2011 3 WissensWert GIST- und Sarkom-Foren 2011 vom 23. bis 25. Juni 2011 in Bad Nauheim Der medizinisch-wissenschaftliche Tag des diesjährigen Sarkom-Forums fand in Kooperation mit der GISG (German Interdisciplinary Sarcoma Study Group) und der Patientenorganisation SOS Desmoide statt. Folgende Sarkom-Experten waren der Einladung des Lebenshauses gefolgt und referierten zu diesen Themen: n PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim (Mitglied des mediz.-wiss. Beirates des Lebenshauses) Sarkome - Einleitung und Überblick n Prof. Dr. Gunhild Mechtersheimer, Heidelberg Sarkome - Pathologie und Molekulargenetik n Prof. Dr. Matthias Schwarzbach, Frankfurt Sarkome – Qualitative Chirurgie von Sarkomen am Körperstamm, im Retroperitoneum und an den Exktremitäten (inkl. ILP = Isolierte Extremitäten­ perfusion) n PD Dr. Lars Lindner, München Sarkome - Klassische Chemotherapien (inkl. Hyperthermie) n PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim Sarkome - „nib, mab und imus“: Neue systemische – zielgerichtete Therapien! Was sind genau Targeted Therapies – am Beispiel Imatinib/Sunitinib? Targeted Therapies mit Sarkom-Potenzial wie z.B. Trabectedin, Pazopanib oder Ridaforolimus… 22 Nachfolgend eine verständliche Zusammenfassung von SarkomBasiswissen Sarkome sind mit jährlich rund 4000 bis 5000 Neuerkrankungen in Deutschland eine vergleichsweise seltene Tumorgruppe. Die Tumoren werden leider oft erst spät erkannt, da an die Möglichkeit eines Weichgewebe- oder Knochensarkoms zunächst oft nicht gedacht wird. Die frühzeitige Diagnose und interdisziplinäre Ko­ operation von erfahrenen Sarkom-Experten jedoch - ist entscheidend für den Verlauf und die (Über-)Lebensprognose des Patienten. Hinzu kommt, dass es sich bei den Sarkomen nicht um ein Krankheitsbild handelt. Es lassen sich inzwischen weit über 150 histologische Subtypen gut- und bös­ artiger Weichgewebetumoren klassifizieren, wobei etwa 50 bis 60 maligne Subtypen häufiger auftreten und als lebensbedrohend einzuordnen sind. Die Behandlungsqualität beginnt bereits bei der Bestimmung durch erfahrene Pathologen wie Frau Prof. Dr. Mechtersheimer, die mit entsprechender Expertise und Erfahrung eine eindeutige Diagnose stellen müssen. Einige Weichgewebesarkome wie beispielsweise die GIST, Leiomyosarkome oder Lipo­ sarkome treten häufiger auf – doch bei der Hälfte der Betroffenen finden sich zum Teil extrem seltene Subtypen. Sarkome sind Tumoren, die keine Grenze kennen. Das heißt: Sarkome können praktisch in allen Körper­ regionen auftreten. Entsprechend unterschiedlich sind die Symptome, mit denen sich die verschiedenen Subtypen manifes­tieren. Wichtigstes Ziel muss es sein, dass jeder Patient die richtige Diagnose gestellt bekommt und eine für seine spezielle Tumorsituation am besten geeignete Therapieform erhält. Das begründet die Forderung der Patientenorganisationen und führender Sarkom-Experten, Patienten mit solchen Diagnose unbedingt in spezialisierten Sarkom-Zentren zu behandeln. Derzeit gibt es in Deutschland etwa ein Dutzend qualifizierte Sarkom-Zentren, was heißt, dass oft eine „wohnortnahe“ Versorgung der Patienten nicht zu gewährleisten ist. Hauptsymptom der meisten Weichgewebe­ sarkome ist eine Raumforderung, also eine Schwellung oder Wucherung, die oft keine spezifischen Beschwerden verursacht. So erfolgt die Erstdiagnose oft erst bei Patienten mit bereits lokal fortgeschrittenen Tumoren oder bereits erfolgter Metastasierung. Dabei steht die Metastasierung in die Lunge im Vordergrund – seltener ist das Auftreten von Metastasen in den Knochen. Der Grad der Tumordifferenzierung ist neben der Größe und der Lage sowie dem Vorhandensein von Metastasen für die Behandlungsplanung von großer Bedeutung. Zur Behandlung gehört je nach Stadium und Subtyp die Operation, Bestrahlung sowie Chemotherapie oder Target-Therapien (medikamentöse oder systemische Therapien). 