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Die Auswirkungen des
sozioökonomischen Hintergrundes auf
Schülerinnen und Schülern mit und ohne
Migrationshintergrund
Eine Detailanalyse auf Basis der PISA-2003 Daten
MAGISTERARBEIT
Zur Erlangung der Magistergrades
an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät
an der Universität Salzburg
Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Kultursoziologie
Gutachter: Ass.Prof. DDr. Günter Haider
Eingereicht von
HERBERT NEUREITER
Salzburg 2007
Vorwort
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei all jenen Menschen, die mir dabei geholfen
haben, neben meiner beruflichen Tätigkeit als Hauptschullehrer Erziehungswissenschaften zu
studieren.
Ein besonderer Dank gilt besonders meiner Frau Sabine und meinen beiden Töchtern Nina
und Magdalena. Sie unterstützten mich während meines Studiums dadurch, dass sie mir den
nötigen Freiraum zur Verfügung stellten, der für mich notwendig war, um mich in meiner
Freizeit voll auf das Studium konzentrieren zu können.
Ein weiterer Dank gilt Herrn Ass.Prof.DDr. Günter Haider, der mich beim Verfassen der Magisterarbeit betreut hat und mir zahlreiche Tipps und Anregungen gab. Danken möchte ich
auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Projektzentrums für vergleichende Bildungsforschung“, die mir bei Fragen jederzeit bereitwillig mit Auskunft und Hilfestellungen
zur Verfügung standen. Allem voran bei Frau Mag.a Dr.in Claudia Schreiner, die mir neben
Herrn DDr. Haider die Mitarbeit am Forschungszentrum ermöglichte. Diese Mitarbeit gewährte mir interessante Einblicke in den wissenschaftlichen Alltag und ermöglichte mir so,
wertvolle Erfahrungen zu sammeln.
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
1.
Problemdarstellung ........................................................................................................... 1
2.
Die Gruppierung der Gesellschaft .................................................................................... 8
2.1.
Klassen- und Schichtkonzepte ............................................................................................ 8
2.2.
Klassenmodelle..................................................................................................................... 8
2.2.1.
2.2.2.
2.3.
2.3.1.
2.3.2.
2.3.3.
2.4.
2.4.1.
2.4.2.
2.4.3.
2.5.
3.
Das Fünf-Schichten-Modell von Theodor Geiger (1891 – 1952).................................................. 13
Das Haus-Modell der Schichtung von Dahrendorf ....................................................................... 14
Weitere Schichtmodelle nach Moore & Kleining, Scheuch und Bolte ......................................... 16
Lebensstile und Milieus ..................................................................................................... 18
Lebensstile..................................................................................................................................... 18
Die SINUS-Milieus ....................................................................................................................... 19
Klassen und Lebensstile in einem Modell: Der soziale Raum bei Bourdieu (1930 – 2002) ......... 21
Die sozialen Lagen.............................................................................................................. 23
3.1.
Die Definition sozialer Ungleichheit ................................................................................. 26
3.2.
Theorien und Modelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem . 28
Effekte familialer Sozialisation von Pierre Bourdieu.................................................................... 28
Erklärungsmodell der Entwicklung ungleicher Bildungschancen von Raymond Boudon............ 29
Die Sozialisationstheorie von Talcott Parson................................................................................ 31
Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrunds ... 33
Modelle der Schulleistung und ihrer Determinanten..................................................................... 35
Die internationale Schulleistungsstudie PISA – Ein Überblick.................................... 41
4.1.
4.1.1.
4.1.2.
4.1.3.
4.1.4.
4.1.5.
4.1.6.
4.1.7.
4.1.8.
4.2.
4.2.1.
4.2.2.
4.2.3.
4.2.4.
4.2.5.
4.2.6.
4.2.7.
4.2.8.
4.3.
4.3.1.
4.3.2.
5.
Schichtmodelle.................................................................................................................... 12
Das Konstrukt der „Sozialen Ungleichheit“ .................................................................. 26
3.2.1.
3.2.2.
3.2.3.
3.2.4.
3.2.5.
4.
Karl Marx (1818 – 1883) ................................................................................................................ 9
Max Weber (1864 – 1920) ............................................................................................................ 10
Grundlegendes zu PISA .................................................................................................... 41
Entwicklung und Hintergrund ....................................................................................................... 41
Merkmale ...................................................................................................................................... 42
Drei Gruppen von aus PISA resultierenden Indikatoren ............................................................... 43
Die Zielgruppe .............................................................................................................................. 44
Datenerhebung .............................................................................................................................. 45
Das Assessmentdesign .................................................................................................................. 46
Datenerhebung, Dateneingabe und -verarbeitung ......................................................................... 47
Die PISA-Skala zur Leistungsmessung......................................................................................... 47
Die Erfassung der sozialen Herkunft ............................................................................... 49
Berufsklassifikationen................................................................................................................... 51
Die internationale Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) ..................................... 54
Die internationale Berufsprestige-Skala von Treiman (SIOPS) .................................................... 57
Die internationale Skala des sozio-ökonomischen Status von Ganzeboom et al. (ISEI)............... 59
Die Messung nominaler Klassenkategorien (EGP) ....................................................................... 60
Das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA.............................................. 62
Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) ............................ 65
Die Erfassung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund in PISA ......................................... 65
Frühere Untersuchungsergebnisse über österreichische Schüler/innen ....................... 69
… mit niedriger sozio-ökonomischer Herkunft............................................................................. 70
… mit Migrationshintergrund ....................................................................................................... 71
Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schülerinnen
und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund ...................................................... 76
5.1.
Fragestellung ...................................................................................................................... 77
Inhalt
5.2.
5.2.1.
5.2.2.
5.2.3.
5.2.4.
5.2.5.
5.2.6.
Beschreibung der Vergleichsstichproben ........................................................................ 80
Familienzusammensetzung und Vollständigkeit der Schülerinnen und Schüler ........................... 84
Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern.................................................................................... 85
Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation der Mutter .................................................. 86
Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation des Vaters................................................... 89
Höchster berufliche Status und Ausbildung der Eltern ................................................................. 92
Repetentenquote der Schüler/innen............................................................................................... 94
5.3.
Unterschiede hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen................... 95
5.4.
Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Schülerleistungen . 98
5.4.1.
5.4.2.
5.4.3.
5.4.4.
5.5.
5.5.1.
5.5.2.
5.5.3.
5.6.
5.6.1.
5.6.2.
5.7.
5.7.1.
5.7.2.
5.8.
5.8.1.
5.8.2.
5.8.3.
5.8.4.
5.8.5.
5.8.6.
Mittelwertvergleiche der vier getesteten Domänen....................................................................... 98
Zusammenhang zwischen Leistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund ..................... 100
Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen und dem sozioökonomischen Status ............. 108
Zusammenfassung....................................................................................................................... 110
Mittelwertsvergleich: Schülerleistungen in vier Mathematikbereichen ..................... 112
Beschreibung der vier Mathematik-Subskalen............................................................................ 112
Mittelwertvergleich beider Vergleichsgruppen in vier Mathematik-Subskalen .......................... 114
Zusammenfassung....................................................................................................................... 116
Schulspartenvergleich: Auswirkungen des Migrationshintergrundes........................ 118
Mittelwertvergleich der Schülerleistungen mit und ohne Migrationshintergrund....................... 118
Zusammenfassung....................................................................................................................... 123
Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in Bezug auf Extremgruppen .. 125
Migrant/innen: Mittelwertvergleich der Extremgruppen............................................................. 125
Zusammenfassung....................................................................................................................... 127
Länderübergreifende Analyse (Leistungsvergleich in allen vier Domänen) .............. 128
Beschreibung der Stichprobe....................................................................................................... 128
Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Mathematik .......................... 131
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Lesekompetenz ............................................. 134
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Naturwissenschaft......................................... 137
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Problemlösen ................................................ 140
Zusammenfassung....................................................................................................................... 142
6.
Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................... 144
7.
Resümee und Ausblick .................................................................................................. 150
Literatur:................................................................................................................................ 155
Inhalt
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Arbeitslose nach Bildungsabschluss ................................................................................................. 2
Abbildung 2: Gliederung nach Berufsabteilung ..................................................................................................... 3
Abbildung 3: Höchste abgeschlossene Ausbildung der Erwerbstätigen nach Geburtsland.................................... 6
Abbildung 4: Klassenkonzept von Weber.............................................................................................................. 11
Abbildung 5: Schichtmodell von Geiger ............................................................................................................... 13
Abbildung 6: Die soziale Schichtung in Deutschland nach Dahrendorf (1965) ................................................... 14
Abbildung 7: Schichtenaufbau in Deutschland nach Moore/Kleining .................................................................. 16
Abbildung 8: Soziale Schichtung nach Scheuch (1961) ........................................................................................ 17
Abbildung 9: Das Zwiebel-Modell von K. M. Bolte (1967) .................................................................................. 17
Abbildung 10: Die SINUS-Milieus........................................................................................................................ 20
Abbildung 11: Soziale Lagen nach Habich & Noll ............................................................................................... 24
Abbildung 12: Das Kausalmodell der Erziehung von Parson .............................................................................. 32
Abbildung 13: Komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten (Helmke & Weinert) ................................. 36
Abbildung 14: Bedingungen von Schulleistungen (Baumert et al.)....................................................................... 39
Abbildung 15: Die Zyklen von PISA ..................................................................................................................... 43
Abbildung 16: In Österreich getestete Schultypen ................................................................................................ 45
Abbildung 17: Die Instrumente im Überblick ....................................................................................................... 46
Abbildung 18: ISCO-88Gliederungsebenen mit einem Beispiel ........................................................................... 52
Abbildung 19: ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien ................................................................................ 53
Abbildung 20: Berufshauptgruppen der ISCO-88 und skill levels ........................................................................ 54
Abbildung 21: Levels of Education ....................................................................................................................... 55
Abbildung 22: ISCED Kategorien (PISA Stichprobenstratifizierung auf Österreich bezogen) ............................ 57
Abbildung 23: Die Kategorien der EGP-Klassen ................................................................................................. 61
Abbildung 24:Migrationshintergrund der österreichischen Schüler/innen .......................................................... 66
Abbildung 25: Zusammensetzung der Stichprobe ................................................................................................. 81
Abbildung 26: Verteilung auf Schulsparten .......................................................................................................... 82
Abbildung 27: Familienzusammensetzung............................................................................................................ 84
Abbildung 28: ISCO Code der Mutter .................................................................................................................. 86
Abbildung 29: ISCED der Mutter ......................................................................................................................... 87
Abbildung 30: Beschäftigungssituation der Mutter .............................................................................................. 88
Abbildung 31: ISCO Code des Vaters................................................................................................................... 89
Abbildung 32: ISCED des Vaters.......................................................................................................................... 90
Abbildung 33: Beschäftigungssituation des Vaters............................................................................................... 91
Abbildung 34: Höchster berufliche Status der Eltern ........................................................................................... 92
Abbildung 35: Höchste schulische Ausbildung der Eltern.................................................................................... 92
Abbildung 36: Repetentenquote ISCED 1 ............................................................................................................. 94
Abbildung 37: Repetentenquote ISCED 2 ............................................................................................................. 95
Abbildung 38: Gradientenvergleich Mathematik................................................................................................ 102
Abbildung 39: Gradientenvergleich Lesekompetenz........................................................................................... 104
Abbildung 40: Gradientenvergleich Naturwissenschaft ..................................................................................... 105
Abbildung 41: Gradientenvergleich Problemlösen............................................................................................. 106
Abbildung 42: Gradientenvergleich von Mathematik und dem SES ................................................................... 108
Abbildung 43: Gradientenvergleich von Lesen und SES .................................................................................... 110
Abbildung 44: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen.................................... 115
Abbildung 45: Schulspartenvergleich Mathematik ............................................................................................. 118
Abbildung 46: Schulspartenvergleich Lesekompetenz ........................................................................................ 120
Abbildung 47: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft................................................................................... 121
Abbildung 48: Schulspartenvergleich Problemlösen .......................................................................................... 122
Abbildung 49: Extremgruppenvergleich ............................................................................................................. 126
Abbildung 50: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Mathematik................................... 131
Abbildung 51: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Lesekompetenz.............................. 135
Abbildung 52: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Naturwissenschaft ........................ 138
Abbildung 53: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Problemlösen................................ 140
Inhalt
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Stichprobenvergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen .............................................. 96
Tabelle 2: Vergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen................................................................. 97
Tabelle 3: Mittelwertvergleiche der vier Domänen .............................................................................................. 98
Tabelle 4: Korrelation zwischen den Schülerleistungen und dem ESCS ............................................................ 100
Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und ESCS ............................................ 103
Tabelle 6: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und ESCS ....................................... 104
Tabelle 7: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und ESCS .................................. 106
Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Problemlösen und ESCS ......................................... 107
Tabelle 9: Zusammenhang zwischen dem SES und den Leistungen.................................................................... 109
Tabelle 10: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen ........................................ 114
Tabelle 11: Korrelationskoeffizienten zwischen den vier Subskalen und dem HISEI ......................................... 116
Tabelle 12: Schulspartenvergleich Mathematik.................................................................................................. 119
Tabelle 13: Schulspartenvergleich Lesekompetenz............................................................................................. 120
Tabelle 14: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft ....................................................................................... 121
Tabelle 15: Schulspartenvergleich Problemlösen............................................................................................... 122
Tabelle 16: Extremgruppenvergleich.................................................................................................................. 126
Tabelle 17: Länderübergreifende Migrationsstruktur ........................................................................................ 129
Tabelle 18: Ländervergleich: Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status ..................................... 130
Tabelle 19: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Mathematik..................................................................... 131
Tabelle 20: Zusammenhang zwischen Leistungen in Mathematik und dem sozioökonomischen Status ............. 133
Tabelle 21: Korrelationskoeffizienten des HISEI und der Lesekompetenz ......................................................... 134
Tabelle 22: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Lesen und dem SES ................................. 136
Tabelle 23: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Naturwissenschaft .......................................................... 137
Tabelle 24: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Naturwissenschaft und dem SES ............. 139
Tabelle 25: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Problemlösen.................................................................. 140
Tabelle 26: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Problemlösen und dem SES .................... 141
Kapitel 1: Problemdarstellung
1. Problemdarstellung
„Zu den wichtigsten bildungspolitischen Zielen demokratischer Gesellschaften gehört
es, allen Heranwachsenden gleich gute Bildungschancen zu geben, sie individuell optimal zu fördern und gleichzeitig soziale, ethische und kulturelle Disparitäten der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs auszugleichen.“ (Baumert & Schümer, 2001,
S. 323)
Seit Beginn der 60er Jahre war das Thema Bildung und soziale Ungleichheit eines der
dominanten Themen der fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion. Bildungspolitische Bemühungen waren um die Herstellung der Chancengleichheit bemüht
(vgl. Ditton, 1992, S. 7). Chancengleichheit kann auch als „verallgemeinerte Chancengerechtigkeit“ bezeichnet werden, die dann verwirklicht wird, wenn die „gleich leistungsstarken und gleich stark vom Elternhaus geförderten Kinder aus verschiedener
Schichten dem Anteil dieser Schichten an der Gesamtbevölkerung entsprechend bei
einem bestimmten Schulabschluss vertreten“ sind (Meulemann, 1979, S. 18).
Empirische Erhebungen weisen immer noch nach, dass zwar die Bildungsbenachteiligung der Mädchen beseitigt ist, aber das Gefälle zwischen Kindern unterschiedlicher
sozialer Herkunft unverändert besteht (Ditton, 1992, S. 8).
Die stattgefundene Bildungsexpansion hat zu keiner Aufhebung oder wesentlichen Reduzierung der sozialen Ungleichheit geführt. Begründet wird es damit, weil von der
Bildungsexpansion alle Schichten profitiert haben. Diese Ungleichheit der Bildungschancen wird nur auf ein höheres Gesamtniveau schulischer Bildung transponiert (vgl.
Ditton, 1995, S. 94f). Die Verlierer der Bildungsexpansion sind Abgänger ohne Schulabschluss, Personen mit Migrationshintergrund und einzelne ethnische Gruppen (vgl.
Ditton, 1995, S. 103).
Die Ergebnisse von PISA 2003 („Programme for International Student Assessment“)
zeigen ebenfalls, dass zwischen der beruflichen Stellung der Eltern und den Leistungen
der Schülerinnen und Schülern ein starker Zusammenhang besteht. Gleichzeitig konnte
-1-
Kapitel 1: Problemdarstellung
aber auch gezeigt werden, dass schlechte schulische Leistungen keine automatische
Folge der Herkunft aus einem sozial benachteiligten Milieu sind (vgl. OECD, 2004,
S.188). Ebenfalls nachgewiesen konnte eine Bildungsbenachteiligung von Kindern mit
Migrationshintergrund werden, die mit ihren Leistungen in der Tendenz unter dem
Durchschnitt der Leistungen der einheimischen Schüler liegen (vgl. OECD, 2004, S.
191). In Österreich lässt sich bei einem durchschnittlichen Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Mathematik-Kompetenz ein mittleres Leistungsniveau
erkennen (vgl. Haider & Reiter, 2004, S. 138).
Je höher die Bildung, desto besser die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das Arbeitsmarktservice meldet für Österreich im Juli 2006 196 699 Jobsuchende (vgl. AMS,
2006a).
Abbildung 1 gliedert die Anzahl der Arbeitslosen nach dem Bildungsabschluss auf (vgl.
AMS, 2006b). Fast die Hälfte aller Jobsuchenden (44.8%) weist einen Pflichtschulabschluss auf. Ein weiteres Drittel (32.7%) nur einen Lehrabschluss. Anteilsmäßig entfallen rund 77% auf Personen ohne abgeschlossene Schule, Personen mit Pflichtschulabschluss oder Lehrabschluss.
Abbildung 1: Arbeitslose nach Bildungsabschluss
Höchste abgeschlossene Ausbildung
Pflichtschule
Lehre
Mittlere technisch-gewerbliche Schule
Mittlere kaufmännische Schule
Sonstige mittlere Schule
AHS
Höhere technisch-gewerbliche Schule
Höhere kaufmännische Schule
Sonstige höhere Schule
Akademie (Pädak u.ä.)
Fachhochschule
Universität, Hochschule
Ungeklärt
Insgesamt
Quelle: AMS, Hauptverband, Juli 2006
Arbeitslosenbestand
88.184
64.373
1.075
6.001
6.291
7.019
4.018
3.684
5.486
1.315
718
7.755
780
196.699
Anteil
44.8%
32.7%
0.5%
3.1%
3.2%
3.6%
2.0%
1.9%
2.8%
0.7%
0.4%
3.9%
0.4%
100.0%
Geschieht die Gliederung nach Berufsabteilungen (vgl. Abb. 2), so lässt sich leicht erkennen, dass mit 63 061 Jobsuchenden die größte Anzahl sich in der Abteilung „Indus-
-2-
Kapitel 1: Problemdarstellung
trie und Gewerbe befinden. Die Berufsabteilungen „Dienstleistungen“ (39 500 Personen), „Handel und Verkehr“ (33 470 Personen) und „Verwaltung und Büro“ (33 192
Personen) folgen mit bereits beträchtlichem Abstand (vgl. BALI, 2006).
Abbildung 2: Gliederung nach Berufsabteilung
Berufsabteilungen
Land- und Forstwirtschaft
Industrie, Gewerbe
Handel, Verkehr
Dienstleistungen
Technische Berufe
Verwaltung, Büro
Gesundheit, Lehrberuf
Unbestimmt
Inländer, Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Inländer
Ausländer
Aktuell
2.058
318
50.995
12.066
29.942
3.528
30.137
9.363
7.475
584
31.132
2.060
15.074
1.704
163
100
+/- Vorjahr (abs)
-34
-39
-5.973
-1.743
-1.812
-213
-286
-374
-863
-91
-2.726
-46
-21
77
-22
-30
+/- Vorjahr (%)
-1.6
-10.9
-10.5
-12.6
-5.7
-5.7
-0.9
-3.8
-10.4
-13.5
-8.1
-2.2
-0.1
4.7
-11.9
-23.1
Quelle: BALI, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Juli 2006
Insgesamt waren von den 196 699 arbeitslos gemeldeten Personen 166 976 (84.9%)
Inländer und 29 723 (15.1%) Ausländer. Die Anzahl der als unselbstständig
jobsuchenden Ausländer lässt sich aber nicht mit der Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund gleich setzen, da alle Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft
als Inländer zählen. Der „wahre“ Anteil der jobsuchenden Personen mit Migrationshintergrund lässt sich also aus den Statistiken des Arbeitsmarktservices oder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht ermitteln.
Da der Bildungserfolg immer noch vom sozioökonomischen Hintergrund abhängig ist,
und dieser Bildungserfolg maßgeblich über die Schullaufbahn und die berufliche Ausbildung und davon abhängig den zukünftigen Einkommenserwerb und sozialen Status
entscheidet, ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines Bildungssystems, die Stärke dieses Zusammenhangs zu vermindern.
Leistungsunterschiede können verschiedentlich begründet werden: Wo liegt diese Schule und welchen Einzugsbereich hat sie? Wo ist das nächstgelegene Gymnasium? Sozio-
-3-
Kapitel 1: Problemdarstellung
grafische Determinanten der Bildungsbeteiligung, basierend auf der Volkszählung 2001
(vgl. Bauer, 2005, S. 114) zeigen an der „zweiten großen Schnittstelle“ (Übertritt von
der unteren in die obere Sekundarstufe) regionale Diskrepanzen. Je „ländlicher“ eine
Gemeinde, desto höher ist der Anteil der Jugendlichen, die eine Lehre absolvieren. Regionale Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des Schultyps. Der Trend zu berufsbildenden höheren Schulen ist auch in den größeren Städten unübersehbar, die Allgemeinbildende Höhere Schule ist aber bei den 15- bis 19-jährigen prozentuell stärker vertreten
als im ländlichen Raum.
Welchen sozioökonomischen Hintergrund haben die meisten Schülerinnen und Schüler?
Bauer (2005, S. 115f) weist ebenfalls auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen
dem sozialen Hintergrund und der Ausbildung der Kinder hin, wobei dem Bildungshintergrund das größte Gewicht zufällt. Betrachtet man die Zusammensetzung aller jener
Schülerinnen und Schüler, die in Österreich die Hauptschule absolvieren, so lässt sich
erkennen, dass 55.6% davon aus Familien kommen, deren Vater bzw. die alleinerziehende Mutter selbst eine Lehrlingsausbildung oder nur die Pflichtschule (21.8%) abgeschlossen hat. Hingegen weisen in den Allgemeinbildenden Höheren Schulen 31.8% der
Erziehungsberechtigten als höchste abgeschlossene Ausbildung eine Lehrlingsausbildung und 8.5% eine Allgemeinbildende Pflichtschule auf (vgl. Bauer, 2005, S. 117).
Kinder aus Migrantenfamilien sind ebenfalls in höheren Schulen unterrepräsentiert.
Kinder, deren Vater bzw. alleinerziehende Mutter die türkische bzw. die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten Jugoslawiens besitzt, besuchen zu vier Fünftel die
Hauptschule und sind auch häufiger in den Sonderschulen zu finden (vgl. Bauer, 2005,
S. 118).
Ein weiterer Aspekt für Leistungsunterschiede ist die Qualität der Schule. Unter diesem
Schlagwort sind auch sozial weniger selektive Schulen zu sehen (Ditton, 1995, S. 114).
Denn Schulen machen einen Unterschied und die Wirkungen gleicher schulischer Bedingungen können für verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich sein (vgl. Ditton,
1992, S. 106).
-4-
Kapitel 1: Problemdarstellung
Leistungsunterschiede gibt es aber nicht nur zwischen den Schulen, sondern auch innerhalb der Schulen. Weitere Gründe für Leistungsunterschiede könnten also lauten: Wie
ist die ethnische Zusammensetzung der Klasse? Wie effizient ist die Klassenführung?
Wie gut durchstrukturiert unterrichtet der oder die Lehrer/in? Wie gut auf den einzelnen
Bedürfnissen ist das Lehr- und Lerntempo angepasst? Wie positiv ist das Beziehungsverhältnis zwischen Lehrer/in und Schüler/in?
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wichtige Determinanten der Schulkarriere der Bildungsgrad, das Einkommen der Eltern und das kulturelle Milieu im Elternhaus sind. Bei Kindern mit Migrationshintergrund müssen diese Determinanten mit folgenden erweitert werden:
Erfahrungen im Herkunftsland, Nationalitätenzugehörigkeit, das Einreisealter der Kinder, die ethnische Konzentration in der Wohnumgebung oder die vorgefundenen Bedingungen im Schulsystem des Aufnahmelandes (vgl. Esser, 1989, S. 317f).
2003 wurden zum zweiten Mal in 41 Ländern im Rahmen der von der OECD getragenen Schulleistungsstudie PISA 15- / 16-Jährige Schülerinnen und Schüler ge-testet. Ziel
dieser Schulleistungsstudie ist es zu untersuchen, wie gut diese Altersgruppe, die sich
am Ende ihrer Pflichtschullaufbahn befindet, auf die Herausforderungen des Lebens
vorbereitet ist (vgl. OECD, 2004, S. 20). Diese internationale Schulleistungsstudie beinhaltet in den Schüler- und Schulfragebogen auch eine Reihe von Variablen, die den
Einfluss persönlicher Faktoren und Kontextbedingungen messen sollen (vgl. Haider &
Reiter, 2003, S. 140). Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass die Faktoren
Geschlecht, Migrationshintergrund und Familienstruktur einen durchschnittlichen Einfluss auf die Mathematik-Kompetenz haben. Trotz statistischer Kontrolle wirken sich
die Ergebnisse besonders negativ auf Schüler/innen aus, wenn sie aus einer Immigrantenfamilie stammen.
Die vorliegende Arbeit soll auf Basis dieser Variablen den Zusammenhang zwischen
dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen untersuchen. Aus der
Gesamtstichprobe aller österreichischen Schülerinnen und Schüler wird eine Teilstichprobe herausgenommen. Diese zu untersuchende Teilstichprobe wird auf zwei weitere
-5-
Kapitel 1: Problemdarstellung
Teilstichproben aufgeteilt. Eine Teilstichprobe umfasst alle österreichischen Schülerinnen und Schüler mit und die andere alle ohne Migrationshintergrund. Alle Angehörigen
dieser zwei Teilstichproben haben eine Gemeinsamkeit: Sie erreichen auf der von PISA
durch den ISEI (International Socio-Economic Index) charakterisierter Indexskala einen
Maximalwert von 35. Dieser Wert entspricht bei den Werten dieser Skala, die von 16
bis 90 reichen, dem unteren Quartil. Anders ausgedrückt: Alle Schüler/innen sind Angehörige der unteren Gesellschaftsschicht.
Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchungsarbeit lautet: Sind die Ursachen des
Leistungsabstandes der Schüler/innen mit Migrationshintergrund zu den Schüler/innen
ohne Migrationshintergrund ein Integrationsproblem oder „Schichtenproblem“? Diese
Frage lässt sich aufgrund der Tatsache stellen, dass in Österreich der Bildungshintergrund der Migrant/innen, besonders derer aus der Türkei, eher niedrig ist: Abbildung 3,
deren Berechnung auf Grundlage der Volkszählung 2001, Tabelle 14 (vgl. Statistik
Austria, 2005a) beruht, zeigt eindrucksvoll, dass fast 92% aller Migrant/innen aus dem
ehemaligen Jugoslawien als höchste Ausbildung maximal eine Reifeprüfung aufweisen.
Bei Migrant/innen aus der Türkei sind es über 96%. Dem gegenüber stehen fast 74%
der in Österreich geborenen Erwerbstätigen im Alter von 25 bis 64 Jahren.
Abbildung 3: Höchste abgeschlossene Ausbildung der Erwerbstätigen nach Geburtsland
Insgesamt
Österreich
Jugoslawien (ohne Slowenien
Türkei
Insgesamt
3 382 217
2 868 590
189 690
68 901
%
84.8
5.6
2.0
ISCED 2
706 472
479 674
104 356
54 374
%
20,9
16,7
55,0
78,9
ISCED 3
1 820 473
1 638 485
69 189
11 985
%
53.8
57.1
36.5
17.4
Quelle: Statistik Austria, 2006, eigene Berechnung
Die Arbeit gliedert sich in 6 weitere Kapitel:
In Kapitel 2 werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung sozialer Herkunft
und deren zentralen Begriffe genau beschrieben. Es wird einen Überblick über die älteren und neueren Ansätze zur sozialen Ungleichheit gegeben. Herausgearbeitet werden
die verschiedenen Begriffe wie Klassen, Schichten, Lebensstile und Milieus.
-6-
Kapitel 1: Problemdarstellung
Kapitel 3 beginnt mit der Beschreibung des Konstruktes der „Sozialen Ungleichheit“.
Anschließend werden die möglichen Ursachen für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung beschrieben. Verschiedene Modelle und Theorien der
sozialen Ungleichheit im Bildungssystem werden dabei zur Erklärung herangezogen.
Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines
niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf die Schulleistungen.
In Kapitel 4 wird erklärt, was die internationale Schulleistungsstudie PISA ist, welches
Ziel diese Studie hat und was dabei gemessen werden soll. Es wird einen kurzen Überblick über den Ablauf, das Assessmentdesign und der Internationalen PISA-Skala am
Beispiel der Mathematik-Kompetenz gegeben. Ein weiterer Abschnitt dieses Kapitels
beschreibt das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA.
Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse früherer Untersuchungen zu Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund dargestellt.
Kapitel 5 erläutert die Fragestellung des empirischen Teils dieser Magisterarbeit.
Einleitend erfolgt eine deskriptive Beschreibung der beiden Vergleichsstichproben.
Danach werden Unterschiede zwischen beiden Vergleichsstichproben hinsichtlich der
kulturellen Güter und Bildungsressourcen herausgearbeitet und Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Hintergrund und Schülerleistungen empirisch analysiert.
Zum Abschluss wird eine länderübergreifende Zusammenhangsanalyse zwischen dem
sozioökonomischen Status und den Leistungen in allen vier Domänen mit den Ländern
Österreich, Deutschland, Schweiz und Dänemark durchgeführt.
Kapitel 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen.
In Kapitel 7 wird anhand der Erkenntnisse dieser Arbeit ein Resümee gezogen. Es werden technologische Empfehlungen für die Bildungspolitik gegeben, die zur Verbesserung der Chancengleichheit beitragen sollen.
-7-
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
2. Die Gruppierung der Gesellschaft
Ziel dieses Kapitels ist es, die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung sozialer Herkunft und deren zentralen Begriffe genau zu beschrieben. Es wird einen Überblick über
die älteren und neueren Ansätze zur sozialen Ungleichheit geben. Herausgearbeitet
werden die verschiedenen Begriffe wie Klassen, Schichten, Lebensstile, Milieus und
soziale Lagen.
2.1. Klassen- und Schichtkonzepte
Für das Überleben des einzelnen Individuums war es von Anbeginn der Menschheit
entscheidend, sich in Gruppen zusammen zu schließen. Seit diesem Zeitpunkt waren
bestimmte Menschen der Gesellschaft besser als andere gestellt. Der Begriff soziale
Ungleichheit bezieht sich auf dieses Phänomen. „Unter sozialer Ungleichheit versteht
man die asymmetrische Verteilung knapper und begehrter Güter auf gesellschaftliche
Positionen und so entstehende vorteilhafte bzw. nachteilige Lebensbedingungen von
Menschen. S. U. meint demnach nicht bloß Verschiedenartigkeit, sondern Verschiedenwertigkeit von Lebensbedingungen.“ (Reinhold, Lamneck & Recker, 1991, S. 531).
Um die soziale Ungleichheit bzw. die vertikale Struktur einer fortgeschrittenen Gesellschaft besser verstehen zu können, werden Klassen- und Schichtungsmodelle benutzt.
Klassenmodelle erklären die Herausbildung von Gruppen und Schichtungsmodelle beschreiben die Struktur sozialer Ungleichheit (vgl. Hradil, 1987, S. 7).
2.2. Klassenmodelle
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde zum ersten Mal versucht, die soziale Ungleichheit in
einer Gesellschaft zu erklären. Eine Definition erklärt Klasse im Rahmen einer dichotomen Betrachtung, in der sich Gruppierungen mit entgegengesetzten Meinungen, Lebensbedingungen und Machtstellungen gegenüber stehen (Reinhold et al., 1991, S.
299). Eine andere Definition bezeichnet die Klasse als ein „soziales Subjekt, dessen
Mitglieder sich durch eine strukturell gleiche Stellung im Wirtschaftsprozeß und damit
-8-
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
durch eine ähnliche soziales Lage („K.nlage“), durch gemeinsame Interessen, und unter
bestimmten Bedingungen auch durch ein gemeinsames Bewußtsein dieser Lage
(„K..nbewußtsein“) auszeichnet (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 332).
Klassenkonzepte sind ökonomisch begründete Sozialstrukturkonzepte. Sie gehen alle
davon aus, dass die wesentlichen Ursachen der sozialen Ungleichheit ökonomischer
Natur sind (vgl. Hradil, 1987, S. 69). Die Stellung von Menschen im Arbeitsprozess gilt
als Hauptkriterium. Die Bestimmung der Klassenzugehörigkeit passiert in erster Linie
über die Stellung des Einzelnen im gesellschaftlichen Arbeits- und Produktionsprozess
(vgl. Kreckel, 1983, S. 3). Ebenso gehen alle Klassenkonzepte von bestimmten Ursachenvermutungen aus und erfassen soziale Ungleichheiten nur, insoweit sie als Folge
dieser Ursachen in Frage kommen (vgl. Hradil, 1987, S. 70).
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die „alten“ Klassen- und Schichtmodelle
gegeben, die erst ab Anfang der achtziger Jahre von den „neuen“ Erklärungsansätzen
abgelöst wurden.
2.2.1.
Karl Marx (1818 – 1883)
Karl Marx entwarf Mitte des 19. Jahrhunderts seine Klassentheorie, in der er den Gedanken aufwirft, die Gesellschaft als Klassengesellschaft zu begreifen (vgl. Burzan,
2004, S. 14). Seine Klassen sind keine Einkommensklassen, sie berücksichtigen weder
die Art noch die Höhe des Einkommens. Das grundlegende Kriterium ist bei ihm die
„Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln“ (Endruweit & Trommsdorff, 1989,
S. 332).
Marx analysiert die Entwicklungsgesetze in kapitalistischen Ländern dahingehend, dass
er das Privateigentum, das er als Produktionsmittel bezeichnet, als Ursache sozialer Ungleichheit sieht. Er begreift die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte von
Klassenkämpfen, in der die Besitzer von Produktionsmitteln über Nichtbesitzende herrschen. Die Besitzer von Produktionsmitteln bezeichnet er als Bourgeoisie und die mit
unversöhnlichen Interessen gegenüberstehenden Nichtbesitzer als Proletariat, die Klasse
der Arbeiter.
-9-
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Für Marx war es nicht notwendig, Zwischenklassen zu definieren, weil sich diese zugunsten der zwei sich ausschließenden Klassen zunehmend auflösen. In seinem Sinne
ist die soziale Mobilität immer eine Abstiegsmobilität, weil eine Mobilität in umgekehrter Richtung nicht vorkommt (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 334).
Der sich zunehmend verschärfende Klassenkonflikt, bei dem die „Reichen immer reicher“ und die „Armen immer ärmer“ werden, gipfelt schlussendlich in eine Revolution
(vgl. Burzan, 2004, S. 16f). Für ihn reicht es aus, Klassen nach dem Kriterium des Besitzes von Eigentum einzuteilen, weil die ökonomische Lage sich auf die Lebensverhältnisse der Einzelnen und die gesellschaftlichen Verhältnisse auswirkt. Die Folge ist
die Bildung eines Klassenbewusstseins. Sein Klassenbegriff hat eine ökonomische Basis, in der er sozio-ökonomische, sozio-kulturelle und sozio-politische Komponenten
mit in sein Konzept einschließt (vgl. Hradil, 1987, S. 60f).
2.2.2.
