Onychomykose - Deutsches Ärzteblatt

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M E D I Z I N
AKTUELL
Dietrich Abeck1
Elvira Gruseck2
Hans Christian Korting3
Johannes Ring1
Onychomykose: Epidemiologie,
Pathogenese, Klinik,
Mikrobiologie und Therapie
Noch im Jahre 1992 fragte man, ob die Onychomykose ein
unheilbare Infektionskrankheit ist. Angesichts der Häufigkeit
und der mit ihrer Behandlung verbundenen Probleme hat
man sich in den letzten Jahren um ein vertieftes Verständnis
bemüht und unter anderem eine neuartige klinische Klassifikation erarbeitet sowie die ursächlichen Mikroorganismen,
ie durch Pilze bedingte Infektion des Nagelorgans, die
Onychomykose, gehört zu den
zahlenmäßig häufigen Erkrankungen. Dermatophyten sind für über
90 Prozent der Fälle verantwortlich,
darunter insbesondere Trichophyton
rubrum. Die durch Dermatophyten
bedingte Onychomykose wird als Tinea unguium bezeichnet, je nach Lokalisation als Tinea unguium der Füße
oder Hände. Das durch Pilze hervorgerufene klinische Bild der Nagelerkrankung ist diagnostisch nicht beweisend, so daß ein Pilznachweis mittels
Kultur und nachfolgender Differenzierung vor Einleitung einer gezielten
Therapie unbedingt zu fordern ist. Zur
Behandlung kommen grundsätzlich
topisch und systemisch zu verabfolgende Arzneimittel in Betracht. Die Auswahl ist in erster Linie abhängig vom
Befallstyp sowie Ausmaß des Befalls.
Mit den neueren, peroral applizierten
Antimykotika ist es erstmals möglich,
auch bei ausgedehntem Befall eine
Abheilung zu erreichen. Grundsätzlich ist unter Heilung die (fast) vollständige klinische Erscheinungsfreiheit bei Eradikation des Erregers zu
verstehen. Bei älteren Therapiestudien wurden aber zum Teil andere Definitionen zugrundegelegt, was den Vergleich der Heilungsraten erschwert.
D
Epidemiologie und
Pathogenese
Pilzbedingte Erkrankungen der
Nägel sind in den letzten Jahrzehnten nach allgemeiner Auffassung
die insbesondere den Dermatophyten zuzurechnen sind,
näher charakterisiert. Dank der Einführung neuer antimikrobieller Chemotherapeutika zur systemischen oder topischen
Anwendung auf der Basis neuartiger Wirkstoffe oder Vehikel
ist heute eine hocheffektive Behandlung möglich, die in differenzierter Weise dem Einzelfall angepaßt werden sollte.
häufiger geworden. Die Prävalenz
liegt heute bei zwei bis fünf Prozent.
Mit dem Alter steigt sie deutlich an,
Differentialdiagnosen der
Onychomykose
1. Chronisch entzündliche,
nicht-infektiöse Dermatosen:
Psoriasis vulgaris
Atopisches Ekzem
Lichen ruber
2. Chronisch infektiöse
Erkrankungen:
Paronychie, bakteriell
3. Gefäßbedingte
Hautveränderungen:
Arterielle oder venöse
Durchblutungsstörungen
4. Hereditäre
Nagelerkrankungen:
Verschiedene Dysplasie- und
Malformationssyndrome
und zwar von 1,3 Prozent im Alter
von 16 bis 34 Jahren über 2,4 Prozent
im Alter von 35 bis 50 Jahren auf 4,7
Prozent bei über 60jährigen (8). Eine
Ursache für die steigende Häufigkeit
von Nagelmykosen mit zunehmen1
Dermatologische Klinik und Poliklinik
(Direktor: Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes
Ring) der Technischen Universität München
2 Hautklinik (Komm. Direktor: Prof. Dr. med.
Eberhard Hölzle), Universitäts-Krankenhaus
Eppendorf, Hamburg
3 Dermatologische
Klinik und Poliklinik
(Direktor: Prof. Dr. med. Gerd Plewig) der
Ludwig-Maximilians-Universität München
dem Alter sind vermutlich die im Alter öfter zu beobachtenden pathologischen Nagelveränderungen. Jedoch auch im Kindesalter kann eine
Onychomykose auftreten (3). Als
Voraussetzung für die Manifestation
einer Nagelpilzerkrankung gilt eine
Vorschädigung des Nagelorgans.
