechtag die Kinder den Eltern (meistens Mütter) übersetzen, oder von den älteren Geschwistern begleitet werden, weil die Eltern „keine Zeit haben“. Die Benachteiligung von Migrant/innen durch fehlende familiäre Unterstütz-ungsmöglichkeiten kann durch sozioökonomisch orientierte Maßnahmen behoben werden (vgl. OECD, 2004, S. 222). Bildungspolitische Vorschläge, wie die Änderung des Einschulungsalters, oder der verpflichtende Besuch des letzten Kindergartenjahres und Sprachförderungsprogramme für Migrantenkinder im Kindergarten sind Möglichkeiten, die Schüler/innen aus benachteiligten Milieus beim Schulstart in der Volksschule helfen können. Ältere Migrant/innen, die im Laufe des Schuljahres immigrieren, sollten bei Schuleintritt verstärkt mit Hilfe spezieller Förderprogramme oder auf sie zugeschnittene Curricula so gefördert werden, dass sie nach einer gewissen Zeit am allgemeinen Unterricht ohne größere Sprachprobleme teilnehmen können. Bereits erwähnt wurde, dass Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft auch noch oft dadurch benachteiligt werden, dass sie eine Schule in einer schlechter situierten Wohngegend besuchen (vgl. ebd., S. 217f). Im Rahmen der PISA-2003 Studie konnte nachgewiesen werden, dass in Österreich die Schülerpopulation innerhalb einer Schule - 151 - Kapitel 7: Resümee und Ausblick relativ homogen ist, aber zwischen den Schulen vergleichsweise große Leistungsunterschiede herrschen (vgl. ebd., S. 214f). Die Folge ist aufgrund negativer „Umfeldeffekte“ (vgl. ebd., S. 218) die Bildung von sogenannten „Brennpunktschulen“ bzw. „Problemschulen“. Sie zeichnen sich einerseits durch einen hohen Migrationsanteil und andererseits dadurch aus, dass die Zusammensetzung der Schülergruppen überproportional belastet ist in Hinblick auf sozioökonomische, soziokulturelle, psychische und Begabungsmerkmale (vgl. Nagy, 2006, S. 132). Da Schulnoten stark am Durchschnitt der Klasse orientiert sind, laufen begabte Schüler/innen Gefahr nicht entsprechend ihrer Begabung unterrichtet zu werden. Dieser Leistungsnachteil kann in Höheren Schulen oft nur mehr sehr schwer aufgeholt werden. Welche Möglichkeiten aus bildungspolitischer Sicht gibt es, um diese Benachteiligung der Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund zumindest abzuschwächen? Die Erkenntnisse aus der PISA-Studie legen für Österreich den Schluss nahe, die großen Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Schulen dadurch zu vermindern, „dass sich Maßnahmen empfehlen, in deren Mittelpunkt die leistungsschwachen Schulen stehen, zumindest innerhalb jeder Schulform, wenn das Bildungssystem aus verschiedenen Zügen besteht“ (OECD, 2004, S. 225). Für mich ist eine Möglichkeit davon die Einführung von Ganztagsschulen. Sie bieten aus meiner Sicht für sogenannte „Brennpunktschulen“ die Möglichkeit, mehrere der oben genannten Probleme auf einmal in Angriff zu nehmen: • Die Öffnungs- und Benützungszeiten der Schulbibliotheken und Computerarbeitsplätze könnten ausgedehnt werden. Dadurch wäre es möglich, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen. • Es könnten Lernstunden, Nachhilfen und Hausaufgabenbetreuung fix in den Stundenplan verankert und angeboten werden. Das würde jenen Schüler/innen helfen, deren Eltern es aus sprachlichen, zeitlichen oder anderen Gründen nicht - 152 - Kapitel 7: Resümee und Ausblick möglich ist, ihren Kindern bei den Hausaufgaben oder anderen Lernproblemen zu helfen. • Vielen Kindern und Jugendlichen fehlt es an sinnvollen Freizeitbeschäftigungen. Auch hier könnten im Rahmen der Schule sportliche, künstlerische und sonstige Aktivitäten gesetzt werden. Ein positiver Nebeneffekt davon wäre z.B. die Stärkung der sozialen Kompetenz und der Aufbau sozialer Netzwerke. • Viele Ernährungsstudien weisen darauf hin, dass sich besonders sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ungesund und falsch ernähren. Durch ein gemeinsames gesundes Mittagessen und