Max Weber (1864 – 1920)
Das Konzept von Weber beruht auf dem Klassenkonzept von Karl Marx. Er differenzierte den Marx´schen Klassenbegriff genauer und spaltet ihn in Klassen, Stände und
Parteien auf. Weber zieht zur Erklärung von Sozialstrukturen den auf Marx basierenden
Klassenbegriff heran und erweitert ihn zusätzlich noch mit den Begriffen „Stände“ und
„Parteien“. Weiters spaltet er den Klassenbegriff in „Besitzklassen“, „Erwerbsklassen“
und „soziale Klassen“ auf (vgl. Burzan, 2004, S. 20).
Die nachfolgende Übersicht (vgl. Abb. 4) veranschaulicht das differenzierte Sozialstrukturmodell:
- 10 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Abbildung 4: Klassenkonzept von Weber
Klassen
Ökonomische
Gruppierungen
Besitzklassen
Erwerbsklassen
Soziale Klassen
• Arbeiterschaft
• Kleinbürgertum
• Intelligenz
• Besitzende Bildungsprivilegie
rte
Stände
Soziale Gemeinschaft
Lebensführungsstände Erziehungsstände
Politische
Aktions- und
Organisationsf.
Quelle: Hradil, 1987, S. 62
Berufs- u. Abstammungsstände
Parteien
Für Max Weber wird eine Klasse durch die gleiche Klassenlage festgesetzt. Unter Klassenlage versteht er alle Voraussetzungen, die zum „Erwerb von Einkommen bei einer
bestimmten Wirtschaftsverfassung dienen“ (Reinhold et al., 1991, S. 302). Solche Voraussetzungen sind z.B. Qualifikationen, Leistungen, Besitz und persönliche Überzeugungen. Weber´s Klassenbegriff basiert ebenfalls zentral auf Besitz, er erweitert ihn
aber im Gegensatz zu Marx mit den Merkmalen von Qualifikationen und Leistung.
Während sich Klassen am Erwerbseinkommen orientieren, geben Stände eher die sozialen Ordnung einer Gesellschaft wider. Bei Weber basiert der Stand auf Ehre und sozialem Prestige (vgl. Burzan, 2004, S. 22f). Stände gliedern sich nach den „spezifischen
Arten der Lebensführung“ (Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 335). Er nennt aber
keine definitive Zahl von Ständen, in die die Sozialstruktur einer Gesellschaft zerfällt,
sondern nennt die grundlegenden Arten der Ständebildung (vgl. Hradil, 1987, S. 75).
„Parteien“ sind „primär in der Sphäre der „Macht“ zu Hause. Ihr Handeln ist auf soziale
„Macht“, d. h. auf Einfluss auf ein Gemeinschaftsleben ausgerichtet (vgl. Hradil, 1987,
S. 63).
Weber sieht Klassen, Stände und Parteien als „´Phänomene der Machtverteilung innerhalb einer Gemeinschaft´,…“ (Weber, 1976, zitiert nach Endruweit & Trommsdorff,
1989, S. 337). Max Weber´s hochdifferenziertes Modell vielfältiger Klassen, Stände
- 11 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
und Parteien war geprägt von seinen Erfahrungen des Wilhelminischen Deutschlands.
Diese Differenzierungen stellen den Ausgangspunkt für mehrdimensionale Analysen
sozialer Ungleichheiten und bilden eine Etappe in der Entwicklung des Schichtkonzepts
(vgl. Burzan, 2004, S. 25f).
2.3. Schichtmodelle
Die moderne industrielle Gesellschaft erfordert die zunehmende Arbeitsteilung und zunehmende Spezialisierung, die unterschiedliche Lebensbedingungen und eine Veränderung der Statuszuweisung zur Folge haben. Anstelle des Besitzes nehmen die Bedeutung der Erwerbsarbeit und der durch formale Bildung und berufliche Leistung erworbene Status zu (vgl. Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 558). Mehrdimensionale
Schichtungsmodelle betrachten als zentrale Dimension die finanzielle Ausstattung wie
z. B. Einkommen, Besitz und Vermögen. Ein bestimmter sozialer Status wird durch
Erreichen bzw. Nichterreichen von bestimmten berufsqualifizierender Kenntnissen,
Tätigkeiten und Fertigkeiten erreicht (vgl. ebd., 1989, S. 558).
Schichtspezifische Lebenslagen bedingen konkrete Verhaltensmuster, die sich in bestimmtem Konsumverhalten, Leistungsorientierung, Freizeitverhalten und Erziehungsmethoden äußern. Die Zugehörigkeit zu einer Klasse oder einer Schicht führt in der Regel zu einer bestimmen Handlungsorientierung. Die soziale Mobilität ist Gegensatz zur
Klassentheorie von Karl Marx vertikal in beiden Richtungen möglich (vgl. ebd., S.
559). Die soziale Mobilität gibt Aufschluss darüber, wie durchlässig eine Gesellschaft
ist. Sie kann dadurch festgestellt werden, indem man die Stärke der Abhängigkeit der
jetzigen Position, die jemand innehat, von der früheren Position misst. Dazu kann ein
intra- bzw. intergenerativer Vergleich angestellt werden (vgl. Reinhold et al., 1991, S.
519).
Zur empirischen Feststellung der sozialen Schichtung wurden verschiedene Messverfahren verwendet, wobei am häufigsten der „sozio-ökonomische Status-Index (SES)“
verwendet wird, der aus den Indikatoren Beruf, Einkommen und Schulbildung gebildet
wird (vgl. Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 560). Aktuelle Schichtkonzeptmodelle
- 12 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
versuchen die neuen Dimensionen sozialer Ungerechtigkeit, wie z. B. Arbeitslosigkeit,
ungleiche Freizeitbedingungen, ungleiche Wohnbedingungen oder Ungleichbehandlungen in Form von Diskriminierungen zu berücksichtigen (vgl. ebd., S. 563).
Hradil (1987, S. 94) weist jedoch darauf hin, dass die geläufigen Schichtkonzepte noch
zu eng angelegt, zu einfach aufgebaut, zu starr und zu lebensfern sind (vgl. dazu Geißler, 1994, S. 12f). Aus diesen Gründen können sie die Aufgabe der Beschreibung der
Struktur sozialer Ungleichheit nicht erfüllen.
2.3.1.
Das Fünf-Schichten-Modell von Theodor Geiger
(1891 – 1952)
Theodor Geiger entwickelte auf Daten der Volkszählung in Deutschland von 1925 ein
Fünf-Schichten-Modell (vgl. Burzan, 2004, S. 29). Geiger erfasst die Lagen und Mentalitäten bzw. Haltungen zuerst getrennt und ordnet im Nachhinein die für eine bestimmte
Lage typische Mentalität zu. Als Schichten bezeichnet Geiger Gruppierungen, die bestimmte lagetypische Haltungen aufweisen (vgl. Burzan, 2004, S. 28; Hradil, 1987,
S.76). Geiger verknüpft die soziale Lage mit typischen Mentalitäten zu einem deterministischen und mehrdimensionalen Schichtmodell. Anders als bei Webers Ständebegriff
definiert Geiger die Art und Anzahl gesellschaftlicher Schichten:
Abbildung 5: Schichtmodell von Geiger
0.9 %
17.8%
17.9%
12.7%
50.7%
Kapitalisten
„Alter Mittelstand“
„neuer Mittelstand“
„Proletaroide“
„Proletariat“
Mittlere und kleinere Unternehmer
Lohn- und Gehaltsbezieher höherer Qualifikation
Tagewerker für eigene Rechnung
Lohn- und Gehaltsbezieher minder Qualifikation
Quelle: Burzan, 2004, S. 29; Hradil, 1987, S. 77
Geigers Schichtmodell bezieht sich bei der Abgrenzung von Schichten nicht auf soziale
Beziehungen, sondern auf individuelle Merkmale, wie z.B. Klassenposition, Beruf oder
Einkommen (Hradil, 1987, S. 78).
- 13 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
2.3.2.
Das Haus-Modell der Schichtung von Dahrendorf
Rolf Dahrendorf geht in seinem Haus-Modell der Schichtung davon aus, dass die Herrschenden die geltenden Normen festsetzen, die durch entsprechende Sanktionen durchgesetzt werden. Jede Gesellschaft regelt das Zusammenleben mit Normen, die durch
Sanktionen verbindlich werden. Normenkonformität wird durch das Erringen der günstigsten Position in einer Gesellschaft belohnt (vgl. Burzan, 2004, S. 46).
Abbildung 6: Die soziale Schichtung in Deutschland nach Dahrendorf (1965)
Eliten < 1%
Dienstklasse
12%
Mittelstand
20%
Arbeiterelite
5%
„Falscher
Mittelstand“
12%
Arbeiterschicht
45%
Unterschicht
5%
Quelle: Burzan, 2004, S. 49)
Die einzelnen Schichten sind nicht strikt voneinander abgegrenzt, sondern gehen ineinander über. Begrenzte Übergänge zwischen den einzelnen Schichten sind auf Grund
sozialer Mobilität möglich.
Meine Diplomarbeit beschäftigt sich mit den „unteren Schichten“ der Gesellschaft. Aus
diesem Grund beschreibe ich nur jene Schichten im Hausmodell Dahrendorf, die sich
im „unteren Teil“ des Hauses befinden:
- 14 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Die Arbeiterschicht umfasst mit 45% den größten Anteil in der deutschen Bevölkerung.
Dahrendorf zählt alle Beschäftigten, die in der Produktion tätig sind, zur Arbeiterschicht. Sie ist vielfach in z. B. Branchen oder Qualifikationen gegliedert.
Kennzeichnend für Angehörige dieser Schicht ist eine eigene Haltung. Der „Falsche
Mittelstand“ besteht aus Angestellten in einfachen Dienstleistungsberufen (Kellner,
Chauffeur), die sich von ihrer Einstellung her eher zum Mittelstand zählen. Nach ihrer
Bildung, dem Einkommen und dem Einfluss nach unterscheiden sie sich jedoch nicht
von der Schicht der Arbeiter. Die Unterschicht, der „Bodensatz der Gesellschaft“, besteht aus Dauerarbeitslosen, Rückfallkriminellen und Halbanalphabeten (vgl. Burzan,
2004, S. 49f; Köhne-Finster, 2006) .
In den 50iger und 60iger Jahren wurden Schichtmodelle in Verbindung mit Prestige und
Status konstruiert. In der Soziologie wird unter Prestige die „Wertschätzung zu einer
bestimmten Stellung in einer Gesellschaft (Position)“ (Reinhold et al., 1991, S. 457)
verstanden. Die Schichtung des Berufsprestiges aus den 60iger Jahren trifft im Wesentlichen auch die heutige Situation. Mit der Ausnahme, dass in die unteren Prestigerängen
immer mehr Migrant/innen zu finden sind (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 530f). Wichtige
Vertreter dieser funktionalistischen Schichtungstheorie, die ebenfalls die soziale Ungleichheit als Ergebnis eines gesellschaftlichen Belohnungsprozesses sieht, sind u. a.
•
H. Moore und G. Kleining (1960): Gesellschaftsschichten nach sozialer Selbsteinstufung
•
E. K. Scheuch (1961): Prestigeschichten durch Indexbildung
•
K. M. Bolte et al. (1967). Das Zwiebel-Modell
(vgl. Burzan, 2004, S. 54; Endruweit & Trommsdorff, 1989, S. 560; Reinhold et al.,
1991, S. 530f)
- 15 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
2.3.3.
Weitere Schichtmodelle nach Moore & Kleining,
Scheuch und Bolte
Moore und Kleining (1960) wählten zur quantitativen Bestimmung der sozialen Schichten die soziale Selbsteinschätzung. Die Zuordnung zu den einzelnen Schichten erfolgt
anhand der Berufe und ihrer Rangfolge. Sie gehen bei ihrer Eingruppierung in eine
Schicht vom Beruf des Mannes aus und übertrugen diese Einstufung auch auf seine Familie. Die Charakterisierung der einzelnen Schichten umfasst die Angaben zugehöriger
Berufe und die der jeweiligen Schicht zuzuordnenden Einstellung (vgl. Burzan, 2004, S.
54f).
Abbildung 7: Schichtenaufbau in Deutschland nach Moore/Kleining
Schicht
Oberschicht:
Mittelschicht:
• Obere Mittelschicht
• Untere Mittelschicht:
- Nicht industriell
- industriell
Unterschicht:
• Obere Unterschicht:
- nicht industriell
- industriell
• Untere Unterschicht
Sozial Verachtete
Anteil
1%
5%
17%
13%
10%
18%
17%
4%
Quelle: Burzan, 2004, S. 56 (nach Moore & Kleining, 1960, S. 91)
Der Anteil jener Personen, die sich mit Hilfe der Selbsteinstufung zur Unteren Unterschicht und zu den Sozial Verachteten abwärts zählen, beträgt 21% (vgl. Abb. 7).
E. K. Scheuch (1961) kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch in seinem Modell konzentrieren sich die meisten Personen in der Unterschicht (ca. 56%), wobei hier der Anteil der Unteren Unterschicht 19.5% ausmacht (vgl. Abb. 8). Scheuch verwendete zur
Messung von Prestige die Indikatoren Einkommen, Beruf und Schulbildung. Er ordnete
den einzelnen Indikatoren Punktwerte zu, gewichtete sie und addierte sie zu einem Gesamtwert (Burzan, 2004, S. 55f; vgl. dazu Ganzeboom, de Graaf & Treiman, 1992).
- 16 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Abbildung 8: Soziale Schichtung nach Scheuch (1961)
Schicht
Oberschicht:
Mittelschicht:
• Obere Mittelschicht
• Mittlere Mittelschicht
• Untere Mittelschicht:
Unterschicht:
• Obere Unterschicht:
• Untere Unterschicht
Anteil
2.5%
6.1%
14.6%
20.7%
36.6%
19.5%
Quelle: Burzan, 2004, S. 57 (nach Scheuch 1961, S. 103; Hradil, 1999, S. 287)
Bei genauer Betrachtung der Tabellen sieben und acht ergibt sich das Bild einer Zwiebel (vgl. Abb. 9): Ein schmaler Bereich oben und unten, mit einer breiten unteren Hälfte. Bolte et al. (1967) zieht auch nach weiteren Untersuchungen diese Schlussfolgerung
(vgl. Abb. 9). Sie erkennen, dass es in der Gesellschaft viele Statusdifferenzierungen
gibt, aber der Statusaufbau der Gesellschaft nicht in klar abgegrenzte Schichten, sondern es entstehen Überlappungen, unterteilt ist (vgl. Burzan, 2004, S. 57 – 59; Bolte &
Hradil, 1984, S. 220; Korte & Schäfers, 2002, S. 216).
Abbildung 9: Das Zwiebel-Modell von K. M. Bolte (1967)
Quelle: Burzan, 2004, S. 59 (nach Bolte et al., 1967, S. 316)
- 17 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Bolte et al. kommen auf die gleichen Ergebnisse, wenn sie den Anteil der Bevölkerungsgruppen, die der Unteren Unterschicht und der Sozial Verachteten angehören, wie
Moore und Kleining (1960).
2.4. Lebensstile und Milieus
Beide Modelle ordnen den Lebensstilen und Milieus bestimmte Personengruppen zu
oder fassen Typen zusammen (Burzan, 2004, S. 115). Das Verhalten ist ein Aspekt für
Lebensstilkonzepte. Mitglieder der gleichen Berufs- oder Statusgruppe gehören unterschiedlichen Milieu- und Lebensstilgruppen an. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Milieu- oder Lebensstilgruppe ist in der postindustriellen Gesellschaft meist nur temporär, sie prägt nicht mehr für das ganze Leben (Korte & Schäfers, 2002, S. 223). Die
Vielfalt der Lebensweisen nimmt immer mehr zu, aus diesem Grund muss man ca. ein
Dutzend verschiedener Lebensstil- und Milieugruppen auseinander halten.
2.4.1.
Lebensstile
„Als Lebensstil bezeichnet man typische Regelmäßigkeiten in der Gestaltung des Alltags“ (Burzan, 2004, S. 222). Der Lebensstil ist in starkem Maße vom Einkommen, vom
Vermögen und den kulturellen Bedürfnissen einer Person, einer Familie oder einer
Schicht abhängig (Reinhold et al., 1991, S. 364). Lebensstile setzen einen Schwerpunkt
auf das Verhalten eines Menschen (vgl. Burzan, 2004, S. 101).
Die heutigen soziologischen Lebensstilansätze entwickelten sich aus Lebensstilansätzen, die in der Marktforschung Anwendung fanden. Ein Mensch mit einem familienzentrierten Lebensstil wird über ein anderes Finanz- oder Zeitbudget verfügen, als ein karriereorientierter Mensch (vgl. Korte & Schäfers, 2002, S. 223). Der Anspruch der Lebensstilmodelle besteht darin, die soziale Ungleichheit differenzierter und angemessener
analysieren zu können, als wenn das nur mit den Klassen- und Schichtmodellen allein
gemacht werden würde (vgl. Burzan, 2004, S. 100).
- 18 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Ein Beispiel für ein Lebensstilkonzept ist das nach W. Georg (1998). Er überprüfte auf
empirischem Weg, welche Merkmale der sozialen Lage gegebenenfalls besonders bedeutsam für die Ausbildung von Lebensstilen sind. Die Merkmale der sozialen Lage,
die die Lebensstile am stärksten beeinflussten, waren Alter, Familienstand, Anzahl der
Kinder, Bildungsniveaus und Geschlecht. Danach folgten die Variablen Bildungsniveaus und beruflicher Status. Damit unterscheidet sich dieses Modell deutlich von
Schichtmodellen, die als wichtigstes Merkmal den beruflichen Status verwenden (vgl.
Burzan, 2004, S. 105 – 107).
Eine andere Reihenfolge der Einflussfaktoren ergab eine Untersuchung von Schneider
und Spellerberg (Schneider & Spellerberg, 1999, S. 119 – 123). Sie untersuchten wichtige Einflussfaktoren auf die Lebensstile in West- und Ostdeutschland und erfassten in
Westdeutschland die Faktoren Alter, Bildung, Einkommen und Geschlecht, und in Ostdeutschland die Einflussfaktoren Alter, Geschlecht, Bildung und Kinder im Haushalt
(vgl. Burzan, 2004, S. 108f).
2.4.2.
Die SINUS-Milieus
In der soziologischen Forschung versteht man unter Milieus die „Gesamtheit der Lebensumstände eines Individuums oder einer Gruppe“ (Reinhold et al., 2001, S. 392).
Ein bestimmtes Milieu kennzeichnet eine bestimmte Personengruppe, die gemeinsame
Werthaltungen, Einstellungen und Meinungen haben (z.B. „Rotlichtmilieu“). Hradil
versteht unter „Milieu“ eine Gruppe von Menschen, „die solche äußere Lebensbedingungen und / oder inneren Haltungen aufweisen, aus denen sich gemein-same Lebensstile herausbilden“ (Hradil, 1987, S. 165). Sie lässt den Einzelnen die jeweilige Umund Mitwelt in bestimmter Weise wahrnehmen und beurteilen (z.B. Erziehungsfragen)
(vgl. Burzan, 2004, S. 114; Korte & Schäfers, 2002, S. 222). Innerhalb von sozialen
Schichten gibt es oft mehrere Milieus nebeneinander, die sich durch ihre Werte und
Mentalitäten unterscheiden.
Im Auftrag des SINUS-Institutes versuchten U. Becker und H. Novak (1985) die Lebenswelten über subjektive Lebenslagen und Lebensstile zu erfassen. Die Untersuchung
- 19 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
ist eng an die Interessen des Marktforschungsinstitutes geknüpft, indem sie die jeweilige Käuferschicht, auf die die Produzenten ihre Werbung abstimmen können, genau beschreibt (vgl. Burzan, 2004, S. 116f).
Abbildung 10: Die SINUS-Milieus
Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2006
Quelle: http://www.sinus-sociovision.de/
Diese „Kartoffel-Grafiken“ sind vertikal nach sozialer Lage in Schichten, basierend auf
die Einflussfaktoren Bildung, Beruf und Einkommen. Horizontal sind sie nach der
Grundorientierung von traditionell bis postmodern angeordnet. In der Unteren Mittelschicht bzw. Unterschicht sind drei SINUS-Milieus angeordnet:
Die Traditionsverwurzelten (14%) verstehen sich als Bewahrer traditioneller Werte, wie
z. B. Pflichterfüllung und Disziplin, und sind im fließenden Übergang in die Mittlere
Mittelschicht. Angehörige dieses Milieus sind meist ältere Personen, die ihre Wurzeln
im Kleinbürgertum oder in der traditionellen Arbeiterkultur haben.
Die Konsum-Materialisten machen 11% der Gesamtbevölkerung aus. Sie verfügen über
beschränkte finanzielle Möglichkeiten, möchten aber als „normale Durchschnittsbürger“
gelten und zeigen daher ein ausgeprägtes Konsumverhalten. Gemeinsamkeiten dieser
- 20 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Milieuangehörigen dieser Gruppe sind meist geringe Schulbildung, mangelnde Ausbildung und die dadurch häufig bedingte Arbeitslosigkeit.
Die Hedonisten (11%) sind Angehörige der sogenannten „Spaßgesellschaft“. Sie sind
meist Jugendliche, gehören der unteren Mittel- bis Unterschicht an, verweigern einerseits die Anforderungen der Leistungsgesellschaft, andererseits träumen sie von einem
geordneten Leben mit Familie und geregeltem Einkommen. Angehörige dieses Milieus
sind meist unter 30 Jahre, verfügen über eine einfache bis mittlere Ausbildung (z.B.
einfache Angestellte oder Arbeiter) und sind oft ohne abgeschlossene Berufsausbildung
(z.B Schüler oder Lehrlinge) (vgl. SINUS SOCIOVISION, 2006).
2.4.3.
Klassen und Lebensstile in einem Modell: Der soziale Raum bei Bourdieu (1930 – 2002)
Wenn Pierre Bourdieu von Kapital schreibt, so berücksichtigt er nicht nur das ökonomische Kapital, sondern er erweitert diesen Begriff des Kapitals um zwei weitere Begriffe:
Das kulturelle und das soziale Kapital. Er führt den Begriff „des Kapitals in allen seinen
Erscheinungsformen“ (Bourdieu, 1983, S. 184) ein. Das Kapital (Bourdieu, 1983) setzt
sich im Einzelnen aus folgenden Arten zusammen:
Das kulturelle Kapital. Es kann in folgenden drei Formen existieren:
Das inkorporierte (verinnerlichte) Kapital meint Bildung und Wissen, das sich eine Person im Zuge des Bildungserwerbes aneignet. Wissensaneignung kostet Zeit, wird zum
verinnerlichten Kapital und kann zum Unterschied zu Geld oder Besitz kurzfristig nicht
weitergegeben werden. Für Bourdieu ist es wichtig, dass zur Dauer des Bildungserwerbes nicht nur die Dauer des Schulbesuches, sondern auch die Primärerziehung in der
Familie mit berücksichtigt werden muss.
Wie viel Zeit wird in die Erziehung des Kindes investiert? Diese Investition in das verinnerlichte Kapital kann entweder ein positiver Wert (das Kind hat Zeit bzw. einen Vorsprung in Bezug auf die schulischen Erfordernissen gewonnen), oder als doppelt verlorene Zeit (denn zur Korrektur der negativen Folgen muss Zeit aufgewendet werden) ein
- 21 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
negativer Wert sein. Die Aneignung dieses „verkörperlichten Kulturkapitals“ (Bourdieu,
1983, S. 187) prägt eine Person und hinterlassen Spuren, wie z.B. eine bestimmte
Sprechweise.
„Das objektivierte Kulturkapital hat eine Reihe von Eigenschaften, die sich nur durch
seine Beziehung zum inkorporierten, verinnerlichten Kulturkapital bestimmen lassen“
(Bourdieu, 1983, S. 188) Objektiviertes Kulturkapital hat die Form von kulturellen Gütern und ist materiell übertragbar (z.B. Schriften, Gemälde, Instrumente). Diese Güter
lassen sich mit Hilfe des ökonomischen Kapitals käuflich aneignen, oder sie können
auch symbolisch angeeignet werden, was verinnerlichtes Kapital voraussetzt.
Institutionalisiertes Kulturkapital bezeichnet die Objektivierung von inkorporiertem
Kapital in Form von Titeln. „Der schulische Titel ist ein Zeugnis für kulturelle Kompetenz, das seinen Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen
Wert überträgt“ (Bourdieu, 1983, S. 190). Schulische Titel sichern eine gewisse Übertragbarkeit in ökonomisches Kapital, die sich im Zeitverlauf ändern können (z.B. Bildungsexpansion und die daraus resultierende Titelinflation).
Die zweite Form des Kapitals ist das ökonomische Kapital. Es ist unmittelbar und direkt in Geld umwandelbar und ist objektiv als Eigentum und Besitz von Außenstehenden erkennbar (vgl. Bourdieu, 1983, S. 185).
Die dritte Form ist das soziale Kapital. Damit meint Bourdieu Ressourcen, die auf die
Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen (z.B. Mitglieder von Verbänden, politischen
Gruppierungen, Absolventen von Eliteschulen), man hat ein Netzwerk von Beziehungen, die den einzelnen Mitgliedern Sicherheit und „Kreditwürdigkeit“ verleihen. Der
Umfang des Sozialkapitals hängt vom Auf- und Ausbau seines Netzwerkes von Beziehungen ab. Diese Beziehungsarbeit hängt erheblich davon ab, wie viel es sich jemand
leisten kann, Zeit und Geld zu investieren (vgl. Bourdieu, 1983, S. 190 - 193).
Um die Position einer Person im sozialen Raum bestimmen zu können, muss das Kapitalvolumen in allen seinen drei Formen und die Kapitalstruktur, d. h. das Verhältnis der
- 22 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Kapitalarten, bestimmt werden. Es ergeben sich somit drei Hauptklassen: Die herrschende Klasse, die Mittelklasse und die Volksklasse. Die Volksklasse ist die Gruppe
der Beherrschten und setzt sich aus der Gruppe der Arbeiter und der sich im untersten
Bereich befindlichen angelernten Arbeiter, Hilfsarbeiter und Landarbeiter zusammen
(Burzan, 2004, S. 140 – 142).
2.5. Die sozialen Lagen
Hradil definiert soziale Lagen als „typische Kontexte von Handlungsbedingungen, die
vergleichsweise gute oder schlechte Chancen zur Befriedigung allgemein anerkannter
Bedürfnisse gewähren“ (Hradil, 1987, S. 153). Das Konzept der sozialen Lagen hat das
Ziel, ein Modell zu entwickeln, das die für alle Gesellschaftsmitglieder (z.B. auch für
berufslose Hausfrauen) relevanten Merkmale berücksichtigt (vgl. Burzan, 2004, S. 153).
Hradil weist auch darauf hin, dass sich durch die Abgrenzung der einzelnen Lagen
zwangsläufig Doppelmitgliedschaften oder Zwischenstellungen ergeben (z.B. Wohin
gehört ein Landwirt, der seine Produkte selber vermarktet?). Indem er „primäre“ Lebensbedingungen und die “zulässige“ Kombination „sekundärer“ Lebensbedingungen
genau abgrenzt, besteht die Möglichkeit, „nach entsprechenden Operationalisierungen
genaue Aussagen über den Umfang der einzelnen sozialen Lagen zu machen (Hradil,
1987, S. 157). Lagen bilden die „objektiven“ Lebensbedingungen ab und sind nicht
notwendigerweise hierarchisch übereinander angeordnet (Burzan, 2004, S. 154). R.
Habich und H. – H. Noll schreiben im Kapitel „Soziale Schichtung und soziale Lagen“
des Datenreports 2004:
„Begriffe wie soziale Schichtung, Klassenlagen oder soziale Lagen beziehen sich
auf die vertikale Gliederung der Gesellschaft und auf die Position von Personen in
einer Statushierarchie. […] Begriffe wie „soziale Lagen“ nehmen […] auch auf sogenannte neue soziale Ungleichheiten Bezug,….In Dimensionen „neuer“ sozialer
Ungleichheiten treten neben objektiven Merkmalen der Benachteiligung auch subjektive Merkmale in den Mittelpunkt der Betrachtung.“ (Habich & Noll, 2005, S.
603)
- 23 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Abbildung 11: Soziale Lagen nach Habich & Noll
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2005
Abbildung 11 präsentiert ein Gesamtbild der Bundesrepublik Deutschland, das einzelne
Elemente der sozialen Schichtung aufnimmt. Dieses Modell der sozialen Schichtung
unterscheidet nach dem Erwerbsstatus, Geschlecht, West- und Ostdeutschland und dem
Alter. Die Ungleichheit in objektiven Lebensbedingungen, die mit der Zugehörigkeit zu
den sozialen Lagen verbunden ist, äußert sich z. B. in Einkommensunterschieden und
des damit verbundenen Lebensstandards. In der Gesamtbevölkerung Deutschlands identifizieren Habich & Noll (2005, S. 607) zwei Gruppen, die an materieller Unterversorgung leiden: Vor allem Pensionisten und Angehörige der unteren Berufsgruppen.
Der Anteil bei un- und angelernten Arbeitern, die „sich nichts mehr leisten können“,
steigt in Westdeutschland bis auf 25%. Die sozialen Lagen vergleichen die Autoren
nicht nur mit objektiven Indikatoren („Pro Kopf Haushaltseinkommen“, „Unterversorgung – Lebensstandard“ und Finanzielle Situation des Haushaltes hat sich im letzten
Jahr verbessert / verschlechtert“), sondern auch das subjektive Merkmal „Wohlbefinden“, das die Autoren empirisch mit den Indikatoren „Zufriedenheit mit dem Einkommen, Lebensstandard und Leben“ und „Gesellschaft lebt im Wohlstand – ja / nein“ er-
- 24 -
Kapitel 2: Die Sozialstruktur der Gesellschaft
mitteln, wird zwischen den einzelnen subjektiven Lagen in Ost- und Westdeutschland
verglichen (Habich & Noll, 2005, S. 607f).
- 25 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
3. Das Konstrukt der „Sozialen Ungleichheit“
Ziel dieses Kapitels ist die nähere Beschreibung des Konstruktes der „Sozialen Ungleichheit“. Im Anschluss an die Definition werden mögliche Ursachen für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung beschrieben. Verschiedene
Modelle und Theorien der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem werden dabei zur
Erklärung herangezogen. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf die
Schulleistungen.
3.1. Die Definition sozialer Ungleichheit
Seit Beginn der 60er Jahre war das Thema Bildung und soziale Ungleichheit eines der
dominanten Themen der fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion. Bildungspolitische Bemühungen waren um die Herstellung der Chancengleichheit bemüht
(vgl. Ditton, 1992, S. 7).
Für Kreckel (1992, S. 17) kommt soziale Ungleichheit überall dort vor,
„wo die Möglichkeiten des Zuganges zu allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und /oder zu sozialen Positionen, die mit ungleichen
Macht- und/oder Interaktionsmöglichkeiten ausgestattet sind, dauerhaft Einschränkungen erfahren und dadurch die Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen oder Gesellschaften beeinträchtigt bzw. begünstigt werden.“
Die soziale Ungleichheit wird als ein strukturelles, gesellschaftliches Phänomen aufgefasst. Kreckel versteht darunter „langfristig wirksame, die Lebenschancen ganzer Generationen prägende Ungleichheitsverhältnisse“ (1992, S. 19). Dabei unterscheidet er die
vier Dimensionen: Reichtum, Wissen, Organisation und Assoziation und ordnet ihnen
als „Währungen sozialer Ungleichheit„ die institutionalisierten Tauschmittel Geld,
Zeugnis, Rang und Zugehörigkeit zu (vgl. ebd., S. 78ff).
Kreckel unterscheidet zwei Aggregatzustände sozialer Ungleichheit: Die asymmetrischen Beziehungen zwischen Menschen und die ungleiche Verteilung von Gütern. Die
ungleiche Verteilung von Gütern, ein distributiver Aspekt sozialer Ungleichheit, lässt
- 26 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
sich nach Kreckel in eine „Wissens-Dimension“ und eine „Reichtums-Dimension“
unterscheiden. Er versteht unter Wissens-Dimension die Zugangschancen zur primär
symbolischen Kultur, d. h. die Zugangschancen zu Bildungseinrichtungen und damit
das Erwerben von Abschlusszertifikaten und Titeln.
Die Reichtums-Dimension beinhaltet die Zugangschancen zu primär materiellen Produkten. Eine weitere Dimension, die für die Entstehung und Reproduktion sozialer Ungleichheit eine wichtige Rolle spielt, ist die asymmetrische Beziehung zwischen den
Menschen. Hier unterscheidet Kreckel zwischen „hierarchischer Organisation“, d. h.
welchen Rang nimmt ein Mensch innerhalb einer bestimmten Gesellschaft ein, und „selektiver Assoziation“. Unter selektiver Assoziation versteht Kreckel die „symmetrischen
Beziehungen zwischen Gleichen, die für andere Ausschlusscharakter haben, bzw. die
Integrierten begünstigen“ (Löw, 2003., S. 60).
Martina Löw unterscheidet neben diesen oben erwähnten vier Dimensionen der sozialen
Ungleichheit zusätzlich die zwei Kategorien Klasse (Schicht, Milieu, Lebensstile,…)
und Geschlecht. Diese zwei Kategorien werden auch „Strukturkategorien“ genannt, weil
sie jede Handlung durchziehen und „gleichzeitig als Ordnungsmuster des Gesellschaftlichen fungieren“ (ebd., S. 60). Die Soziologie untersucht die geschlechtsspezifische
Differenz als soziale Konstruktion und sieht die Geschlechterdifferenz als ein „Kategorisierungsprinzip und ein Muster der Vergesellschaftung“ (ebd., S. 65). Sie begreift die
zwei Kategorien Mann und Frau als soziale Konstruktionen (vgl. ebd., S, 65).
- 27 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
3.2. Theorien und Modelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
3.2.1.
Effekte familialer Sozialisation von Pierre Bourdieu
Erklärungsansätze für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung finden sich bei Pierre Bourdieu (1983). Er führte den Begriff „des Kapitals in allen
seinen Erscheinungsformen“ (Bourdieu, 1983, S. 184) ein. Im Kapitel 2.4.3. wurden das
kulturelle, das ökonomische und das soziale Kapital bereits ausführlich beschrieben.
Alle drei Erscheinungsformen sind voneinander abhängig und lassen sich mit mehr oder
weniger großem Aufwand an Tranformationsarbeit in das jeweils andere Kapital umwandeln. Das kulturelle Kapital, im Besonderen das inkorporierte Kapital, wird in der
Familie weitergegeben. Wie viel Zeit in die Erziehung eines Kindes investiert werden
kann, hängt von der nutzbaren Zeit in der Familie, besonders von der Zeit der Mutter,
ab. Je mehr ökonomisches Kapital zur Verfügung steht, desto mehr Zeit kann positiv in
die Weitergabe des Kulturkapitals investiert werden. Der so ermöglichte spätere Eintritt
in das Berufsleben erlaubt den Erwerb von schulischer Bildung und Ausbildung.
Kann aus ökonomischen Gründen wenig Zeit in die Erziehung des Kindes investiert
werden, so ergibt sich ein negativer Wert (vgl. Bourdieu, 1983, S. 196f). Dieser negative Wert wirkt sich in zweifacher Hinsicht aus: Zuerst hat das Kind bereits bei Schulbeginn einen Nachteil in Bezug auf die schulischen Erfordernisse. Zur Korrektur dieser
negativen Folgen ist doppelt so viel Zeit erforderlich, bis es ein Kind mit positivem Investitionswert „eingeholt“ hat.
Steht am Ende der Pflichtschulzeit wenig ökonomisches Kapital zur Verfügung, so wird
ein möglichst baldiger Eintritt in den Arbeitsmarkt stattfinden. Bedingt durch die eher
kurze Ausbildungszeit, wird dieser in niedrig qualifizierten Berufen, mit niedrigem Einkommen (= ökonomisches Kapital) stattfinden!