Hierbei kommt häufig nicht weiter
beachteten Traumen eine zentrale
Bedeutung zu. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen insbesondere arterielle, aber auch venöse
Durchblutungsstörungen sowie periphere Neuropathien. In der Regel erreicht der Erreger das Nagelorgan
von einer vorbestehenden Pilzerkrankung der freien Haut aus. Die
relative Häufigkeit der Tinea pedum,
und hier speziell wieder der akral lokalisierten Tinea interdigitalis pedum als häufigster Pilzerkrankung
des Menschen überhaupt, erklärt die
relative Häufigkeit der Tinea unguium an den Füßen. Sie geht einer Tinea unguium der Hände zeitlich häufig voraus, isoliert kommt sie nur selten vor.
Klinik
Pilzerkrankungen der Nägel betreffen die Fußnägel etwa in einem
Verhältnis von 5:1 häufiger als die Fingernägel. Bei den Füßen weisen die
kleinen und großen Zehen am häufigsten Veränderungen auf, was sich aufgrund anatomischer und mechanischer Faktoren ergibt. Das klinische
Bild ist gekennzeichnet durch Verlust
der Transparenz, zunehmende Gelb-
Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996 (41) A-2027
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verfärbung (Dyschromasie) sowie die zeichnete Verfärbung der Nagelplatte
Ausbildung subungualer Keratosen kann auch ein Hinweis auf Bestehen
mit Abhebung der Nagelplatte vom einer HIV-Infektion sein.
Nagelbett und ÜberGrafik 1
gang in die Onychodystrophie. Im Extremfall
kann ein Krümelnagel
vorliegen.
Obwohl das klinische Bild häufig schon
diagnostisch wegweisend ist, ist es nicht
spezifisch und muß
somit von anderen
Minimale Hemmkonzentration wichtiger Antimyotika gegenüber aus Nagelmaterial
Erkrankungen durch
in Deutschland isolierten Dermatophyten
entsprechende Untern
n
Griseofulvin
Itraconazol
suchungen abgegrenzt
30
werden (Textkasten).
20
20
Dies gilt um so mehr,
als auch mehrere Er10
10
krankungen gleichzeitig das Nagelorgan be0
0
0,5 1 2 3 4 5 7 10 µg/ml
0,1
0,5
1
2 µg/ml
treffen können. So prädisponiert etwa die Nan
Ciclopiroxolamin
n
40
gelpsoriasis zur OnyTerbinafin
20
chomykose. Abhängig
30
von der Lokalisation
20
10
und Ausbreitungsrich10
tung der Infektion erfolgt die klinische Ein0
0
0,001 0,01 0,05
µg/ml
2
3
µg/ml
teilung der Onychomykosen in vier ForTrichophyton rubum
Trichophyton mentagrophytes
men (8, 24) (Grafik 1).
Die distale laterale
subunguale Onychomykose (DSO) ist bei weitem am häufigsten anzutreffen und macht
etwa 90 Prozent aller
Nagelpilzerkrankungen
aus (Abbildung 1). Zunächst werden das Hyponychium und die distalen Anteile der late- Klinische Einteilung der Onychomykosen
ralen Nagelfurchen infiziert. Mit längerer Dauer der ErkranDie proximale subunguale Onykung geht die Infektion auf das Nagel- chomykose (PSO) entsteht bei der Inbett respektive die Matrix über.
fektion des proximalen Nagelanteiles,
Die weiße oberflächliche Onychomykose (Leukonychia trichophytica [WOO]) ist selten und entsteht
bei Besiedlung der mazerierten
Nageloberfläche. Der Erreger ist hier
in fast allen Fällen T. mentagrophytes.
