Medical Tribune · Nr. 6 · Oktober 2009 · Onkologie n Hämatologie Sarkome gehören in Expertenhände Schwellungen an Arm und Gesäß nicht bagatellisieren und als Hämatom fehldeuten MANNHEIM – Bei der Diagnostik und Therapie von Weichgewebesarkomen liegt noch einiges im Argen. Oft haben Patienten mit einem Sarkom eine wahre Odyssee durch das Gesundheitssystem hinter sich, ehe sie ein spezialisiertes Sarkom-Zentrum erreichen. Dann aber liegt bereits bei mehr als einem Viertel der Patienten ein fortgeschrittenes, metastasiertes Stadium mit entsprechend eingeschränkter Prognose vor. Ein hartnäckiger Knoten im Na­ cken führte die 16-jährige Anna in ein regionales Krankenhaus. Mittels mehrerer chirurgischer Eingriffe wurde versucht, den Gewebeknoten zu entfernen. An die Möglichkeit eines Weichgewebesarkoms wur­ de allerdings nicht gedacht und es wurde nicht bis ins „gesunde“ Ge­ webe operiert. Der Tumor wuchs bereits kurze Zeit später erneut und verursachte nunmehr erhebliche Schmerzen. Per Online-Recherche stieß Anna zufällig über ein Patien­ tenforum auf das Thema Sarkome. Man gab ihr den Rat, sich an ein Zentrum in Mannheim zu wenden, wo schließlich die Diagnose einer aggressiven Fibromatose (Desmoid) gestellt wurde. „Eine entsprechende Behandlung konnte eingeleitet wer­ den, Anna geht es derzeit gut und der Tumor ist unter Kontrolle“, berichtet Professor Dr. Peter Hohenberger vom Chirurgischen Universitätskli­ nikum Mannheim. Hier ist der Pathologe gefordert Das Beispiel der jungen Patien­ tin zeigt nach Prof. Hohenberger ein Dilemma auf: Das Sarkom ist mit jährlich rund 5000 bis 6000 Neuerkrankungen in Deutschland eine vergleichsweise seltene Tumor­ gruppe. Die Tumoren werden oft erst spät richtig erkannt, da an die Möglichkeit eines Knochen- oder Weichgewebesarkoms lange Zeit nicht gedacht wird. Die frühzei­ tige Diagnose und interdisziplinäre Zusammenarbeit der Experten der beteiligten Fachrichtungen aber ist entscheidend für den Verlauf und die Überlebensprognose. Im Blickpunkt „Hinzu kommt, dass es sich bei den Sarkomen nicht um ein ein­ heitliches Krankheitsbild handelt“, erklärt Prof. Hohenberger. Es lassen sich nach seinen Angaben etwa 140 histologische Subtypen gut- und bösartiger Weichgewebetumoren klassifizieren, wobei etwa 30 bis 40 bösartige Subtypen häufiger auf­ treten und als lebensbedrohende Krebserkrankungen einzuordnen sind. „Die Behandlungsqualität be­ ginnt somit bereits bei der Bestim­ mung durch den Pathologen, der mit entsprechender Expertise eine eindeutige Diagnose stellen muss“, betont der Mediziner. Einige Weich­ gewebesarkome wie beispielsweise gastrointestinale Stromatumoren (GIST), Liposarkome oder Leiomyo­ sarkome treten nach seinen Worten vergleichsweise häufig auf – doch bei rund 50 % der Betroffenen fin­ den sich zum Teil extrem seltene Subtypen. Sarkome sind Tumoren, die keine Grenze kennen „Sarkom ist somit nicht gleich Sarkom. Es kommt erschwerend hinzu, dass Sarkome sich praktisch in allen Körperregionen manifes­ tieren können. Man spricht des­ halb auch von Tumoren, die keine Grenzen kennen“, erklärt Markus Wartenberg, Sprecher der Patien­ tenorganisation „Das Lebenshaus e.V.