Bourdieu (1983) stellt fest, dass die investierte Menge an Bildungskapital sich objektiv
an den erworbenen Bildungszertifikaten feststellen lässt. Abschlüsse, Diplome und aka-
- 28 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
demische Titel sind objektive Zeichen inkorporierten Kapitals und garantieren dem Besitzer einen Anspruch auf eine bestimmte Position (vgl dazu Krais, 1983). Der Erwerb
von „titres scolaires“ ist aber meist nur möglich, wenn jemand über ökonomisches Kapital verfügt. Fehlende Bildungszertifikate verschließen aber den Zugang zu begehrten
Berufspositionen und damit die Möglichkeit zum Erwerb von ökonomischem Kapital
(Krais, 1983, S. 212).
„Kapitalbesitz, auch an kulturellem und sozialem Kapital, wird in erster Linie vererbt,
und erst in zweiter Linie geht es um seine Erhaltung und Vermehrung mit Hilfe weiterer
Investitionen“ (Krais, 1983, S. 215). Vererbt wird der klassenspezifisch variierende kulturelle Habitus, über den Handlungen erklärt werden. „Handlungs- und Reproduktionsstrategien sind abhängig vom verfügbarem Kapital und der Zusammensetzung dieses
Kapitals“ (Ditton, 1992, S. 20).
Bourdieu (1977; Giroux 1983; zit. nach Böttcher, 1985, S. 108) erklärt die Effekte familialer Sozialisation damit, dass in der Familie „eine Matrix für Wahrnehmungen, Wertschätzungen und Handlungen“ angelegt wird. Diese Einstellungen und Verhaltensweisen erweisen sich als relativ stabil, auch wenn sich die objektiven Bedingungen bereits
geändert haben.
3.2.2.
Erklärungsmodell der Entwicklung ungleicher Bildungschancen von Raymond Boudon
Einen anderen Ansatz als die schichtspezifisch orientierten Erziehungssoziologen
Parson und Bourdieu verfolgt Boudon. In seinem erziehungssoziologischen Hauptwerk
L´inégalité des Chances (1973) bzw. Education, Opportunity, and Social Inequality
(1974) gelingt es ihm zu zeigen, dass „die leistungsunabhängigen Faktoren im Prozess
der Entwicklung von Bildungsungleichheit eine bedeutendere Rolle spielen als die leistungsabhängigen“ (Böttcher, 1985, S. 205). Grundlegend für sein Modell zur Erklärung
der Entwicklung ungleicher Bildungschancen (inequality of educational opportunity,
IEO) ist die Unterscheidung von primärem und sekundärem Sozialisationseffekt. Für
Boudon setzt sich die Ungleichheit der Bildungschancen aus einem Zweikomponenten-
- 29 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
prozess zusammen: „Die erste Komponente bilden kulturelle Effekte der sozialen
Schichtung (primärer Effekt). Die zweite Komponente ergibt sich aus der Stellung innerhalb des Schichtungssystems (sekundärer Effekt)“ (Ditton, 1992, S. 19, vgl. dazu
Becker & Lauterbach, 2004, S. 11f; Becker, 2004, S. 168; Blossfeld & Shavit, 1993, S.
26f; Diefenbach & Nauck, 1997).
„Der primäre Sozialisationseffekt bezeichnet den Zusammenhang zwischen schulischer
Leistung bzw. dem Alter, mit dem bestimmte Schulstufen erreicht werden und der sozialen Herkunft“ (Böttcher, 1985, S. 207). Er stellt, wie z.B. Bourdieu, einen Einfluss
des sozio-ökonomischen Hintergrundes und des schulischen Erfolges fest. Boudon bezeichnet die positive Korrelation zwischen Herkunftsniveau und schulischem Erfolg als
„primären Schichtungseffekt“ (vgl. Böttcher, 1985, S. 209).
Neu in seinem Modell ist, dass Boudon zu zeigen versucht, dass diese primären Sozialisationseffekte eher sekundär sind. Boudon führt den Begriff der „sekundären Schichteffekte“ ein. Dieser sekundäre Schichteffekt stellt einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Wahlen der Schüler/innen hinsichtlich der Bildungskarrieren her (vgl. Böttcher, 1985, S. 207). Diese Wahlen erfolgen schichtspezifisch. Sein Erklärungsmodell
basiert auf der von Keller und Zavalloni 1964 formulierten „Theorie der sozialen Distanz“.
Aus dieser Theorie folgt, dass „die Wahl der Alternative a für das Kind privilegierter
Familien nicht nur geringere Kosten sondern auch größere Vorteile mit sich bringt, als
für das Kind aus unterprivilegierter Herkunftsfamilie“ (Böttcher, 1985, S. 209). Anders
ausgedrückt: Je größer die soziale Distanz zwischen dem angestrebten Bildungs- und
Sozialstatus zum Status seiner oder ihrer Herkunftsfamilie ist, desto mehr Kosten müssen investiert werden. Weil die Relation zwischen dem zu erbringenden Aufwand und
dem zu erwartenden Nutzen schichtspezifisch variiert, variieren auch die Wahlen der
Bildungskarrieren schichtspezifisch (vgl. dazu Ditton, 1995).
Diefenbach und Nauck (1997) erklären unter Verwendung des Modells von Boudon das
Bildungsverhalten von Migrant/innen. Die systematische Benachteiligung von Migran-
- 30 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
tenfamilien in Deutschland erklären sie dadurch, dass „die Elterngeneration ihr institutionalisiertes kulturelles Kapital nicht in der Aufnahmegesellschaft erworben hat und
deshalb die intergenerationale Transmission von institutionalisiertem kulturellem Kapital […] in weit schwächerem Maße erfolgt als in nicht gewanderten Familien“ (Diefenbach & Nauck, S. 286). James Coleman S. weist auf den Zusammenhang „zwischen
geographischer Mobilität und dem Verlust sozialen Kapitals“ (Coleman, 1988; 1991;
zit. nach Diefenbach & Nauck, S. 286) hin.
3.2.3.
Die Sozialisationstheorie von Talcott Parson
Eine Theorie der Bildungsungleichheit, die ihre Wurzeln in individueller Befähigung
hat, stellt Talcott Parson auf. Der Amerikaner veröffentlichte 1959 den Aufsatz „Die
Schulklasse als soziales System“ (Böttcher, 1985, S. 82). Parson untersuchte amerikanische Grundschulen und entwickelt auf Basis dieser Daten ein Kausalmodell der Erziehung. Er stellt einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und der
geäußerten Absicht, ein College besuchen zu wollen, „sowie zwischen Befähigung (gemessen als IQ) und dieser Absicht“ (Böttcher, 1985, S. 88) her.
Die abhängige Variable bei dieser Korrelation ist nicht die Schulleistung, sondern die
Handlungsabsicht. Böttcher (1985) kritisiert, dass Parson im Zusammenhang mit dem
Datenmaterial eine direkte Beziehung zwischen sozio-ökonomischer Herkunft und
Schulleistung ausschließt. Für Parson setzt sich die Leistung in einer Schulklasse aus
zwei Komponenten zusammen. „Die erste Komponente bezieht sich auf ´kognitive´, die
zweite auf ´moralische´ Aspekte“ (Parson, 1959, S. 162f, 170ff; zit. nach Böttcher,
1985, S. 99). Für Böttcher bedeutet das, dass Parson davon ausgeht, dass schulische
Leistung primär eine Folge schulischer Sozialisationsprozesse ist: Erfolgreiche Schüler/innen haben gelernt, sich dem / der Lehrer/in gegenüber „richtig“ zu verhalten und
erkennt die Dominanz der Erwachsenen an. Erfolglose Schüler/innen dagegen klammern sich an ihre Peergroup.
- 31 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
Abbildung 12: Das Kausalmodell der Erziehung von Parson
r=0
r =0
Soziale Herkunft
r =1
Begabung
r =1
Schulerfolg
beruflicher
Erfolg
r=0
Quelle: Böttcher, 1985, S. 102
Das Kausalmodell der Erziehung (vgl. Abbildung 12) lässt leicht erkennen, dass Parson
keinen Zusammenhang zwischen den Determinanten „Soziale Herkunft“ und „Schulerfolg“, bzw. zwischen „Soziale Herkunft“ und den „beruflichen Erfolg“ herstellt.
Parson stellt fest, dass schulische Karrieren letztlich ein Resultat von individuellen
Handlungen sind:
„Diese Handlungen, Wahlentscheidungen der Kinder bzw. deren Eltern hinsichtlich des
Einschlagens bestimmter Bildungskarrieren, sind zwar sowohl abhängig von familialen
Sozialisationsprozessen wie von schulischer Sozialisation und Selektion (…); sie sind
jedoch logisch das entscheidende Glied in einer Erklärungskette der Entwicklung individueller Bildungschancen“ (Böttcher, 1985, S. 103).
- 32 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
3.2.4.
Theorien zur Erklärung der Auswirkungen eines
niedrigen sozioökonomischen Hintergrunds
Lütkens stellt 1959 in seiner Veröffentlichung „Die Schule als Mittelklasseinstitution“
fest, dass die Schule einen Habitus verlangt, wie er im Normalfall in Mittelschichtfamilien ausgebildet wird (vgl. Baumert et al., unbekannt, S. 40). Beim Eintritt in die Schule
wird bereits eine bestimmte Arbeitshaltung vorausgesetzt, wie sie im Besonderen in der
Mittelschicht durch die Erziehung vermittelt wird.
Ein Bericht der OECD (1985) vergleicht das Bildungssystem als „difficult obstacle
race“, „in das privilegierte Kinder mit entsprechendem kulturellem Kapital mit Vorteilen eintreten und von dem sie mehr profitieren“ (Ditton, 1995, S. 112, vgl. dazu Becker,
2004). Meijnen (1987) kann in einer Langzeitstudie mit 700 Schüler/innen in den Niederlanden nachweisen, dass es Kindern aus höheren Schichten im Verlauf ihrer Schulzeit gelingt, ihren Startvorsprung in einen zunehmend größer werdenden Leistungsvorsprung umzusetzen. Diese Studie bestätigt, dass die Schule eher die unterschiedlichen
Startbedingungen der Kinder noch verstärkt. Meijnen stellt fest, dass die Schulleistungen von Kindern aus untereren Schichten stärker von Form und Inhalt der Curriculums
beeinflusst werden, als dies bei Kindern aus oberen Schichten der Fall ist (vgl. Ditton,
1995, S. 112).
„Es ist eine Frage der Gestaltung von Schule und Unterricht, ob Differenzen vergrößert
oder relativiert werden“ (Ditton, 1995, S. 113). Ditton bringt noch einen weiteren Aspekt der Bevorzugung von Schüler/innen oberer Sozialgruppen ein: Den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Leistungsbewertung in Schulklassen. In Schulklassen mit großer Streuung an sozialer Herkunft tritt folgendes Phänomen ein:
„Bezogen auf ihren Leistungsstand werden Schüler der unteren Sozialgruppe viel zu
schlecht und Schüler der mittleren, besonders aber der oberen Sozialgruppe viel zu gut
benotet“ (Ditton, 1995, S. 113).
Lehrerinnen und Lehrer weisen in solchen Klassen ein reduziertes Engagement auf und
sehen es auch als nicht wichtig, ihren Schülerinnen und Schülern Selbstvertrauen zu
- 33 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
entwickeln. Solche Erkenntnisse lassen erkennen, dass Schüler/innnen aus sozial benachteiligten Familien in solchen Klassen doppelt benachteiligt werden (vgl. Ditton,
1995, S. 114). Ditton (1995) untersucht den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungserwartungen und differenziert das Bildungsverhalten der Beschäftigungsgruppen
innerhalb der sozialen Lagen. Ein auffallendes Ergebnis ist die durchgängig reduzierte
Bildungsteilhabe der Arbeiter und Landwirte. Bei den Arbeitern muss jedoch zwischen
un-/angelernte und Facharbeiter differenziert werden, weil es hier deutliche Unterschiede zwischen diesen Gruppen gibt (vgl. Ditton, 1995, S. 206f).
Zusätzlich zur reduzierten Bildungsteilhabe der unteren Sozialgruppe werden hier das
Bildungsniveau der Mutter und ihre Einstellung zur Schule relevant, weil sie meist mit
der schulischen Betreuung des Kindes betraut ist. Ditton konnte mit seinen Ergebnissen
belegen, dass über alle Sozialgruppen hinweg die Bildungserfahrung der Eltern von
großer Bedeutung ist. „Die Erfahrungen im Bildungssystem, die Verarbeitung der
Schulzeit und der erreichte Erfolg oder Misserfolg haben eine langfristige Wirkung“
(Ditton, 1995, S. 209).
Meulemann (1985) untersuchte in den 70igern die Zusammenhänge zwischen sozialer
Position und Schullaufbahn. Die Ergebnisse seiner multivariaten Analyse zum primären
und sekundären Effekt nach Boudon ergeben, dass im vierten Schuljahr die soziale
Position des Elternhauses „nicht nur die Schullaufbahn des Schülers, sondern auch die
Leistungen des Schülers“ (ebd., S. 87) und die schulischen Kriterien die Schullaufbahn
beeinflussen. Im Sekundarbereich beeinflusst der sozioökonomische Hintergrund nicht
mehr die Fähigkeiten und Leistungen eines/r Schüler/in, aber die Wahl der Schullaufbahn (vgl. ebd., S. 87). Kinder aus Elternhäusern niederer sozialer Positionen erfahren
häufig einen geringeren Anregungsgehalt und Förderung, die sich indirekt auf die
Schullaufbahn über die Vermittlung von Leistungen des Schülers oder der Schülerin
niederschlagen (vgl. ebd., S. 89)
- 34 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
3.2.5.
Modelle der Schulleistung und ihrer Determinanten
Die Autoren Helmke und Weinert (1997) weisen darauf hin, dass Metaanalysen betreffend die Analysen der schulischen Leistungen und ihrer Determinanten im Durchschnitt
schwache bis sehr schwache Zusammenhänge ergeben (vgl. Helmke & Weinert, 1997,
S. 73). Probleme für die empirische Forschung und für die theoretische Interpretation
der Befunde treten dann auf, wenn zwischen den Einflussfaktoren, Indikatorvariablen
und anderen Merkmalen unterschieden werden muss (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S.
74). Die Problematik besteht auch darin, dass es zu einfach wäre, in den Schulleistungen die abhängigen Variablen und in den Schulleistungsdeterminanten die unabhängigen Variablen, wie z.B. Kognitive Kompetenzen der Schüler/innen, Klassenführung
durch den Lehrer, oder Herkunft der Schüler/innen (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S.
76) zu sehen.
„Die Tatsache und die Wahrnehmung von Leistungen und Leistungsfortschritten wirken
vielmehr auf viele kognitive, motivationale und soziale Einflussfaktoren zurück, so daß
reziproke Effekte im Verhältnis zwischen Determinanten und Kriterien der Schulleistung nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind“ (Helmke & Weinert, 1997, S. 76).
Verschiedene Schulleistungsmodelle wie z. B. das Modell des schulischen Lernens nach
Caroll (1963), Blooms Modell des schulischen Lernens (1976), das Determinationsmodell der Schulleistung nach Harnishfeger und Wiley (1977) oder das Lernmodell von
Glaser (1980) haben sich empirisch dürftig bewährt. Als ein Beispiel erwähnen Helmke
und Weinert die Untersuchung von Parkerson et al. (1984, vgl. Helmke & Weinert,
1997, S. 84). Die Autoren berücksichtigten in ihrer Untersuchung die häusliche und
schulische Umwelt der 10- bis 15jährigen. Fast alle berücksichtigten Determinanten
erwiesen einen positiven, aber relativ schwachen Einfluss auf die Schulleistung, nur
„der Fähigkeitsfaktor hatte einen starken Einfluß auf die Schulleistungen „ (Parkerson et
al., 1984, S. 645; zit. nach Helmke & Weinert, 1997, S. 84).
- 35 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
Abbildung 13: Komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten (Helmke & Weinert)
Schulorganisation und Klassenzusammensetzung
Persönlichkeit und Expertise des Lehrers; Prozessmerkmale des
Unterrrichts und Lehrer – Schüler - Interaktion
Genotyp
der Eltern
Genotyp
des Kindes
Persönlichkeit der
Eltern
Eltern als
Erzieher:
Erwartungen,
Erklärungen
Sanktionen
Unterstützung
Förderung
Vertrauen
Persönlichkeit des
Kindes:
Kognitive,
konative und
affektive
Merkmale
Schulische
Leistung
Status- und Strukturmerkmale der Familie
Schicht, Familienkonstellation, Familiengröße sowie soziodemografische Charakteristika
Andere Sozialisationsinstanzen: Gleichaltrige, Medien
Historische, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Quelle: Helmke & Weinert, 1997, S. 86
Ein komplexes Schema der Schulleistungsdeterminanten beschreiben die Autoren
Helmke und Weinert (1997). Die Abbildung 13 zeigt einen Überblick über den komplexen Zusammenhang zwischen den individuellen, schulischen und familiären Schulleistungsdeterminanten. Wie diese Bedingungsfaktoren miteinander zusammenhängen und
wie sie wirken, ist noch weitgehend unklar (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 139). Der
Bedingungsfaktor „Schulorganisation und Klassenzusammensetzung“ beeinflusst z. B.
die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schülern in jener Hinsicht, wie die
damit verbundenen Lernbedingungen von den Lehrerinnen und Lehrern didaktisch und
pädagogisch genutzt werden (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 91 – 96).
Die wichtigste Determinante der Schulleistungen und der Entstehung von Schulleistungsunterschieden setzt sich aus den individuellen Merkmalen des Kindes zusammen.
- 36 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
Geschlecht, Lebensalter, kognitive und konative Merkmale und die motivationalen Bedingungsfaktoren wie z.B. das Fähigkeitsselbstbild, die Prüfungsangst, Einstellung zum
Lernen und zur Schule und das Interesse sind entscheidend für die Schulleistung (vgl.
Helmke & Weinert, 1997, S. 99 – 116).
Klasseninterne Faktoren, die die schulische Leistung beeinflussen, werden von der Zusammensetzung der Schülerschaft beeinflusst. Risikofaktoren, die negativ auf den
Unterricht und die schulische Leistung wirken können, sind die multiethische und multikulturelle Variationsbreite der Schulklasse. Stammt die Schülerschaft aus niedrigem
sozioökonomischen Status, ungünstigen Milieubedingungen oder schwierigen Familienverhältnissen, so können sich diese Faktoren ebenfalls negativ bzw. belastend auf
die Lehr- und Lernbedingungen auswirken. Der große Einfluss von außerschulischen
Konflikten, die in das Klassenzimmer hereingetragen werden, darf nicht unterschätzt
werden (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 96f).
Die Status- und Strukturmerkmale der Familie beeinflussen die Persönlichkeit der Eltern, ihr Erziehungsverhalten und damit auch die Persönlichkeit des Kindes. Sie stehen
im Mittelpunkt der familiensoziologisch geprägten Sozialisationsforschung. Untersucht
werden die soziale Schichtzugehörigkeit, die Familienzusammensetzung (Familiengröße, Geschwisterposition, etc.), die Vollständigkeit der Familie und die Berufstätigkeit
der Mutter (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 119). Geißler (1994, S. 139f) macht zusätzlich noch auf den Zusammenhang von Verhaltensstörungen und Wohnmilieu (beengte Wohnverhältnisse, keinen ungestörten Raum zum Lernen), das wiederum an die
finanzielle Situation der Familien geknüpft ist, aufmerksam.
Rodax und Spitz (1978) und Steinkamp (1991) publizierten Befunde über den positiven
Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und schulischer Leistung (vgl. Helmke &
Weinert, 1997, S. 120; Geißler, 1994, S. 137f). Prozessmerkmale des Elternverhaltens,
die für die Entwicklung der Schulleistung wichtig sind, lassen sich in die vier Funktionen Stimulation, Instruktion, Motivation und Imitation unterscheiden. So ist es z. B.
entscheidend für die Entwicklung des Kindes, über welche kulturelle Ausstattung das
häusliche Umfeld verfügt, ob gemeinsame familiäre Aktivitäten stattfinden, welche Er-
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Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
wartungen in das Kind gesetzt werden, ob die schulische Tüchtigkeit eine Wertschätzung erfährt und wie es motiviert wird, neue Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen (vgl. Helmke & Weinert, 1997, S. 121 – 123).
Sauer und Gattringer (1985, zit. nach Geißler, 1994, S. 140) erhoben den Anregungsgehalt des Familienmilieus. Er „hat erheblichen Einfluss auf die Schulleistung (r = 0.48*)
und hängt mit der Schicht, gemessen am Beruf des Vaters und dem Schulabschluss beider Eltern, in der beachtlichen Stärke von r = .58* zusammen“ (Geißler, 1994, S. 140).
Mansel (1993, zit. nach Geißler, 1994, S. 140) vermittelt Einblicke in die Zusammenhänge von Soziallage (z.B. Arbeitsbedingungen des Vaters,…), familiale Sozialisation
(z.B. wenig Orientierung an den Interessen des Kindes, rigides Strafen,…) und Schulerfolg.
Weitere Schulleistungsmodelle finden sich z.B. bei den Autoren Moser et al. (1997), die
im Rahmen der TIMSS „Individuelle Determinanten der Mathematikleistung“ erheben,
oder Peter Rüesch (1998), der mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse die schulischen Bedingungen ungleicher Bildungschancen von Immigrantenkindern in der deutschsprachigen Schweiz untersucht.
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Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
Abbildung 14: Bedingungen von Schulleistungen (Baumert et al.)
Familiärer und sozialer
Hintergrund
Persönliche und biografische Merkmale
Systemischer
Kontext von
Schule
Schulische
Bedingungen
für Unterricht
und Lernen
Unterrichts
Qualität/
Schulklima
Lernaktivitäten
der
SchülerInnen
Fachliche und
überfachliche
Kompetenzen
Peer-group-Einbindung
Freizeitaktivitäten
Quelle: Baumert et al., unb., S. 8
Die Autoren Baumert, Klieme, Neubrand et al. (unb.) entwickeln anhand verschiedener
Modelle, die die Bedingungsfaktoren schulischer Leistung miteinander in Beziehung
setzen, ein eigenes Konzept. Das Ziel ihrer Untersuchung war es, im Rahmen der PISAStudie 2000 eine Erweiterungsstudie durchzuführen, um die sozialen Bedingungen von
Schulleistungen durch Schüler-, Schul- und Elternfragebögen zur erfassen.
Da die internationale Schulleistungsstudie eine Querschnittsstudie ist, mussten methodische Einschränkungen in jener Hinsicht vorgenommen werden, dass keine Variablen in
ihrem Modell enthalten sein dürfen, die auf einen weiteren Erhebungszeitpunkt angewiesen sind (vgl. ebd., S. 8).
„Für PISA hat eine internationale Expertengruppe einen theoretischen Referenzrahmen
entworfen, der sich vor allem auf die Schuleffektivitätsforschung und das darauf basierende „Bildungsproduktionsmodell“ von Scheerens (1990; vgl. dazu 1992, 1997) bezieht“ (ebd., S. 5).
- 39 -
Kapitel 3: Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem
Abbildung 14 zeigt verschiedene Felder und Variablengruppen, die Einfluss auf die
fachlichen Leistungen vermuten lassen. Diese Faktoren werden nach ihrer Nähe zum
Lernprozess der Schülerinnen und Schüler gruppiert und in Prozessvariablen, Bedingungsvariablen, Systemvariablen als individuelle Lernleistung die abhängige Variable
unterschieden.
Als Prozessvariablen werden alle Einflussfaktoren, „die mit dem Lernprozess unmittelbar verknüpft sind“ (Baumert et al., ebd., S. 6) bezeichnet. Diese Prozessvariablen versuchen alle schulischen Bedingungen für Unterricht und Lernen, die Unterrichtsqualität,
das Schul- und das Klassenklima und die Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler
zu erfassen. „Von diesen Variablen zu unterscheiden sind die Einflussfaktoren, die auf
den Unterricht und auf das Lernen wirken, ohne selbst Teil des Prozesses zu sein“
(Baumert et al., ebd., S. 6).
Baumert et al. bezeichnen sie als Bedingungsvariablen und verstehen darunter einerseits
die schulischen Bedingungen und andererseits außerschulische Bedingungen oder
Merkmale der Schülerinnen und Schüler, wie z. B. den familiären und sozialen Hintergrund, persönliche und biografische Merkmale, den Freundeskreis und die Freizeitaktivitäten. Die Auswirkung des nationalen Schulsystems und dessen sozialen und kulturellen Kontext auf die Bedingungen der einzelnen Schulen werden mit Systemvariablem
erfasst. Die erworbenen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen werden durch die
abhängige Variable „individuelle Lernleistung“ dargestellt (vgl. ebd., S. 7).
- 40 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4. Die internationale Schulleistungsstudie PISA – Ein Überblick
In diesem Abschnitt wird erklärt, was die internationale Schulleistungsstudie PISA ist,
welches Ziel diese Studie hat und was dabei gemessen werden soll. Es wird ein kurzer
Überblick über den Ablauf, das Assessmentdesign und der Internationalen PISA-Skala
am Beispiel der Mathematik-Kompetenz gegeben. Ein weiterer Abschnitt dieses Kapitels beschreibt das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA. Zum
Abschluss wird ein Überblick der wesentlichen Ergebnisse früherer Untersuchungen zu
Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund gegeben.
4.1. Grundlegendes zu PISA
4.1.1.
Entwicklung und Hintergrund
Die erste PISA (Programme for International Student Assessement) Studie wurde im
Jahr 2000 in 32 Ländern (darunter 28 OECD-Mitgliedstaaten durchgeführt. PISA wurde
ursprünglich von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung) mit dem Ziel in das Leben gerufen, zu messen, wie gut 15-/16-jährige
Schülerinnen und Schüler, die das Ende ihrer Pflichtschulzeit erreicht haben, auf die
Herausforderungen der heutigen Wissensgesellschaft vorbereitet sind (vgl. OECD,
2004, S. 20f).
Die internationale Schulleistungsstudie „ist das umfassendste und weitreichendste internationale Projekt zur Erfassung von Schülerleistungen und Daten über schülerspezifische, familiäre und institutionelle Faktoren, die zur Erklärung von Leistungsunterschieden herangezogen werden können“ (OECD, 2004, S. 20). Zur Erfassung dieser Daten
werden strenge Mechanismen der Qualitätssicherung eingesetzt, die in der Folge einen
hohen Grad an Validität und Reliabilität aufweisen. Diese hohe Qualität garantiert, dass
sich die OECD zusammen mit der UNESCO „zur weltgrößten und zuverlässigsten
Quelle von vergleichenden statistischen, ökonomischen und sozialen Daten“ (Haider &
Reiter, 2004, S. 10) entwickelte.
- 41 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Im Jahre 2003 wurde die Studie zum zweiten Mal durchgeführt. Teilgenommen haben
alle 30 OECD-Mitgliedsländer und 11 Partnerländer. In jedem Land wird eine Stichprobe zwischen 4500 und 10000 Schülerinnen und Schüler getestet, welche einer Teilnehmeranzahl von mehr als 275000 Schülerinnen und Schüler entspricht (Haider & Reiter, 2004, S. 17).
4.1.2.
Merkmale
PISA zeichnet sich durch folgende Merkmale aus (Die folgenden Absätze werden, wenn
nicht anders erwähnt, den Nationalen Berichten (Haider & Reiter, 2001; 2004) entnommen):
•
Grundbildungskonzept: PISA erfasst bei Schüler/innen die drei inhaltlichen Bereiche (Domänen) Lese-Kompetenz (reading literacy), Mathematik-Kompetenz
(mathematic
literacy)
und
Naturwissenschafts-Kompetenz
(science
literacy).Getestet werden nicht nur die Lernplaninhalte, sondern auch weitere
fächerübergreifende Kompetenzen, Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die
Bewältigung der späteren Anforderungen notwendig sind.
•
Langzeitverpflichtung: PISA ist eine Längsschnittstudie. Dadurch soll es den
teilnehmenden Ländern ermöglicht werden, im 3-jährigen Zyklus und durch
Rotation der inhaltlichen Bereiche, die Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der Lernziele zu messen. Abbildung 15 zeigt, dass bei jeder Erhebung
steht eine „Hauptdomäne“ im Mittelpunkt, im PISA 2003 war es Mathematik,
die zwei Drittel aller Testaufgaben abdeckt. Die anderen Domänen werden als
„Nebendomänen“, die ca. ein Sechstel der Testaufgaben abdecken, miterhoben.
•
Bedeutung des lebenslangen Lernens: Eine der zentralen Fragestellungen von
PISA ist, ob die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet sind. Aus diesem Grund werden sie auch nach ihren eigenen
Lernstrategien, „ihrer Lernmotivation sowie ihren „Präferenzen für bestimmte
Lernsituationen“ (Haider & Reiter, 2004, S. 13) befragt.
- 42 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Abbildung 15: Die Zyklen von PISA
Die Zyklen von PISA
Hauptdomäne
Nebendomäne
Mathematik, Naturwissenschaft
PISA 2000 Lese-Kompetenz
Lese-Kompetenz, Naturwissenschaft, ProblemPISA 2003 Mathematik
lösen
Mathematik, Lese-Kompetenz
PISA 2006 Naturwissenschaft
PISA 2009 Wie PISA 2000
Quelle: Haider & Reiter, 2004, S. 13)
•
Darüber hinaus wurden Arbeitsgruppen mit Expert/innen aus allen Teilnehmerstaaten gebildet. Ihre wissenschaftliche Kompetenz soll sicherstellen, dass „die
im Rahmen von PISA eingesetzten Instrumente zur Leistungsmessung international valide sind, und zugleich dem kulturellem und curricularem Kontext der
OECD-Mitgliedsländer Rechnung tragen“ (Haider & Reiter, 2004, S. 13). Die
Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie sollen einerseits Schulpolitiker/innen in die Lage versetzen, die Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme
mit denen anderer Staaten zu vergleichen. Andererseits sollen sie auch als Anstöße für Bildungsreformen und für Qualitätssicherung in Schulen geben.
4.1.3.
Drei Gruppen von aus PISA resultierenden Indikatoren
Der Erhebungszyklus von drei Jahren ermöglicht einen Vergleich der Leistungen in den
Teilnehmerstaaten auf Basis-, Kontext- und Trendindikatoren und damit einen Aufbau
einer systematischen Datenbasis.
•
PISA-Basisindikatoren: Diese standardisierten Indikatoren „liefern wichtige Informationen über das Wissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Schüler/innen, die den Verantwortlichen […] zur Orientierung dienen“ (Haider &
Reiter, 2001; 2004, S. 15.). Der direkte Vergleich der Ergebnisse hilft den verantwortlichen Bildungspolitikern bei der Identifizierung von Stärken und
Schwächen des jeweiligen Bildungssystems und unterstützt gezielt die Qualitätsentwicklung auf System- und Schulebene.
- 43 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
•
Kontextindikatoren: Die mit Hilfe des Schul- und Schülerfragebogen erhobenen
Kontextindikatoren ermöglichen eine Einsicht „in den Zusammenhang der Basisindikatoren mit demografischen, sozialen, ökonomischen oder allgemein pädagogischen Variablen“ (Haider & Reiter, 2001; 2004, S. 15). Indikatoren, die
die allgemeine Struktur der Bildungssysteme abbilden, werden regelmäßig von
der OECD in der Studie „Education at a Glance“ („Bildung auf einen Blick“)
veröffentlicht.
•
Trendindikatoren: Der 3-jährige Zyklus ermöglicht regelmäßig Daten für alle
Kompetenzbereiche zu erheben, die „eine Beobachtung von Entwicklungstrends
im Wissensstand und der Kompetenz von Schüler/innen erlaubt“ (Haider & Reiter, 2001; 2004, S. 15).
4.1.4.
Die Zielgruppe
Da PISA eine Längsschnittstudie ist, musste die OECD die in PISA zu untersuchende
Zielpopulation genau bestimmen. Diese Entscheidung wurde vor PISA 2000 im PISA
Governing Board (PGB) getroffen.
Die erste von vier Entscheidungen war, dass das „Wissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen von Schüler/innen in einem Altersbereich, der sich in den meisten OECDStaaten am Ende der Pflichtschulzeit befindet“ (Haider & Reiter, 2001, S. 24; 2004, S.
19), getestet werden soll. „Die Zielpopulation von PISA 2003 sind Schülerinnen und
Schüler des Altersjahrgangs 1987 ab der 7. Schulstufe. […]. Um die Vergleichbarkeit
zu erreichen, testen alle Staaten Schülerinnen und Schüler desselben Alters“ (Haider &
Reiter, 2004, S. 19). Die zweite und dritte Entscheidung war, dass als Zielpopulation die
Gruppe der 15-/16-jährigen Schülerinnen und Schüler, egal welchen Schultyp sie besuchen, gestestet werden soll. Die vierte Entscheidung betraf das Sampling-Design.
- 44 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4.1.5.
Datenerhebung
Die Auswahl der Stichprobe erfolgt zweistufig. In Österreich wird „eine durch 20 Strata
quotierte Zufallsstichprobe aus jenen rund 2500 Schulen gezogen, in denen sich zumindest ein/e Zielschüler/in […] befindet“ (Haider & Reiter, 2004, S. 20). Die Zufallsstichprobe wird aus 20 Schultypen gezogen, wobei die Volksschule (Oberstufe) auf Grund
der zu geringen Schülerzahl nicht berücksichtigt wird.
Abbildung 16: In Österreich getestete Schultypen
In Österreich getestete Schultypen
Allgemeinbildende Pflichtschulen (APS)
(1. Volksschule)
2.
Hauptschule
3.
Polytechnische Schule
4.
Sonderschule
Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS)
5.
Gymnasien
6.
Realgymnasien und wirtschaftskundliches RG
7.
Oberstufenrealgymnasium
8.
Sonstige Allgemeinbildende Schulen/ mit Statut
Berufsschulen (Berufsbildende Pflichtschulen, BS)
9.
Berufsschule (technisch-gewerblich)
10. Berufsschule (kaufmännisch/ Handel und Verkehr)
11. Berufsschule (land- und forstwirtschaftlich)
Berufsbildende Mittlere Schulen (BMS)
12. Gewerblich-technisch-kunstgewerbliche Fachschulen
13. Kaufmännische Schulen/ Handelsschulen
14. Wirtschaftlich-sozialberufliche Fachschulen
15. Land- und forstwirtschaftliche Fachschulen
Berufsbildende Höhere Schulen (BHS)
16. Technische und gewerbliche Höhere Schulen
17. Kaufmännische Höhere Schulen
18. Höhere Schulen für wirtschaftliche Berufe/ sozialberufliche Höhere Schulen
19. Land- und forstwirtschaftliche Höhere Schulen
Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung
20. Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung
Quelle: In Anlehnung an Haider & Reiter, 2001; 2004
Abbildung 16 zeigt, dass sich die 20 Strata aus den Allgemeinbildenden Pflichtschulen
(APS), Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), Berufsschulen (BS), Berufsbil-
- 45 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
dende Mittlere Schulen (BMS), Berufsbildende Höhere Schulen (BHS) und den Anstalten der Lehrer/innen und Erzieher/innenbildung zusammensetzen.
4.1.6.
Das Assessmentdesign
Für die PISA Datenerhebung kommen drei verschiedene Testinstrumente zum Einsatz.
Zur Messung von Schülerleistungen in den vier Kompetenzbereichen die Testhefte, zur
Erhebung von Kontextindikatoren auf Schülerebene ein nationaler und internationaler
Schülerfragebogen und zur Erhebung von Kontextinformationen auf Schulebene ein
nationaler und internationaler Schulfragebogen (vgl. Abb. 17).
Abbildung 17: Die Instrumente im Überblick
Die Instrumente im Überblick
Zur Messung von Schülerleistungen in den
Testhefte
13 rotierte Formen vier Kompetenzbereichen. Jedes Testheft
umfasst zwei Stunden Arbeitszeit.
Für den Einsatz in Sonderschulen. Das
Kürzerer Test für
Testheft 60
Testheft umfasst eine Stunde Arbeitszeit
Sonderschulen
(15 Minuten je Kompetenzbereich).
Zur Erhebung von Kontextvariablen auf
Schülerebene (ein internationaler Teil,
Schülerfragebogen
3 rotierte Formen
ergänzt durch drei rotierte nationale Fragebogenteile).
Zur Erhebung von Kontextvariablen auf
Schulebene (ein internationaler Teil, erSchulfragebogen
Eine Form
gänzt durch nicht rotierte nationale Fragebogenteile).