Die an den Zehennägeln geläufige
Form der Onychomykose weist kaum
Entzündungszeichen auf. Im Vordergrund steht die gelbliche bis weiße
Verfärbung der Nagelplatte. Eine Abbildung 1: Klinisches Bild der distalen subungualen
durch eine Weißverfärbung gekenn- Onychomykose.
A-2028 (42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996
wenn die Erreger über die Cuticula an
dessen Unterseite (Eponychium) in
die Nageltasche vordringen. Die Nagelplatte selbst wird von der Matrix
aus infiziert.
Die totale dystrophische Onychomykose (TDO) (Abbildung 2)
kann sich sekundär aus jeder subungualen Onychomykose entwickeln
oder tritt primär bei der chronischen
mukokutanen Kandidose (CMCC)
auf.
Candida-Arten und hier speziell
Candida albicans kommen als Verursacher einer ausgeprägten Paronychie
mit Suppuration in Betracht. Dabei
kann es unter Umständen auch ohne
Prädisposition zur CMCC sekundär
zu Veränderungen weiterer Anteile
Abbildung 2: Klinisches Bild der totalen dystrophischen Onychomykose.
des Nagelorgans kommen, speziell
der Nagelplatte. Diskrete Zeichen einer Paronychie finden sich nicht selten auch bei Tinea unguium.
Erregerspektrum
Als beispielhaft für die derzeitige Situation in Deutschland kann das
in der Hautklinik des UniversitätsKrankenhauses Eppendorf, Hamburg, ermittelte Erregerspektrum der
Onychomykosen in den Jahren 1990
bis 1994 gelten, wie es Grafik 2
wiedergibt.
Trichophyton rubrum ist der bei
weitem häufigste Erreger, gefolgt von
Trichophyton mentagrophytes (interdigitale) und Epidermophyton floccosum. Dermatophyten wurden als
ursächlich für 93,7 Prozent aller Onychomykosen angesehen. Als häufigster Hefepilz wurde Candida albicans
in 5,2 Prozent als Erreger aufgefaßt.
Den führenden Vertreter unter den
Schimmelpilzen bildete Scopulariopsis brevicaulis.
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Diagnostik
Nativdiagnostik
Die mykologische Labordiagnostik erfordert sowohl den mikroskopischen als auch den kulturellen Erregernachweis. Das Nativpräparat
steht immer am Anfang des diagnostischen Vorgehens. Nach möglichst
weitgehender Entfernung der krankhaft veränderten Nagelplattenanteile (mittels Nagelschere beziehungsweise Nagelfeile) und Reinigung mit
einem
Desinfektionsmittel
wie
70prozentigem Alkohol erfolgt die
Gewinnung von Nagelspänen aus
dem Übergangsbereich von befallenem zu unbefallenem Anteil der Nagelplatte sowie unterhalb der Nagelplatte. Hierzu wird der scharfe Löffel
oder das Skalpell verwendet. Besonders geeignet zur Materialgewinnung
bei Verdacht auf Onychomykose ist
die nicht überall verfügbare hochtourige Fräse (1). Ein Teil des so gewonnenen Untersuchungsmaterials
wird auf einen Objektträger verbracht, zum Aufschluß des Zellverbandes in in der Regel 15- bis 20prozentiger Kalilauge unter einem
Deckgläschen in einer feuchten
Kammer inkubiert, für gewöhnlich
für eine Stunde oder mehr bis zur mikroskopischen Begutachtung selbst.
Sie erfolgt mit einem laborüblichen
Lichtmikroskop bei 40facher Objektivvergrößerung. Wird eine Sofortauswertung des Nativpräparates angestrebt, so kann man auf 20prozentige TetraethylammoniumhydroxidLösung zurückgreifen. Beim Nachweis von Pilzelementen im Mikroskop gilt das Nativpräparat als positiv (Abbildung 3). In der Regel ist
mit fädigen Strukturen zu rechnen,
die Hyphen entsprechen.
Kultur
Da das positive Nativpräparat
keine Aussage bezüglich der Art des
Pilzes erlaubt und grundsätzlich in einem kleinen Teil der Fälle auch falsch
positiv sein kann, ist in allen Fällen
die kulturelle Sicherung anzustreben.