“ in Bad Nauheim, die Patienten mit Sarkomen zur Seite steht. Ent­ sprechend unterschiedlich sind die Symptome, mit denen sich die ver­ schiedenen Subtypen manifestieren. Wichtigstes Ziel muss es nach seinen Worten sein, dass jeder Patient die richtige Diagnose gestellt bekommt und eine für seine spezielle Tumor­ situation am besten geeignete The­ rapieform erhält. „Das begründet die Forderung aller europaweit aktiven Sarkom-Patientenorganisati­ onen, Patienten mit einer solchen Verdachtsdiagnose unbedingt in spezialisierten Zentren zu behan­ deln“, so Markus Wartenberg. Einig sind sich führende Exper­ ten und Patientenvertreter nach seinen Worten darin, dass es hin­ sichtlich Diagnostik, Therapie und Monitoring der Weichgewebesar­ kome erheblichen Nachholbedarf in Deutschland gibt: Mehr spezialisier­ te Pathologen, mehr versierte inter­ disziplinäre Sarkom-Zentren, neue wirkungsvollere Therapieformen, mehr klinische Studien, eine bessere Forschungskoordination und mehr Fortbildung sind laut Wartenberg dringend notwendig, um künftig den betroffenen Patienten besser helfen zu können. In Deutschland besteht noch Nachholbedarf Eine optimale „wohnortnahe“ Versorgung der Patienten ist auf­ grund der Seltenheit der Tumoren dabei jedoch nicht zu gewährleisten. Umso wichtiger ist es nach Prof. Hohenberger, dass Betroffene rasch in die derzeit vorhandenen Zentren überwiesen werden. „Hilfreich wäre außerdem ein Sarkom-Register der deutschen Patienten, um auf diesem Weg mehr Informationen über die Inzidenz einzelner Sarkom-Sub­ typen und den Behandlungsstan­ dard generieren zu können“, sagt Markus Wartenberg. CV Weichteilsarkome werden oft zu spät erkannt Im Interview: Prof. Dr. Peter Hohenberger Chirurgischer Onkologe, Universitätsklinikum Mannheim, Vorstandsmitglied von KOSAR e.V. (Kompetenznetz Sarkome) Bei welchen Symptomen muss ? man an ein Sarkom denken? Prof. Hohenberger: Hauptsymptom eines Weichgewebesarkoms ist eine Raumforderung, also eine Schwel­ lung oder Wucherung, die oft kei­ ne spezifischen Beschwerden verur­ sacht. Die Tatsache, dass es häufig kaum charakteristische Symptome gibt und die Entwicklung der Tu­ moren in Körperregionen erfolgt, in denen man sie unter Umstän­ den erst spät bemerkt, führen leider häufig zu einer späten Diagnose. So erfolgt die Erstdiagnose oft bei Pa­ tienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren oder bereits erfolgter Me­ tastasierung. Dabei steht die hämatogene Me­ tastasierung in die Lunge im Vor­ dergrund, bei speziellen Subtypen wie GIST kann auch die Leber ein Zielorgan sein. Seltener als etwa beim myxoiden Liposarkom ist das Auftreten von Metastasen im Ske­ lettsystem. Leider werden Schwel­ lungen beispielsweise am Arm oder Gesäß von den Betroffenen, aber auch von behandelnden Ärzten oft lange Zeit „bagatellisiert“ und als Hä­ matom, Muskelzerrung oder Lipom fehlgedeutet. Besteht der begründete Verdacht auf ein Sarkom, so sollte der Patient unverzüglich in einem Zentrum für Weichgewebesarkome vorgestellt werden. Die aktuellen ESMO-Guidelines empfehlen sogar, dass alle Patienten mit einer Weich­ teilraumforderung oder mit einer oberflächlichen Weichteilläsion von mehr als fünf Zentimetern in ein sol­ ches Zentrum überwiesen werden.“ Warum ist die frühzeitige Differenzierung eines Sarkoms so ? wichtig? Prof. Hohenberger: „Der Grad der Tumordifferenzierung ist neben der Größe und der Lage sowie dem Vorhandensein von Metastasen für die Behandlungsplanung von großer Bedeutung. Zur Behandlung gehört je nach Stadium und Subtyp die Operation, Bestrahlung und/oder Chemothera­ pie. Je differenzierter und kleiner ein Tumor ist und je weniger Metastasen er gebildet hat, desto eher kann mit einem Behandlungserfolg gerech­ net werden. Hinzu kommt, dass bei Subtypen der Sarkome die neueren, sogenannten Target-Therapien im Kommen sind. Je eindeutiger dabei die histologische Diagnose ist, desto eher kann eine solche zielgerichte­ te Therapie eingeleitet werden, was meist im Rahmen klinischer Studien geschieht.