Quelle: Haider & Reiter, 2004, S. 26
Die PISA-Leistungstests sind in „Units“, bestehend aus Stimulusmaterial und mehreren
„Items“, und umfassen Multiple-Choice-Aufgaben, geschlossen konstruierte Aufgaben
und offen konstruierte Aufgaben. Die Kontextinformationen werden international mit
Hilfe von Schul- und Schülerfragebogen erhoben und durch Zusatz nationale Zusatzerhebungen ergänzt.
Der internationale Schülerfragebogen umfasste bei PISA 2003 folgende Kontextmerkmale:
- 46 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Schülercharakteristika, familiärer Hintergrund, Lernen und Unterricht in Mathematik,
Engagement der Schüler/innen in Mathematik, Schulklima und Selbst reguliertes Lernen in Mathematik. Der nationale Schülerfragebogen erfasst für Österreich folgende
Themenbereiche: Nutzung von Informationstechnologien, Lesegewohnheiten, Belastung in der Schule, Befindlichkeit und Schulerfolg und Qualität in Schulen.
Der Schulfragebogen, in denen die die Schulleitung Angaben machen soll, umfasst die
Bereiche Lage und der Schule und Gemeindegröße, Management und Finanzierung,
Unterrichtskontext, Schulressourcen, Tests und Förderung von Lernen, Schulklima und
Schulautonomie.
4.1.7.
Datenerhebung, Dateneingabe und -verarbeitung
Nach der Stichprobenziehung beginnt der Screening-Prozess. Er umfasst in Österreich
die Kontaktaufnahme mit den Schulen, die Stichprobenziehung auf Schüler/innenebene
und Kommunikation zwischen dem PISA-Zentrum in Salzburg und den Testleiter/innen. Der PISA-Haupttest fand in einem vorab definierten 6-wöchigen Zeitfenster
zwischen April und Mai 2003 in 193 Schulen statt. Um den korrekten Ablauf der PISATestsitzungen zu gewährleisten, werden externen Testadministrator/innen eingesetzt.
Vor der eigentlichen Dateneingabe vom geschulten Personal in die speziell dafür entwickelte Software KeyQuest müssen die Schülerantworten auf die offenen Fragen in den
Leistungstests auf die Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft und codiert werden
(„Marking“). Die Qualität der Daten wird durch Kontrollen während der Dateneingabe,
umfangreiche File-Cleaning-Prozeduren auf nationaler und internationaler Ebene und
verschiedene Arten von Integritätschecks gewährleistet.
4.1.8.
Die PISA-Skala zur Leistungsmessung
Da PISA eine Längsschnittstudie mit dem Ziel darstellt, international vergleichbare
Daten zu erheben, werden die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den vier
Domänen jeweils mithilfe einer PISA-Skala beurteilt. Die theoretisch nach oben und
- 47 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
unten offene Skala ist so transformiert, dass sich ein OECD-Mittelwert von 500 und
eine Standardabweichung von 100 Punkten (vgl. Haider & Reiter, 2001, S. 38; 2004, S.
31). Anders ausgedrückt bedeutet das, dass ca. 65% aller getesteten Schülerinnen und
Schüler Punkte zwischen 400 und 600 erreichen. Überdurchschnittliche Schüler/innen
liegen über 500 Punkte und unterdurchschnittliche Schüler/innen unter 500 Punkte.
Etwa 95% aller Testpersonen erreichen eine Punkteanzahl zwischen 300 und 700 Punkten, d. h. nur 5% erreichen Punkte unter 300 bzw. über 700 Punkte.
Jede PISA-Testaufgabe ist so konstruiert, dass Schüler/innen innerhalb jeder Domäne
Testaufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen lösen müssen. So ist es möglich
„die von ihnen erbrachte Leistung und sowie die Schwierigkeit jeder PISA-Testaufgabe
auf einer kontinuierlichen Skala mit aufsteigender Schwierigkeit zu veranschaulichen“
(Haider & Reiter, 2001, S. 41; 2004, S. 32f). Der erreichte Punktewert innerhalb einer
Domäne repräsentiert die höchste Schwierigkeit einer Testaufgabe, die die Testperson
mit bestimmter Wahrscheinlichkeit lösen kann.
Die Mathematik- und Lese-Kompetenz wird durch Proficiency Levels („Leistungsstufen“) dargestellt. Für PISA-2003 stellt die getestete Hauptdomäne Mathematik dar, die
in sechs Levels definiert ist. „Schüler/innen eines bestimmten Levels verfügen sowohl
über das Wissen und die Fertigkeiten, durch die dieser Level charakterisiert ist, als auch
über die Fähigkeiten niedrigerer Kompetenzstufen“ (Haider & Reiter, 2001, S. 43;
2004, S. 32). Aufgaben der Stufe sechs können z.B. nur 4% aller Schüler/innen im
OECD-Raum lösen, Aufgaben der Stufe drei können mindestens 53% und Aufgaben
der Stufe ein können mindestens 88% aller getesteten Schülerinnen und Schüler lösen
(vgl. OECD, 2004,S. 87f).
Nähere und ausführliche Informationen zur OECD/PISA-Studie 2000 und 2003 finden
sich u. a. aus internationaler Sicht in den OECD-Publikationen und aus nationaler Sicht
in den Nationalen Berichten der PISA-Studie 2000 und 2003 (Haider & Reiter, 2001;
Haider & Reiter, 2004), im Technischen Report zu PISA 2000 (Haider, 2001), im Technischen Bericht (Reiter, Lang & Haider) und in der Publikation „Die PISA-Studie“ –
Österreichs Schulsystem im internationalen Wettbewerb (Haider & Schreiner, 2006).
- 48 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4.2. Die Erfassung der sozialen Herkunft
In der Soziologie werden zur Untersuchung der Gesellschaftsstruktur und zur Darstellung von sozialen Lagen meist Messinstrumente verwendet, bei denen die Ermittlung
des sozialen Status auf Basis der beruflichen Tätigkeit oder beruflichen Stellung beruht
(vgl. Wolf, 1995, S. 103f). Die meisten dieser Skalen basieren auf der Internationalen
Standardklassifikation der Berufe (ISCO), auf deren Grundlage internationale Vergleiche möglich sind (vgl. Schimpl-Neimanns, 1998, S. 110f). Zur Ordnung der Berufsinformationen gibt es auch noch nationale Klassifikationssysteme. Im deutschsprachigen Raum sind dies vor allem die im Rahmen der amtlichen Statistik der BRD gebräuchliche Klassifizierung der Berufe (KldB) (vgl. Christoph, 2005, S. 80) und die
Berufsklassifikation von Blossfeld (Schimpl-Neimanns, 1998, S. 115).
Der Beruf, neben Bildung und Einkommen eine der zentralen Dimensionen der sozialen
Ungleichheit, wird mit Messinstrumenten, welche die soziale Position von Berufen mit
Hilfe einer kontinuierlich, hierarchisch geordneten Skala abbilden, gemessen (vgl.
Christoph, 2005, S. 80). Die meisten dieser Skalen basieren mit ihrer Vercodung der
beruflichen Tätigkeiten der Befragten auf die zwei unterschiedlichen Versionen der
International Standard Classification of Occupations ISCO 68 und ISCO 88.
Die soziale Position von Berufen wird in drei verschiedenen Ansätzen gemessen: Statusskalen, Prestigeskalen und Klassenkategorien. „Status“ wird im Rahmen der Schichtungssoziologie definiert als eine höhere oder niedrigere Position der Person in einem
hierarchisch geordneten System (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 586). Der objektive Ansatz, Status zu ermitteln, liegt in der Erfassung von z.B. Einkommen, Bildung und Beruf
(vgl. ebd., S. 587). „Hiermit wird der ´soziale Status´ zum ´sozioökonomischen Status´
(Duncan 1961)“ (Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 125). Prestigeskalen messen das
„Berufs-Prestige“.
Prestige wird definiert als „soziales Ansehen, Anerkennung bzw. Wertschätzung einer
Person, einer Gruppe oder auch einer sozialen Position“ (Reinhold et al., 1991, S. 457).
Die „Klassenlage“ definiert Max Weber als „alle Voraussetzungen, die zum Erwerb von
Einkommen bei einer bestimmten Wirtschaftsverfassung dienen. Hierzu gehören: Quali-
- 49 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
fikationen, Leistungen, Verfügungsmacht über Güter, persönliche Überzeugungen etc.“
(Reinhold et al., 1991, S. 302).
Ebenso lassen sich anhand des Skalentyps kategoriale von kontinuierlichen Skalen
unterscheiden:
Kategoriale Skalen werden durch die direkte Einordnung auf Basis theoretischer Erwägungen des Forschers erstellt. Er legt die Anzahl und die Kriterien zur Klassifikation im
Vorhinein fest. Die Klassenkategorien, die den am weitesten verbreiteten Typ kategorialer Skalen darstellen, nehmen ihren theoretischen Bezug auf Marx und Weber. Für Marx
wird die Klassenzugehörigkeit durch die Stellung im Produktionsprozess bestimmt.
Weber definiert die Klassenzugehörigkeit über die Gemeinsamkeit der Marklage und
die damit verbundenen Lebenschancen (vgl. Christoph, 2005, 81 – 83). „Der bekannteste Ansatz, der u. a. auch auf einen Klassenbegriff von Weber zurückgreift ist das Klassenschema von Erikson, Goldthorpe & Portocarero (Erikson et al. 1979, 1982; Erikson
& Goldthorpe 1992), …“ (Christoph, 2005, S. 82).
Bei den kontinuierlichen Skalen lassen sich u. a. folgende Ansätze unterscheiden: Reputationsskalierung und Indexskalierung (für die zwei weiteren Skalierungsansätze Interaktionsskalierung und Strukturskalierung vgl. dazu Christoph, 2005, S. 86). Eine Reputationsskala basiert auf der direkten Prestigeeinschätzung durch den Befragten und fällt
somit in die Kategorie einer Prestigeskala. „Reputationsskalen greifen konzeptionell auf
das Prestige als einer (neben dem Einkommen) zentraler Belohnung zurück, die mit
einer bestimmten sozialen Position verknüpft ist“ (Christoph, 2005, S. 84). Treimanns
(1977) Standard International Occupational Prestige Scale (SIOPS) ist die erste und bis
heute einzige Reputationsskala, die für internationale Vergleiche genutzt werden kann.
Harry B. G. Ganzeboom und Donald J. Treiman legten 1996 eine aktualisierte Version
vor (Ganzeboom & Treiman, 1996).
„Basis einer Indexskala ist die Feststellung, dass bestimmte Eigenschaften von Personen
mit einer hohen sozialen Position dieser Personen einhergehen und daher als Statusindikatoren dienen können (Christoph, 2005, S. 85). In der Regel werden unterschiedliche
Indikatoren verwendet, die als Belohnung bzw. als Bedingung für die Erreichung dieser
Position interpretiert werden können. Die am häufigsten für die Konstruktion einer In-
- 50 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
dexskala verwendeten Indikatoren sind Einkommen und Bildung. Ein wichtiger Aspekt
bei der Skalenbildung stellt die korrekte Gewichtung dieser Variablen dar, die bis zu
komplexen Prozeduren wie bei der International Socioeconomic Index of Occupational
Status (ISEI, Ganzeboom & Treiman, 1996) (vgl. Christoph, 2005, 85f) reicht.
4.2.1.
Berufsklassifikationen
Für Max Weber ist der Beruf „die Basis für eine dauerhafte Versorgungs- und Erwerbschance“ (vgl. Reinhold et al., 1991, S. 49). Der Beruf ist neben Einkommen und Bildung ein wichtiger Faktor, um eine bestimmte „Position“, d. h. einen bestimmen sozioökonomischen Status, in der Gesellschaft erreichen zu können. Hoffmeyer-Zlotnik und
Geis (2003) weisen darauf hin, dass in Folge der Bildungsexpansion die Statusvariablen
Einkommen und Bildung an Gewicht verloren haben.
Da sich „Beruf“ nicht einheitlich definieren lässt, ist es für internationale Vergleiche
wichtig, eine standardisierte Skala zu benützen, die die nationalen BerufsstatusHierarchien angemessen repräsentiert. Zurzeit wird für internationale Vergleiche meist
die Standardklassifikation der Berufe der „International Standard Classification of
Occupations (ISCO) verwendet (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S.126f). „Auf
der Basis des ISCO-Codes lassen sich international valide Berufsrangskalen und Kategoriensysteme bilden, mit deren Hilfe die Stellung von Personen in der sozialen Hierarchie einer Gesellschaft bestimmt werden kann“ (Baumert & Schümer, 2001, S. 327).
ISCO68 steht für „International Standard Classification of Occupations“ und wurde
1968 von der International Labour Office (ILO) herausgegeben (ILO, 1969). Die International Labor Office ist eine Organisation der Vereinten Nationen und gab 1958 zum
ersten Mal die ISCO heraus, die sie 1968 und 1988 modifizierte (vgl. Ganzeboom &
Treiman, 1996, S. 202).
Die ISCO68 unterscheidet in ihrer detailliertesten Variante 1.506 Berufe (Berufsfelder,
Occupations). Für statistische Zwecke genügt es meist, die 284 beruflichen Tätigkeiten
(Berufsgattungen, Unit-Groups) zu verwenden. Diese werden in 83 Berufsuntergruppen
- 51 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
(Minor Groups) und 8 Berufshauptgruppen (Mayor Groups) gruppiert (vgl. Christoph,
2005, S. 88).
Die ISCO-88 berücksichtigt das Bildungsniveau bereits bei der Zusammensetzung der
Berufshauptgruppen. Sie ordnet die Berufe hierarchisch an. „Auf der untersten Ebene
befindet sich die zu klassifizierende Einheit – die Tätigkeit oder job -, definiert als die
von einer Person wahrzunehmenden Aufgaben und Pflichten“ (Elias & Birch, 2000, S.
8). Alle Tätigkeiten, deren Aufgaben und Pflichten sich ähneln, werden zu Berufen zusammengefasst. Wie in Abbildung 18 dargestellt, lassen sich die 390 Berufsgattungen
in 116 Berufsuntergruppen (Minor Groups) einordnen, die sich wiederum in 28 Berufsgruppen (Submayor Groups) und 10 Berufshauptgruppen (Mayor Groups) einteilen lassen (Christoph, 2005, S. 88).
Abbildung 18: ISCO-88Gliederungsebenen mit einem Beispiel
10
Berufshauptgruppen
(Mayor Groups)
Code 9 Hilfsarbeitskräfte
28
Berufsgruppen (Submajor
Groups)
Code 91
Verkaufs- und Dienstleistungskräfte
Code 913
z. B. Haushaltshilfen,
Reinigungspersonal
116
Berufsuntergruppen (Minor Groups)
390
Berufsgattungen (Unit Groups)
Code 9132
z.B. Küchenhilfe, Zimmermädchen,…
Quelle: Christoph, 2005, eigene Bearbeitung
„Um Berufe auf verschiedenen Hierarchieebenen in relativ ähnlichen Kategorien
zusammenfassen zu können, führt die ISCO-88 das Konzept des skill ein, definiert als skill level – Grad der Komplexität der entsprechenden Aufgaben – und
skill specialisation – im Grunde das Gebiet, auf dem Kenntnisse erforderlich
sind, damit die jeweiligen Aufgaben kompetent ausgeführt werden können“
(Elias & Birch, 2000, S. 8)
Wie Abbildung 19 zeigt, verwendet die ISCO-88 vier skill levels, um die Grundstruktur
der Klassifikation auf ihrer obersten Ebene, der Hauptgruppenebene, festzulegen.
- 52 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
„Diese vier skills levels wurden zum Teil auf der Grundlage der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) operationalisiert, zum Teil auf der Basis der tätigkeitsbezogenen konventionellen Berufsausbildung, die zur Entwicklung des
skill level derjenigen Personen eingesetzt werden kann, die solche Tätigkeiten ausführen
werden“ (Elias & Birch, 2000, S. 9).
Abbildung 19: ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien
ISCO-88 skill levels und ISCED-Kategorien
ISCO skill level
Erstes skill level
ISCED Kategorien
ISCED 1 (Primarausbildung)
Zweites skill level
ISCED 2 und 3 (Sekundarausbildung)
Drittes skill level
ISCD 5 (1. Tertiärausbildung)
Viertes skill level
ISCED 6 (2. Tertiärausbildung)
Quelle: Elias & Birch, 2000, S. 10
Abbildung 20 zeigt, dass acht der zehn Berufshauptgruppen ISCO skill level zugeordnet
sind.
- 53 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Abbildung 20: Berufshauptgruppen der ISCO-88 und skill levels
Berufshauptgruppe
Angehörige gesetzgebender Körperschaften, leitende
Verwaltungsbedienstete und Führungskräfte in der Privatwirtschaft
2
Wissenschaftler
3
Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe
4
Bürokräfte, kaufmännische Angestellte
5
Dienstleistungsberufe, Verkäufer in Geschäften und auf
den Märkten
6
Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei
7
Handwerks- und verwandte Berufe
8
Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montierer
9
Hilfsarbeitskräfte
0
Soldaten
Quelle: Elias & Birch, 2000, S. 15
ISCO skill level
1
4
3
2
2
2
2
2
1
-
Fachleute für Berufsklassifikationen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union
stimmten 1990 zu, die ISCO-88 in einer modifizierten Form zur Grundlage einer länderübergreifenden Klassifikation für statistische Vergleichszwecke zu machen. ISCO88 (COM) entspricht einer regionalen Variante der EU und ist für die Anwendung auf
die Arbeitsmarkterhebung der Europäischen Union zugeschnitten (vgl. u. a. Elias &
Birch, 2000; Wallner-Paschon, 2004).
4.2.2.
Die internationale Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED)
Wie bereits schon erwähnt wurde (vgl. Abb. 19), verwendet ISCO-88 vier skill levels,
um die Grundstruktur der Klassifikation auf ihrer obersten Ebene, der Hauptgruppenebene, festzulegen. Diesen vier skills levels sind jeweils jene Kategorien der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED = International Standard
Classification of Education) zugeordnet, die die notwendigen Fähigkeiten, die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich sind, beschreiben.
Die ISCED wurde von der UNESCO in den frühen 1970igern entwickelt und zuletzt
1997 modifiziert. Ziel dieses Klassifikationsschemas war es, Bildungsstatistiken inter-
- 54 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
national vergleichbarer zu machen. Es beinhaltet zwei Komponenten: Zum einen beinhalte die ISCED einen statistischen Rahmen, um wichtige Informationen von nationalen Bildungssystemen für Bildungsverantwortliche international vergleichbar zu machen. Zum anderen eine Methodik, die nationale Bildungsprogramme in international
vergleichbare Kategorien von Ausbildungsbereichen und Bildungsgänge übersetzt
(UNESCO, 2006, S. 10).
Die Internationale Standard Klassifikation des Bildungswesens (ISCED-97) unterscheidet sechs Bildungsbereiche (vgl. Abb. 21):
•
Elementarbereich (ISCED 0),
•
Primarbereich (ISCED 1),
•
Sekundarbereich I (ISCED 2),
•
Sekundarbereich II (ISCED 3),
•
Post-sekundarer, nicht tertiärer Bereich (ISCED 4),
•
Tertiärbereich A (ISCED 5A)
•
Tertiärbereich B (ISCED 5B)
•
Weiterführende Forschungsprogramme (ISCED 6)
(vgl. u. a. OECDa, 2005, S. 491; UNESCO, 2006, S. 19).
Abbildung 21: Levels of Education
How to determine the level of a programme
Proxy criteria for contents
Main criteria
Educational properties
School or centrebased
Minimum age
Upper age limit
Beginning of systematic
apprenticeship of reading, writing and
mathematics
Subject presentation
Full implementation
of basic skills and
foundation for lifelong
learning
Subsidiary criteria
Staff qualification
Entry into the nationally
designated primary
institutions or programmes
Start of compulsory education
End of the cycle after 9
years since the beginning
of primary education
End of compulsory
education
Several teachers conduct
Name of the level
Code
Complementary
dimensions
Pre-primary
education
0
None
Primary education
First stage of basic
education
1
None
Entry after some 6
years of primary
education
Lower secondary
education
Second stage of
2
Type of subsequent
education or
destination
Programme orientation
- 55 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
classes in their field of
specialization
basic education
Typical entrance
qualification
Minimum entrance
requirement
(Upper) secondary
education
3
Type of subsequent
education or
destination
Programme orientation
Cumulative duration
since the beginning of
ISCED level 3
Entrance
requirement;
Content;
Age;
Duration
Post-secondary non
tertiary education
4
Type of subsequent
education or
destination
Cumulative duration
since the beginning of
ISCED level 3
Programme orientation
Minimum entrance
requirement;
Type of certification
obtained;
Duration
First stage of tertiary
education (not
leading directly to
an
advanced research
qualification)
5
Second stage of
tertiary education
(leading to an
advanced research
qualification)
6
Type of programmes
Cumulative theoretical
duration at tertiary
National degree
and
qualification
structure
None
Research-oriented
content;
Submission of thesis
or dissertation
Prepare graduates for
faculty and research
posts
Quelle: UNESCO, 2006, S. 19
Ziel der internationalen Schulleistungsstudie PISA ist es, die Grundkompetenzen von
Schülerinnen und Schülern am Ende der Pflichtschule zu erheben, zu beschreiben und
international zu vergleichen (vgl. u.a. Reiter, 2005, S. 78).
Abbildung 22 stellt die einzelnen ISCED-97 Kategorien dar, die zeigen, in welchen Bereichen und Schultypen sich die 15/16jährigen Testpersonen zum Testzeitpunkt in Österreich befinden. Die österreichische Stichprobenstratifizierung beinhaltet 20 Schultypen, die sich alle auf die ISCED Level zwei und drei aufteilen (vgl. Reiter, 2005, S. 88).
- 56 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Abbildung 22: ISCED Kategorien (PISA Stichprobenstratifizierung auf Österreich bezogen)
ISCED-97 Level
Sekundarbereich
I
Sekundarbereich
II
ISCED97 Level
2
3
Bezeichnung der Ausbildungsbereiche in
Schulstufe
Österreich
AHS-Unterstufe , Volksschule Oberstu5–8
fe, Sonderschule (inkl. Heilstättenschule), Hauptschule, Realschule, Allgemeinbildende Statutschulen
Berufsschulen, BMS, BHS, Anstalten der Ab 9
Lehrer-s & Erzieherbildung
Polytechnische Schule, Sonderschule
(inkl. Heilstättenschule), Internationale
Schulen (ISCED 1 – 3), AHS-Oberstufe,
Quelle: Eurostat, 2002, S. 60
4.2.3.
Die internationale Berufsprestige-Skala von
Treiman (SIOPS)
Treimans „Standard International Occupational Prestige Scale“ (SIOPS-Skala) wurde in
den 70iger Jahren entwickelt, um ein Instrument für internationale Vergleiche zur Verfügung zu haben. Treiman (1975, 1977) baute diese Skala auf den Berufsgattungen der
ISCO-68 auf, die in den 90iger Jahren auf die ISCO-88-Codierung umgestellt wurde
(vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 129;
Ganzeboom & Treiman, 1996). Bei dieser standardisierten internationalen PrestigeSkala erhält jeder bekannte Beruf in jeder Gesellschaft denselben Wert.
Befragungspersonen aus 55 Ländern mussten eine Menge von Berufsbezeichnungen
hinsichtlich ihres sozialen Ansehens beurteilen und Rangreihen. Daraus konstruierte
Treiman eine Standardskala, die den Wertebereich von 0 bis 100 aufweist. Ein z. B.
Montagearbeiter wird mit dem Wert 18 und ein Arzt mit 78 eingestuft (vgl. Ganzeboom
& Treiman, 1996). Da diese Befragung in Ländern von der Agrargesellschaft bis zur
postindustriellen Gesellschaft durchgeführt wurde, ist dieses Bewertungssystem nach
Treiman für die Anwendung unproblematisch.
Hoffmeyer-Zlotnik und Geis (2003) weisen aber auch auf die Problematik hin, dass
diese Skala ihre Gültigkeit verliert, wenn in Ländern sich z.B. das Bewertungssystem
verändert. Innerhalb der Europäischen Union und damit vergleichbaren Ländern ist die
- 57 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Anwendung der auf eine der beruflichen Tätigkeit aufbauenden Prestige-Skala gerechtfertigt (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, S. 128f).
- 58 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4.2.4.
Die internationale Skala des sozio-ökonomischen
Status von Ganzeboom et al. (ISEI)
Neben der Berufsprestige-Skala von Treiman publizierten Ganzeboom, de Graaf,
Treiman und de Leeuw 1992 eine weitere, international messende Bewertungs-Skala:
der „Standard International Socio-Economic Index of Occupational Status“ (ISEISkala). Dieser Sozioökonomische Index des beruflichen Status wird unter anderem in
PISA (Programme for International Student Assessment) als Standardindikator für die
sozioökonomische Stellung der Eltern verwendet (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S.
327; Wallner-Paschon, 2004). Im Unterschied zur Berufsprestige-Skala von Treiman
geht es bei diesem Index nicht um das Prestige, sondern um den sozioökomischen Status.
Ausgangsmaterial bei der Erstellung dieser Skala waren Informationen über Bildung,
Beruf und Einkommen von etwa 74 000 vollzeitbeschäftigten männlichen Befragungspersonen aus 16 Ländern (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117; Hoffmeyer-Zlotnik &
Geis, 2003, S. 128; Schimpl-Neimanns, 2004, S. 156f). „Die Überlegung zu dieser Skala geht davon aus, dass jede berufliche Tätigkeit einen bestimmten Bildungsgrad erfordert und durch ein bestimmtes Lohnniveau entlohnt wird“ (Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S.
117; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S. 129).
„Das verwendete Statuserwerbsmodell bezieht sich auf drei Kernvariablen und die Beziehungen zwischen ihnen: an zentraler Stelle das Einkommen als Maß wirtschaftlichen
Wohlstands und Indikator unterschiedlicher Lebensbedingungen sowie Bildung und
Beruf als individuelle Ressourcen, die zum Erwerb von Arbeitseinkommen eingesetzt
werden“ (Schimpl-Neimanns, 2004, S. 156). Technisch ist der sozioökonomische Index
an die Berufsgattungen („unit groups“) und die beruflichen Tätigkeiten der ISCO-68
Klassifikationen geknüpft. Ganzeboom und Treiman übertrugen 1996 diesen Index auf
die Datenbasis und Logik der ISCO-88. Die Autoren berücksichtigten u. a. die skilllevels und überarbeiteten einige Kategorien (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003, S.
130; Ganzeboom & Treiman, 1996).
- 59 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Der Wertebereich der ISEI-Skala geht im Unterschied zur Prestige-Skala von 16 bis 90.
Je höher der Wert, desto höher ist der sozioökonomische Status der erwerbstätigen Person. Ein landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter bekommt den ISEI-Wert von 16, ein Möbeltischler 33, ein Lehrer des Sekundarbereiches 69 und ein Mediziner den Wert 85 zugewiesen (vgl. GESIS). Schimpl-Neimanns (2004, S. 159) berichtet, dass in Deutschland
z. B. Migrant/innen unterdurchschnittliche Werte aufweisen, weil sie sich auf die Berufshauptgruppen „Handwerksberufe“ und Anlagen- und Maschinenbediener“ (ISEIWerte um 30) konzentrieren. Der Autor macht ebenso darauf aufmerksam, dass der
ISEI-Wert nur für die erwerbstätige Bevölkerung, ausgenommen es liegt der früher erlernte Beruf vor, ermittelt werden kann.
Weitere Indikatoren, die zur Bestimmung der Ungleichheit wichtig wären, wie z. B.
Arbeitsverhältnisse, Haushaltszusammenhänge oder die Unterscheidung von Inhabern
gleicher Berufe nach Qualifikation, Funktion und Autonomie innerhalb eines Betriebes,
bleiben bei ISEI unberücksichtigt (vgl. Schimp-Neimanns, 2004, S. 157).
4.2.5.
Die Messung nominaler Klassenkategorien (EGP)
Die „Klassenlage“ ist ein kategoriales Differenzierungsschema, das in die drei Obergruppen „Arbeitgeber“, „Selbstständige“ und „Arbeitnehmer“ unterschieden wird. Die
Kategorien der EGP-Klassen verbinden Informationen über Beschäftigten-Status und
berufliche Tätigkeit (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 2003, S. 117f). Die EPG-Klassen wurden
ursprünglich speziell für britische Untersuchungen entworfen und 1979 von Erikson,
Goldthorpe und Portocarero in einer Studie über drei Länder zu einem Standard internationaler Vergleiche weiterentwickelt.
Erikson und Goldthorpe entwickelten 1992 in Kooperation mit dem CASMIN-Projekt
(Comparative Analysis of Social Mobility in Industrial Nations) die heute vorliegende
Klassifikation (vgl. Brauns, Steinmann & Haun, 2000; Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, S.
131). „Die für die Konstruktion der „Klassenlage“ benötigten Variablen sind der „ausgeübte Beruf“ (für den internationalen Vergleich nach ISCO zu klassifizieren) und die
„Stellung im Beruf“ inklusive einer Differenzierung nach Selbstständigen, abhängig
- 60 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Beschäftigten und mithelfenden Familienangehörigen“ (Hoffmeyer-Zlotnik & Geis,
2003, S. 130; vgl. dazu Baumert & Schümer, 2001, S. 338). Ganzeboom et al. erstellten
1992 ein Modul, mit dessen Hilfe es möglich ist, die EGP-Kategorien auf der Basis der
Berufsbezeichnungen von ISCO-68 herzuleiten (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik & Geis, 2003,
S. 130). 1996 wurde die EGP-Skala von Ganzeboom et al. auf der Basis der ISCO-88
modernisiert.
Das EGP-Modell ordnet die Berufe nach der Art der Tätigkeit, der Stellung im Beruf,
den Weisungsbefugnissen und den zur Berufsausübung erforderlichen Qualifikationen.
Baumert und Schümer (2001, S. 328) weisen darauf hin, dass ein großer Vorteil des
Erikson-Goldthorpe-Portocarero-Modells darin besteht, dass es zum Unterschied zu den
Prestigeskalen und die sozioökonomischen Indizes eine anschauliche Beschreibung
konkreter Personengruppen erlaubt. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass es
erhebungstechnisch von Bildungs- und Einkommensmaßen unabhängig ist.
Abbildung 23: Die Kategorien der EGP-Klassen
I
II
IIIa
IIIb
IVa
IVb
V
VI
VIIa
VIIb
IVc
EGP 11
Description
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Higher Managerial and Professional Workers
Lower Managerial and Professional Workers
Routine Clerical Work
Routine Service and Sales Work
Small Self-Employed with Employees
Small Self-Employed without Employees
Manual Supervisors
Skilled Manual Workers
Semi- and Unskilled Manual Workers
Agricultural Labour
Self-Employed Farmers
Quelle: Ganzeboom & Treimann, 2003, S. 176
Abbildung 17 zeigt, dass das vollständige EGP-Modell elf Klassen unterscheidet.
Baumert und Schümer (2001) weisen darauf hin, dass in der Forschungspraxis diese elf
Klassen häufig in sechs Klassen zusammengefasst werden: In die Obere Dienstklasse
(I), die Untere Dienstklasse (II), in die Klasse der Routinedienstleistungen in Handel
und Verwaltung (III), in die Klasse der Selbstständigen (IV), die Klassen V und VI
werden in Facharbeiter und Arbeiter mit Leitungsfunktion zusammengefasst und in die
unterste Klasse (VII) gehören alle Un- und angelernte Arbeiter und Landarbeiter.
- 61 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Zur oberen Dienstklasse gehören Personen, die Verantwortung tragen, über Entscheidungsbefugnis und Autonomie in der Tätigkeit verfügen (z.B. führende Angestellte,
höhere Beamte, Akademiker,…). Die hierarchische Abstufung der EGP-Klassifikation
zeigt sich darin, dass Angehörige der untersten Klassen ungelernte und angelernte Berufe aus dem manuellen Bereich mit geringem Anforderungsniveau ausüben (vgl.
Baumert & Schümer, 2001, S. 338f).
4.2.6.
Das Konstrukt „soziale Herkunft“ und seine Indikatoren bei PISA
In Kapitel 2 wurden bereits ausführlich verschiedene Indikatoren zur Erfassung des sozioökonomischen Hintergrundes dargestellt. Zur Darstellung von sozialen Lagen werden Messinstrumente verwendet, bei denen die Ermittlung auf Basis der beruflichen
Tätigkeit oder beruflichen Stellung beruht. Die meisten dieser Skalen basieren auf der
Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO), auf deren Grundlage internationale Vergleiche möglich sind (vgl. Schimpl-Neimanns, 1998, S. 110f). Bildung und
Einkommen sind zwei weitere zentrale Dimensionen, mit deren Hilfe die soziale Position in der Gesellschaft abgebildet werden kann.
Die Daten zur Erfassung der sozialen Herkunft auf Schülerebene sowie auf Familienund Schulebene aus Schülersicht werden mithilfe des Kontextfragebogens „Der internationale Schülerfragebogen“ im Anschluss an die Leistungstests beantwortet. Der Fragebogen beinhaltet u. a. Fragen zu folgenden Bereichen:
•
Demografische Daten (Alter, Geschlecht, Muttersprache),
•
Sozio-ökonomischer Hintergrund (Bildung und Beruf der Eltern),
•
Pädagogische Ressourcen zu Hause (Anzahl der Bücher zu Hause),
•
Schullaufbahn und
•
Schülererwartungen in Bezug auf die Ausbildung.
(Für weitere Details zum Schülerfragebogen vgl. dazu Haider, 2001, S. 103f).
- 62 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Die Indikatoren zur Erfassung der sozialen Herkunft sind gruppiert in
•
Indikatoren für die sozio-ökonomischen Stellung der Eltern
o Berufstätigkeit der Eltern (Berufsbezeichnung, Tätigkeitsbezeichnung)
o Relativer Wohlstand der Familie
•
Indikatoren für das kulturelle Kapital der Familie
o Nationale Herkunft der Schüler und ihrer Eltern
o Humankapital der Eltern
o Kulturelle Praxis der Familie
•
Indikatoren für das soziale Kapital der Familie
o Struktur, Größe und Erwerbsstatus der Familie
o Eltern-Kind-Beziehungen
Die sozio-ökonomische Stellung der Eltern wird mithilfe der Indikatoren „Berufstätigkeit der Eltern“ und „Relativer Wohlstand der Familie“ festgestellt. Die Berufstätigkeit
der Eltern wird nach ISCO-88 vercodet und dann in den Index ISEI transformiert. Mithilfe der Angaben zur Erwerbstätigkeit der Eltern, ob die Mutter oder der Vater zurzeit
Vollzeit, Teilzeit, auf Arbeitssuche oder „Sonstiges“ sind, lassen sich zusätzlich für
zwei weitere Aspekte nutzen: Längere Arbeitslosigkeit- oder Erwerbslosigkeit der Eltern, besonders des Hauptverdieners, wirken sich in der Folge negativ auf das Bildungsverhalten der Schüler/innen aus (vgl. Baumert & Schümer, 2001, S. 331f). „Wie Coleman verschiedentlich betont, kann die Vollbeschäftigung beider Eltern zu einem Mangel an Zeit zur Bildung sozialen Kapitals innerhalb und außerhalb der Familie führen“
(ebd., S. 332).
Der relative Wohlstand einer Familie wird anhand von Angaben zu den Wohnverhältnissen (z.B. eigenes Zimmer, ruhiger Platz zum Lernen, einen Schreibtisch zum Lernen,…) und zu ihren Besitztümern (z.B. Geschirrspülmaschine, Internetanschluss, wie
viele Autos oder Handys,…) festgestellt.
Das kulturelle Kapital, das „Auskunft über die Vertrautheit der Schülerinnen und Schüler mit der in ihrem Aufenthaltsland vorherrschenden Kultur“ (ebd., S. 332) geben soll,
- 63 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
wird anhand von Items über das Geburtsland der Jugendlichen und deren Eltern und
welche Sprache sie normalerweise zuhause sprechen, festgestellt.