Eine Reihe von auch kommerziell erhältlichen Medien (insbesondere Sabouraud-Glukose-Agar und KimmigAgar) steht hierzu zur Verfügung. Für
Material aus dem Nagelbereich sollte
die Kultur auf wenigstens zwei unterschiedlichen Nährböden erfolgen.
Der eine Nährboden sollte frei von
Mikrobiziden sein, der andere zusätzlich antimikrobiell wirksame Stoffe
wie Zykloheximid respektive Chloramphenicol enthalten, um das Wachstum von Begleit- beziehungsweise
Anflugkeimen wie Schimmelpilzen
und Bakterien zu unterdrücken. Dermatophyten aus Nagelmaterial lassen
Beurteilung der Kultur heranzuziehen wie mikromorphologische, etwa
Größe, Form und Anordnung von
Makro- und Mikrokonidien. Insbesondere bei antimykotisch vorbehandelten Nägeln können mikroskopischer und kultureller Erregernachweis vielfach schwierig oder sogar unmöglich sein. In Einzelfällen kann die
mikroskopische Untersuchung einer
Nagelbiopsie nach PAS-Färbung indiziert sein (1).
Grafik 2
H (5,2 %) S (1,1 %)
Trichophyton
mentagrophytes
Trichophyton
rubrum
D (93,7 %)
Spektrum der an der Universitäts-Hautklinik Eppendorf, Hamburg, in den Jahren 1990 bis 1994 isolierten
Erreger von Nagelmykosen.
sich in der Kultur makroskopisch in
der Regel frühestens nach zwei Wochen nachweisen. Bei ausbleibendem
Wachstum eines relevant erscheinenden Erregers kann ein negativer Befund erst nach drei- bis vierwöchiger
Inkubationszeit erstellt werden. Die
Identifizierung der Dermatophyten
erfolgt in Anlehnung an die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für
Hygiene und Mikrobiologie (16). Makromorphologische Kriterien wie
Größe der Kolonien, Form der Kolonie-Oberfläche (Textur, Faltenbildung), Randbeschaffenheit, Pigmentbildung (an der Vorder- und der
Rückseite der Kolonie oder im umgebenden Nährboden) sind ebenso zur
Das charakteristische makroskopisch wahrnehmbare Aussehen der
wichtigsten eine Onychomykose verursachenden Erreger ist in Grafik 3
wiedergegeben. Das kulturelle Bild
von T. rubrum, dem häufigsten Erreger, ist durch Ausbildung eines watteartigen Luftmyzels gekennzeichnet,
bei Ansicht der Plattenrückseite wird
in durchaus unterschiedlichem Umfang gelblich-rötliches Pigment sichtbar, das für den Namen Anlaß gegeben hat. T. mentagrophytes, der zweithäufigste Dermatophyt im Nagelmaterial, unterscheidet sich makroskopisch durch seine braun-schwärzliche
Pigmentbildung und durch die gipsartige oder flaumige Oberflächenbe-
Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996 (45) A-2029
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schaffenheit. Epidermophyton floccosum weist in der Regel zartflaumige,
grünliche Kolonien mit charakteristischer Flöckchenbildung auf. Hefen
lassen sich in der Regel untereinander
makroskopisch nicht differenzieren.
rung unverzichtbar erscheinen, wie
sie kürzlich definiert worden sind (5).
Therapie
Stellenwert der
Nagelextraktion
Abbildung 3: Nachweis von Hyphen bei positivem
Nativpräparat.
Bei Candida albicans wie auch anderen verwandten Spezies finden sich
cremefarbene Kolonien mit oder ohne
wurzelartige Randausläufer ohne
Ausbildung eines Luftmyzels. Scopulariopsis brevicaulis ist charakterisiert
durch hellbraune, sandige Kolonien,
die am Rand Fransen aufweisen.