2011 Chirurgie Sollten Patienten die Diagnose „Sarkom“ gestellt bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, während des Erkrankungsverlaufes chirurgisch behandelt zu werden. Die Chirurgie spielt eine zentrale Rolle in der Behandlung von nahezu allen Weich­ gewebesarkomen. Sie ist die älteste Form der Therapie und sicherlich auch die Wirksamste: Denn die meisten Heilungen werden noch immer durch die Chirurgie (Operation, Resektion) erreicht oder durch die Kombination der Chirurgie mit Bestrahlung und/ oder medikamentöser Therapie. So ist die sogenannte R0-Resektion (mikroskopisch tumorfreie Ränder) noch immer das beste prognostische Kriterium auch bei den Weichteilsarkomen. Wenn im Laufe Ihrer Erkrankung chirurgische Techniken eingesetzt werden – dann meist aus verschiedenen Gründen. Jeder sehr unterschiedliche chirur­ gische Eingriff hat seine eigene Zielsetzung: um z.B. den Primärtumor zu entfernen, um andere Tumoren/Läsionen/ Metastasen zu entfernen oder z.B. um Symptome/ Beschwerden zu vermeiden/zu lindern. Strahlentherapie Ziel der Strahlentherapie ist es, das Tumorgewebe lokal/regional zu zerstören. Die Dosiseinheit in der Strahlentherapie heißt Gray (gebräuchliche Abkürzung Gy). Die für eine Tumorvernichtung notwendige Dosis richtet sich nach der Strahlenempfindlichkeit des entsprechenden Tumors und liegt meist zwischen 40 und 70 Gy. Welche Gesamtdosis für den einzelnen Patienten und seine Erkrankung angestrebt wird, legt der behandelnde Radioonkologe in der Regel vor dem Behandlungsbeginn fest. Diese Gesamtdosis wird in „Einzelportionen“ aufgeteilt (Fraktionierung). Bestrahlung alleine wird extrem selten zur definitiven Behandlung von Weichgewebe­ sarkomen eingesetzt. In den Fällen, in welchen eine Operation nicht möglich ist – Tumoren nicht oder eingeschränkt resektabel sind – kann Bestrahlung primär sinnvoll sein. Grundsätzlich kann eine Bestrahlungstherapie bei Sarkomen, vor, während oder nach der Operationen gegeben werden. Für etliche Sarkome hat sich inzwischen als Standard – um den Tumor unter Kontrolle zu bringen – die Kombination aus Operation und Bestrahlung etabliert. Die Bestrahlung wird hier z.B. angedacht, um entweder lokale/regionale Rezidive zu vermeiden, die sich durch verbliebene, mikroskopisch kleine Zellen entwickeln könnten oder zur Zerstörung benachbarter Läsionen, die operativ nicht entfernt werden konnten. 