Das Humankapital der Eltern wird im internationalen Schülerfragebogen mit den vier
Indikatoren Schulbildung und Berufsausbildung beider Elternteile festgestellt und international mithilfe der ISCED (International Standard Classification of Education) erfasst
(vgl. ebd., S. 333).
Die kulturelle Praxis der Familie wird mithilfe der Fragen nach dem Besitz kultureller
Güter (Bücher mit Gedichten, Kunstwerke,…) und schulrelevanten Besitztümern (Internetanschluss, Lern-Software, Taschenrechner,…) erfasst. Außerdem erfasst wird die
kulturelle Teilhabe innerhalb der Familie (das Hören klassischer Musik, Diskussionen
über Bücher oder Filme,…) und „die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler an sozial
hoch bewerteten Formen der Kultur (z. B. Theater- oder Museumsbesuche)“ (ebd., S.
333).
Die Indikatoren für das soziale Kapital der Familie geben Auskunft darüber, ob innerhalb oder außerhalb der Familie der Jugendlichen ein Mangel an Zeit oder Gelegenheit
zur Bildung an sozialem Kapital herrscht. Dazu werden von den Schülerinnen und
Schülern Angaben darüber gemacht, welche und wie viele Personen in einem Haushalt
leben und wie viele Geschwister sie haben. Zusätzlich kommt das Item „Was macht
dein/ e Vater/ Mutter zurzeit“ dazu, um feststellen zu können, wie viel Zeit in der Familie in die Erziehung investiert wird.
Detailinformationen zu den „Indikatoren der sozialen Herkunft“ finden sich u. a. bei den
Autoren
Jürgen
Baumert
und
Gundel
Schümer
(2001)
und
die
genauen
Itemformulierungen des internationalen Schülerfragebogen im Anhang des Technischen
Reports zu PISA 2000, herausgegeben unter Günter Haider (2001).
- 64 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4.2.7.
Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Status (ESCS)
Der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) wird von
den drei Variablen, die im Zusammenhang mit dem familiären Hintergrund stehen,
hergleitet (vgl. OECDb, 2005, S. 316). Zu den Merkmalen des familiären Hintergrundes
zählen der höchste Bildungsabschluss der Eltern (umgerechnet in Bildungsjahre) nach
der internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED), die berufliche
Stellung der Eltern (HISEI) und die Anzahl der kulturellen Besitztümer. Diese Merkmale sind in der Regel miteinander verknüpft, denn Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss weisen in der Regel auch einen höheren beruflichen Status und damit auch ein
höheres Einkommen auf. Da in den PISA-Fragebögen nicht direkt nach dem Einkommen gefragt wird, wird über die Anzahl der familiären Besitztümer (z.B. Computer,
DVD, eigenes Zimmer,…) der Wohlstand der Familie geschätzt.
Der PISA-Index ESCS wird als Konstrukt z-standardisiert, d.h. dass der OECDMittelwert bei 0 und eine Standardabweichung bei 1 liegen.
4.2.8.
Die Erfassung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund in PISA
Viele österreichische Einwohner sind Nachfahren von Einwanderern, obwohl sie selbst
schon in Österreich geboren sind. Wie viele Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte muss
zurückgeblickt werden, damit ein Einwohner mit österreichischer Staatsbürgerschaft
nicht mehr unter den Begriff „… mit Migrationshintergrund“ fällt?
Die Statistik Austria (2005b) unterteilt die österreichischen Einwohner in NichtÖsterreicher (Ausländer) und in Österreicher (Inländer). Nicht-Österreicher „sind Personen ohne österreichische Staatsangehörigkeit (identisch mit dem Begriff „Fremde“
laut Fremdengesetz) und umfassen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie Staatenlose und Personen mit ungeklärter oder unbekannter Staatsangehörigkeit“
(Statistik Austria, 2005, S. 62). Anders ausgedrückt bedeutet das, dass alle Personen ab
- 65 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft Österreicher/innen sind und damit in der Statistik nicht mehr als Migrant/innen aufscheinen.
Für das Schuljahr 2004/05 meldet das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft
und Kultur insgesamt 1.205.300 Schülerinnen und Schüler, davon sind 110.706 (9.18%)
ohne österreichische Staatsbürgerschaft und 157.370 (13,06%) mit nicht deutscher Muttersprache (vgl. bm:bwk, S. 36). Die österreichische Migrationsforscherin Frau Maga
Herzog-Punzenberger weist an dieser Stelle darauf hin, „dass in Österreich geborene
Kinder von EinwanderInnen ebenso sehr Deutsch als Erstsprache angeben können, auch
wenn es nicht die Sprache ihrer Mutter ist, d. h. auch wenn sie möglicherweise mit ihrer
Mutter immer in deren Erstsprache, z. B. Türkisch, konversieren“ (2003, S. 14).
Die österreichische Schulstatistik weist im Schuljahr 2002/03 114.268 ausländische
Schülerinnen und Schüler aus. Dieser Anteil entspricht somit 9.4%. Abbildung 24 zeigt,
dass die mit 49 Prozent mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe aus dem ehemaligen
Jugoslawien immigrierte. Sie setzt sich aus den Bevölkerungsgruppen BosnienHerzegowina, Serbien-Montenegro, Kroatien und Mazedonien zusammen.
Abbildung 24:Migrationshintergrund der österreichischen Schüler/innen
60,0
50,0
40,0
Prozent
30,0
20,0
10,0
ow
ak
ei
Sp
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ch
e
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ug
os
la
wi
en
0,0
Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage der Statistik Austria 2003, S. 160
- 66 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Die mit 26 Prozent zweitgrößte Bevölkerungsgruppe stammt aus der Türkei und die
drittgrößte Immigrantengruppe, die wegen des ähnlichen kulturellen Hintergrundes wie
die österreichischen Schüler/innen eigentlich nicht zu den Migrant/innen gezählt werden, stammen aus Deutschland (5 Prozent).
Die nächsten fünf größten Gruppen, Immigrant/innen aus Polen, Ungarn, Volksrepublik
China und Slowakei, stellen nur mehr eine Größenordnung von ein bis drei Prozent dar.
Die restlichen Immigrantengruppen, d. h. 12.3 Prozent der insgesamt 9.4 Prozent aller,
die weniger als sechs Jahre eine österreichische Schule besuchen, sprechen mehr als
hundert verschiedene Sprachen (vgl. dazu Breit & Schreiner, 2006, S. 169).
Die internationale Schulleistungsstudie PISA analysiert die Daten zu den Bildungserträgen u. a. im Hinblick auf die Frage, wie gut Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund im Alter von 15 Jahren im internationalen Vergleich abschneiden. PISA
definiert den Migrationsstatus nicht über die Staatsbürgerschaft, sondern über das Geburtsland der Eltern. Auf diese Weise ergeben sich drei Gruppierungen von Schüler/innen: „Einheimische Schüler/in“, „Migrant/in zweiter Generation“ und „Migrant/in
erster Generation“. Die engere Definition für „Migrant/in“ lautet:
•
„Als „Migrant/innen zweiter Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die
Schüler/in im Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden.“
•
„Als „Migrant/innen erster Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die
Schüler/in und beide Elternteile im Ausland geboren wurden“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 170).
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nehmen aber nur bei der PISATestung teil, wenn sie entweder zumindest ein Jahr die Schule besuchen oder über ausreichende Kenntnisse der Testsprache verfügen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 170).
Zur Erfassung des Migrationshintergrundes gibt es im Internationalen Schülerfragebogen zwei Fragen:
- 67 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
Bei der ersten Frage geben die Schüler/innen an, in welchem Land sie selber oder beide
Elternteile geboren sind. Mit Hilfe der zweiten Frage lässt sich ermitteln, wie oft die
Schüler/innen welche Sprache zu Hause normalerweise sprechen. Der / die Schüler/in
hat die Möglichkeit, zwischen den Möglichkeiten Deutsch, Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Serbokroatisch, Rumänisch, Polnisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowenisch und andere Sprachen zu wählen.
- 68 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
4.3. Frühere Untersuchungsergebnisse über österreichische
Schüler/innen
Bei der Darstellung früherer Untersuchungsergebnisse über die internationalen Schulleistungsvergleiche österreichischer Schülerinnen und Schüler konzentriere ich mich auf
den von den Autoren Günter Haider und Claudia Schreiner (geb. Reiter) 2006 publizierten nationalen Ergebnisbericht „Die PISA-Studie. Österreichs Schulsystem im internationalen Vergleich“.
Weitere Forschungsergebnisse der im Jahr 2003 stattgefundenen internationalen Schulleistungsstudie finden sich u. a. in den von der OECD publizierten Berichten
•
„Lernen für die Welt von morgen“, in der die ersten Ergebnisse von PISA 2003
publiziert sind, (Learning for Tomorrow´s World),
•
„Problem Solving for Tomorrow´s World“, der sich besonders mit den Problemlösekompetenzen der getesteten Schüler/innen auseinandersetzt,
•
im Bericht „Are Students Ready for a Technology-Rich World“ werden die PISA Daten nach den ICT (Information and communication technology) Kenntnissen analysiert und der jährlich erscheinende Bericht
•
„Bildung auf einen Blick“ (Education At A Glance) ermöglicht mit Hilfe von
Indikatoren jedem Land, sein eigenes Schulsystem im internationalem Vergleich
zu sehen.
Aus nationaler Sicht betrachtet werden die Daten der PISA-2003 Studie vom Österreichischem Projektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung publiziert. Das Projektzentrum veröffentlichte bis 2006, PISA 2003 betreffend, den Nationalen Bericht (Haider
& Reiter, 2004), den Thematischen Bericht (Reiter, Lang & Haider, 2004) und „Die
PISA-Studie - Österreichs Schulsystem im internationalem Wettbewerb“ (Haider &
Schreiner, 2006).
Mit Unterstützung des Projektzentrums für Vergleichende Bildungsforschung verfassten
bisher drei Diplomand/innen ihre Arbeit über Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund oder Migrationshintergrund. Simone Breit befasste sich
- 69 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
mithilfe der PISA 2000 Daten mit dem Zusammenhang zwischen sozioökonomischer
Herkunft und Schulleistung im internationalen Vergleich, Elke Stöckl untersuchte die
Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und Anita Haaser analysierte die Risikoschüler/innen der Länder Österreich, Deutschland, Finnland und Niederlande.
4.3.1.
… mit niedriger sozio-ökonomischer Herkunft
In allen PISA-2003-Teilnehmerländern besteht ein signifikant positiver Zusammenhang
zwischen dem SES (sozioökonomischer Status) und den Kompetenzen der Schüler/innen. Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht in allen Ländern und in allen Kompetenzbereichen gleich stark. Die Daten lassen erkennen, dass die Lese-Kompetenz stärker
vom familiären Umfeld abhängig ist als die Mathematik-Kompetenz (vgl. Schreiner &
Pointinger, 2006, S. 127).
Diese Tendenz ist besonders in Österreich, im Unterschied zu z.B. Finnland, Dänemark
und Schweden, besonders stark ausgeprägt. „Auf Grund des Zusammenhangs zwischen
dem sozialen Hintergrund der Schüler/innen und ihren Kompetenzen ist zu erwarten,
dass Risikoschüler/innen eher aus Familien kommen, die in dieser Hinsicht unterprivilegiert sind“ (Schreiner & Pointinger, 2006, S. 127; vgl dazu Schreiner & Breit, 2006).
Mehr als die Hälfte der Risikoschüler/innen weisen auf der von 16 – 90 reichende SESSkala einen Wert von unter 40 Punkten auf. Verfügen in Österreich beide Elternteile
maximal über einen Pflichtschulabschluss, so ist das relative Risiko der Risikogruppe
anzugehören in Mathematik 2,3-mal und in Lesen 2,8-mal so groß wie bei zumindest
mittleren Bildungsabschlüssen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S.129). Somit weist
Österreich im Kompetenzbereich Lesen die zweithöchste Wahrscheinlichkeitsrate auf.
Der sozioökonomische Status und der Bildungshintergrund wirken sich neben den schulischen Faktoren und außerschulischen Kontextfaktoren auf das Kompetenzniveau der
Schüler/innen aus. Breit und Schreiner (2006) untersuchten mithilfe einer Regressionsanalyse diese Einflussfaktoren genauer und kamen dabei zu folgenden Ergebnissen: Die
Lese-Kompetenz ist in stärkerem Ausmaß vom häuslichem Umfeld und häuslichen Fak-
- 70 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
toren (familiäre Bildungsressourcen und kultureller Besitz) abhängig als die Mathematik-Kompetenz. Mithilfe dieses Modells zum soziokulturellen Hintergrund der Familie
konnten in Mathematik 18% und in Lesen fast 27% der Leistungsvarianz aufgeklärt
werden (vgl. Breit und Schreiner, 2006, S. 209).
Weitere Zusammenhänge zwischen dem SES (sozioökonomische Herkunft) und den
Leistungen, den Einfluss auf die Bildungswegentscheidungen usw. können aus dem von
Schreiner und Breit verfassten Beitrag „Sozioökonomische Herkunft und Schulleistung“
(2006) entnommen werden.
4.3.2.
… mit Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen beinahe in allen Ländern deutlich
schlechtere Werte in den Mathematik- und Leseleistungen als ihre Mitschüler/innen
ohne Migrationshintergrund. Ein Faktor, neben der sprachlichen Barriere, ist der in Österreich und Deutschland meist niedrige sozioökonomische Hintergrund der Migrant/innen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 123). Bei genauer Betrachtung lässt
sich erkennen, dass einheimische Schüler/innen einen SES-Wert von 48.3, Migrant/innen zweiter Generation einen Wert von 40.3 und Migrant/innen erster Generation einen durchschnittlichen sozioökonomischen Status von 38.7 aufweisen (vgl. Breit
& Schreiner, 2006, S. 172).
Diese Schüler/innen erreichen in allen vier Domänen deutlich nierigere Werte als einheimische Schüler/innen und gehören somit mehrheitlich, ungefähr jede/r Vierte, zur
Gruppe der Risikoschüler/innen (vgl. Schreiner & Pointinger, 2006, S. 124f).
Als Risikoschüler/innen werden Schüler/innen bezeichnet, die „auf oder unter der
Kompetenzstufe 1 der PISA-Leistungsskalen und somit […] mit einem Leistungswert
von 420 Punkten und weniger auf der Mathematik-Gesamtskala bzw. 408 Punkten oder
weniger in Lesen“ (Schreiner & Pointinger, 2006, S. 115) erreichen. Bei genauer Analyse der nationalen Daten lässt sich erkennen, „dass der Anteil der MathematikRisikogruppe mit 34% bei den Migrant/innen der zweiten Generation und mit 38% bei
- 71 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
der ersten Einwanderergeneration bezüglich Mathematik und 39% und 44% bezüglich
Lesen deutlich höher ist als unter einheimischen Schüler/innen“ (Schreiner &
Pointinger, 2006, S. 125). Diese Tendenz lässt sich in fast allen PISA getesteten Ländern feststellen. Schreiner und Pointinger weisen ebenso darauf hin, dass es Österreich,
im Unterschied zu z.B. Schweden, nicht gelingt, den Risikoanteil der Migrant/innen der
zweiten Generation, zu verringern.
Betrachtet man bei diesen Schüler/innen den Bildungshintergrund der Eltern, so lässt
sich erkennen, dass sie meistens ein niedrigeres Bildungsniveau als die Eltern einheimischer Schüler/innen haben: Ein Viertel der Mütter von Migrant/innen der zweiten Generation und 14% von Migrant/innen erster Generation weisen keinen Pflichtschulabschluss auf. Der Anteil von Vätern ohne Pflichtschulabschluss bei den Migrant/innen
zweiter Generation liegt bei 11%. Breit und Schreiner weisen darauf hin, dass „vor allem Eltern der Migrant/innen zweiter Generation […] im Schnitt niedrigere Qualifikation“ aufweisen (2006, S. 172). Diese Tatsache begründen sie damit, „dass manche dieser Eltern selbst als Migrant/innen erster Generation in einem fremden Land Bildungsqualifikationen erwerben mussten“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 172).
Ein niedriger Bildungshintergrund und ein niedriger sozioökonomischer Status bewirkt
meistens auch ein geringes Einkommen und Familienbesitz. Auch hier lässt sich ein
deutlicher Unterschied zwischen den einheimischen Schüler/innen und Schüler/innen
mit Migrationshintergrund erkennen: Einheimische Schüler/innen liegen im OECDSchnitt, während Migrant/innen zweiter und erster Generation signifikant weniger kulturelle Güter besitzen. In Bezug auf die Bildungsressourcen unterscheiden sich die einheimischen Schüler/innen und Migrant/innen zweiter Generation statistisch nicht mehr,
die Migrant/innen erster Generation verfügen aber über signifikant weniger Bildungsressourcen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 172f).
Schulspartenspezifisch betrachtet findet man etwa ein Viertel der Migrant/innen zweiter
Generation und ein Drittel erster Generation in den Allgemeinbildenden Pflichtschulen
(Hauptschule, Sonderschule und Polytechnische Schule). Obwohl viele Jugendliche, die
sich zurzeit der PISA-Testung in den Pflichtschulen befinden, eine verzögerte Schul-
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Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
laufbahn aufweisen, lässt sich dieser überproportionale Anteil an Migrant/innen auch
mit Hilfe der Schulstatistik bestätigen (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 174f).
Die beiden großen Sprachgruppen, Migrant/innen aus der Türkei und aus ExJugoslawien, unterscheiden sich untereinander hinsichtlich ihres sozioökonomischen
Status. 50% der Familien aus der Türkei weisen einen SES-Wert zwischen 21 und 40
auf, 15% zwischen 21 und 20 und 10% aller türkischstämmigen Familien liegen noch
darunter! Im Unterschied zu den Migrant/innen aus der Türkei, die einen Median von 30
aufweisen, liegt der Median des sozioökonomischen Status bei Migrant/innen aus dem
Ex-Jugoslawien bei 34. 50% weisen eine Wert zwischen 29 und 40 auf, und 10% liegen
unter 23.
Diese Daten lassen leicht erkennen, dass Jugendliche türkischer Herkunft im Durchschnitt aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischem Status kommen als Migrant/innen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro oder Kroatien. Betrachtet
man die beiden großen Sprachgruppen nach der Verteilung in den Schulsparten, so ist
auch hier ein großer Unterschied erkennbar. Mehr als die Hälfte der Migrant/innen aus
der Türkei besuchen die Allgemeinbildende Pflichtschule. Dieselbe Schulsparte besuchen aber nur mehr ein Viertel alle Migrant/innen aus Ex-Jugoslawien. Ein ähnliches
Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Repetentenquote (vgl. Breit & Schreiner, 2006,
S. 176f).
Die Autoren Schreiner und Breit (2006) untersuchten diese Gruppen auf ihre Leistungen
und kamen zu folgenden Ergebnissen: In Österreich, Deutschland und Belgien unterscheiden sich Schüler/innen mit Migrationshintergrund in ihrer Lesekompetenz stark
von Schüler/innen ohne Migrationshintergrund. Auffällig ist ebenfalls, dass im Unterschied zu fast allen Ländern sich die Leseleistungen zwischen Migrant/innen zweiter
und erster Generation nicht unterscheiden! In Österreich gelingt es also im Gegensatz zu
z.B. Schweden nicht, die „Gruppe der Migrant/innen der zweiten Generation an das
Leistungsniveau der einheimischen Schüler/innen“ heranzuführen (Schreiner & Breit,
2006, S. 180). Der geringe Leistungsunterschied zwischen beiden Migrantengruppen ist
auch im Kompetenzbereich Mathematik festzustellen. Die österreichischen Mittelwerte
- 73 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
der vier getesteten Domänen Lesen, Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen
liegen alle deutlich unter den Werten der einheimischen Schüler/innen. Genauere Details sind bei Schreiner und Breit (2006) nachzulesen.
Die Wahrscheinlichkeit zur Risikogruppe zu gehören, liegt im Kompetenzbereich Lesen
für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund 3,6-mal höher als für einheimische Schüler/innen. In Mathematik liegt das relative Risiko bei 3.1. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dieser Bereich weniger stark von sprachlichen
Kompetenzen abhängig ist! Die Autoren Schreiner und Breit (2006) weisen aber mit
Nachdruck darauf hin, dass 74% der Risikogruppe Mathematik und 73% der Risikostufe Lesen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund sind.
Ebenso konnten sie nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, zur Risikogruppe zu gehören, „sich bei Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status zwischen einheimischen Schüler/innen und Schüler/innen mit Migrationshintergrund um bis zu 20 Prozentpunkte“ unterscheidet (Schreiner & Breit, 2006, 186). Mit Hilfe eines Regressionsmodells gehen die Autoren Schreiner und Breit (2006) der Frage nach, in wie fern der
Migrationshintergrund unter der Annahme, dass familiäre Einflussfaktoren gleich sind,
eine Rolle spielt. Sie kommen zum Ergebnis, dass die Leistungsdifferenz zwischen
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nur zum Teil auf Grund sozioökonomischer und familiären Faktoren erklärt werden kann.
Analysiert man die Leistungen der Migrant/innen aus der Türkei und aus ExJugoslawien genauer, so lässt sich feststellen, dass die Verteilung auf die Kompetenzstufen wieder zu Ungunsten der türkischstämmigen Schüler/innen erfolgt. 32% der Türkisch sprechenden und nur 16% der Bosnisch, Kroatisch oder Serbisch sprechenden
Schüler/innen sind im Bereich der Lese-Kompetenz unter Level 1 angesiedelt. 60% der
Schüler/innen aus der Türkei und 42% der Schüler/innen aus dem Ex-Jugoslawien gehören der Risikogruppe an (vgl. Schreiner & Breit, 2006, S. 189). Im Bereich Mathematik sind ebenfalls doppelt so viele türkische wie ex-jugoslawische Schüler/innen unter
Level 1 (22% zu 11%) angesiedelt. Die Hälfte der Schüler/innen mit türkischer Abstammung und ein Drittel ex-jugoslawischer Abstammung gehören im Bereich Mathe-
- 74 -
Kapitel 4: Die internationale Schulleistungsstudie PISA
matik der Risikogruppe an. Weitere interessante und aufschlussreiche Detailanalysen
können aus dem von Schreiner und Breit verfassten Beitrag „Kompetenzen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund“ (2006) entnommen werden.
- 75 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5. Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund
Der deskriptive Teil nähert sich der Fragestellung an, wie sich ein niedriger sozioökonomischer Hintergrund auf die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schüler
mit und ohne Migrationshintergrund auswirkt. Dank PISA konnte bereits in mehreren
Studien ausführlich der Zusammenhang zwischen den schulischen Leistungen und Migrationshintergrund, oder schulische Leistungen und niedriger sozioökonomischer Hintergrund nachgewiesen werden (vgl. Kapitel 4).
Der empirische Teil geht der Frage nach, inwiefern sich die schulischen Leistungen
zwischen den „einheimischen“ Schüler/innen und den Schüler/innen mit Migrationshintergrund unterscheiden, wenn es in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund keinen Unterschied mehr gibt.
Abschnitt 5.1 erläutert die Fragestellung des empirischen Teils dieser Arbeit, danach
folgt im Abschnitt 5.2. die ausführliche deskriptive Beschreibung der beiden Vergleichsstichproben. Im dritten Teil dieses Kapitels werden Unterschiede zwischen beiden Vergleichsstichproben hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen
herausgearbeitet. Danach folgt im vierten Teil eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen.
Abschnitt 5.5. vergleicht die Leistungen beider Vergleichsgruppen innerhalb der vier
mathematischen Subskalen. In Abschnitt 5.6. werden die Leistungen der Schüler/innen
mit und ohne Migrationshintergrund einem Schulspartenvergleich gegenübergestellt.
Danach erfolgt innerhalb der Stichprobe der Migrant/innen ein hinsichtlich des sozioökonomischen Status Extremwertgruppenvergleich. Zum Abschluss wird eine länderübergreifende Zusammenhangsanalyse zwischen dem sozioökonomischen Status und
den Leistungen in allen vier Domänen mit den Ländern Österreich, Deutschland,
Schweiz und Dänemark durchgeführt.
- 76 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.1. Fragestellung
Bildungssysteme können vieles beeinflussen – manches aber nicht. Nicht beeinflussen
können Bildungssysteme den familiären Hintergrund, aber Schulen sind potenziell in
der Lage die Effekte sozioökonomischer Benachteiligung zu mindern (vgl. OECD,
2004, S. 213). Die OECD stellt fest, dass es Länder, wie z.B. Finnland und Norwegen
sehr gut gelingt diesen Effekt zu mindern. Anderen Ländern, wie z.B. Deutschland oder
Belgien wieder weniger (vgl. ebd., S. 214). Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser
Studie ist, dass „Effekte des sozioökonomischen Hintergrunds der Gesamtheit der Schülerschaft einer Schule stärker ins Gewicht fällt, als der sozioökonomische Hintergrund
einzelner Schüler“ (OECD, 2004, S. 216). In Österreich verzeichnen Schüler/innen, die
eine Schule in einer besser situierten Wohngegend besuchen gegenüber Schüler/innen,
die eine sogenannte „Brennpunktschule“ besuchen, einen Leistungsvorteil (vgl. ebd., S.
217f). Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet das, dass Schülerinnen und Schüler
doppelt benachteiligt sind, wenn sie einerseits aus einer Familie mit einem niedrigen
sozioökonomischen Hintergrund kommen und andererseits eine Schule in einer schlechter situierten Wohngegend besuchen.
Da beide Vergleichsstichproben einen ähnlichen niedrigen sozioökonomischen Status
besitzen, soll es gelingen die Frage zu beantworten, inwieweit der Migrationshintergrund als weiterer leistungsvermindernder Effekt hinzukommt. Sind Migrant/innen dreifach benachteiligt? Ziel dieser Arbeit ist es, diese Frage zu beantworten.
Dabei werden folgende Fragestellungen verfolgt:
•
Rodax / Spitz (1978) und Steinkamp (1991) beschäftigen sich mit dem positiven
Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und schulischer Leistung: Dabei
möchte ich folgender Frage nachgehen:
Gibt es zwischen diesen beiden Gruppen einen Unterschied in Bezug auf kulturelle Ausstattung, häuslichem Umfeld und gemeinsamen kulturellen Aktivitäten?
Erwartet wird, dass es besonders in Bezug auf kulturelle Ausstattung und den
gemeinsamen kulturellen Aktivitäten einen signifikanten Unterschied gibt.
- 77 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
•
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund
und den Schülerleistungen? Verglichen wird die österreichische Gesamtstichprobe mit Schüler/innen, die einen niedrigen sozioökonomischen Hintergrund
bzw. Status aufweisen. Erwartet wird ein signifikant negativer Einfluss zwischen
dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen in den Domänen Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen. Es wird erwartet, dass besonders in der Domäne Lesen der niedrige sozioökonomische Hintergrund einen negativen Einfluss hat.
•
Gibt es in Bezug auf Leistung in den vier getesteten Domänen einen Unterschied
zwischen den Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund?
Erwartet wird, dass insbesonders in der Domäne Lesen der Migrationshintergrund in Bezug auf Leistung einen negativen Einflussfaktor darstellt.
•
Gibt es innerhalb der vier Mathematikbereichen Subskalen, die von den Immigrant/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft besser als andere Bereiche
bewältigt werden? Erwartet wird, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund
in Bereichen, die eher sprachunabhängig sind (z.B. Raum und Form) besser als
in anderen Bereichen abschneiden.
•
Wie wirkt sich der Migrationshintergrund auf Schülerinnen und Schüler aus,
wenn sie dieselbe Schulsparte wie die Vergleichsstichprobe besuchen? Erwartet
wird, dass es in den höheren Bildungsanstalten keinen signifikanten Unterschied
mehr zwischen Schüler/innen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund
gibt.
•
Gibt es in Bezug auf Leistung innerhalb der Migrant/innen einen Unterschied
zwischen beiden Extremwertgruppen? Es wird ein Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in Bezug auf Extremwertgruppen vorgenommen. Es
wird erwartet, dass Migrant/innen mit einem SES von 65 und höher bessere
Leistungen in allen vier Domänen erbringen.
- 78 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
•
Welche schulischen Leistungen erreichen Schüler/innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status in den mit Österreich vergleichbaren Ländern Deutschland und Schweiz? Diese Länder besitzen ein gegliedertes Schulsystem. Aus
diesem Grund werden die schulischen Leistungen mit den Leistungen Dänemarks verglichen, das eine ähnliche Migrationsstruktur, aber ein Gesamtschulsystem besitzt. Gelingt es diesen Ländern besser, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen und somit die Benachteiligung von Schüler/innen
mit niedrigem sozioökonomischen Status durch die Schule ausreichend zu kompensieren? Es wird erwartet, dass es Ländern mit einem Gesamtschulsystem
besser gelingt, die fehlenden kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen
auszugleichen.
- 79 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.2. Beschreibung der Vergleichsstichproben
PISA teilt die getesteten Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Herkunft in drei
Gruppen ein: Auf diese Weise ergeben sich drei Gruppierungen von Schüler/innen:
•
„Einheimisch“ ist ein/e Schüler/in dann, wenn der/die Schüler/in oder zumindest
ein Elternteil im Inland geboren wurde (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 170).
•
„Als „Migrant/innen zweiter Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die
Schüler/in im Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden.“
•
„Als „Migrant/innen erster Generation“ gelten Schüler/innen, wenn der/die
Schüler/in und beide Elternteile im Ausland geboren wurden“ (Breit & Schreiner, 2006, S. 170).
Bei PISA wird der Migrationshintergrund nicht über die Angabe der Staatsbürgerschaft,
sondern über die Beantwortung der Frage, welche Sprache sie zu Hause am häufigsten
sprechen, ermittelt.
Ein weiteres wichtiges Kennzeichen beider Vergleichsstichproben ist der sozioökonomische Status (SES) der Herkunftsfamilie. Für die Analysen findet jeweils der höhere
Wert der beiden Elternteile Verwendung (HISEI). Alle Angehörigen dieser Vergleichsstichproben haben als gemeinsames Merkmal auf einer Skala von 16 bis 90 einen maximalen sozioökonomischen Status von 35.
Der Anteil von Schülerinnen und Schüler, die Angehörige dieser Gruppe sind, lag in
Österreich bei PISA 2003 bei ca. 26 Prozent (n = 22546).
Getestet wurden in Österreich insgesamt 4597 15-jährige Schülerinnen und Schüler,
davon gelten rund 86 % (n = 3966) als „Einheimisch“, 4 % (n = 174) als Migrant/innen
zweiter Generation und 9 %, das entspricht rund 400 getesteten Schüler/innen, sind mit
ihren Elternteilen nach Österreich zugewandert. Insgesamt gab es zum Testzeitpunkt
von PISA 2003 rund 86 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler.
- 80 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 25: Zusammensetzung der Stichprobe
8,8
Migranten 2. Generation
18,4
3,8
6,7
Migranten 1. Generation
„einheimische“
Schüler/innen
86,3
72,8
0
10
20
30
40
50
österr. Gesamtpopulation
60
70
80
90
100
Testpopulation
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 25 zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe unter der Annahme, dass alle
Schülerinnen und Schüler einen maximalen höchsten sozioökonomischen Status
(HISEI) von 35 haben. Es lässt sich leicht erkennen, dass die Zusammensetzung dieser
sozioökonomischen Schicht die gesamt österreichischen Prozentanteile nicht widerspiegelt. In dieser Stichprobe sind Schüler/innen mit Migrationshintergrund doppelt so häufig wie in der gesamt österreichischen Stichprobe vertreten.
Abbildung 26 zeigt die Verteilung der getesteten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler
im Vergleich mit der Stichprobe. Besonders auffallend ist der Anteil der sozial benachteiligten Schüler/innen mit Migrationshintergrund in den Pflichtschulen. Während Schüler/innen ohne Migrationshintergrund in den Hauptschulen mit 3% und in den Polytechnischen Schulen mit rund 12% gegenüber der getesteten Gesamtpopulation sich nur
geringfügig unterscheiden, sind Migrant/innen in den Hauptschulen (14%) und Polytechnischen Schulen (17%) auffällig häufig vertreten. Dasselbe gilt auch in den Sonderschulen (3%). Mehrere Studien bestätigen dieses Ergebnis, dass ausländische Schülerinnen und Schüler überproportional häufig in den Pflichtschulen und in den Sonderschule vertreten sind (vgl. Breit & Schreiner, 2006, S. 169; Herzog-Punzenberger, 2003,
S. 25)
- 81 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 26: Verteilung auf Schulsparten
Bakip / Sozialpäd.
BHS
HH/ HW Schule
BMS
Berufsschule
AHS-Oberstufe
AHS Unterstufe
SS-Oberstufe
SS
Poly
HS
0
5
10
ohne Migrationshintergrund
15
20
mit Migrationshintergrund
25
30
35
Gesamtpopulation
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Auffallend unterrepräsentiert sind Angehörige der sozial benachteiligten Schicht, besonders „einheimische“ Schüler/innen, wenn es um den Schulbesuch einer AHSOberstufe geht. Nur 5% ohne und 11% der sozial benachteiligten Schülerinnen und
Schüler mit Migrationshintergrund besuchen eine Allgemeinbildende Höhere Schule,
während hingegen 20% aller österreichischen Schüler/innen einen solchen Schultyp
besuchen. Ein Blick auf die Verteilung zeigt, dass „einheimische“ sozial benachteiligte
Jugendliche besonders häufig nach Beendigung der Pflichtschule einen Lehrberuf ergreifen (33%) bzw. eine Berufsbildende Mittlere Schule (27%). Im Sinne Boudons (vgl.
3.2.) sind erwartungsgemäß beide Vergleichsstichproben in den Berufsbildenden Höheren Schulen (18% bzw. 20%) gegenüber der österreichischen Gesamttestpopulation
(28%) weniger häufig vertreten.
Ausgang für die weitere deskriptive Beschreibung dieser beiden Vergleichsstichproben
ist einerseits das Schema der Schulleistungsdeterminanten von Helmke und Weinert
(1997) und die Bedingungen von Schulleistungen von Baumert et al, die im Kapitel 3.6
näher
beschrieben
sind.
Helmke
und
- 82 -
Weinert
weisen
in
ihrem
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Schulleistungsdeterminantenmodell auf die negativen bzw. belastenden Einflussfaktoren hin, wenn die Schülerinnen und Schüler aus niedrigem sozio-ökonomischen Status
stammen.
Folgende Variablen haben sich dabei als wichtige Einflussfaktoren erwiesen:
•
die Familienzusammensetzung
•
die Vollständigkeit der Familie und
•
die Berufstätigkeit und Ausbildung der Mutter und des Vaters.
Geißler (1994, S. 139f) macht zusätzlich noch auf den Zusammenhang von Verhaltensstörungen und Wohnmilieu (beengte Wohnverhältnisse, keinen ungestörten Raum zum
Lernen), das wiederum an die finanzielle Situation der Familien geknüpft ist, aufmerksam. Für die Autoren Rodax, Spitz (1978) und Steinkamp (1991) ist für die Entwicklung des Kindes noch entscheidend,
•
über welche kulturelle Ausstattung das häusliche Umfeld verfügt und
•
ob gemeinsame familiäre Aktivitäten stattfinden.
- 83 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.2.1.
Familienzusammensetzung und Vollständigkeit der
Schülerinnen und Schüler
Unbestritten ist die Tatsache, dass die Familienzusammensetzung eine wichtige Rolle in
Bezug auf schulische Leistungen spielt. Helmke & Weinert (1997, S. 119f) weisen jedoch auf die teilweise widersprüchlichen Ergebnisse der Studien über Familienstrukturen hin (z.B. das Konfluenzmodell, Einkindfamilien). Schülerinnen und Schüler leben
in unterschiedlichen Familienstrukturen. Abbildung 27 zeigt die Zusammensetzung der
Familien, in der die Schüler/innen leben, im Vergleich zur Gesamttestpopulation. Sozial
benachteiligte Schüler/innen leben im Vergleich zur Gesamtpopulation (16%) etwas
weniger häufig mit nur einem Elternteil zusammen. Besonders auffällig ist, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund etwas häufiger in Kernfamilien als einheimische
Schüler/innen (79%) leben.