In vielen Fällen erlaubt auch die
makroskopische und mikroskopische
Untersuchung allein nicht die sichere
Erreger-Identifikation. Dies gilt in
besonderer Weise generell für die beiden wichtigsten Erreger der Tinea unguium. Zu ihrer endgültigen Einordnung empfehlen sich Subkulturen auf
Spezialnährböden. Werden blonde
Kinderhaare perforiert, liegt T. rubrum vor, ebenso, wenn der UreaseTest positiv ausfällt (Farbumschlag
nach rosa). Bildung von reichlich rotem Pigment auf Kartoffel-GlukoseAgar spricht für das Vorliegen von T.
rubrum. Candida albicans kann von
sonstigen Hefen binnen weniger
Stunden durch die Bildung von Keimschläuchen in Gegenwart von humanem Serum differenziert werden. Eine umfassende Differenzierung von
Hefespezies erlaubt der Einsatz einer
vorgefertigten bunten Reihe. Anders
als bei Dermatophyten sollte die kulturelle Sicherung einer Onychomykose bei Hefen und Schimmelpilzen sich
auf den wiederholten Nachweis einer
Spezies stützen, die als Erreger anerkanntermaßen in Betracht kommt.
Die Komplexität der kulturellen Diagnostik in der Dermatomykologie
läßt Maßnahmen der Qualitätssiche-
Nagelextraktionen wurden früher
im Rahmen der Behandlung einer
Onychomykose häufig durchgeführt.
Außer zu temporärer Arbeitsunfähigkeit und Komplikationen im Heilungsverlauf kann es infolge einer Traumatisierung von Nagelmatrix respektive
Nagelbett zu Wachstumsstörungen und
Deformierung nachwachsender Nagelplatten kommen (8). Nichtsdestrotrotz
kann im Rahmen eines Behandlungsplans die Abtragung befallenen Nagelmaterials erwogen werden. Dies gilt
ziehen, da weder mit systemischen unerwünschten Wirkungen noch mit
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten in der Regel zu rechnen ist.
Zudem sind auch Kontrollen von
wichtigen Laborparametern unter der
Behandlung nicht notwendig. Die Erfolgsaussichten einer topischen Therapie sind freilich kritisch abhängig von
einer Reihe von Faktoren (6), die zumindest teilweise noch genauer herausgearbeitet werden müssen. Zu ihnen gehören Befallstyp und Ausmaß
des Nagelbefalls (Grafik 1). Falls von
einem Pilzbefall der Nagelmatrix auszugehen ist (PSO, TDO), führt ein topischer Behandlungsansatz in der Regel nicht zum Erfolg. Bei der häufigsten Form der Tinea unguium, der
DSO, weisen klinische Erfahrungen
darauf hin, daß ab einem Nagelbefall
von mehr als 50 Prozent (womöglich
Tabelle
Therapeutisches Vorgehen bei kulturell gesicherter Onychomykose
Befallstyp
Schweregrad
Antimykotika-Therapie
WOO
I–III
DSO
I–II
Topisch (und
eventuell Nagelentfernung)
Topisch (und
eventuell Nagelentfernung)
DSO
PSO
TDO
II–III
I–III
Systemisch
Systemisch
Systemisch
Abkürzungen:
WOO = weiße, oberflächliche Onychomykose
DSO = distale subunguale Onychomykose
PSO = proximale subunguale Onychomykose
TDO = totale dystrophische Onychomykose;
Schweregrad I: , 30 Prozent Befallsgrad der Nagelplatte
Schweregrad II: 30 bis 60 Prozent Befallsgrad der Nagelplatte
Schweregrad III: . 60 Prozent Befallsgrad der Nagelplatte.
insbesondere für die atraumatische,
chemomechanische
Nagelablösung
(vide infra) und apparative Nagelabrasion mit der hochtourigen Fräse, die an
einzelnen Zentren unter speziellen
Vorsichtsmaßnahmen geübt wird (4, 8).