3 SARKOME Zugelassene Zytostatika (Substanzen in der Chemotherapie) zur Behandlung von Weichteilsarkomen: n Doxorubicin n Ifosfamid n Dacarbazin n PEG-liposomales Doxorubicin (Kaposi-Sarkome) n Trabectedin (nach Doxorubicin/ Ifosfamid) Chemotherapie Der Ausdruck Chemotherapie bezeichnet die medikamentöse (systemische = im ganzen Körper wirkende) Therapie von Krebserkran­ kungen. Eine Chemotherapie kann – abhängig vom Stadium der Erkrankung – unter kurativen (heilenden), neoadjuvanten (vorher unterstützenden), adjuvanten (unterstützenden) oder palliativen (lindernen) Gesichtspunkten durchgeführt werden. Die Medikamente der Chemotherapie (Zytostatika) können auf verschiedene Art verabreicht werden: in Tabletten- oder Kapselform, per Spritze oder per Infusion. Dies kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Zytostatische Medikamente können einzeln (Monotherapie) oder miteinander kombiniert (Polychemotherapie oder Kombinationstherapie) und in einer bestimmten Abfolge verabreicht werden. Die Festlegung der Dosierung erfolgt entweder nach Milligramm pro Tag (Tabletten, Kapseln) oder durch Berechnung nach Körperoberf läche (XY mg je 1m 2 Körper­ oberf läche). PD Dr. Bernd Kasper aus Mannheim referierte zum Thema „Neue systemische zielgerichtete Therapien bei Sarkomen“. Substanzen mit Zulassung für andere Indikationen aber dokumentierter Wirksamkeit bei Weichteilsarkomen: n Docetaxel + Gemcitabin n Gemcitabin n Paclitaxel n Trofosfamid n Actinomycin D (bei Kindern) n Aromataseinhibitoren Target-Therapien oder zielgerichtete Therapien Die Gruppe der „Targeted Therapies“ sind ein neuer Ansatz in der Behandlung von Krebs. Dank neuer Erkenntnisse der Molekularbiologie und Biomedizin können in der gezielten Krebstherapie bestimmte Merkmale und Eigenschaften bösartiger Zellen für die Entwicklung neuer, spezifischer Medikamente genutzt werden – etwa monoklonale Antikörper gegen Oberf lächenproteine der Krebszellen oder zur Hemmung der krebsbedingten Neubildung von Blutgefäßen (Antiangiogenese). Da diese Merkmale auf gesunden Zellen meist kaum oder gar nicht vorkommen, ist die gezielte Krebstherapie in der Regel gleichsam schonend und wirksam. Das Prinzip der gezielten Krebstherapie ist es, besondere Merkmale und Eigenschaften von Krebszellen zu identifizieren, welche auf gesunden Körperzellen nicht vorkommen, um Medikamente zu entwickeln, die gezielt Krebszellen bekämpfen und gesunde Zellen verschonen. Dabei wird beispielsweise ausgenutzt, dass Krebszellen meist Veränderungen in ihrer Erbsubstanz aufweisen (Mutationen), welche zu veränderten Proteinstrukturen auf den Krebszellen führen. Wie Sie in diesem WissensWert im Bericht vom ASCO 2011 lesen können, sind bei bestimmten Sarkom-Subtypen die neueren, 23 2011 3 WissensWert sogenannten Target-Therapien im Vormarsch. Je eindeutiger dabei die histologische Diagnose feststeht, desto eher kann eine solche zielgerichtete Therapie sinnvoll sein. Hyperthermie Überwärmung des ganzen Körpers oder einzelner Körperareale. In der Krebstherapie allgemein, erfolgt eine künstliche Temperaturenerhöhung auf Werte zwischen 40 und 44 Grad Celsius, je nach angewandter Methode. Das primäre Ziel ist nicht das direkte Abtöten von Krebszellen durch die Überwärmung. Sondern: Tumorzellen sollen sensibler für natürliche Abbauprozesse oder auch Strahlen- oder Chemotherapie werden. Extremitätenperfusion (ILP) Sonderform der Chemotherapie, mit der nur Extremitäten behandelt werden. ILP steht für „Isolated Limb Perfusion“ (= Isolierte Extremitäten Durchströmung/ -f lutung). Bei der ILP wird der vom Tumor befallene Arm oder das vom Tumor befallene Bein unter Narkose vom Blutkreislauf zeitweise „abgekoppelt“ und mit sehr starken zytostatischen Medikamenten (TNF-alpha = Tumor-Nekrose Faktor alpha und Melpha­ lan = Chemotherapeutikum) durchspült. Da bei dieser Behandlung nicht der gesamte Körper