Abbildung 27: Familienzusammensetzung
Gesamtpopulation
15,9
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
75,9
10,5
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
84,8
12,3
0%
10%
8,2
4,8
78,6
20%
30%
Alleinerzieher/in
40%
50%
Kernfamilie
2,8
60%
70%
80%
90%
100%
andere Familienform
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Die Familienzusammensetzung der sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne
Migrationshintergrund unterscheidet sich markant darin, dass 7% der einheimischen
Schüler/innen gegenüber 2% der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in sogenannten Patchworkfamilien leben. Daraus lässt sich erkennen, dass Migrant/innen wesentlich
häufiger in Kernfamilien leben als einheimische Schüler/innen.
- 84 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Familienzusammensetzung (mit Ausnahme der Patchwork-Familien) in der sozial benachteiligten Schicht ähnlicher ist als in
den übrigen Familien der 15-jährigen Schüler/innen.
5.2.2.
Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern
Die Berufstätigkeit und die schulische Ausbildung der Eltern sind neben der Familienzusammensetzung weitere wichtige Einflussfaktoren. Wie viel Zeit und Aufmerksamkeit kann in die schulische Ausbildung investiert werden? Eltern, die eine niedrige schulische Qualifikation aufweisen, können ihren Kindern oft nur schwer bei schulischen
Lernproblemen helfen. Oftmals müssen auch in Familien, die meist aufgrund niedriger
Qualifikation auch über ein niedriges Einkommen verfügen, häufiger beide Elternteile
arbeiten. Damit verfügen sie über weniger Freizeit und weniger Zeit, in der sie mit den
Kindern lernen könnten.
Ziel dieser Arbeit ist es, Unterschiede und Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Standards auf die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit
und ohne Migrationshintergrund herauszuarbeiten. Aus diesem Grund beschränken sich
nun die folgenden deskriptiven Darstellungen auf die zwei Vergleichsstichproben, ohne
einen Vergleich zur getesteten Gesamtpopulation herzustellen.
- 85 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.2.3.
Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation
der Mutter
Der sozioökonomische Status wird bei PISA, wie schon erwähnt, durch den International Standard Classification of Occupations (ISCO) präzisiert. Die Schülerangaben zu
den Berufen der Eltern werden durch dieses Berufsklassifizierungsschema vercodet und
die entsprechenden sozioökonomischen Standardwerte (SES) reichen in diesen Vergleichsstichproben von 16 bis 35.
Die Rollenverteilung in den meisten Familien ist immer noch so, dass die Erziehung
und schulische Betreuung Aufgabe der Mutter ist. Eine Mutter, die über eine höhere
schulische Ausbildung bzw. bei Migrant/innen über ausreichende Deutschkenntnisse
verfügt, kann bei schulischen Lernproblemen unterstützend wirken.
Abbildung 28: ISCO Code der Mutter
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
68,2
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
10
35
0%
10%
20%
33,6
30%
16 - 20
40%
50%
21 - 25
10,7
17,7
60%
26 - 30
70%
80%
11,2
13,9
90%
100%
31 - 35
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 28 zeigt, dass hinsichtlich der beruflichen Ausbildung zwischen beiden
Gruppen große Unterschiede herrschen. Rund zwei Drittel aller Mütter mit Migrationshintergrund, erreichen einen Wert von 16 – 20. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass
zwei Drittel der Mütter ihr Geld als Reinigungspersonal, Haushaltshilfen oder mit anderen Hilfsarbeitstätigkeiten verdienen. Bei Müttern ohne Migrationshintergrund sind dies
- 86 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
nur 35%. Ein weiteres Drittel der „einheimischen“ Mütter verdient ihr Geld z.B. als
Verkaufs- und Dienstleistungshilfskräfte.
Ausbildung und berufliche Tätigkeiten stehen zwar eng im Zusammenhang, aber gerade
bei Migrant/innen ist es häufig so, dass ihre schulische Ausbildung bzw. berufliche Tätigkeit, die sie in ihrem Herkunftsland erworben haben, im Zielland nicht anerkannt
werden.
Abbildung 29: ISCED der Mutter
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
63,4
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
36,6
17,7
0%
10%
82,3
20%
30%
40%
50%
ISCED bis 2
60%
70%
80%
90%
100%
ISCED 3 und größer
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 29 zeigt, dass gerade Mütter mit einem niedrigen SES als höchste schulische
Ausbildung meist (63%) nur einen Pflichtschulabschluss aufweisen. Betrachtet man die
Gruppe der Migrantinnen genauer, so zeigt sich, dass rund 9% aller Migrantinnen über
keine schulisch anerkannte Ausbildung verfügen. 15% über Volksschulniveau und 40%
über eine 8-jährige schulische Ausbildung. Anders formuliert bedeutet das, dass rund 24
Prozent der Mütter mit Migrationshintergrund ihren Kindern spätestens nach der Volksschule nicht mehr bei der Bewältigung der Hausaufgaben helfen können!
Anders stellt sich die schulische Ausbildung bei den „einheimischen“ Müttern dar.
Gemäß unserem Schulsystem verfügen über 80% zumindest über einen Pflichtschulbzw. Lehrabschluss. Diesen Müttern sollte es möglich sein, ihren Kindern zumindest in
der Hauptschule noch bei schulischen Problemen zu unterstützen. Abbildung 29 zeigt
- 87 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
eindrucksvoll die eklatante Benachteiligung der Schüler/innen mit Migrationshintergrund, wenn sie bei schulischen Problemen nur auf die Hilfe ihrer Mütter angewiesen
sind.
Ein weiterer wichtiger Faktor, wenn es um die schulischen Leistungen geht, ist die Tatsache, ob die Mutter als Ansprechperson bei der nachmittäglichen Lernzeit und Hausaufgabenbewältigung zur Verfügung steht.
Abbildung 30: Beschäftigungssituation der Mutter
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
42,8
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
19,6
28,9
0%
10%
Vollzeitbeschäftigung
20%
29,3
30%
40%
Teilzeitbeschäftigung
5,7
2,7
50%
60%
Arbeitssuche
31,9
39,1
70%
80%
90%
100%
Hausfrau, Ruhestand,…
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 30 zeigt die Antworten der Schüler/innen auf die Frage „Was macht deine
Mutter zur Zeit?“. 43% der Schüler/innen mit Migrationshintergrund antworteten, dass
ihre Mütter einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, bzw. 20% einer Teilzeitbeschäftigung. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zu den Antworten der Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund. Nur 29% der „einheimischen“ Mütter arbeiten Vollzeit und
ebenso viele Teilzeit. 39% der Mütter ohne Migrationshintergrund bzw. 32% der Mütter
mit Migrationshintergrund sind zurzeit Hausfrau oder im Ruhestand. Wenn es um die
Frage der Betreuungssituation der Kinder bzw. Jugendlichen geht, so lässt sich vereinfacht sagen, dass rund 70% der „einheimischen“ Mütter gegenüber 57% der Mütter mit
Migrationshintergrund zumindest teilweise ihren Kindern bei der Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung stehen können.
- 88 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, wenn vom Rollenverständnis und der Rollenverteilung in einer typischen Familie ausgegangen wird, die 15-jährigen Schülerinnen
und Schüler mit Migrationshintergrund sehr stark benachteiligt sind. Für viele Schüler/innen dieser Gruppe stellt sich schlimmstenfalls die Situation so dar, dass ihre Mütter aufgrund der niedrigen oder gar keinen Qualifikation schlecht bezahlte Jobs annehmen müssen, aufgrund dieser schlechten Bezahlung viele Stunden arbeiten und so keine
Zeit mehr zu Verfügung steht, um ihren Kindern bei schulischen Problemen zu unterstützen.
5.2.4.
Berufliche Ausbildung und Beschäftigungssituation
des Vaters
Wie stellt sich die Situation der Jugendlichen dar, wenn die berufliche Ausbildung und
Beschäftigungssituation des Vaters betrachtet wird. Erwähnt wurde bereits, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund häufiger in Kernfamilien leben als ihre Vergleichsgruppe.
Abbildung 31: ISCO Code des Vaters
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
13,5
Untere Schicht ohne
2,9
Migrationshintergrund
0%
9,3
43,7
33,5
10%
20%
33,5
35,4
30%
16 - 20
40%
50%
21 - 25
60%
26 - 30
28,4
70%
80%
90%
100%
31 - 35
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Die berufliche Ausbildung bzw. Tätigkeit zeigt hier, ähnlich wie bei der beruflichen
Ausbildung der Mütter, große Unterschiede zwischen den „Einheimischen“und den Mi-
- 89 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
grant/innen. Abbildung 31 zeigt, dass rund viermal so viele Väter mit Migrationshintergrund eine Tätigkeit als Reinigungspersonal oder andere Hilfsarbeitertätigkeiten ausüben. 44% verdienen ihr Einkommen mit Verkaufs- und anderen Dienstleistungshilfsarbeiten und ein weiteres Drittel als Anlagen- und Maschinenbediener, Montierer oder
mit Handwerksberufen.
Etwas anders stellt sich die Tätigkeitssituation der „einheimischen“ Väter dar. Abbildung 32 zeigt, dass rund 90% zumindest über einen Lehrabschluss verfügen. Verbindet
man diese Tatsache mit der beruflichen Tätigkeit, so lässt sich leicht daraus ableiten,
dass diejenigen, die über einen Lehrabschluss verfügen, in z.B. Handwerksberufen tätig
sind. Es lässt sich vermuten, dass nur ein geringer Prozentsatz (3%) über keinen Pflichtschulabschluss verfügt und so ihr Einkommen mit schlecht bezahlten Tätigkeiten verdienen müssen.
Abbildung 32: ISCED des Vaters
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
41,9
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
58,2
11,3
0%
10%
88,8
20%
30%
40%
ISCED bis 2
50%
60%
70%
80%
90%
100%
ISCED 3 und größer
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 32 zeigt, dass fast die Hälfte (42%) der Väter mit Migrationshintergrund
über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Betrachtet man diese Gruppe etwas genauer,
so lässt sich erkennen, dass fast 2% über keine schulische Ausbildung, 9% über eine
vierjährige und fast 32% über eine 8-9-jährige schulische Ausbildung verfügen. Auch
bei den Vätern mit Migrationshintergrund lässt sich feststellen, dass rund 10% nicht in
der Lage sein können, ihren Kindern bei schulischen Problemen zu helfen. Anders sieht
- 90 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
die Situation der Väter ohne Migrationshintergrund aus. Fast 10% haben zumindest
einen Pflichtschulabschluss und fast 58% haben eine Berufsbildende Mittlere Schule
oder eine Lehre absolviert.
Wenig Unterschiede gibt es in der Beschäftigungssituation der Väter mit und ohne Migrationshintergrund. Abbildung 33 zeigt, dass ca. gleich viele Väter einer Vollzeit-bzw.
einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Bemerkenswerte Unterschiede zwischen diesen
Gruppen gibt es nur darin, dass fast drei Mal so viele Väter mit Migrationshintergrund
sich zurzeit der PISA-Befragung auf Arbeitssuche befanden. Doppelt so viele „einheimische“ Jugendliche (11%) gaben an, dass ihre Väter zur Zeit Hausmann bzw. sich im
Ruhestand befinden.
Abbildung 33: Beschäftigungssituation des Vaters
Untere Schicht mit
Migrationshintergrund
78,3
8,8
Untere Schicht ohne
Migrationshintergrund
77,7
8,6 2,5 11,2
0%
Vollzeitbeschäftigung
10%
20%
30%
40%
Teilzeitbeschäftigung
50%
60%
Arbeitssuche
70%
80%
7,3 5,7
90% 100%
Hausmann, Ruhestand,…
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Werden die oben genannten deskriptiven Ergebnisse zusammengefasst, so sind in Bezug auf schulische Unterstützung die Schüler/innen mit Migrationshintergrund ihren
„einheimischen“ Klassenkamerad/innen benachteiligt. „Einheimischen“ Vätern sollte
es, ähnlich wie den Müttern, aufgrund ihrer Ausbildung besser möglich sein, ihren Kindern bei der Bewältigung schulischer Probleme zu helfen.
- 91 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.2.5.
Höchster berufliche Status und Ausbildung der Eltern
Bereits mehrfach wurde erwähnt, dass für die Analysen des sozioökonomischen Status
der höhere Wert der beiden Elternteile (HISEI) Verwendung findet. Beide Vergleichsstichproben haben als wichtiges Kennzeichen einen maximalen HISEI-Wert von 35.
Abbildung 34: Höchster berufliche Status der Eltern
mit
Migrationshintergrund
ohne
Migrationshintergrund
16,7
8,3
0%
8,4
39,7
29,2
10%
20%
35,3
31,9
30%
16 - 20
40%
50%
21 - 25
30,4
60%
26 - 30
70%
80%
90%
100%
31 - 35
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 34 zeigt den Highest parental occupational status (HISEI) der Eltern. Je höher der sozioökonomische Status der Eltern, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,
dass zumindest ein Elternteil über eine höhere Ausbildung bzw. höheres Einkommen
verfügt. Der sozioökonomische Status steht im engen positiven Zusammenhang zur
schulischen Leistung (vgl. Schreiner & Breit, 2006). Eltern ohne Migrationshintergrund,
die einen HISEI-Wert von höchstens 35 aufweisen, unterscheiden sich von der Vergleichsgruppe darin, dass 38% einen Wert bis 25 aufweisen, dessen Wert rund 25% der
Eltern mit Migrationshintergrund gegenüberstehen.
Abbildung 35: Höchste schulische Ausbildung der Eltern
- 92 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
ohne
Migrationshintergrund
39,2
60,9
6,5
0%
93,5
10%
20%
30%
40%
ISCED bis 2
50%
60%
70%
80%
90%
100%
ISCED 3 und größer
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 35 zeigt noch einmal eindrucksvoll, dass fast 40% der Eltern mit Migrationshintergrund höchstens über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Diesem Wert
stehen nur 7% der „einheimischen“ Eltern gegenüber. Sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind in mehrfacher Hinsicht benachteiligt,
wenn es darum geht, ihren Eltern um Mithilfe in schulischen Angelegenheiten zu bitten:
Viele Eltern können ihren Kindern aufgrund ihrer niedrigen Qualifikation, mangelnde
Freizeit und eventuell vorhandenen Sprachschwierigkeiten trotz bestem Willen nicht
helfen, wenn es um die Schule geht.
- 93 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.2.6.
Repetentenquote der Schüler/innen
Abbildung 36 und 37 zeigen die Repetentenquote der sozial benachteiligten 15-jährigen
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund. Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass Migrant/innen bei schulischen Angelegenheiten sehr oft auf sich
alleine gestellt sind, weil es ihren Eltern gar nicht möglich ist, unterstützend zu wirken.
Abbildung 36 und 37 bestätigen diese Vermutung, denn es lässt sich leicht erkennen,
dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund häufiger eine Klasse wiederholen als ihre
Vergleichsgruppe.
Abbildung 36: Repetentenquote ISCED 1
mit Migrationshintergrund
83,5
ohne
Migrationshintergrund
15,7
94,2
0%
10%
20%
30%
1 No, never
40%
50%
2 Yes, once
0,7
5,50,2
60%
70%
80%
90%
100%
3 Yes, twice or more
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
16% der Migrant/innen haben ihren eigenen Angaben nach bereits in der Volksschule
bzw. Sonderschule einmal die Klasse wiederholen müssen. Mindestens eine Klasse in
der Hauptschule bzw. AHS-Unterstufe oder Sonderschule mussten ebenfalls drei Mal so
viele Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenüber einheimischen Schüler/innen
wiederholen (vgl. Abb. 37).
- 94 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 37: Repetentenquote ISCED 2
mit Migrationshintergrund
90,7
ohne
Migrationshintergrund
9,3
96,9
0%
10%
20%
30%
40%
3,1
50%
1 No, never
60%
70%
80%
90%
100%
2 Yes, once
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
5.3. Unterschiede hinsichtlich der kulturellen Güter und Bildungsressourcen
Im Kapitel 5.2. konnte bereits gezeigt werden, dass ein Faktor, der beide Gruppen voneinander unterscheidet, der Bildungshintergrund der Erziehungsberechtigten darstellt. In
diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob es einen Unterschied in Bezug auf
kulturelle Ausstattung und kulturelle Güter gibt. Beide Faktoren besitzen eine Bedeutung für das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler. Breit und Schreiner (vgl.
2006, S. 109) konnten mithilfe einer multiplen Regressionsanalyse zeigen, dass neben
diesen beiden oben genannten Faktoren auch noch der sozioökonomische Status, das
Geschlecht, der Migrationshintergrund und die Ausbildung der Mutter einen Einfluss
auf die schulische Leistung haben.
Die Verfügbarkeit bzw. das Vorhandensein familiärer Bildungsressourcen wird im Fragebogen nach der Frage nach Taschenrechner, Wörterbuch, Lernbücher, ruhiger Platz
zum Lernen oder eines eigenen Schreibtisches festgestellt. Der kulturelle Besitz einer
Familie wird mithilfe der Fragen nach Büchern mit klassischer Literatur oder Gedichten
oder dem Besitz von Kunstwerken eruiert. Die Anforderungen und Herausforderungen
der modernen Berufswelt bringen es mit sich, dass Schüler/innen einen eigenen Compu-
- 95 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
ter besitzen sollten. Aus diesem Grund werden die Schüler/innen gefragt, ob sie die
Möglichkeit haben einen Computer zu benützen, Lern-Software besitzen oder über
einen Internetzugang verfügen.
Bildungsressourcen und kulturelle Besitztümer sind als Konstrukte z-standardisiert, d.h.
dass der OECD-Mittelwert bei 0 und eine Standardabweichung bei 1 liegen. Der österreichische Durchschnitt liegt bei den familiären Bildungsressourcen bei 0,15 und der
kulturelle Besitz bei -0,05, was etwa dem OECD-Schnitt entspricht (vgl. Breit &
Schreiner, 2006, S. 109f).
Tabelle 1: Stichprobenvergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen
Bildungsressourcen Computerbesitz
Gesamte österreichische
Testpopulation
Kulturelle Besitztümer
0.15
0.16
-0.05
0.03
-0.04
-0.40
-0.12
-0.22
-0.41
Schüler/innen ohne Migrationshintergrund
(HISEI<35)
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
(HISEI<35)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 1 zeigt, dass hinsichtlich kultureller Ausstattung Schülerinnen und Schüler mit
niedrigem sozioökonomischen Standard fast um eine halbe Standardabweichung
schlechter als der österreichische bzw. der OECD-Schnitt gestellt sind. Dieses Ergebnis
bestätigt einerseits die Hypothese, dass sozial benachteiligte Gruppen erheblich weniger
anspruchsvolle Bücher oder Kunstwerken besitzen, Theater oder Museumsbesuche
durchführen. Hinsichtlich Bildungsressourcen und die Verfügbarkeit von Computern,
Lern-Software oder Internetzugang liegen sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler im OECD-Durchschnitt.
- 96 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 1 lässt leicht erkennen, dass sozial benachteiligte Migrant/innen im Vergleich
zu ihren „einheimischen“ Klassenkamerad/innen zusätzlich noch darin benachteiligt
werden, dass sie über weniger Zugang zu Computer oder dem World Wide Web
(WWW) verfügen. Diese Benachteiligung kann durch die Schule aufgehoben werden,
da besonders Jugendliche aus niedrigen sozialen Schichten überdurchschnittlich viel
Wissen über Computer von der Schule beziehen (vgl. Schreiner, 2006, S.348).
Tabelle 2: Vergleich kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen
Bildungsressourcen Computerbesitz
„Einheimische“ Schüler/innen
Migrant/innen zweiter Generation (HISEI<35)
Migrant/innen erster Generation (HISEI<35)
Kulturelle Besitztümer
0.03
-0.04
-0.40
-0.00
-0.16
-0.52
-0.16
-0.24
-0.37
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 2 zeigt, dass zwischen Migrant/innen erster und zweiter Generation ein Unterschied hinsichtlich der kulturellen Besitztümer herrscht. Schüler/innen, die bereits im
Inland, aber beide Elternteile im Ausland geboren wurden, lesen im Vergleich zu den
anderen sozial benachteiligten Gruppen am wenigsten klassische Lektüre, Gedichtbände, oder besitzen weniger Kunstwerke als z.B. Migrant/innen erster Generation.
Dieser Abschnitt widmete sich der Frage, ob es zwischen diesen beiden sozial benachteiligten Gruppen Unterschiede gibt, die sich leistungsmindernd auf schulische Leistungen auswirken können. Unterschiede konnten festgestellt werden, insbesonders besitzen
beide Gruppen erheblich weniger kulturelle Besitztümer als der OECD-bzw. österreichische Durchschnitt. Fehlender Computerbesitz und klassische Literatur, die in einer
(zumindest höheren) Schule schon sehr oft implizit von den Lehrer/innen vorausgesetzt
werden, vergrößern diesen Unterschied zum Nachteil dieser untersuchten Gruppen.
- 97 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.4. Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Schülerleistungen
Dieser Abschnitt widmet sich dem Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen
Hintergrund und den Schülerleistungen. Verglichen wird die österreichische Gesamtstichprobe mit sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund. Mehrere Studien (z.B. Schreiner & Pointinger, 2006) konnten bereits einen negativen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistungen in den vier getesteten Domänen feststellen.
5.4.1.
Mittelwertvergleiche der vier getesteten Domänen
Tabelle 3: Mittelwertvergleiche der vier Domänen
Lese-
Naturwissen-
Problem-
kompetenz
schaften
lösen
506 (3.3)
491 (3.8)
491 (3.4)
506 (3.2)
478 (4.9)
455 (5.3)
461 (4.8)
479 (4.9)
439 (5.8)
409 (8.8)
408 (6.2)
442 (5.9)
Mathematik
Gesamtstichprobe
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 3 zeigt die Mittelwertsvergleiche der vier getesteten Domänen Mathematik,
Lesekompetenz, Naturwissenschaften und die erstmals bei PISA 2003 getestete Domäne Problemlösen. Mittelwerte stellen Schätzwerte der jeweiligen Leistungen auf Basis
der Schülerstichproben dar.
Die in der Klammer dargestellte Zahl, so wie in allen anderen folgenden Tabellen auch,
stellt die Höhe des möglichen Messfehlers dieser Schätzung, den sogenannten Standardfehler (S.E.) dar (vgl. OECD, 2004, S. 378). Die großen Standardfehler bei den Schü-
- 98 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
ler/innen mit Migrationshintergrund lassen sich durch die kleine Stichprobenanzahl
(n=238) erklären.
Wie schneiden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund im Vergleich zu allen österreichischen Schüler/innen ab? Sozialbenachteiligte Schüler/innen
schneiden gegenüber dem österreichischem Durchschnitt um fast 28 Punkte in Mathematik, um 36 Punkte in der Kompetenz Lesen, um 30 Punkte in Naturwissenschaften
und um fast 27 Punkte in der getesteten Domäne Problemlösen ab. Einheimische sozial
benachteiligte Schüler/innen schneiden in allen vier getesteten Bereichen um fast eine
halbe Kompetenzstufe schlechter ab als der/die durchschnittliche österreichische Schüler/in. Besonders im Sinnerfassenden Lesen haben Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund Probleme. Im Durchschnitt sind die Leistungen diese Schüler/innen zwischen Level 1 und 2 angesiedelt (vgl. dazu Schreiner, 2006, S. 53).
Noch größer ist die Differenz gegenüber dem österreichischen Durchschnitt, wenn
der/die getestete Schüler/in einen Migrationshintergrund besitzen. Hier unterscheiden
sich beide Vergleichsgruppen bereits um eine ganze Kompetenzstufe, wobei der Unterschied in den Domänen Lesekompetenz und Naturwissenschaften ca. 80 Punkte beträgt.
Anders formuliert bedeutet das, dass besonders viele sozial benachteiligte Schüler/innen
Angehörige der sogenannten Risikogruppe sind und damit Gefahr laufen, durch mangelnde Grundkenntnisse an der aktiven Teilhabe an der Gesellschaft und ihrem privaten
Leben behindert zu werden (vgl. Schreiner, 2006, S. 53).
Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status (HISEI) und den erreichten Schülerleistungen ist in Bezug auf Leseleistung in Österreich besonders stark. 15%
der Leistung können durch den sozialen Status erklärt werden. Im Bereich Naturwissenschaft sind es noch immerhin 13%, und die erreichten Leistungen in Mathematik und
Problemlösen können mit jeweils 11% durch den sozioökonomischen Status erklärt
werden (vgl. dazu Breit & Schreiner, 2006, S. 202). Eine durchgeführte Korrelation
zwischen dem sozioökonomischen Status und den sozial benachteiligten Schüler/innen
mit und ohne Migrationshintergrund lässt die erklärte Varianz in den vier getesteten
Domänen auf 0% schwinden.
- 99 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.4.2.
Zusammenhang zwischen Leistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund
Eine weitere Analyse der familiären Faktoren, wie z. B. familiäre Zusammensetzung,
berufliche und schulische Ausbildung der Eltern und die familiären und kulturellen Besitztümer zeigen größtenteils erklärte Leistungsvarianzen zwischen 0% und 3%. Ausnahmen zeigen sich bei den Migrant/innen zwischen Lesen und dem höchsten Ausbildungsgrad der Eltern (6%) und dem Geschlecht, der bei den „einheimischen“ Schüler/innen 7% und bei den Migrant/innen 9% der Leseleistung erklären.
Tabelle 4 zeigt die Korrelationswerte zwischen den Schülerleistungen und dem sozioökonomischen Hintergrund. Bei diesen Berechnungen findet der PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) Verwendung. Ein Vergleich zwischen der österreichischen Gesamtstichprobe und den einzelnen Vergleichsstichproben
zeigt, dass der sozioökonomische Hintergrund die Leistungen der österreichischen
Schüler/innen in Mathematik mit 16% erklärter Varianz, die Lesekompetenz mit 21%,
die Kompetenz Naturwissenschaft 19% und die getestete Domäne Problemlösen mit
16% erklärt.
Tabelle 4: Korrelation zwischen den Schülerleistungen und dem ESCS
Lese-
Naturwissen-
Problem-
kompetenz
schaften
lösen
0.40 (0.02)
0.46 (0.02)
0.43 (0.02)
0.40 (0.02)
0.13 (0.05)
0.19 (0.04)
0.15 (0.04)
0.10 (0.04)
0.17 (0.07)
0.28 (0.06)
0.16 (0.06)
0.17 (0.07)
Mathematik
Österreich
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Die Stärke des Zusammenhangs zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und der
Lesekompetenz mit einem Korrelationswert von 0.46 und der Kompetenz Naturwissen-
- 100 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
schaft, der Korrelationskoeffizient beträgt hier 0.43, ist bei den österreichischen Schüler/innen besonders groß. Diese Werte entsprechen einer mittleren Korrelation.
Tabelle 4 lässt erkennen, dass ein Vergleich zwischen den sozial benachteiligten Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zwischen 1% und 3% der Leistungsvarianz erklären. Die zugehörigen Korrelationskoeffizienten weisen auf einen geringen
Zusammenhang hin. Eine Ausnahme findet sich bei den Migrant/innen: 8% der Leistungsvarianz in der Domäne Lesekompetenz können durch den sozioökonomischen
Hintergrund der Schüler/innen erklärt werden.
Die nächsten vier Abbildungen stellen den Vergleich der Gradienten in Abhängigkeit
des sozioökonomischen Hintergrundes und den Leistungen in den vier Domänen dar.
Die Gradienten der unterschiedlichen Vergleichsgruppen sind farblich verschieden gekennzeichnet. Die Gradienten sind jeweils für die mittleren 90% der Schüler/innen aufgetragen.
Die Höhe der Gradienten sind den Abbildungen und den dazugehörigen Tabellen zu
entnehmen. An ihnen lässt sich das durchschnittliche Mathematikergebnis erkennen,
wenn der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Status (ESCS) in allen OECD-Ländern
gleich wäre.
Die Steigung der Gradienten gibt einen Hinweis auf den Einfluss des sozioökonomischen Status auf die einzelnen Leistungen. Eine schwächere Steigung bedeutet, dass der
soziale Hintergrund weniger Einfluss auf die Schülerleistungen ausübt. Je stärker die
Steigung der Gradienten ist, desto stärker ist der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die jeweiligen Leistungen (vgl. OECD, 2004, S. 206).
- 101 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 38: Gradientenvergleich Mathematik
600
550
500
450
400
350
300
-2,1
Österreich
1,5
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Abbildung 38 zeigt den Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes (ESCS) auf die
Leistungen in Mathematik. Das durchschnittliche Leistungsniveau der mittleren 90%
der Schüler/innen beträgt in Österreich 505 Punkte, wobei sich der Punktebereich von
452 bis 541 erstreckt (vgl. dazu Tabelle 5). Die stärkere Steigung des Gradienten (blau)
weist auf einen starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Mathematikleistungen in Österreich hin. Ein ähnlich starker Einfluss lässt sich auch bei den
getesteten Domänen Lesekompetenz, Naturwissenschaft und Problemlösen erkennen
(vgl. Abb. 39 bis 41). Die Abhängigkeit der Leistungen vom sozioökonomischen Hintergrund sind ein Kennzeichen stark gegliederter bzw. selektiver Schulsysteme (vgl.
Breit & Schreiner, 2006, S. 202).
- 102 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und ESCS
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und sozioökonomischen Hintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Mittelwert
Steigung des Gradienten
Wenn
ESCS-MW
in allen
OECD Länder gleich
wäre
Einer ESCS-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
505 (2.5)
43 (2.3)
497 (7.5)
460 (10.2)
Länge der Projektion der
Gradienten (ESCS)
5.
Perzentil
95.
Perzentil
Differenz
-1.21
1.5
2.74
24 (8.3)
-1.4
0.1
1.5
20 (7.6)
-2.1
0.0
2.2
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Sozial benachteiligte „einheimische“ Schüler/innen weisen ein durchschnittliches Leistungsniveau von 497 Punkten auf, wobei sich der Wertebereich von 462 bis 498 Punkten erstreckt. 90% dieser Schülergruppe weisen ein Kompetenzniveau von 2 bis 3 auf.
Ein Vergleich der Gradienten zwischen den Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zeigt, dass der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes bei den Migrant/innen etwas stärker ist als bei den „Einheimischen“. 90% der Migrant/innen weisen einen Leistungsbereich von 419 bis 461 Punkte auf.
Mehrmals wurde bereits auf den starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes
auf die Leseleistung hingewiesen. Abbildung 39 zeigt, dass der Mittelwert der Migrant/innen im Vergleich zu ihren sozial benachteiligten „einheimischen“ Mitschüler/innen um fast 30 Punkte niedriger ist. Der Wertebereich der Migrant/innen reicht
von knapp 370 bis 460 Punkte (vgl. Tabelle 6). Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass
90% aller sozial benachteiligten Migrant/innen im Kompetenzbereich Lesen Level 1 bis
2 erreichen, und damit große Schwierigkeiten im Erfassen und Verstehen von einfachen
Texten haben.
- 103 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 39: Gradientenvergleich Lesekompetenz
600
550
500
450
400
350
300
-2,1
Österreich
1,5
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Etwas besser sieht die Leistung bei den „einheimischen“ Schüler/innen aus, die ein mittleres Niveau von 484 Punkten erreichen. 90% dieser Vergleichsgruppe liegen im Punktebereich von 430 bis knapp 490 (Level 2 bis 3).
Tabelle 6: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und ESCS
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Lesekompetenz und sozioökonomischen Hintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Mittelwert
Steigung des Gradienten
Wenn
ESCS-MW
in allen
OECD Länder gleich
wäre
Einer ESCS-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
490 (2.5)
54 (2.3)
484 (8.7)
455 (11.0)
Länge der Projektion der
Gradienten (ESCS)
95.
Perzentil
Differenz
-1.21
1.5
2.74
37 (8.0)
-1.4
0.1
1.5
41 (8.8)
-2.1
0.0
2.2
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 104 -
5.
Perzentil
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Die Naturwissenschaftskompetenz stellt bei PISA 2006 die Hauptdomäne dar. Aus diesem Grund sind für PISA 2003 noch keine Kompetenzstufen definiert, nach denen es
möglich wäre, die Leistungen der Schüler/innen genauer zu betrachten (vgl. Schreiner
& Pointinger, 2006, S. 143). Der Gradientenvergleich zeigt eine Ähnlichkeit mit Abb.
38 auf. Die Steilheit beider Gradienten (rot und schwarz) lässt einen gleich starken Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Kompetenz Naturwissenschaft
schließen.
Abbildung 40: Gradientenvergleich Naturwissenschaft
600
550
500
450
400
350
300
-2,1
Österreich
1,5
ohne Migrationhintergrund
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 7 (nächste Seite) zeigt, dass sich die Schüler/innen mit einem niedrigen sozialen
Hintergrund im Mittelwert immerhin noch um ca. 50 Punkte unterscheiden. 90% aller
Migrant/innen erreichen rund 390 bis 430 Punkten. „Einheimische“ erreichen Testleistungen die sich von rund 440 bis 480 Punkten erstrecken.
- 105 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 7: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und ESCS
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Naturwissenschaft und sozioökonomischen Hintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Mittelwert
Steigung des Gradienten
Wenn
ESCS-MW
in allen
OECD Länder gleich
wäre
Einer ESCS-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
590 (2.5)
49 (2.2)
483 (7.7)
429 (10.7)
Länge der Projektion der
Gradienten (ESCS)
5.
Perzentil
95.
Perzentil
Differenz
-1.21
1.5
2.74
28 (8.0)
-1.4
0.1
1.5
20 (7.9)
-2.1
0.0
2.2
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Die Kompetenzstufen der Problemlöseskala erstrecken sich von 1 bis 3. Abbildung 41
und Tabelle 8 lassen erkennen, dass 90% aller sozial benachteiligten Schüler/innen mit
und ohne Migrationshintergrund Kompetenzstufe 1 erreichen, die sich von 405 bis 499
Punkten erstreckt. Es handelt sich bei diesen Schüler/innen um „Problemlöser mit nur
sehr grundlegenden Fähigkeiten“ (vgl. Lang, 2006, S. 105).
Abbildung 41: Gradientenvergleich Problemlösen
600
550
500
450
400
350
300
-2,1
Österreich
1,5
ohne Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 106 -
mit Migrationshintergrund
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Ein Vergleich der Gradienten zwischen den Schüler/innen ohne und mit Migrationshintergrund zeigt auch beim Problemlösen den etwas stärkeren Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf die Testleistungen.
Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Problemlösen und ESCS
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen in Mathematik und sozioökonomischen Hintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Mittelwert
Steigung des Gradienten
Wenn
ESCS-MW
in allen
OECD Länder gleich
wäre
Einer ESCS-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
505 (2.4)
42 (2.1)
493 (7.8)
465 (10.3)
Länge der Projektion der
Gradienten (ESCS)
95.
Perzentil
Differenz
-1.21
1.5
2.74
18 (7.9)
-1.4
0.1
1.5
21 (8.3)
-2.1
0.0
2.2
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 107 -
5.
Perzentil
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.4.3.
Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen
und dem sozioökonomischen Status
Ein zusätzlich durchgeführter Gradientenvergleich, der den Zusammenhang zwischen
dem sozioökonomischen Status und den getesteten Domänen darstellen soll, lässt ein
ähnliches Bild erkennen. Im Folgenden werden nur zwei Abbildungen dargestellt, weil
sich der Gradientenvergleich zwischen dem SES und den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen sehr ähnlich sind.
Abbildung 42: Gradientenvergleich von Mathematik und dem SES
600
550
500
450
400
350
300
Österreich (SES: 32 - 71)
ohne Migrationshintergrund (SES: 16 - 34)
mit Migrationshintergrund (SES: 16 - 34)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Auffallend ist die ausgeprägt schwache Steilheit des Gradienten, der den Zusammenhang zwischen dem SES und den Mathematikleistungen der Schüler/innen mit Migrationshintergrund darstellt. Daraus lässt sich erkennen, dass der sozioökonomische Status
in der Gruppe der sozial Benachteiligten keinen Einfluss mehr hat. Die mittleren 90%,
d. h. die Längen der Gradienten, reichen beim österreichischen Durchschnitt von einem
HISEI-Wert von 32 bis 71 und bei den sozial benachteiligten Schüler/innen von 16 bis
34.