Topische versus systemische
Behandlung
Die wichtigste Entscheidung bei
der Erstellung eines Therapieplans betrifft die Darreichung des Antimykotikums (Tabelle). Prinzipiell ist die topische Applikation eines geeigneten Antimykotikums der systemischen vorzu-
A-2030 (46) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996
sogar ab 30 Prozent) eine Heilung
durch topische Therapie wenig wahrscheinlich ist. Die topische Behandlung erscheint des weiteren wenig aussichtsreich, wenn eine große Zahl von
Nägeln befallen ist (fünf befallene Nägel stellen häufig in der Praxis die obere Grenze dar), die befallenen Nägel
erheblich vorgeschädigt sind (schlechtere Erfolgsaussichten bei sichtbar
traumatisierten Nägeln) oder die körperliche Verfassung des Patienten die
Applikation des Antimykotikums erschwert (stark übergewichtige Patienten sowie Patienten mit einem Hüftbeziehungsweise Knieleiden haben
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unter Umständen erhebliche Schwierigkeiten bei der Behandlung der Zehennägel).
Systemische Behandlung
bis 100 Prozent. Bei einer Infektion
der Zehennägel lagen sie aber trotz
Griseofulvin als herkömmlicher oft langdauernder, teilweise jahrelang
Standard: Sind die Voraussetzungen geführter Behandlung in als adäquat
Topische Behandlung der
für eine systemische antimykotische erachteten Dosen lediglich bei 3 bis 38
Onychomykose
Behandlung grundsätzlich gegeben, Prozent (10). Im Rahmen der Münchso kommen heute unterschiedliche ner Onychomykose-Therapiestudie I
Für die örtliche Behandlung ste- Antimykotika in Betracht. Neben konnte bei keinem einzigen Patienten
hen Zubereitungen zur Verfügung, die dem fiktiv zugelassenen Griseofulvin mit Tinea unguium der Füße mit dem
sich bezüglich Galenik und Wirkme- handelt es sich um Terbinafin (seit am besten bioverfügbaren Griseofulchanismus des Antimykotikums un- 1993) und Itraconazol (seit 1994). Bei vin-Präparat (ultramikronisiert) in
terscheiden. Derzeit sind speziell die Fluconazol als weiterem Azol ist mit der höchstzulässigen Tagesdosis von
folgenden Zubereitungen zu nennen:
einer baldigen Zulassung zu rechnen. 660 mg eine dauerhafte Heilung er« Die Kombination des
zielt werden (11). GriseofulGrafik 3
Azol-Antimykotikums Bifovin sollte deshalb bei einem
nazol (1 Prozent) mit HarnBefall der Zehennägel nicht
stoff (40 Prozent) (4, 18).
mehr als Mittel der ersten
Durch die Zugabe von HarnWahl erachtet werden.
stoff in hoher Konzentration
Antimykotika der neuen
wird bei gleichzeitiger AnGeneration: Terbinafin ist ein
timykotikum-Applikation eineues Antimykotikum aus der
ne Ablösung der befallenen
Gruppe der Allylamine. Die
Nagelanteile in der Regel inantimykotische Wirkung ernerhalb von zwei bis drei Woklärt sich aus der spezifischen
chen erreicht – bei zusätzliHemmung des Enzyms Squacher Pflasterokklusion und
lenepoxidase. Es kommt zu ErGebrauch spezieller Schaber
gosterol-Mangel und Anrei(7). Daran schließt sich die tocherung von (toxischem) Squapische Applikation von 1prolen und schließlich zum Tod
zentiger Bifonazol- Creme an.
der Pilzzelle. Terbinafin wirkt
Im Rahmen einer multizentrigegen Dermatophyten sowie
schen Studie, bei der 558 PatiSchimmelpilze, weniger geenten derart behandelt wurgenüber Hefen. Die im Rahden, lag die Gesamtheilungsmen einer multizentrischen
rate bei 62 Prozent (21).