“ Bei welchen Sarkom-Subtypen ? gibt es solche spezifischen Therapiemöglichkeiten? Prof. Hohenberger: Das bekanntes­ te Beispiel unter den Weichgewebe­ sarkomen sind die gastrointestinalen Stromatumoren, also GIST. Sie stel­ len die häufigste Form des Sarkoms im Verdauungssystem dar und kön­ nen überall im Magen-Darm-Trakt ihren Ausgang nehmen. Die Behandlung erfolgt je nach Erkrankungsstadium mittels ei­ ner Operation und/oder medika­ mentösen Therapie. Mit den Wirk­ stoffen Imatinib und Sunitinib stehen bereits zwei bei GIST zuge­ lassene wirksame Target-Therapien zur Verfügung. Auch bei Liposarkomen und spe­ ziell beim myxoiden Liposarkom gibt es mit Trabectedin und bei Angiosarkomen mit Taxanen und Sorafenib neuere potente Behand­ lungsoptionen. Derzeit laufen weltweit etwa 240 offene klinische Studien zur Be­ handlung von Sarkomen, die unter www.clinicaltrials.gov einzusehen sind und die uns hoffentlich künftig weitere neue Therapieperspektiven bringen werden. Interview: Christine Vetter CLL: Besseres Ansprechen und längere progressionsfreie Überlebenszeit dank CD-20 Antikörper KÖLN – Beim Non-HodgkinLymphom hat Rituximab (MabThera®) Geschichte ge­ schrieben und sogar das Thema Heilung zum Therapieziel werden lassen. Bei der CLL ist ein kurativer Ansatz bislang nicht in Sicht. „Trotzdem gibt es erhebliche Fortschritte, die wir dem CD20Antikörper verdanken“, erklärt Professor Dr. Michael Hallek von der Universitätsklinik Köln. Er selbst war Studienleiter der CLL-8-Studie, in der bei der Erst­ linientherapie ein signifikant länge­ res progressionsfreies Überleben für eine Kombination der Standard­ chemotherapie mit Fludarabin und Cyclophosphamid (FC) und dem Antikörper gezeigt worden war. Zehn Monate gewonnen „Das progressionsfreie Überleben verlängerte sich durch die zusätzliche Gabe von Rituximab um rund zehn Monate“, so Prof. Hallek. Unter FCR war zudem die Ansprechrate deut­ lich besser: Während im FC-Arm nur rund 23 % eine komplette Re­ mission erreichten, gelang dies unter FCR bei jedem zweiten Patienten. Auf ähnlich günstigen Ergebnis­ sen der REACH-Studie basiert die Zulassung des D20-Antikörpers jetzt bei der rezidivierten CLL. Die Stu­ die dokumentierte für den FCR-Arm ebenfalls ein signifikant längeres progressionsfreies Intervall. „Auch bei diesen Patienten haben wir im Schnitt zehn Monate gewonnen“, erläutert Dr. Barbara Eichhorst, ebenfalls vom Universitätsklinikum Köln. In der Studie wurde nach ih­ ren Worten ebenfalls ein besseres Ansprechen auf die Therapie gese­ hen mit einer kompletten Remission bei 24 % der Patienten unter FCR gegenüber nur 13 % unter FC. Alle Gruppen profitierten Von den günstigen Therapieeffek­ ten haben praktisch alle Patienten­ gruppen profitiert – und das unab­ hängig vom Binet-Stadium, von der Vorbehandlung und auch unabhän­ gig von dem Mutationsstatus sowie der Zytogenetik. Eine Verlängerung der Überlebenszeit konnte allerdings mit Rituximab nicht gezeigt wer- den – „bislang nicht“, schränkt Dr. Eichhorst ein. Zwar weichen die Überlebenskurven nach etwa 30 Wochen durchaus auseinander. Nach dem Beobachtungszeitpunkt von 54 Wochen sind die Unter­ schiede aber nicht signifikant. Dr. Eichhorst: „Wir haben aber die Hoffnung, dass eine längere Be­ obachtungszeit auch deutlichere Unterschiede bei den Überlebens­ zeiten zeigen wird.“ CV Quelle: Launch-Pressekonferenz; Veranstalter: Roche Pharma, Grenzach-Wyhlen