- 108 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 9: Zusammenhang zwischen dem SES und den Leistungen
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischem Status
Mittelwert
Steigung des Gra- Länge der Projektion der
dienten
Gradienten (HISEI)
Einer HISEI-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
5.
Perzentil
(Punkte)
95.
Perzentil
(Punkte)
Differenz
(Punkte)
420 (6.0)
Mathematik
1.9 (0.1)
479
552
+73
505 (18.1)
-1.0 (0.6)
489
472
-17
434 (27.8)
0.2 (0.9)
437
439
+3
Lesen
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
380 (6.9)
2.4 (0.1)
457
551
-94
470 (20.6)
-0.6 (0.7)
462
452
-10
355 (41.5)
1.9 (1.4)
386
420
+34
392 (5.7)
Naturwissenschaft
2.1 (0.1)
461
544
+83
483 (16.9)
-0.6 (0.7)
474
463
-11
406 (31.5)
0.1 (1.1)
407
408
+1
421 (5.8)
Problemlösen
1.8 (0.1)
480
552
+72
511 (16.1)
-1.2 (0.6)
493
472
-21
444 (31.0)
-0.1 (1.0)
443
442
-1
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Betrachtet man die Werte der Migrant/innen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen (Tab. 9), so lässt sich eine auffallend geringe Zunahme der
Punkte mit dem steigenden sozioökonomischen Status erkennen. Eine Zunahme des
sozioökonomischen Status, der Beruf, Erziehung und das Einkommen berücksichtigt,
führt zu keiner Zunahme der Schülerleistungen.
Gegenteiliges lässt Abbildung 43 erkennen. Ein Vergleich der Gradienten zwischen den
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund lässt den starken Zusammenhang
zwischen dem SES und den Leseleistungen bei den Migrant/innen erkennen (vgl. dazu
- 109 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tab. 9). In der Kompetenz Lesen weisen die Migrant/innen einen positiven Zusammenhang, die „einheimischen“ Schüler/innen dagegen einen schwach negativen Punktezuwachs auf.
Abbildung 43: Gradientenvergleich von Lesen und SES
600
550
500
450
400
350
300
Österreich (SES: 32 - 71)
ohne Migrationshintergrund (SES: 16 - 34)
mit Migrationshintergrund (SES: 16 - 34)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
5.4.4.
Zusammenfassung
Dieser Abschnitt beschäftigte sich mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen
dem sozioökonomischen Hintergrund und den Schülerleistung gibt. Der erwartete negative Einfluss in den vier bei PISA 2003 getesteten Domänen konnte bestätigt werden.
Auffallend ist, dass besonders in den Domänen Lesen und Problemlösen der niedrige
soziale Hintergrund bei den Migrant/innen, im Gegensatz zu den „einheimischen“ Schüler/innen, einen starken Einfluss auf die Schülerleistungen hat.
Der Grund dafür wird in der Sprachkompetenz der Migrant/innen vermutet, da beide
Domänen Lesekompetenz und Kommunikation erfordern (vgl. Lang, 2006, S. 104). Ein
Vergleich beider Stichproben konnte zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen dem
sozioökonomischen Status und den Leistungen ähnliche Ergebnisse liefert, wie ein Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Hintergrund. Auffallend war der geringe
Punktezuwachs bei den Schüler/innen mit Migrationshintergrund in den getesteten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Problemlösen. Ein weiteres überraschendes
- 110 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Ergebnis war, dass in der Kompetenz Lesen die Migrant/innen einen positiven und die
„einheimischen“ Schüler/innen eine leichte Punkteabnahme aufweisen.
- 111 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.5. Mittelwertsvergleich: Schülerleistungen in vier Mathematikbereichen
5.5.1.
Beschreibung der vier Mathematik-Subskalen
Dieses Kapitel widmet sich der Frage, ob es innerhalb der vier Mathematik-Subskalen,
nämlich „Raum und Form“, „Veränderung und Beziehung“, Quantitatives Denken“ und
„Unsicherheit“ Bereiche gibt, die von den Immigrant/innen besser als andere bewältigt
werden. Es wird vermutet, dass Subskalen, die keine hohe Anforderungen an die
Sprachkompetenz stellen und damit Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligen könnten, besser bewältigt werden. Um diese Frage zu beantworten, werden zwischen beiden Vergleichsgruppen die Mittelwertunterschiede empirisch
untersucht und deskriptiv dargestellt. Ebenso werden die Korrelationskoeffizienten und
die erklärten Varianzen zwischen dem sozioökonomischen Status und den einzelnen
mathematischen Bereichen mit dem Ziel berechnet, eventuelle Zusammenhänge zwischen diesen Variablen feststellen zu können.
Die einzelnen Subskalen bestehen alle aus sechs verschiedenen Schwierigkeitsgraden.
Im Folgenden werden immer nur jeweils die ersten drei Schwierigkeitsstufen beschrieben, da die errechneten Mittelwerte beider Gruppen nicht über Level 3 hinausgehen.
Die Mathematik-Subskala „Raum und Form“ setzt sich aus Mathematikaufgaben zusammen, die „mit räumlichen und geometrischen Phänomenen und Beziehungen in Zusammenhang“ stehen (OECD, 2004, S. 58). Wenn Schüler/innen zwischen 358 und 420
Punkten erreichen, so entspricht ihr Können Kompetenzstufe 1. Sie können „anhand
vertrauter Bilder oder Zeichnungen geometrische Objekte und durch Zählen oder Anwendung grundlegender Rechenverfahren einfache Probleme in einem vertrauten Kontext lösen (ebd., S. 63). Kompetenzstufe 2 (421 – 482 Punkte) erreichen Schüler/innen
dann, wenn sie z.B. einfache geometrische Muster erkennen, „sich ein Objekt zweibzw. dreidimensional vorstellen und damit arbeiten“, oder „zur Lösung von Problemen
in einem geometrischen Kontext einfache Rechenoperationen durchführen“ können
(ebd., S. 63). Level 3 erreichen Schüler/innen dann, wenn sie z.B. „grundlegende Pro-
- 112 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
blemlösefähigkeiten wie das Entwerfen einer einfachen Strategie unter Beweis stellen“
(ebd., S. 63).
Die Mathematik-Subskala „Veränderung und Beziehungen“ bezieht „sich auf mathematische Darstellungen von Veränderungen und funktionalen Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Variablen“ (OECD, 2004, S. 72). Kompetenzstufe 1 erreichen in
diesem Bereich Schüler/innen, wenn sie fähig sind, in einer einfachen Tabelle oder
grafischen Darstellung wichtige Informationen auffinden und ablesen zu können, oder
einfache „Rechnungen zu Beziehungen zwischen zwei bekannten Variablen“ durchzuführen (ebd., S. 78). Mindestens 421 Punkte und damit Kompetenzstufe 2 erreichen
Schüler/innen dann, wenn sie einfache Texte und Muster interpretieren und zur Lösung
von Problemen einfache Algorithmen, Formeln und Verfahren anwenden können.
Kompetenzstufe 3 verlangt bereits ein Können, dass ein „gewisses Maß an Interpretation, mathematisches Denken in vertrauten Kontexten und Kommunikation der Argumente“ verlangt (ebd., S. 78).
„Quantitatives Denken“ wurde von Schüler/innen bei PISA 2003 verlangt, wenn ihnen
Mathematikaufgaben vorgelegt wurden, die sich auf „numerische Phänomene und quantitative Beziehungen und Muster“ bezogen haben (ebd., S. 83). Kompetenzstufe 1 ist so
definiert, dass 88% aller Schüler/innen im OECD-Raum mindestens „eine einfache Zahlentabelle lesen und interpretieren, die Spalten addieren und die Ergebnisse vergleichen
können“ (ebd., S. 88). Die nächste Stufe verlangt neben der Interpretation einfacher
Tabellen das Identifizieren und Entnehmen wichtiger Informationen, das Durchführen
grundlegender arithmetischer Rechnungen und die Interpretation und Bearbeitung einfacher quantitativer Beziehungen (ebd., S. 88). Zwischen 483 und 544 Punkte (Level 3)
erreichen Schüler/innen dann, wenn sie einfache Problemlösestrategien anwenden können, „die mathematisches Denken in vertrauten Kontexten voraussetzen und Tabellen
interpretieren, um Informationen aufzufinden“. Ebenso sind sie fähig, „explizit beschriebene Berechnungen in mehrschrittigen Verfahren“ durchzuführen“ (ebd., S. 88).
Der vierte Mathematikbereich, der wie die anderen drei Subskalen jeweils ein Viertel
der Mathematikaufgaben umfasst, bezieht sich auf „probabilistische und statistische
Phänomene und Abhängigkeiten“ (ebd., S. 93). Die Skala „Unsicherheit“ verlangt z.B.
- 113 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
auf Kompetenzstufe 1 „grundlegende Wahrscheinlichkeitskonzepte im Kontext eines
einfachen vertrauten Experiments (z.B. mit Würfel oder Münzen)“ zu verstehen. Stufe 2
setzt das Auffinden statistischer Informationen, die in vertrauter grafischer Darstellung
geliefert werden“ bzw. das Verstehen grundlegender statistischer Konzepte und Regeln
voraus (vgl. ebd., S. 96). Wenn Schüler/innen „statistische Informationen und Daten
interpretieren und verschiedene Informationsquellen miteinander verknüpfen können“
(ebd., S. 96), erreichen sie Stufe 3. Ebenso können diese Schüler/innen „grundlegende
logische Denkschritte in Bezug auf einfache Wahrscheinlichkeitskonzepte, Symbole
und Regeln vollziehen und entsprechende Aussagen dazu formulieren“ (ebd., S. 96).
5.5.2.
Mittelwertvergleich beider Vergleichsgruppen in
vier Mathematik-Subskalen
Tabelle 10 und Abbildung 44 zeigen den Mittelwertvergleich sozial benachteiligter
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in allen vier Mathematik-Subskalen.
Sie lassen erkennen, dass in allen vier Bereichen die Mittelwerte der Schüler/innen mit
Migrationshintergrund hinter den Leistungen ihrer „einheimischen“ Schulkolleg/innen
liegen.
Tabelle 10: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Unterschied
Raum und
Veränderung
Quantitativ.
Form
und Beziehung
Denken
490 (5.1)
467 (5.6)
466 (4.8)
487 (4.5)
443 (7.5)
427 (6.8)
426 (5.5)
453 (5.8)
47 (9.0)
40 (9.1)
40 (7.2)
34 (7.1)
Unsicherheit
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Im Bereich „Raum und Form“ erreichen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund 490
Punkte und erreichen im Durchschnitt Kompetenzstufe 3, die von 483 bis 544 Punkte
reicht. Damit liegen sie 25 Punkte hinter dem österreichischen Durchschnitt (vgl.
- 114 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
OECD, 2004, S. 392). Immigrant/innen liegen mit 443 Punkten mehr als eine halbe
Kompetenzstufe hinter ihren „einheimischen“ Schulkolleg/innen und mehr als eine
Kompetenzstufe hinter dem österreichischem Mittelwert. Im Durchschnitt erreichen sie
Stufe 2, die bis 482 Punkte reicht.
Abbildung 44: Mittelwertvergleiche der Leistungen in vier mathematischen Bereichen
600
550
500
450
400
350
300
Raum und Form
Veränderung und
Beziehung
ohne Migrationshintergrund
Quantitatives Denken
Unsicherheit
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
In den Bereichen „Veränderung und Beziehung“ und „Quantitatives Denken“ beträgt
der Unterschied zwischen beiden Gruppen jeweils 40 Punkte. „Einheimische“ Schüler/innen erreichen in beiden Bereichen etwas über 460 Punkte, liegen damit auf Kompetenzstufe 2 und mehr als eine halbe Kompetenzstufe hinter dem österreichischem
Durchschnitt.
Der österreichische Mittelwert beträgt in der Subskala „Veränderung und Beziehung“
500 Punkte und in den Subskala „Quantitatives Denken“ 513 Punkte (vgl. ebd., S. 396
u. S. 400). Migrant/innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status erreichen im
Mittel etwa 425 Punkte und damit um mehr als eine halbe Kompetenzstufe weniger als
ihre Vergleichsgruppe. Kompetenzstufe 2 reicht von 421 bis 482 Punkte. Somit lässt
sich erkennen, dass in beiden Bereichen Schüler/innen mit und ohne Migrationssintergrund im Durchschnitt sich auf derselben Kompetenzstufe befinden.
- 115 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Die geringste Differenz zwischen beiden Gruppen lässt sich im Bereich „Unsicherheit“
errechnen. Schüler/innen ohne Migrationshintergrund erreichen in etwa mit ihrem Mittelwert von fast 490 Punkten den österreichischen Durchschnittswert von 494 Punkten.
Migrant/innen liegen mit 34 Punkten hinter ihrer Vergleichsgruppe und nur etwa 40
Punkte hinter dem österreichischen Mittelwert. „Einheimische“ Schüler/innen bewältigen im Durchschnitt Aufgaben der Schwierigkeitsstufe 3 und Immigrant/innen mathematische Beispiele der Schwierigkeitsstufe 2.
Tabelle 11: Korrelationskoeffizienten zwischen den vier Subskalen und dem HISEI
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Raum und
Veränderung
Quantitativ.
Form
und Beziehung
Denken
-0.05 (0.04)
-0.06 (0.03)
-0.05 (0.04)
0.03 (0.08)
-0.01 (0.08)
0.01 (0.08)
-0.00 (0.07)
-0.05 (0.04)
Unsicherheit
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Anhand einer Korrelationsberechnung wurde der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den einzelnen Mathematik-Subskalen berechnet. Der Korrelationskoeffizient beträgt zwischen -0.05 und 0.03, was auf einen sehr geringen Zusammenhang hinweist. Die erklärte Varianz beträgt in allen Subskalen weniger als 1% (vgl.
Tab. 11).
5.5.3.
Zusammenfassung
In diesem Abschnitt wurde untersucht, ob Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund in den vier bei PISA 2003 untersuchten mathematischen Subskalen
unterschiedlich abschneiden. Festgestellt konnte werden, dass der Leistungsunterschied
zwischen Immigrant/innen und „Einheimischen“ in jeder Subskala mehr als eine halbe
Kompetenzstufe beträgt. Den größten Punkteunterschied gibt es im Bereich „Raum und
Form“ und den geringsten im Bereich „Unsicherheit“. Interessant ist, dass Schreiner
(2006, S. 52) darauf hinweist, dass genau in den Bereichen „Raum und Form sowie
Größen die relative Stärke Österreichs, und ein schwächeres Ergebnis bezüglich Unsi-
- 116 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
cherheit zu verbuchen ist. In den Subskalen „Veränderung und Beziehung“ und „Quantitatives Denken“ ist der Mittelwertunterschied zwischen Vergleichsgruppen gleich
groß.
Ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten
Leistungen konnte innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten Schüler/innen mit
und ohne Migrationshintergrund nicht festgestellt werden. Die Hypothese, dass es Mathematik-Subskalen gibt, die keine hohen Anforderungen an die Sprachkompetenz stellen (z.B. Anwendung grundlegender Rechenverfahren oder das Erkennen einfacher
geometrischer Muster) und damit Migrant/innen nicht benachteiligen, konnte nicht bestätigt werden.
- 117 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.6. Schulspartenvergleich: Auswirkungen des Migrationshintergrundes
Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, wie sich der Migrationshintergrund auf sozial
benachteiligte Schüler/innen auswirkt, wenn sie dieselbe Schulsparte wie ihre Vergleichsstichprobe besuchen. Erwartet wird, dass in den höheren Bildungsanstalten der
Unterschied kleiner ist als in den Pflichtschulen. Grund für die Annahme ist, dass die
Aufnahmekriterien für die weiterführenden Schulen für alle Schüler/innen gleich sind
und, sobald ein/e Schüler/in den Anforderungen höherer Schulen entspricht, es keinen
besonderen Leistungsunterschied zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen dürfte.
5.6.1.
Mittelwertvergleich der Schülerleistungen mit und
ohne Migrationshintergrund
Abbildung 45 und Tabelle 12 lassen erkennen, dass Schüler/innen ohne Migrationshintergrund in jeder Schulsparte höhere Punkte als Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen.
Abbildung 45: Schulspartenvergleich Mathematik
600
550
500
450
400
350
300
APS
AHS
BS
ohne Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 118 -
BMS
mit Migrationshintergrund
BHS
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 12: Schulspartenvergleich Mathematik
Schulspartenvergleich: Mittelwerte Mathematik
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Unterschied
APS
AHS
BS
BMS
BHS
458 (9.2)
575 (10.6)
448 (7.0)
472 (7.2)
551 (9.2)
395 (9.0)
520 (11.9)
418 (9.5)
434 (10.4)
494 (13.6)
63 (13.6)
55 (20.0)
30 (9.0)
39 (14.1)
57 (15.4)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
In der Domäne Mathematik werden im Durchschnitt die meisten Punkte in den Allgemeinen Höheren Schulen (575 Punkte) und in den Berufsbildenden Höheren Schulen
mit rund 550 Punkten erreicht. Migrant/innen erreichen auch hier die besten Mittelwerte, jedoch macht der Abstand zu den „einheimischen“ Schüler/innen über 50 Punkte,
bzw. fast eine ganze Kompetenzstufe aus. Migrant/innen, die eine Hauptschule bzw.
eine Berufsschule besuchen, erreichen im Mittelwert 400 bzw. 420 Punkte, die den Anforderungen von Level 1 entsprechen. Schüler/innen ohne Migrationshintergrund sind
in der Hauptschule um eine Kompetenzstufe und in den Berufsschulen um eine halbe
Kompetenzstufe besser.
- 119 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 46: Schulspartenvergleich Lesekompetenz
600
550
500
450
400
350
300
APS
AHS
BS
ohne Migrationshintergrund
BMS
BHS
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Der Schulspartenvergleich in der getesteten Domäne Kompetenz Lesen zeigt, dass beide
Vergleichsgruppen in den AHS und in den BHS die besten Mittelwerte erzielen (vgl.
Abbildung 46 und Tabelle 13). Auch hier lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Schüler/innen ohne Migrationshintergrund und den Migrant/innen feststellen.
Tabelle 13: Schulspartenvergleich Lesekompetenz
Schulspartenvergleich: Mittelwerte Lesekompetenz
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Unterschied
APS
AHS
BS
BMS
BHS
421 (10.5)
574 (11.8)
418 (8.2)
457 (7.5)
535 (8.3)
347 (11.6)
519 (18.6)
373 (16.4)
425 (16.1)
484 (11.5)
74 (14.2)
54 (23.6)
45 (19.1)
33 (18.2)
51 (12.6)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Sozial benachteiligte Schüler/innen ohne Migrationshintergrund erreichen in den
Hauptschulen im Durchschnitt Level 2, hingegen Schüler/innen mit Migrationshintergrund durchschnittlich Level 1. Der Abstand beträgt auch hier fast eine Kompetenzstufe, in den AHS, BHS und in den Berufsschulen eine halbe Kompetenzstufe. „Einheimische“ Schüler/innen erreichen die wenigsten Punkte in den Berufsschulen, während die
- 120 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
geringste Punkteanzahl der sozial benachteiligten Migrant/innen in den Hauptschulen
(APS) verzeichnet wird.
Abbildung 47 und Tabelle 14 lassen ein ähnliches Bild wie in der getesteten Hauptdomäne Mathematik und in der Nebendomäne Kompetenz Lesen erkennen.
Abbildung 47: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft
600
550
500
450
400
350
300
APS
AHS
BS
ohne Migrationshintergrund
BMS
BHS
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Auch hier werden die besten Mittelwerte von beiden Vergleichsgruppen in den AHS
574 Punkte) und in den BHS (534 Punkte) erzielt.
Tabelle 14: Schulspartenvergleich Naturwissenschaft
Schulspartenvergleich: Mittelwerte Naturwissenschaft
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Unterschied
APS
AHS
BS
BMS
BHS
444 (10.3)
574 (10.7)
428 (7.2)
454 (7.0)
534 (9.0)
365 (11.6)
501 (16.5)
381 (12.1)
399 (11.4)
462 (14.1)
79 (16.4)
73 (20.0)
48 (12.0)
56 (14.2)
72 (16.4)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Der Leistungsabstand zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund beträgt in beiden Schulsparten rund 70 Punkte. Der Abstand vergrößert sich in der Schul-
- 121 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
sparte APS mit einer Differenz von fast 80 Punkten und ist am Geringsten in den Berufsschulen mit fast 50 Punkten.
Abbildung 48: Schulspartenvergleich Problemlösen
600
550
500
450
400
350
300
APS
AHS
BS
ohne Migrationshintergrund
BMS
BHS
mit Migrationshintergrund
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Im Kapitel 5.4.2 wurde bereits festgestellt, dass 90% aller sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund Kompetenzstufe 1 erreichen. Diese erstreckt sich von 405 bis 499 Punkten. Diese „Problemlöser mit nur sehr grundlegenden
Fähigkeiten“ befinden sich zum Testzeitpunkt erwartungsgemäß in den Allgemeinen
Pflichtschulen (hier HS), Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen
(vgl. Abbildung 48 und Tabelle 15).
Tabelle 15: Schulspartenvergleich Problemlösen
Schulspartenvergleich: Mittelwerte Problemlösen
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Unterschied
APS
AHS
BS
BMS
BHS
451 (9.6)
573 (11.9)
455 (7.1)
475 (8.7)
547 (8.2)
402 (9.0)
526 (16.8)
419 (13.0)
438 (13.6)
499 (12.5)
50 (14.0)
47 (22.6)
36 (12.2)
36 (18.0)
48 (14.3)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 122 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Wiederum auffällig ist, dass sich die größte Anzahl der „Schwachen Problemlöser“
(vgl. Lang, 2006, S. 106) in den APS befinden, und es sich dabei wieder um Migrant/innen handelt (402 Punkte). Der Abstand zwischen beiden Vergleichsstichproben
ist in den Schulsparten BS mit 36 Punkten und in den BMS mit 36 Punkten am geringsten. Den größten Mittelwertsunterschied lässt sich mit 50 Punkten bei den Pflichtschüler/innen finden.
5.6.2.
Zusammenfassung
Dieser Abschnitt beantwortet die Frage, ob sich der Migrationshintergrund auf sozial
benachteiligte Schüler/innen auswirkt, wenn sie dieselbe Schulsparte wie ihre Vergleichsstichprobe besuchen. Detailergebnisse zeigen, dass es in allen Schulsparten zum
Teil sehr große Unterschiede hinsichtlich der getesteten Schülerleistungen in den Mittelwerten gibt. Auffallend groß ist der Unterschied in allen vier Domänen in den Hauptschulen. Dieser Unterschied verringert sich etwas in den Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen.
Eine Erklärung dürfte sein, dass PISA Schüler/innen testet, die zum Testzeitpunkt 15 –
16 Jahre sind. Somit handelt es sich bei der Stichprobe in den APS zum größten Teil um
Repetenten oder Migrant/innen, die häufig schwache Schulleistungen oder über eine
sehr geringe Sprachkompetenz verfügen. Viele dieser Schüler/innen beenden die
Pflichtschule ohne einen Abschluss, oder finden keine Lehrstelle und besuchen in der
Folge keine Berufsschule. Aus diesem Grund verringert sich der Unterschied in den
Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen, da die Gruppe der besonders leistungsschwachen Schüler/innen nach Beendigung des 9. Pflichtschuljahres (oder
freiwilligen 10.) den Schulbesuch beenden.
Dieselbe Annahme, dass das Alter der Stichprobe einen Teil der Erklärung liefert, ist
der große Unterschied zwischen den „Einheimischen“ und den Migrant/innen in den
AHS und BHS. Besonders in den Berufsbildenden Höheren Schulen (weniger in den
AHS) befinden sich viele Schüler/innen der PISA-Stichprobe, die ihr 9. Pflichtschuljahr
- 123 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
unter Umgehung der Polytechnischen Schule absolvieren wollen und nach Ablauf des
Schuljahres den Schulbesuch an einer Höheren Schule beenden.
Zu Beginn dieses Abschnittes wird die Hypothese aufgestellt, dass sich der Leistungsunterschied zwischen sozial benachteiligten Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in den weiterführenden Schulen geringer ist als in den Pflichtschulen. Diese
Hypothese kann nicht bestätigt werden, da die Mittelwertunterschiede zwar in den APS
am größten, aber sich im Gegensatz zu den BS und BMS in den AHS und BHS kaum
verringern.
- 124 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.7. Stichprobenvergleich innerhalb der Migrant/innen in
Bezug auf Extremgruppen
Die vorherigen Abschnitte befassen sich mit den Leistungen der Schüler/innen niedriger
sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Dieser Abschnitt
beschäftigt sich nun genauer mit der Gruppe der Migrant/innen. Es werden innerhalb
dieser Stichprobe zwei Extremgruppen gebildet: Die eine Extremgruppe weist einen
maximalen sozioökonomischen Status (SES) von 35 auf, und die andere Extremgruppe
von 65 und höher.
Es wird die Forschungsfrage gestellt, ob innerhalb dieser beiden Extremgruppen signifikante Leistungsunterschiede in allen vier Domänen feststellbar sind. Erwartet wird,
dass Schüler/innen mit einem höheren sozialen Hintergrund in allen vier Domänen bessere Leistungen erbringen, da erwartet wird, dass sie über mehr kulturelle Besitztümer
und Bildungsressourcen verfügen, als sozial benachteiligte Migrant/innen.
5.7.1.
Migrant/innen: Mittelwertvergleich der Extremgruppen
In Österreich umfasst die Gruppe der Migrant/innen, die einem niedrigen sozioökonomischer Status angehören rund 5600 Personen (84%). Dieser Gruppe werden rund 1100
Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenübergestellt, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte über einen hohen sozioökonomischen Status verfügen (16%). Die
durchgeführten Mittelwertsvergleiche lassen sehr deutlich erkennen, dass die sozioökonomische „Spitzengruppe“ in allen getesteten Bereichen um mindestens 70 Punkte besser als ihre Vergleichsgruppe sind (vgl. Abb. 49 und Tabelle 16).
- 125 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 49: Extremgruppenvergleich
550
500
450
400
350
300
Mathematik
Lesen
Naturwissenschaft
HISEI 16 - 35
Problemlösen
HISEI 65 - 90
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
In der bei PISA 2003 getesteten Hauptdomäne Mathematik erreichen die sozial benachteiligten Migrant/innen im Vergleich zur „Spitzengruppe“, die im Durchschnitt 514
Punkte erreicht, fast 440 Punkte. Diese „Spitzengruppe“ liegt somit leicht über dem
österreichischen Durchschnitt, der bei 506 Punkten liegt, und erreicht in der Mathematikskala Kompetenzstufe 3. Migrant/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status
liegen mit ihrem Mittelwert am unteren Ende der Skala von Level 2 (421 – 482 Punkte).
Tabelle 16: Extremgruppenvergleich
Lese-
Naturwissen-
Problem-
kompetenz
schaften
lösen
439 (5.8)
409 (8.8)
408 (6.2)
442 (5.9)
514 (13.6)
507 (14.5)
492 (15.6)
515 (15.2)
Mathematik
Niedriger SES
(HISEI 16 – 35)
Hoher SES
(HISEI 65 – 90)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
In der bereits bei PISA 2000 getesteten Hauptdomäne und nunmehrigen Nebendomäne
Kompetenz Lesen wächst der Unterschied zwischen beiden Gruppen auf fast 100 Punkten bzw. über eine Kompetenzstufe. Sozial benachteiligte Migrant/innen befinden sich
im Mittelwert zwischen Level 1 und 2 (409 Punkte) und ihre Vergleichsgruppe auf Le-
- 126 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
vel 3. Migrant/innen mit einem höheren sozioökonomischen Status liegen mit ca. 500
Punkten auch in dieser Kompetenz leicht über dem österreichischem Mittelwert von 491
Punkten.
Der österreichische Mittelwert liegt im Bereich Naturwissenschaft bei 491 Punkten (vgl.
OECD, 2004, 498). Die sozioökonomische „Spitzengruppe“ liegt somit genau im österreichischen Durchschnitt (vgl. Tab. 16) und um rund 80 Punkte über den sozial benachteiligten Migrant/innen, die einen Mittelwert von 408 Punkten erreichen.
Es wurde bereits erwähnt, dass die Domäne Problemlösen in drei Leistungslevels eingeteilt ist. Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft erreichen im Mittelwert
mit rund 440 Punkten die Kategorie „Problemlöser mit nur sehr grundlegenden Fähigkeiten“. Die Gruppe der Migrant/innen mit einem hohen sozioökonomischen Status
erreicht einen Mittelwert von 515 Punkten, und somit Kompetenzstufe 2, die sich zwischen 499 und 592 Punkten erstreckt. Auch hier liegen die Leistungen über dem österreichischen Durchschnitt (508 Punkte).
5.7.2.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse dieses Abschnittes zeigen, dass es zwischen beiden Vergleichsgruppen
hinsichtlich der Leistungen in allen vier Domänen einen großen Unterschied gibt. Migrant/innen, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte einen hohen sozioökonomischen
Status besitzen, sind in allen Domänen in der nächsthöheren Kompetenzstufe und leicht
über dem österreichischen Mittelwert. Es kann somit festgestellt werden, dass der sozioökonomische Hintergrund hinsichtlich der schulischen Leistungen einen sehr viel
größeren Einfluss als der Migrationshintergrund hat. Es kann die in diesem Abschnitt
gestellte Hypothese bestätigt werden, dass Schüler/innen mit einem höheren sozialen
Hintergrund in allen vier Domänen bessere Leistungen erbringen. Es konnte gezeigt
werden, dass die ausreichende Verfügung über kulturelle Besitztümer und Bildungsressourcen den „Nachteil“ eines Migrationshintergrundes ausgleichen können.
- 127 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8. Länderübergreifende Analyse (Leistungsvergleich in allen vier Domänen)
Die internationale Schulleistungsstudie PISA findet in vielen Ländern statt, in denen ein
relativ großer Teil der Schüler/innen einen Migrationshintergrund besitzen. In den vorigen Abschnitten wurden bereits die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen sozioökonomischen Status mit und ohne Migrationshintergrund
empirisch untersucht. In diesem Abschnitt werden nun mithilfe einer einfachen Regressionsanalyse die Schülerleistungen mit drei anderen Ländern verglichen, die eine ähnliche Migrationsstruktur wie Österreich besitzen. Es werden mit Österreich die Nachbarländer Deutschland und die Schweiz verglichen. Sie alle weisen ein gegliedertes Schulsystem auf. Zum Vergleich wird Dänemark dazu genommen, das eine ähnliche Migrationsstruktur, aber ein Gesamtschulsystem aufweist.
In diesem Abschnitt soll die Frage beantwortet werden, ob es anderen mit Österreich
vergleichbaren Ländern besser gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen und somit die Benachteiligung von Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status durch die Schule ausreichend zu kompensieren.
5.8.1.
Beschreibung der Stichprobe
Woher in Österreich die Familien der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund kommen, wurde bereits in dieser Arbeit ausreichend behandelt. Zum Erhebungszeitpunkt der PISA-Testung gaben ca. 13% der Schüler/innen an, einen Migrationshintergrund zu besitzen (vgl. Tab. 17). Der größte Teil stammt aus dem ehemaligen jugoslawischen Raum, der zweitgrößte Teil aus der Türkei und weitere Herkunftsländern
sind Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien oder Slowenien.
Deutschland besitzt einen Migrantenanteil von rund 15%. Hier bilden den größten Teil
der Familien mit Migrationshintergrund deutschstämmige Aussiedler aus Rumänien,
Polen und Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Den zweitgrößten Teil machen Familien türkischer Herkunft aus. Familien aus Griechenland, Italien und dem ehemaligen
- 128 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Jugoslawien stellen weitere große Gruppen in Deutschland dar (vgl. Baumert &
Schümer, 2001, S. 342f).
20% der Schüler/innen gaben in der Schweiz an, einen Migrationshintergrund zu besitzen. Ihre Familien stammen hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien,
Portugal und z.B. Spanien.
Dänemark besitzt einen geringeren Migrationsanteil als Österreich, Deutschland oder
Schweiz. 6.5% der befragten Schüler/innen gaben als Herkunftsländer Türkei, ehemaliges Jugoslawien, Pakistan oder dem arabischen Raum an (Quelle: PISA 2003, eigene
Berechnung).
Tabelle 17: Länderübergreifende Migrationsstruktur
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
„einheimische“
Schüler/innen
Schüler/innen der
2. Generation
Schüler/innen der
1. Generation
Insgesamt
Österreich
Deutschland
Schweiz
Dänemark
73630 (86.7%)
683194 (84.6%)
68199 (80.0%)
47609 (93.5%)
3486 (4.1%)
55918 (6.9%)
7619 (8.9%)
1761 (3.5%)
7776 (9.2%)
68699 (8.5%)
9425 (11.1%)
1544 (3.0%)
84891
807811
85244
50914
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 18 stellt den Anteil jener Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund dar, die einen niedrigen sozioökonomischen Status (HISEI beträgt einen
Maximalwert von 35) besitzen.
Es lässt sich erkennen, dass sich in allen Ländern der Anteil der Schüler/innen mit Migrationshintergrund gegenüber ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung deutlich erhöht
hat. In Österreich beträgt ihr Anteil etwa 25%, in Deutschland 31%, in Dänemark fast
9% und in der Schweiz erhöht sich ihr Anteil auf über 40%.
- 129 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 18: Ländervergleich: Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status
Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Status
Österreich
Deutschland
Schüler/innen ohne
16412
130573
Migrationshintergrund
(74.3%)
(69.3%)
5667 (25.7%)
57902 (30.7%)
8032 (43.5%)
1030 (8.7%)
22078
188475
18484
11855
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Insgesamt
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 130 -
Schweiz
10452 (56.5%)
Dänemark
10825
(91.3%)
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8.2.
Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Mathematik
Tabelle 19: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Mathematik
Mathematik
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Österreich
Deutschland
Schweiz
Dänemark
-0.060 (0.04)
0.065 (0.04)
-0.058 (0.05)
0.024 (0.05)
0.011 (0.07)
0.084 (0.07)
0.127 (0.05)
0.136 (0.10)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Anhand einer Regressionsanalyse wurde der Zusammenhang zwischen dem „Highest
parental occupational status“ und den Leistungen in der bei PISA 2003 getesteten
Hauptdomäne Mathematik berechnet. Der Korrelationskoeffizient beträgt bei österreichischen und Schweizer „einheimischen“ Schüler/innen –0.06 (vgl. Tabelle 19). Bei den
übrigen Vergleichsgruppen beträgt der Korrelationskoeffizient zwischen 0.01 und 0.1,
das entspricht einem sehr geringen, bzw. geringen Zusammenhang. Die erklärte Varianz
beträgt bei den Schüler/innen mit Migrationshintergrund in der Schweiz und in Dänemark zw. 1% und 2% und in den übrigen Gruppen unter 1%.
Abbildung 50: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Mathematik
550
500
450
400
350
300
16
34
Österreich (o.M.)
Österreich (m.M.)
Deutschland (o.M.)
Deutschland (m.M.)
Schweiz (o.M.)
Schweiz (m.M)
Dänemark (o.M.)
Dänemark (m.M.)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 131 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 50 und Tabelle 20 zeigen in allen vier Ländern zwischen „einheimischen“
Schüler/innen und Migrant/innen einen Leistungsunterschied. Abbildung 50 bis 53 stellen die mittleren 90%, d.h. die Längen der Gradienten reichen bei den sozial benachteiligten Migrant/innen in allen Ländern von einem HISEI-Wert von 16 bis 34. Während
diese Werte auch bei den „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen erreicht werden, reichen diese Werte bei den Schüler/innen in Deutschland von 22 bis 34, in
Schweiz von 21 bis 34 und in Dänemark von 23 bis 34.
Betrachtet man den Verlauf der einzelnen Gradienten (vgl. Abb. 50), so lassen sich einige Auffälligkeiten erkennen: Der Gradient verläuft bei „einheimischen“ dänischen
und deutschen Schüler/innen ausgeprägt schwach. Die Werte beider Gruppen zeigen
einen besonders geringen Punktezuwachs, der in Dänemark bei 5 Punkten und in
Deutschland bei 14 Punkten liegt. Der Gradient der „einheimischen“ österreichischen
und Schweizer Schüler/innen verläuft negativ, mit steigendem sozioökonomischem Status nehmen die Punkte um 17 bzw. 13 ab.