das Miteinanderreden während der Mittagspause lernen Schüler/innen besser miteinander umzugehen und einander besser zu verstehen. Die Umsetzung dieses Vorschlages wäre aus bildungspolitischer Sicht sicher leichter und schneller möglich, als die Einführung der zurzeit heiß diskutierten Gesamtschule. Vieles ist im Rahmen des „Standortorientierten Förderkonzeptes“ bzw. der „Schulautonomie“ jetzt schon möglich, nur dürfen dabei dem Unterrichtsministerium nach keine Mehrkosten entstehen. Ganztagsschulen würden anfangs Mehrkosten verursachen, denn es müsste vermehrt in zusätzlichen Räumlichkeiten, Lehr- und Betreuungspersonal investiert werden. Trotzdem: Bildungspolitische Priorität muss die Abschwächung der Bildungsbenachteiligung von Schülerinnen und Schülern niedriger sozioökonomischer Herkunft haben. Viele sozial benachteiligte Schüler/innen wurden im Rahmen der PISA-Studie als Angehörige der Risikogruppe (vgl. Schreiner, 2006) identifiziert. Sie laufen Gefahr nach Beendigung der Schulpflicht keine Lehrstelle oder für sie adäquate Beschäftigung zu bekommen. Viele Jugendliche aus benachteiligten Milieus bekommen so bereits am Beginn ihres neuen Lebensabschnittes von der Gesellschaft die Rückmeldung, dass sie niemand benötigt! Diese Jugendlichen geben ihrerseits eine Rückmeldung an die Gesellschaft in Form von Jugendkriminalität, psychischen und physischen Erkrankungen. Auch hier entstehen dem Staat Kosten! - 153 - Kapitel 7: Resümee und Ausblick Aus diesem Grund ist es für den / der Jugendlichen, der Wirtschaft (siehe Einleitung) und für den Staat äußerst sinnvoll, jetzt vermehrt in die Schule zu investieren, politische Scheuklappen abzulegen und die Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Es wird sich lohnen und alle werden davon profitieren! - 154 - Literatur Literatur: AMS (2006a). News. AMS Österreich [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.ams.or.at/neu/7167_11701.htm [Datum des Zugriffs: 16.08.06]. AMS (2006b). Arbeitsmarkt und Bildung. Juli 2006 [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.ams.or.at/neu/001_am_bildung0706.pdf [Datum des Zugriffs: 16. 08. 2006]. BALI Web (2006). Arbeitslose Bestand 07/2006 [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://bali.bmwa.gv.at/userneu.aspx Datum des Zugriffs: 16. 08. 2006]. Bauer, A. (2005). Volkszählung 2001. Soziodemographische Determinanten der Bildungsbeteiligung. Statistische Nachrichten, 2, 108–120. Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., et al. (unb.). Soziale Bedingungen von Schulleistungen. Zur Erfassung von Kontextmerkmalen durch Schüler-, Schul- und Elternfragebögen [Elektronische Ressource]. Berlin [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.mpibberlin.mpg.de/pisa/Kontextmerkmale.pdf [Datum des Zugriffs: 06.09.2006]. Baumert, J. & Schümer, G. (2001). Familiäre Lebensverhältnisse , Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb. In Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), PISA 2000, Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske+Budrich, 323 – 407. Becker, R. & Lauterbach, W. (Hrsg.). (2004). Bildung als Privileg?. Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bergmüller, S. (2006). Schulische Kontextbedingungen und Schülergesundheit. In: G. Haider & C. Schreiner. (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien: Böhlau, 265 – 269. Bergmüller, S. & Böck, M. (2006). Rahmenbedingungen der Leseförderung an den Schulen. In: G. Haider & C. Schreiner. (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien: Böhlau, 319 – 330. Blossfeld, H. P. & Shavit, Y. (1993). Dauerhafte Ungleichheiten. Zur Veränderung des Einflusses der sozialen Herkunft auf die Bildungschancen in dreizehn industrialisierten Ländern. Zeitschrift für Pädagogik, 39 (1), 25–51. bm:bwk (Hrsg.). (2005). Statistisches Taschenbuch 2005. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.bmbwk.gv.at/medienpool/13058/stat_tb_2005.pdf [Datum des Zugriffs: 11.09.2006]. Brauns, Hildegard; Steinmann, Susanne; Haun, Dietmar (2000): Die Konstruktion des - 155 - Literatur Klassenschemas nach Erikson, Goldthorpe und Portocarero (EGP) am Beispiel nationaler Datenquellen aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich, ZUMANachrichten 46: 7-63. Breit, S. (2004). Sozioökonomische Faktoren und Schulerfolge bei 15-jährigen: Der Zusammenhang zwischen sozioökonomische Herkunft und Schulleistung im internationalen Vergleich. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Salzburg. Breit, S. & Schreiner, C. (2006). Sozialisationsbedingungen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. In G. Haider & C. Schreiner (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 169 – 178. Breit, S. & Schreiner, C. (2006). Sozioökonomische Herkunft und Schulleistung. In G. Haider & C. Schreiner (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 195 – 210. Böttcher, W. (1985). Ungleichheit im Bildungswesen. Ein Plädoyer für eine schichtspezifisch und handlungstheoretisch orientierte Soziologie der Erziehung. Bochum: Ulrich Schallwig Verlag. Bolte, K. M. & Hradil, S. (51984). Soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske+Budrich. Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In R. Kreckel (Hrsg.). Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt. Sonderband 2. Göttingen: Schwartz, 183 – 198. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (bmwa). (2006). Presseinformation. Die Arbeitsmarktlage Ende Juli 2006 [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.bmwa.gv.at/NR/rdonlyres/AA96CCC0-5B91-4FE7-B8CA47A4F0C04552/0/200607Arbeitsmarkt.pdf [Datum des Zugriffs: 16. 08. 2006]. Burzan, N. (2004). Soziale Ungleichheit. Eine Einführung in die zentralen Theorien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Christoph, B. (2005).Zur Messung des Berufsprestiges: Aktualisierung der MagnitudePrestigeskala auf die Berufsklassifikation ISCO-88. ZUMA-Nachrichten, 57, 79 – 127. Diefenbach, H. & Nauck, B. (1997). Bildungsverhalten als „strategische Praxis“: Ein Modell zur Erklärung der Reproduktion von Humankapital in Migrantenfamilien. In L. Pries (Hrsg.). Transnationale Migration. Soziale Welt: Sonderband 12. BadenBaden: Nomos-Ver.-Ges, 277 – 292. Ditton, H. (1992). Ungleichheit und Mobilität durch Bildung. Theorie und empirische Untersuchung über sozialräumliche Aspekte von Bildungsentscheidungen. Weinheim und München: Juventa. - 156 - Literatur Ditton, H. (1995). Ungleichheitsforschung. In H.-G. Rolff (Hrsg.). Zukunftsfelder von Schulforschung. Weinheim: Deutscher Studien Verlag, 89 – 124. Elias, P. & Birch, M. (2000). ISCO 88 (COM). Fassung der Internationalen Standardklassifikation der Berufe 1988 zur Verwendung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Berlin: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Endruweit, G. & Trommsdorff, G. (Hrsg.) . (1989). Wörterbuch der Soziologie. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Esser, H. (1989). Familienmigration, Schulsituation und interethnische Beziehungen. Zeitschrift für Pädagogik, 35 (3), 317–336. Eurostat (Hrsg.). Mapping of national education programmes to ISCED 97 for school/academic year 2002/2003. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://forum.europa.eu.int/irc/DownLoad/kgedA3JSmRGBeXR3HrD5BcClGv3PkSi fZU_dDZdPB74TC2yShTuuY0CmI5GhVtMchUBE1STapeSGGkeZTyMxF5/UOE 2004_ISCMAP.pdf [Datum des Zugriffs: 11.09.2006]. Ganzeboom, H. B. G., De Graaf, P. M. & Treiman, D. J.& de Leeuw, J. (1992). A Standard International Socio-Economic Index of Occupational Status. Social Science Research, 21, 1–56. Ganzeboom, H. B. & Treiman, D. J. (1996). Internationally Comparable Measures of Occupational Status for the 1988 International Standard Classification of Occupations. Social Science Research, 25, 201–239. Ganzeboom, H. B. & Treiman, D. J. (1996). Three Internationally Standardised Measures for Occupational Status. Social Science Research, 25, 159–193. Geißler, R. (Hrsg.) . (21994). Soziale Schichtung und Lebenschancen in Deutschland. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag. GESIS. Umsteigschlüssel von ISCO-88 (COM) zum Internationalen Sozioökonomischen Index des beruflischen Status (Internal Socio-Economic Index of Occupational; ISEI). [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.gesis.org/Dauerbeobachtung/gml/Service/Mikrodaten-Tools/isei/isco isei.pdf [Datum des Zugriffs: 13.06.06]. Habich, R. & Noll, H.-H. (22005). Sozialstruktur. Soziale Schichtung und soziale Lagen. In Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. , Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 603 – 613. Haider, G. (Hrsg.). (2001). PISA 2000. Technischer Report. Innsbruck: StudienVerlag. Haider, G. & Reiter, C. (Hrsg.). (2001). PISA 2000. Nationaler Bericht. Innsbruck: StudienVerlag. - 157 - Literatur Haider, G. & Reiter, C. (Hrsg.). (2004). PISA 2003. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Nationaler Bericht. Graz: Leykam. Haider, G. & Schreiner, C. (Hrsg.). (2006). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien: Böhlau. Haaser, A. (2006). Die Risikoschüler/innen in der PISA-Studie 2003 – Eine Analyse der Länder Österreich, Deutschland, Finnland und Niederlande. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Salzburg. Herzog-Punzenberger, B. (2003). Die „2. Generation“ an zweiter Stelle? [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://twoday.net/static/2g/files/2g.pdf . Datum des Zugriffs: 09. 10. 2006. Hradil, S. (1987. Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen und Schichten zu Lagen und Milieus. Opladen: Leske+Budrich. Helmke, A. & Weinert, F. E. (1997). Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen. In F. E. Weinert (Hrsg.). Enzyklopädie der Psychologie. Serie Pädagogische Psychologie, Band 3. Psychologie des Unterrichts und der Schule. Göttingen: Hogrefe, 71 – 176. Krais, B. (1983). Bildung als Kapital. Neue Perspektiven für die Analyse der Sozialstruktur. In R. Kreckel (Hrsg.). Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt. Sonderband 2. Göttingen: Schwartz, 199 – 220. Kreckel, R. (1983). Theorie sozialer Ungleichheiten im Übergang. In R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Göttingen: Schwarz & Co, 3 – 15. Kreckel, R. (1992). Politische Soziologie der sozialen Ungleichheit. Frankfurt/Main: Campus-Verlag. Kristen, C. (1999). Bildungsentscheidungen und Bildungsungleichheit – ein Überblick über den Forschungsstand [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/wp/wp-5.pdf [07.09.2006]. Köhne-Finster . Hausmodell nach Dahrendorf. Soziale Schichtung der westdeutschen Bevölkerung 60iger Jahre. TU Braunschweig. Institut für Sozialwissenschaften [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www-public.tubs.de:8080/~skoehne/schichten/site8.html [Datum des Zugriffs: 21. 08. 2006]. Korte, H. & Schäfers, B. (Hrsg.). (62002). Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. Band 1. Opladen: Leske+Budrich. Löw, M. (2003). Soziale Ungleichheit. Kapitel 4. In: Einführung in die Soziologie der Bildung und Erziehung. Opladen: Leske + Budrich, 59 – 80. Meulemann, H. (1979). Soziale Herkunft und Schullaufbahn. Arbeitsbuch zur sozialwissenschaftlichen Methodenlehre. Frankfurt a. Main: Campus-Verlag. - 158 - Literatur Meulemann, H. (1985). Bildung und Lebensplanung. Die Sozialbeziehung zwischen Elternhaus und Schule. Frankfurt a. Main: Campus-Verlag.Bildungssysteme. Chur/Zürich: Rüegger AG. Moser, U., Ramseier, E., Keller, C. & Huber, M. (1997). Schule auf dem Prüfstand. Eine Evaluation der Sekundarstufe I auf der Grundlage der „Third International Mathematics and Science Study“. Nationales Forschungsprogramm 33. Nagy, G. (2006). Wirklichkeit der städtischen Hauptschulen. Unveröffentlichte Dissertation. Universität Salzburg. OECD (Hrsg.). (2004). Lernen für die Welt von morgen. Erste Ergebnisse aus PISA 2003. Paris: OECD. OECD (Hrsg.). (2005a). Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren, 2005. Paris: OECD. OECD (Hrsg.). (2005b). PISA 2003. Technical Report, 2005. Paris: OECD. Reinhold, G., Lamnek, S. & Recker, H. (1991). Soziologie-Lexikon. München: Oldenburg. Reiter, C., Lang, B. & Haider, G. (Hrsg.), PISA 2003. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Technischer Bericht, (S. 77–94). [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.pisa austria.at/pisa2003/pdf/PISA03_TR_Gesamt_08092006.pdf . Datum des Zugriffs: 11.09.2006. Reiter, C. (2005). Sampling-Design und Stichproben. In C. Reiter, B. Lang & G. Haider (Hrsg.), PISA 2003. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Technischer Bericht, (S. 77–94). [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www. http://www.pisa-austria.at/pisa2003/pdf/PISA03_TR_Gesamt_08092006.pdf . Datum des Zugriffs: 11.09.2006. Rüesch, P. (1998). Spielt die Schule eine Rolle? Schulische Bedingungen ungleicher Bildungschancen von Immigrantenkindern-eine Mehrebenenanalyse. Studien zur Erziehungswissenschaft. Bern/Wien: Peter Lang AG. Schimpf-Neimanns, B. (1998). Analysemöglichkeiten des Mikrozensus. ZUMANachrichten, 42, 91 – 119. Schneider, N. & Spellerberg A. (1999). Lebensstile, Wohnbedürfnisse und räumliche Mobilität. Opladen: Leske+Budrich. Schreiner, C. (2006). Computer in österreichischen Schulen. In G. Haider & C. Schreiner (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 345 – 352. - 159 - Literatur Schreiner, C & Breit, S. (2006). Kompetenzen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. In G. Haider & C. Schreiner (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 179 – 192. Schreiner, C. & Pointinger, M. (2006). Eine Charakterisierung der Risikoschüler/innen. In: G. Haider & C. Schreiner. (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien: Böhlau, 123 – 157. Schreiner, C. & Pointinger, M. (2006). Risikoschüler/innen im internationalen Vergleich. In: G. Haider & C. Schreiner. (Hrsg.). Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb. Wien: Böhlau, 115 - 122. SINUS SOCIOVISION. Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2006 [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.sinus-sociovision.de/ [Datums des Zugriffs: 23. 08. 2006]. Statistik Austria (2003). Schulwesen in Österreich. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: ftp://www.statistik.at/pub/neuerscheinungen/schulwesen_web.pdf [Datum des Zugriffs: 09. 10. 2006]. Statistik Austria (2005a). Demografisches Jahrbuch 2004. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: ftp://www.statistik.at/pub/neuerscheinungen/2005/demographjb2004_www.pdf [Datum des Zugriffs: 09. 10. 2006]. Statistik Austria (2005b). Volkszählung 2001. Bildungsstand der Bevölkerung. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.statistik.at/katalog-bin/suchen.pl [Datum des Zugriffs: 17. 08. 2006]. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) . (22005). Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.gesis.org/Dauerbeobachtung/Sozialindikatoren/Publikationen/Datenrepo rt/pdf2004/datenreport04akt.pdf [Datum des Zugriffs: 25.08.2006]. Stöckl, E. (2006). Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Salzburg. UNESCO (Hrsg.). (2006). International Standard Classification of Education ISCED 1997 [WWW Dokument. Verfügbar unter: http://www.uis.unesco.org/TEMPLATE/pdf/isced/ISCED_A.pdf . Datum des Zugriffs: 08.09.2006. Wallner-Paschon, C. (2004). Berufsklassifizierung. In C. Reiter, B. Lang & G. Haider (Hrsg.), PISA 2003 – Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Technischer Bericht [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.pisaaustria.at/pisa2003/index2.htm [Datum des Zugriffs: 7.05.2005] - 160 - Literatur Wolf, C. (1995). Sozioökonomischer Status und berufliches Prestige. ZUMANachrichten, 37, 102 – 136. - 161 -