behandelt wird und die Extremitäten mehr chemo-therapeutische Medikamente vertragen als andere Körperteile oder Organe, kann hier mit größeren MedikamentenMengen oder stärkeren Medikamenten gearbeitet werden als bei der „normalen“ Chemotherapie. Ein wichtiges Ziel der Extremitätenperfusion kann es sein, eine Amputation zu verhindern, indem nur der betroffene Arm oder das betroffene Bein eine sehr hoch dosierte Chemotherapie erhält, die dazu führen soll, dass der Tumor sein Wachstum einstellt, kleiner wird oder sogar ganz verschwindet. Oft folgt der ILP eine Resektion/Operation nach. Nach der Mittagspause, fanden Kurzvorträge zu ausgewählten Sarkom-Subtypen statt: 24 Prof. Dr. Matthias Schwarzbach bei seinem Vortrag zur Chirurgie bei Sarkomen. PD Dr. Hans Ulrich Schildhaus, Pathologe aus Köln. Er half GIST- und SarkomPatienten das Thema „Krebs Allgemein“ besser zu verstehen. Desmoide Abdomens, der Haut, der Gefäße und des Weichgewebes aufgrund unterschiedlicher Kriterien unterteilt. Kurzvortrag folgte von Dr. Marit Ahrens, Essen Der Desmoid-Tumor ist ein strahlenresistenter Tumor aus der Gruppe der Fibro­matosen, der sich an den Umhüllungen von Muskeln (Muskelfaszien) bildet. Aufgrund seines Verhaltens, der Neigung in das umliegende Gewebe infiltrierend einzuwachsen wird der DesmoidTumor klinisch zu den niedrigmalignen Sarkomen gezählt. Die allgemeine Inzidenz beträgt 1:4 Millionen. Am häufigsten betroffen sind Frauen nach der Schwangerschaft (durch einen Desmoid-Tumor im Bauchraum). Bei Kindern und Jugendlichen sind eher Extremitäten, Kopf und Nackenbereich betroffen. Ein Desmoid-Tumor kann sich spontan zurückbilden oder langsam fortschreiten. Dabei kann es zu schmerzhaften Entzündungen, Beeinträchtigungen der Funktion benachbarter Organe und Einschränkungen der Beweglichkeit von Gliedmaßen kommen. Kurzvortrag folgte von PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim Leiomyosarkom Leiomyosarkome sind bösartige (maligne) Tumoren des Weichgewebes, die weniger häufig vorkommen als die Leiomyosarkome des Uterus oder des Gastrointestinaltraktes. Sie machen 5-10% der Weichgewebesarkome aus und sind bspw. seltener als das Liposarkom und das undifferenzierte pleomorphe Sarkom. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Generell werden uterine und nicht-uterine Leiomyosarkome unterschieden. Nichtuterine Leiomyosarkome werden nochmal in Leiomyosarkome des Retriperitoneums/ Liposarkom Das Liposarkom ist ein seltener bösartiger Tumor des Weichteilgewebes (Sarkom), der feingewebliche Merkmale von Fettzellen oder Fettzellvorstufen aufweist. Mit einem Anteil von 16–18 % ist das Liposarkom eines der häufigeren Weichteilsarkome. Histologischer Subtyp Häufigkeit Grad der Differenzierung Gut differenziertes Liposarkom 40–45 % niedriggradig Myxoides/rundzel­ liges Liposarkom 30–35 % mittelgradig/ hochgradig Pleomorphes Liposarkom 5% hochgradig Dedifferenziertes Liposarkom selten hochgradig Kurzvortrag folgte von PD Dr. Lars Lindner, München Insgesamt war das zweite Sarkom-Forum wieder eine kompetente und sehr hilfreiche Veranstaltung – mit Grundlagen, Neuem aus der Forschung, Diskussionen mit erfahrenen Sarkom-Experten und einem regen Austausch unter den Betroffenen. Unser herzlicher Dank gilt auch hier dem ehrenamtlichen Engagement aller Referenten und der Unterstützung der beiden forschenden Pharmafirmen Novartis und Pfizer.