- 132 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Die Werte der Migrant/innen aller vier Länder zeigen einen positiven Zusammenhang
zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten Testleistungen in Mathematik auf: Am größten ist der Punktezuwachs der Schüler/innen in der Schweiz (35
Punkte) und am geringsten in Österreich mit nur 2 Punkten.
Tabelle 20: Zusammenhang zwischen Leistungen in Mathematik und dem sozioökonomischen Status
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status
Mittelwert
Steigung des Gra- Länge der Projektion der
dienten
Gradienten (HISEI)
Einer HISEI-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
Mathematik
5.
Perzentil
(Punkte)
95.
Perzentil
(Punkte)
Differenz
(Punkte)
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
505 (18.1)
-1.0 (0.6)
489
472
-17
434 (27.8)
0.2 (0.9)
437
439
+3
Deutschland
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
443 (25.1)
1.2 (0.8)
470
484
+14
385 (36.5)
1.4 (1.2)
408
434
+26
Schweiz
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
545 (29.1)
-1.1 (1.0)
522
508
-13
390 (21.9)
2.0 (0.8)
421
456
+35
Dänemark
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
472 (26.2)
0.5 (0.9)
482
488
+5
387 (33.7)
1.8 (1.3)
417
439
+23
Weitere interessante Details ergeben sich daraus, wenn die Gradientenabstände der
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund betrachtet werden. Den größten
Gradientenabstand verzeichnet Schweiz. Er beträgt am 5. Perzentil 100 Punkte und verringert sich bis zum 95 Perzentil auf 50 Punkte. Bei den übrigen Ländern beträgt der
Abstand am 5. Perzentil zw. 50 (Österreich) und 65 (Dänemark) Punkten. Den geringsten Punkteabstand verzeichnen am 95. Perzentil die deutschen Schüler/innen.
- 133 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8.3.
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und
Lesekompetenz
Tabelle 21: Korrelationskoeffizienten des HISEI und der Lesekompetenz
Lesekompetenz
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Österreich
Deutschland
Schweiz
Dänemark
-0.10 (0.04)
0.06 (0.04)
-0.04 (0.05)
0.02 (0.05)
0.10 (0.07)
0.10 (0.06)
0.13 (0.05)
0.17 (0.10)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Tabelle 21 stellt die Korrelationskoeffizienten zwischen dem sozioökonomischen Status
und den erreichten Leistungen in der Nebendomäne Kompetenz Lesen dar. Der Korrelationskoeffizient beträgt, so wie bei der Kompetenz Mathematik, wieder negative Werte.
Er beträgt bei den „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen -0.10 und bei
Schweizer Schüler/innen -0.04, das wieder einer schwachen bzw. sehr schwachen Korrelation entspricht.
Die erklärte Varianz beträgt bei beiden Gruppen höchstens 1%. Alle Werte der Korrelationskoeffizienten liegen bei den „einheimischen“ deutschen, Schweizer und dänischen
Schüler/innen unter 0.10 und weisen somit auf einen sehr geringen Zusammenhang hin.
Etwas anders stellt sich das Bild bei den Migrant/innen dar: Hier liegen alle Werte über
0.10 und der Zusammenhangskoeffizient der dänischen Migrant/innen sogar bei 0.17,
dessen erklärte Varianz fast 3% beträgt.
Abbildung 51 (vgl. dazu Tabelle 22) zeigt den Regressionsgradientenverlauf der Kompetenz Lesen, der bei grober Betrachtung ein ähnliches Bild wie Abb. 50 darstellt. Bei
genauer Betrachtung lässt sich aber erkennen, dass sich die Gradienten der „einheimischen“ österreichischen Schüler/innen (schwach negative Steilheit) und der dänischen
Migrant/innen, der eine stark positive Steilheit ausweist, am 95. Perzentil bei 450 Punkten treffen. Deutsche Schüler/innen ohne Migrationshintergrund verzeichnen mit steigendem sozioökonomischem Status einen Zuwachs von nur 15 Punkten, während den
größten Punktezuwachs die dänischen Schüler/innen mit Migrationshintergrund (45
- 134 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Punkten) aufweisen. „Einheimische“ Schüler/innen aus der Schweiz und aus Österreich
weisen mit steigendem sozioökonomischem Status eine Verringerung der Punkteanzahl
um 10 auf.
Abbildung 51: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Lesekompetenz
550
500
450
400
350
300
16
34
Österreich (o.M.)
Österreich (m.M.)
Deutschland (o.M.)
Deutschland (m.M.)
Schweiz (o.M.)
Schweiz (m.M)
Dänemark (o.M.)
Dänemark (m.M)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Den größten Gradientenabstand zwischen den Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund verzeichnet, so wie in Mathematik, die Schweiz. Er beträgt am 5. Perzentil
105 Punkte und verringert sich bis zum 95 Perzentil auf etwa 54 Punkte. Bei den Ländern Österreich und Dänemark beträgt der Abstand am 5. Perzentil 75 bzw. fast 60
Punkten. Ihnen gelingst es, die Punktedifferenz auf etwa 30 bzw. 19 Punkte zu verringern. „Einheimische“ dänische Schüler/innen erreichen mit steigendem sozioökonomischem Status einen Punktezuwachs von nur 4 Punkten.
- 135 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 22: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Lesen und dem SES
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status
Mittelwert
Steigung des Gra- Länge der Projektion der
dienten
Gradienten (HISEI)
Einer HISEI-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
Lesekompetenz
5.
Perzentil
(Punkte)
95.
Perzentil
(Punkte)
Differenz
(Punkte)
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
470 (20.6)
-0.6 (0.7)
462
452
-10
355 (41.5)
1.9 (1.4)
386
420
+34
Deutschland
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
431 (26.3)
1.3 (0.9)
459
474
+15
353 (34.7)
1.9 (1.2)
383
417
+34
Schweiz
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
510 (28.5)
-0.8 (1.0)
494
483
-11
353 (26.5)
2.3 (0.9)
489
429
+41
Dänemark
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
455 (26.9)
0.4 (0.9)
464
468
+4
364 (45.1)
2.5 (1.5)
404
449
+45
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 136 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8.4.
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und
Naturwissenschaft
Tabelle 23 stellt die Korrelationskoeffizienten zwischen dem sozioökonomischen Status
und den erreichten Leistungen im Bereich Naturwissenschaft dar. Ein Vergleich der
Werte mit den errechneten Korrelationskoeffizienten zeigt ein ähnliches Bild wie Tabellen 19 und 21. Die Leistungen in der Naturwissenschaft lassen in Österreich und in der
Schweiz wieder einen sehr schwachen, aber negativen, Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status erkennen.
Tabelle 23: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Naturwissenschaft
Naturwissenschaft
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Österreich
Deutschland
Schweiz
Dänemark
-0.05 (0.04)
0.09 (0.05)
-0.07 (0.05)
0.03 (0.04)
0.01 (0.07)
0.11 (0.07)
0.11 (0.05)
0.12 (0.10)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Auffallend ist, dass Migrant/innen aus Deutschland, Schweiz und Dänemark die Korrelationskoeffizienten Werte um 0.11 annehmen, das auf einen geringen Zusammenhang
hinweist, bzw. einer erklärten Varianz von ca. 1% entspricht. Eine Ausnahme sind hier
die österreichischen Migrant/innen. Ihr Korrelationskoeffizient beträgt 0.01, was auf
keinen Zusammenhang zwischen den Leistungen im Bereich Naturwissenschaft und
dem sozioökonomischen Status hinweist.
- 137 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Abbildung 52: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Naturwissenschaft
550
500
450
400
350
300
16
34
Österreich (o.M.)
Österreich (m.M.)
Deutschland (o.M.)
Deutschland (m.M)
Schweiz (o.M.)
Schweiz (m.M)
Dänemark (o.M.)
Dänemark (m.M)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Der Regressionsgradientenverlauf der getesteten Nebendomäne Naturwissenschaft (vgl.
Abb. 52) zeigt Ähnlichkeiten mit den vorherigen Abbildungen: Negativ steigende Gradienten der „einheimischen“ Schüler/innen aus Österreich und der Schweiz und
schwach positiv steigende Gradienten der deutschen und dänischen Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund (vgl. dazu Tabelle 24). Obwohl der Gradientenverlauf der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in allen vier Ländern positiv ist, fällt hier die
schwache Steilheit der österreichischen Migrant/innen auf. Sie weisen mit steigendem
sozioökonomischem Status den geringsten Punktezuwachs mit 13 Punkten auf, während
Migrant/innen aus den übrigen drei Ländern mit steigendem HISEI-Wert 32 bis 34
Punkte zunehmen.
Die Abstände zwischen den Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund betragen am 5. Perzentil in Österreich 67 Punkte, in Dänemark fast 72 Punkte, in Deutschland 81 Punkte und in der Schweiz über 110 Punkte. Allen Ländern gelingt diese
Punktdifferenz zu verringern, am geringsten ist der Abstand am 95. Perzentil in Österreich mit etwa 40 Punkten und Dänemark 46 Punkten. In Deutschland und in der
Schweiz beträgt der Abstand zwischen beiden sozial benachteiligten Gruppen immerhin
noch über 60 Punkten.
- 138 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Tabelle 24: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Naturwissenschaft und dem
SES
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischem Status
Mittelwert
Steigung des Gra- Länge der Projektion der
dienten
Gradienten (HISEI)
Einer HISEI-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
Naturwissenschaft
5.
Perzentil
(Punkte)
95.
Perzentil
(Punkte)
Differenz
(Punkte)
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
483 (16.9)
-0.6 (0.7)
474
463
-11
406 (31.5)
0.1 (1.1)
407
420
+13
Deutschland
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
424 (28.5)
1.8 (1.0)
463
485
+22
352 (39.7)
1.9 (1.3)
382
417
+35
Schweiz
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
539 (30.2)
-1.4 (1.0)
510
492
-18
365 (28.3)
1.9 (1.0)
395
430
+35
Dänemark
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
424 (29.6)
0.7 (1.0)
440
448
+8
339 (45.1)
1.8 (1.5)
368
401
+33
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 139 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8.5.
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und
Problemlösen
Ein Blick auf Tabelle 25 zeigt im Bereich Problemlösen ähnliche Korrelationskoeffizienten wie in der Domäne Naturwissenschaft.
Tabelle 25: Korrelationskoeffizienten des HISEI und Problemlösen
Problemlösen
Schüler/innen ohne
Migrationshintergrund
Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Österreich
Deutschland
Schweiz
Dänemark
-0.075 (0.04)
0.051 (0.04)
-0.050 (0.06)
0.031 (0.04)
-0.005 (0.07)
0.058 (0.06)
0.119 (0.05)
0.184 (0.10)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
Bei genauer Betrachtung zeigen sich zwei neue Details: Österreichische Schüler/innen
mit Migrationshintergrund weisen als einzige sozial benachteiligte Migrant/innen einen
sehr schwach negativen Korrelationskoeffizienten (r = -0.01) auf. Der Korrelationskoeffizient der dänischen Migrant/innen beträgt 0.18, was auf eine schwache Korrelation
hinweist. Die Variable „HISEI“ kann 3% der Varianz aufklären.
Abbildung 53: Länderübergreifender Gradientenvergleich in der Domäne Problemlösen
550
500
450
400
350
300
16
34
Österreich (o.M.)
Österreich (m.M.)
Deutschland (o.M.)
Deutschland (m.M.)
Schweiz (o.M.)
Schweiz (m.M.)
Dänemark (o.M.)
Dänemark (m.M.)
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 140 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
Ein Blick auf Abbildung 53 zeigt einen fast identen Gradientenverlauf der „einheimischen“ Schüler/innen aus Deutschland und Dänemark. Den stärksten negativen Gradientenverlauf weisen österreichische „einheimische“ Schüler/innen auf, denn sie verringern
ihre Punkteanzahl mit steigendem sozioökonomischem Status um 21 Punkte (vgl. Tabelle 26).
Eine ausgeprägte positive Steilheit weisen die Regressionsgradienten der dänischen und
schweizer Schüler/innen mit Migrationshintergrund auf. Sie können einen Punktezuwachs vom 5. auf den 95. Perzentil um 33 Punkte verzeichnen. Österreichs Schüler/innen können als einzige Schüler/innen mit Migrationshintergrund von einem steigenden sozioökonomischen Status profitieren. Sie verlieren vom 16. auf den 34-HISEI
Wert sogar einen Punkt.
Tabelle 26: Zusammenhang zwischen Leistungen in der Kompetenz Problemlösen und dem SES
Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischen Status
Mittelwert
Steigung des Gra- Länge der Projektion der
dienten
Gradienten (HISEI)
Einer HISEI-Einheit
entsprechenden
Punktzahlveränderung
Problemlösen
5.
Perzentil
(Punkte)
95.
Perzentil
(Punkte)
Differenz
(Punkte)
Österreich
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
511 (16.1)
-1.2 (0.6)
493
472
-21
444 (31.0)
-0.1 (1.0)
443
442
-1
Deutschland
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
464 (25.1)
0.9 (0.8)
484
495
+11
409 (30.3)
1.0 (1.0)
425
442
+17
Schweiz
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
537 (28.9)
-0.9 (1.0)
519
507
-11
389 (21.5)
1.8 (0.7)
418
451
+33
Dänemark
Ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
489 (24.2)
0.1 (0.8)
492
493
+1
339 (45.1)
1.8 (1.5)
368
401
+33
Quelle: PISA 2003, gewichtet, eigene Berechnung
- 141 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
5.8.6.
Zusammenfassung
Dieser Abschnitt widmete sich der Frage, ob es anderen mit Österreich vergleichbaren
Ländern besser gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Die Steilheit des Regressionsgradienten der Schüler/innen ohne Migrationshintergrund
aus der Schweiz und aus Österreich ist in allen vier getesteten Domänen negativ. Die
Regressionsgradienten der deutschen und dänischen „einheimische“ Schülerinnen und
Schüler sind in den Domänen Lesekompetenz und Problemlösen fast deckungsgleich
und lassen keinen Zusammenhang zwischen steigendem sozioökonomischen Wert und
den Schülerleistungen erkennen.
In den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften zeigen „einheimische“ deutsche
Schüler/innen einen positiv steigenden Gradientenverlauf und dänische Schüler/innen
ohne Migrationshintergrund einen sehr schwach positiv verlaufenden Gradientenverlauf. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Leistungen „einheimischer“ dänischer
Schüler/innen wenig bis gar keinen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen
Status und den erreichten PISA-Leistungen erkennen lassen. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass es Dänemark, das ein Gesamtschulwesen besitzt, besser gelingt Benachteiligungen sozial schlechter gestellter Schüler/innen auszugleichen.
Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichen in allen vier Ländern zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse als ihre „einheimischen“ Klassenkamerad/innen. Auffallend
ist, dass der Leistungsabstand zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund besonders in der Schweiz am größten ist. Ein weiteres auffallendes Detail ist,
dass in der Kompetenz Lesen der Gradientenverlauf „einheimischer“ österreichischer
Schüler/innen stark negativ und dänische Migrant/innen, deren Gradient eine stark positive Steilheit aufweist, sich bei einem HISEI-Wert von 34 fast schneiden, bzw. fast
idente Testleistungen aufweisen. Betrachtet man die Ergebnisse der Migrant/innen dahingehend, ob es hier einen Unterschied in Bezug auf selektives Schulsystem oder Ge-
- 142 -
Kapitel 5: Auswirkungen eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes auf Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
samtschulsystem gibt, so lässt sich diesbezüglich kein großer Unterschied, mit Ausnahme in der Kompetenz Problemlösen, erkennen.
- 143 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
Ziel dieser empirischen Analyse war es der Frage nachzugehen, inwiefern sich die schulischen Leistungen zwischen Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit
und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Ebenfalls wurde die Frage gestellt, inwieweit zusätzlich der Migrationshintergrund als leistungsmindernder Faktor hinzukommt. Die wichtigsten Ergebnisse werden nun im Folgenden zusammengefasst:
Es gibt zwischen beiden Vergleichsgruppen hinsichtlich der Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern sehr große Unterschiede. Daraus lässt sich eine klare Benachteiligung
der Migrant/innen erkennen.
Ein Vergleich beider Stichproben konnte zeigen, dass es hinsichtlich der Familienzusammensetzung keine besonders großen Unterschiede gibt. Sozial benachteiligte Schüler/innen leben im Vergleich zur gesamtösterreichischen Schülerschaft häufiger in
Kernfamilien, wobei dieser Prozentsatz bei den Migrant/innen etwas höher ist. Der
größte Unterschied zwischen beiden Gruppen konnte in der Berufstätigkeit und Ausbildung der Eltern herausgearbeitet werden. In diesem Bereich sind Schülerinnen und
Schüler mit Migrationshintergrund stark benachteiligt: Zwei Drittel aller Mütter, das
sind doppelt so viele wie „einheimische“ Mütter, verdienen ihr Geld mit schlecht bezahlten Tätigkeiten, indem sie z.B. als Reinigungspersonal oder anderen Hilfsarbeitstätigkeiten arbeiten. Ebenso konnte gezeigt werden, dass fast ein Viertel der Mütter mit
Migrationshintergrund über gar keine schulisch anerkannte bzw. nur über Volksschulniveau verfügen. Im Gegensatz dazu verfügen über 80% der „einheimischen“ Mütter
zumindest über einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss.
Wird von einer typischen Rollenverteilung in einer Familie ausgegangen, so ist ein weiterer wichtiger Faktor, wenn es um die schulischen Leistungen geht, die Tatsache, ob
die Mutter als Ansprechperson für die Hausaufgabenbetreuung oder anderer Lernprobleme zur Verfügung steht. Hier konnte festgestellt werden, dass fast die Hälfte der
Mütter mit Migrationshintergrund einer Vollzeitbeschäftigung bzw. 20% einer Teilzeit-
- 144 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
beschäftigung nachgehen. Im Gegensatz zu den Migrant/innen, arbeiten 30% der „einheimischen“ Mütter den ganzen Tag über arbeiten bzw. gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach.
„Einheimische“ Väter sind in der Regel besser ausgebildet, verfügen zu 90% zumindest
über einen Lehrabschluss und sind als Facharbeiter tätig. Ähnlich wie bei den Müttern
mit Migrationshintergrund üben viele Väter aufgrund ihrer niedrigen schulischen Ausbildung niedrig qualifizierte Tätigkeiten aus, da sie zu etwa 40% höchstens über einen
Pflichtschulabschluss verfügen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass viele
Migrant/innen in mehrfacher Hinsicht benachteiligt sind, da viele Eltern ihren Kindern
aufgrund niedriger Qualifikation, mangelnde Freizeit und mangelhafter Beherrschung
der Unterrichtssprache trotz bestem Willen in schulischen Angelegenheiten gar nicht
unterstützen können.
Schülerinnen und Schüler mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund besitzen erheblich weniger kulturelle Güter und Bildungsressourcen als der/die österreichische
Durchschnittsschüler/in.
Eine Benachteiligung beider Gruppen konnte im Besitz kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen festgestellt werden. Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund
besitzen erheblich weniger Besitztümer, wenn es um Computerzugang, klassische Literatur oder sonstigen anspruchsvollen Büchern geht. Benachteiligend wirkt diese Tatsache dann, wenn in der Schule dieser Besitz zur erfolgreichen Bewältigung der schulischen Anforderung von Lehrerinnen odern Lehrern vorausgesetzt wird.
- 145 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischem Hintergrund und den Schülerleistungen. Innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten
Schülerinnen und Schüler konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status, dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Testleistungen in den getesteten Domänen festgestellt werden.
Untersucht wurden die Leistungen in allen vier Domänen. Der erwartete negative Einfluss eines niedrigen sozioökonomischen Hintergrundes konnte bestätigt werden. Unterschiede innerhalb der vier Bereiche konnten dahingehend analysiert werden, dass Migrant/innen in den Domänen Lesen und Problemlösen besonders schlechte Leistungen
erbringen. Eine weitere Regressionsanalyse zwischen dem sozioökonomischen Status
und den Leistungen brachte ähnliche Ergebnisse. Auffallend war hier der geringe Punktezuwachs bei den Immigrant/innen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft
und Problemlösen. Innerhalb der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler konnte ein Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischen Status, dem sozioökonomischen Hintergrund und den erbrachten Testleistungen nicht festgestellt werden, da die
Korrelationskoeffizienten nur auf einen sehr geringen bzw. geringen Zusammenhang
hinweisen.
Der Leistungsunterschied beträgt in den vier untersuchten mathematischen Subskalen
zwischen sozial benachteiligten Schüler/innen ohne Migrationshintergrund und immigrierten Schüler/innen mehr als eine halbe Kompetenzstufe zu Ungunsten der Migrant/innen. Ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und
den erbrachten Leistungen konnte innerhalb der Gruppe der sozial benachteiligten
Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund nicht festgestellt werden.
Eine weitere Frage beschäftigte sich damit, ob Schülerinnen und Schüler mit und ohne
Migrationshintergrund in den vier untersuchten mathematischen Subskalen „Raum und
Form“, „Veränderungen und Beziehungen“, Quantitatives Denken“ und „Unsicherheit“
unterschiedlich abschneiden. Hier konnte festgestellt werden, dass der Leistungsunterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen in jedem Bereich mehr als eine halbe Kom-
- 146 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
petenzstufe beträgt. Der größte Punkteunterschied konnte im Bereich „Raum und Form“
und der geringste im Bereich „Unsicherheit“ festgestellt werden. Ein Zusammenhang
zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund, Migrationshintergrund und den erbrachten Leistungen in den vier Mathematik-Subskalen konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte die Hypothese, dass es Mathematik-Subskalen gibt, bei denen Migrant/innen besser als erwartet abschneiden würden, ebenfalls nicht bestätigt werden.
Der Vergleich zwischen den einzelnen Schulsparten zeigt, dass sich der Migrationshintergrund sozial benachteiligter Schüler/innen zusätzlich leistungsmindernd auswirkt.
Die Leistungsunterschiede sind in den AHS und BHS am größten.
Wie wirkt sich der Migrationshintergrund auf sozial benachteiligte Schüler/innen aus,
wenn sie dieselbe Schulsparte besuchen? Hier konnten zum Teil sehr große Unterschiede hinsichtlich der getesteten Leistungen in den Mittelwerten festgestellt werden. Der
auffallend große Unterschied in den Hauptschulen dürfte auf die Zusammensetzung der
PISA-Stichprobe zurückzuführen sein. Denn dieser Unterschied verringert sich etwas in
den Berufsschulen und in den Berufsbildenden Mittleren Schulen. Dieselbe Annahme,
dass das Alter der Stichprobe Grund für das Ergebnis sein könnte, ist der große Unterschied zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund in den AHS und
BHS. Die Hypothese, dass sich der Leistungsunterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen gegenüber den Pflichtschüler/innen verringert, konnte nicht bestätigt werden.
Die Mittelwertunterschiede sind in den APS am größten, aber im Gegensatz zu den Berufsschulen und den Berufsbildenden Mittleren Schulen verringern sie sich in den AHS
und BHS kaum.
- 147 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
Der Vergleich von Schüler/innen mit einem hohen und niedrigen sozioökonomischem
Status konnte zeigen, dass der sozioökonomische Status der Familie hinsichtlich der
schulischen Leistungen einen sehr viel größeren Einfluss als der Migrationshintergrund
hat.
Interessante Ergebnisse lieferte der Stichprobenvergleich der Migrant/innen in Bezug
auf Extremgruppen. Hier wurde die Hypothese aufgestellt, dass Schüler/innen mit
einem höheren sozioökonomischen Status in allen vier Domänen bessere Leistungen
erbringen. Diese Hypothese konnte bestätigt werden, denn in allen vier Bereichen lagen
die Ergebnisse in der nächsthöheren Kompetenzstufe bzw. sogar leicht über den österreichischen Mittelwert. Somit kann festgestellt werden, dass der sozioökonomische Status der Erziehungsberechtigten hinsichtlich der schulischen Leistungen einen sehr viel
größeren Einfluss als der Migrationshintergrund hat.
Ein Vergleich sozial benachteiligter Schüler/innen zwischen den Ländern Österreich,
Deutschland, Schweiz und Dänemark zeigt, dass Immigrant/innen in allen vier Ländern
zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse als ihre „einheimischen“ Mitschüler/innen
erreichen.
Den Abschluss des empirischen Teiles dieser Arbeit bildete ein Leistungsvergleich der
Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Es wurde Länder ähnlicher Migrationsstruktur zum Vergleich herangezogen.
Darunter befanden sich die drei Länder Österreich, Deutschland und die Schweiz, die
ein gegliedertes Schulsystem aufweisen und Dänemark mit einem Gesamtschulsystem.
Es wurde die Frage gestellt, ob es anderen mit Österreich vergleichbaren Ländern besser
gelingt, das Fehlen kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen. Schüler/innen mit Migrationshintergrund erreichten in allen vier Ländern, besonders in der Schweiz, zum Teil deutlich
schlechtere
Ergebnisse
als
ihre
„einheimischen“
Klassenkamerad/innen.
Eine
Zusammenhangsanalyse innerhalb der sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler
- 148 -
Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
ließ zwischen dem sozioökonomischen Status und den Testleistungen in den einzelnen
Domänen nur sehr geringe oder geringe Zusammenhänge erkennen. Ebenso konnte ein
Unterschied hinsichtlich der Frage, welchem Schulsystem es besser gelingt, sozial benachteiligte Schüler/innen zu fördern nicht erkannt werden. Auffallend ist trotzdem,
dass die Leistungen „einheimischer“ dänischer Schüler/innen wenig bis gar keinen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den erreichten PISALeistungen erkennen lassen. Es darf vermutet werden, dass es Dänemark, das ein Gesamtschulwesen besitzt, es besser gelingt Benachteiligungen sozial schlechter gestellter
Schüler/innen auszugleichen.
- 149 -
Kapitel 7: Resümee und Ausblick
7. Resümee und Ausblick
In den „Salzburger Nachrichten“ sind in der Samstagausgabe am 21.April.2007 zwei
interessante Artikel zu lesen. Einerseits sind in Österreich „ein Viertel aller Armutsgefährdeten jünger als 19 Jahre (S. 6) und andererseits versucht „Arbeitgeber Industrie“
Schulabgänger/innen eine Lehre „schmackhaft“ zu machen (S. 33f). „Die Erfolge der
Wirtschaft, der Unternehmen auf nationalen und internationalen Märkten hängen zu
einem guten Teil vom Wissen, den Fähigkeiten und Kenntnissen der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter ab. Vor diesem Hintergrund kommt dem bekannten Mangel an Facharbeitern eine besondere Bedeutung zu“ (ebd., S. 34).
Der Vergleich Migrant/innen niedriger und hoher sozioökonomischer Herkunft (vgl.
Abschnitt 5.7.) konnte eindrucksvoll zeigen, dass schulische Leistungen maßgeblich
vom sozioökonomischen Hintergrund abhängen. Die Politik oder ein Schulsystem kann
nicht beeinflussen, ob Schüler/innen in einer „intakten Familie“ leben, einer anderen
Kultur angehören, in beengten Wohnverhältnissen leben oder aus finanziellen Gründen
auf vieles verzichten müssen, was von Lehrerinnen und Lehrern oft schon implizit vorausgesetzt wird. Besonders negativ wird es für sozial benachteiligte Schüler/innen dann,
wenn das zusätzlich die Notengebung beeinflusst, indem es z.B. heißt: „Ihr macht jetzt
zu Hause ein Referat, inklusive Internetrecherche, schreibt das alles schön formatiert in
Word zusammen und präsentiert das dann mit Powerpoint!“
In dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass es vielen Schüler/innen mit niedrigem sozioökonomischen Hintergrund an ausreichenden Bildungsressourcen (Computer,
Internetzugang, schulrelevante Sachbücher,…) und kultureller Ausstattung mangelt.
Dieses oben erwähnte Beispiel aus dem Schulalltag zeigt, dass es viele kleine unbeabsichtigte Benachteiligungen gegenüber den „Durchschnittsschüler/innen“ auch von Seiten der Schule oder den Lehrer/innen geben kann.
Solche Benachteiligungen können von der Schulpolitik beeinflusst werden, indem sie
kompensatorische Maßnahmen für Schüler/innen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen bietet.
- 150 -
Kapitel 7: Resümee und Ausblick
Das Fehlen von Bildungsressourcen kann durch einen möglichst unkomplizierten Zugang zu Computern und Büchern behoben werden. Bergmüller und Böck (2006) weisen
auf die Wichtigkeit einer gut ausgestatteten Schulbibliothek besonders für Schüler/innen
niedriger sozioökonomischer Herkunft hin und fordern die flächendeckende Einrichtung
von Schulbibliotheken zur Herstellung erhöhter Chancengleichheit. Schreiner stellt fest,
„dass der Schule besonders bei Jugendlichen aus niedrigen sozialen Schichten, insbesondere bei Mädchen, eine wichtige Rolle in Bezug auf die Vermittlung von Computerfähigkeiten zukommt“ (2006, S. 348).
Mehrmals wurde bereits darauf hingewiesen, dass viele Schüler/innen, besonders Migrant/innen, auch dadurch benachteiligt werden, dass ihre Eltern oft über wenig Möglichkeiten verfügen (niedrige Schulbildung, mangelhafte Beherrschung der Unterrichtssprache, wenig Freizeit), um ihren Kindern bei Lernfragen zu helfen. Aus persönlicher
Erfahrung ist mir dieser Umstand bestens bekannt, indem z.B. am Elternsprechtag die
Kinder den Eltern (meistens Mütter) übersetzen, oder von den älteren Geschwistern
begleitet werden, weil die Eltern „keine Zeit haben“. Die Benachteiligung von Migrant/innen durch fehlende familiäre Unterstütz-ungsmöglichkeiten kann durch sozioökonomisch orientierte Maßnahmen behoben werden (vgl. OECD, 2004, S. 222).
Bildungspolitische Vorschläge, wie die Änderung des Einschulungsalters, oder der verpflichtende Besuch des letzten Kindergartenjahres und Sprachförderungsprogramme für
Migrantenkinder im Kindergarten sind Möglichkeiten, die Schüler/innen aus benachteiligten Milieus beim Schulstart in der Volksschule helfen können. Ältere Migrant/innen,
die im Laufe des Schuljahres immigrieren, sollten bei Schuleintritt verstärkt mit Hilfe
spezieller Förderprogramme oder auf sie zugeschnittene Curricula so gefördert werden,
dass sie nach einer gewissen Zeit am allgemeinen Unterricht ohne größere Sprachprobleme teilnehmen können.
Bereits erwähnt wurde, dass Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft auch
noch oft dadurch benachteiligt werden, dass sie eine Schule in einer schlechter situierten
Wohngegend besuchen (vgl. ebd., S. 217f). Im Rahmen der PISA-2003 Studie konnte
nachgewiesen werden, dass in Österreich die Schülerpopulation innerhalb einer Schule
- 151 -
Kapitel 7: Resümee und Ausblick
relativ homogen ist, aber zwischen den Schulen vergleichsweise große Leistungsunterschiede herrschen (vgl. ebd., S. 214f). Die Folge ist aufgrund negativer „Umfeldeffekte“
(vgl. ebd., S. 218) die Bildung von sogenannten „Brennpunktschulen“ bzw. „Problemschulen“. Sie zeichnen sich einerseits durch einen hohen Migrationsanteil und andererseits dadurch aus, dass die Zusammensetzung der Schülergruppen überproportional belastet ist in Hinblick auf sozioökonomische, soziokulturelle, psychische und Begabungsmerkmale (vgl. Nagy, 2006, S. 132). Da Schulnoten stark am Durchschnitt der
Klasse orientiert sind, laufen begabte Schüler/innen Gefahr nicht entsprechend ihrer
Begabung unterrichtet zu werden. Dieser Leistungsnachteil kann in Höheren Schulen
oft nur mehr sehr schwer aufgeholt werden.
Welche Möglichkeiten aus bildungspolitischer Sicht gibt es, um diese Benachteiligung
der Schüler/innen niedriger sozioökonomischer Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund zumindest abzuschwächen?
Die Erkenntnisse aus der PISA-Studie legen für Österreich den Schluss nahe, die großen
Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Schulen dadurch zu vermindern, „dass
sich Maßnahmen empfehlen, in deren Mittelpunkt die leistungsschwachen Schulen stehen, zumindest innerhalb jeder Schulform, wenn das Bildungssystem aus verschiedenen Zügen besteht“ (OECD, 2004, S. 225).
Für mich ist eine Möglichkeit davon die Einführung von Ganztagsschulen. Sie bieten
aus meiner Sicht für sogenannte „Brennpunktschulen“ die Möglichkeit, mehrere der
oben genannten Probleme auf einmal in Angriff zu nehmen:
•
Die Öffnungs- und Benützungszeiten der Schulbibliotheken und Computerarbeitsplätze könnten ausgedehnt werden. Dadurch wäre es möglich, das Fehlen
kultureller Besitztümer und Bildungsressourcen sozial benachteiligter Schüler/innen durch die Schule auszugleichen.
•
Es könnten Lernstunden, Nachhilfen und Hausaufgabenbetreuung fix in den
Stundenplan verankert und angeboten werden. Das würde jenen Schüler/innen
helfen, deren Eltern es aus sprachlichen, zeitlichen oder anderen Gründen nicht
- 152 -
Kapitel 7: Resümee und Ausblick
möglich ist, ihren Kindern bei den Hausaufgaben oder anderen Lernproblemen
zu helfen.
•
Vielen Kindern und Jugendlichen fehlt es an sinnvollen Freizeitbeschäftigungen.
Auch hier könnten im Rahmen der Schule sportliche, künstlerische und sonstige
Aktivitäten gesetzt werden. Ein positiver Nebeneffekt davon wäre z.B. die Stärkung der sozialen Kompetenz und der Aufbau sozialer Netzwerke.
•
Viele Ernährungsstudien weisen darauf hin, dass sich besonders sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ungesund und falsch ernähren. Durch ein gemeinsames gesundes Mittagessen und das Miteinanderreden während der Mittagspause lernen Schüler/innen besser miteinander umzugehen und einander
besser zu verstehen.
Die Umsetzung dieses Vorschlages wäre aus bildungspolitischer Sicht sicher leichter
und schneller möglich, als die Einführung der zurzeit heiß diskutierten Gesamtschule.
Vieles ist im Rahmen des „Standortorientierten Förderkonzeptes“ bzw. der „Schulautonomie“ jetzt schon möglich, nur dürfen dabei dem Unterrichtsministerium nach keine
Mehrkosten entstehen. Ganztagsschulen würden anfangs Mehrkosten verursachen, denn
es müsste vermehrt in zusätzlichen Räumlichkeiten, Lehr- und Betreuungspersonal investiert werden.
Trotzdem: Bildungspolitische Priorität muss die Abschwächung der Bildungsbenachteiligung von Schülerinnen und Schülern niedriger sozioökonomischer Herkunft haben.
Viele sozial benachteiligte Schüler/innen wurden im Rahmen der PISA-Studie als Angehörige der Risikogruppe (vgl. Schreiner, 2006) identifiziert. Sie laufen Gefahr nach
Beendigung der Schulpflicht keine Lehrstelle oder für sie adäquate Beschäftigung zu
bekommen. Viele Jugendliche aus benachteiligten Milieus bekommen so bereits am
Beginn ihres neuen Lebensabschnittes von der Gesellschaft die Rückmeldung, dass sie
niemand benötigt! Diese Jugendlichen geben ihrerseits eine Rückmeldung an die Gesellschaft in Form von Jugendkriminalität, psychischen und physischen Erkrankungen.
Auch hier entstehen dem Staat Kosten!
- 153 -
Kapitel 7: Resümee und Ausblick
Aus diesem Grund ist es für den / der Jugendlichen, der Wirtschaft (siehe Einleitung)
und für den Staat äußerst sinnvoll, jetzt vermehrt in die Schule zu investieren, politische
Scheuklappen abzulegen und die Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Es wird sich lohnen
und alle werden davon profitieren!
- 154 -
Literatur
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