Studie in Deutschland ermitTrichophyton rubrum
Trichophyton mentagrophytes
¬ Ästhetisch besonders
telten minimalen Hemmkonakzeptabel erscheinen Nagelzentrationen liegen für Terlacke, die das Pyridon Ciclobinafin um etwa den Faktor
pirox (8 Prozent) beziehungs1 000 niedriger als bei Itraconaweise das Allylamin Amorolzol oder Fluconazol (12) (Grafin (5 Prozent) enthalten.
fik 4). Die Aufnahme von TerCiclopirox wird im ersten Bebinafin in den Nagel erfolgt
handlungsmonat jeden zweiaußer über die Nagelmatrix
ten Tag, im zweiten mindeauch über passive Diffusion
stens zwei Mal wöchentlich, ab
durch das Nagelbett. Unter eidem dritten einmal wöchentner kontinuierlichen Einnahlich aufgetragen. Amorolfinme von Terbinafin in einer DoCandida albicans
Scopulariopsis brevicaulis
Lack wird nur einmal
sis von 250 mg täglich liegen
wöchentlich appliziert. Sein
die im Nagel erreichten KonEinsatz ist auf Erkrankungs- Makroskopischer Aspekt der häufigsten Erreger der Onychomykose in der zentrationen zwischen 0,25 und
fälle mit Befallsfläche , 80 Kultur.
0,5 ng/mg und somit um etwa
Prozent, vorzugsweise distal,
zwei Zehner-Potenzen über
beschränkt. Die antimykotisch wirksa- Griseofulvin wurde 1959 als erstes den gegenüber Dermatophyten in vitro
men Substanzen werden nach Appli- Medikament zur systemischen Be- wirksamen Konzentrationen. Die Konkation des Lackes langsam aus dem handlung von Nagelpilzerkrankun- zentrationen nehmen nach Therapiesich bildenden Film freigesetzt und in gen eingeführt. Dieses ausschließlich ende parallel zu den Plasmaspiegeln reden Nagel abgegeben. Bei beiden Zu- bei Dermatophyten wirksame An- lativ rasch ab, so daß die Gabe bis zum
bereitungen liegen die Erfolgsquoten timykotikum erreichte zwar beim aus- Auftreten der klinischen Heilung erfolin der Größenordnung von 50 bis 75 schließlichen Befall von Fingernägeln gen muß. Van der Schroff und Mitarje nach Studie Heilungsraten von 40 beiter konnten zeigen, daß mehr als 70
Prozent (17, 20, 25).
Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996 (47) A-2031
M E D I Z I N
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Prozent der Patienten mit Zehennagel- 200 mg täglich über einen Zeitraum
Mykosen mit Terbinafin 250 mg täglich von insgesamt drei oder zwei (bei ausüber den vorgesehenen Behandlungs- schließlichem Befall der Fingernägel)
zeitraum von zwölf Wochen geheilt oder drei (bei Zehennagelbefall) Mowurden (22). Bei der Onychomykose naten jeweils nur für sieben Tage, geder Fingernägel genügte eine sechs- folgt von einem dreiwöchigen therawöchige Applikation für eine vollstän- piefreien Intervall, eingenommen. Diedige Heilung (22). Das Azol-Antimy- ses zugelassene Therapieschema führt
kotikum Itraconazol zeichnet sich ge- zur Reduktion der eingenommenen
genüber seinem Vorgänger Ketocona- Gesamtmenge und verbessert Nutzenzol, dessen Zulassung nach dem Auf- Risiko- wie Aufwand-Nutzen-Relatitreten von Medikamenten-induzierter on, wobei die erzielten AbheilungsraHepatitis auf der Basis einer Idiosyn- ten in der Größenordnung der mit der
krasie für den Einsatz
Grafik 4
bei Onychomykosen
erloschen ist (9),
Minimale Hemmkonzentration wichtiger Antimyotika gegenüber aus Nagelmaterial
in Deutschland isolierten Dermatophyten
durch eine deutlich
höhere Selektivität
n
n
Griseofulvin
Itraconazol
30
für Cytochrom P-450
von Pilzen relativ zu
20
20
humanem aus. Das
Triazol hemmt die
10
10
Bildung der essentiel0
0
len Pilzzellmembran0,5 1 2 3 4 5 7 10 µg/ml
0,1
0,5
1
2 µg/ml
komponente Ergosterol, indem es an
n
Ciclopiroxolamin
n
40
Terbinafin
das Cytochrom P-450
20
der pilzeigenen 1430
Demethylase bindet.
20
10
Das antimykotische
10
Spektrum ist breit
und schließt alle rele0
0
0,001 0,01 0,05
µg/ml
2
3
µg/ml
vanten
Pilzspezies
ein. Eine eigentümliTrichophyton rubum
Trichophyton mentagrophytes
che Verteilung der
Substanz im Körper Minimale Hemmkonzentration wichtiger Antimykotika gegenüber aus Nagelermöglicht den Er- material in Deutschland isolierten Dermatophyten.
folg einer KurzzeitTherapie. Bedingt durch hohe Kera- kontinuierlichen 200-mg-Behandlung
tinaffinität wird Itraconazol in erhebli- erzielten zu liegen scheinen. Das Triachem Umfang in die Nagelmatrix und zol Fluconazol unterscheidet sich von
das Nagelbett eingelagert (23). Wirksa- anderen für Hautmykosen zugelasseme Konzentrationen sind bereits eine nen Azolen durch seinen hydrophilen
Woche nach Therapiebeginn im dista- Charakter, der eine hohe Resorptionslen Nagelanteil nachweisbar. Dies ist quote aus dem Magen-Darm-Trakt erauch nach Therapieende noch für bis möglicht, unabhängig von der Gegenzu sechs bis neun Monate der Fall, ob- wart der Magensäure. Aufgrund nur
wohl im Plasma der Wirkstoff bereits sehr geringer Proteinbindung von manach einer Woche nicht mehr nach- ximal 12 Prozent liegt der größte Teil
weisbar ist (19). Die zuerst zugelassene der Substanz in therapeutisch unzweiBehandlung mit 200 mg Itraconazol felhaft aktiver, ungebundener Form
täglich in der Indikation Onychomyko- vor. Die lange Plasmahalbwertszeit von
se über einen Zeitraum von drei Mona- 30 Stunden (beim Stratum corneum
ten führte zu einer Abheilungsrate von liegt sie sogar bei 60 bis 90 Stunden)
86 Prozent, ermittelt ein Jahr nach The- legt eine einmalige tägliche Einnahme
rapieende (19). Zudem wurde in um- nahe. Das Wirkspektrum umfaßt Derfangreichen klinischen Prüfungen der matophyten ebenso wie Hefen. HeiStellenwert der Itraconazol-Pulsthera- lungsraten von 100 Prozent bei Infekpie untersucht. Hierbei wird der Wirk- tionen der Fingernägel sowie 83 Prostoff in einer Dosierung von zweimal zent bei Infektionen der Zehennägel
A-2032 (48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 31–32, 5. August 1996
wurden unter einer Behandlung mit
150 mg Fluconazol täglich erzielt (13).
Die Zulassung steht, für die Indikation
Onychomykose, derzeit noch aus.
Nebenwirkungsspektrum
neuer Antimykotika
Da es sich bei der Onychomykose
um keine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, ist die größtmögliche Sicherheit für den Patienten zu fordern.
Dies gilt insbesondere für das Auftreten lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen. Hier ist auf
Krankheitsbilder wie Erythema exsudativum multiforme oder toxische epidermale Nekrolyse hinzuweisen, die im
Zusammenhang mit der Einnahme von
Terbinafin beobachtet wurden (2, 15).
Obgleich vielfach in der Praxis die systemische mit der topischen Antimykotika-Gabe kombiniert wird, fehlen
hierzu verläßliche Daten.
Ausblick
Für die Zukunft wichtige Fragen
betreffen den Stellenwert der Kombinationstherapie (systemische plus topische Behandlung oder chirurgische
plus systemische Behandlung). Ebenso sind Untersuchungen bezüglich einer wirksamen Rezidivprophylaxe
beziehungsweise sogar der Prävention der Onychomykose wichtig. Die
Zukunft wird erweisen, ob durch die
neuen Erkenntnisse bezüglich der
vielfältigen Interaktionen zwischen
dem Pilz als Erreger und dem Menschen als Wirt neue Ansätze im Sinne
einer immunmodulatorischen Behandlung erwachsen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-2027–2032
[Heft 31-32]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser:
PD Dr. med. Dietrich Abeck
Dermatologische Klinik und Klinik
der Technischen Universität
Biedersteinerstraße 29
80802 München
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