Ein Interferometer für kalte Neutronen Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften an der Fakultät für Naturwissenschaften und Mathematik der Universität Wien Eingereicht von Christian Pruner Wien, im Juli 2004 Diese Arbeit wurde durch den Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung FWF (Projekt P-14614-PHY) unterstützt. I Abstract Scattering and diffraction experiments proved to be extremely useful for materials investigation and have developed to standard techniques in condensed matter sciences. Depending on the desired information and the size of the scattering or diffraction objects, quanta are chosen having an appropriate interaction with the object as well as appropriate momentum. The most common ones being light, x-rays, electrons and neutrons. As the characteristics of the scattered or diffracted radiation reflects the correlation between the quantum field and the structure of the scatterer it is of utmost importance for the correct interpretation of diffraction and scattering experiments to determine the coherence properties of the scattering radiation [1]. The coherence of the beam is characterised by its coherence volume, a quantity which can be measured by interferometry. For thermal neutrons this task was performed using a perfect silicon-crystal interferometer [2, 3]. In material sciences cold neutrons in a wavelength range between 0.6 nm and 1.3 nm are frequently employed for investigations of largescale structures, e.g. for structure analysis of biological materials (viruses, proteins, enzymes), in metallurgy (alloys, magnetic and superconducting materials) or for polymer research. The continuous development of cold neutron sources and the increasing number of applications at small-angle scattering facilities for cold neutrons illustrate the demand for a device to determine the coherence properties of a cold neutron beam. Here we report on the setup and adjustment of a new Mach-Zehnder type interferometer for cold neutrons based on holographically generated gratings in triple Laue geometry. We employed the photo-neutronrefractive effect of DMDPE - doped deuterated poly(methylmethacrylate) to perform the first direct measurement of the coherence function for cold neutrons. This task is done by continuously increasing the phase difference between two beam paths of the interferometer through rotation of a phase-flag. The decay of interference fringes is monitored and thus the coherence function determined experimentally. Evaluation of the interference pattern allows to determine the coherence length of the neutron beam, the coherent scattering length density of the phase-flag and the absolute phase of the third interferometer grating. The experimental determination of the intensity and the phase of the scattering radiation permits a direct Fourier transform from reciprocal to real space and thus the solution of the ”phase problem” in neutron scattering. II Kurzfassung Streu- und Beugungsexperimente haben sich als äußerst nützliche Analyseverfahren in den Materialwissenschaften etabliert und zu Standardtechniken bei Strukturuntersuchungen in der Festkörperforschung entwickelt. Dazu werden - abhängig von der jeweiligen Fragestellung und der Größe der zu untersuchenden Strukturen - Quanten mit geeigneten Wechselwirkungseigenschaften und Impulsen gewählt. Häufig kommen Photonen, Elektronen oder Neutronen zum Einsatz. Da die Streu- oder Beugungscharakteristik die Korrelation des Quantenfeldes mit der zu untersuchenden Struktur widerspiegelt, ist es für eine korrekte Interpretation von Streuexperimenten unerlässlich, die Kohärenzeigenschaften des Quantenfeldes in Betracht zu ziehen [1]. Die Kohärenz des Quantenfeldes wird durch sein Kohärenzvolumen charakterisiert, eine Größe, die mit interferometrischen Methoden bestimmt werden kann. Für thermische Neutronen wurde das Kohärenzvolumen erstmals mithilfe eines Silizium-Perfektkristallinterferometers bestimmt [2, 3]. In den Materialwissenschaften, wie beispielsweise in der biologischen Strukturforschung (Viren, Proteine, Enzyme), der Metallurgie (Legierungen, magnetische und supraleitende Werkstoffe) oder der Polymerforschung, werden zur Untersuchung von Mikrostrukturen häufig kalte Neutronen im Wellenlängenbereich zwischen 0.6 nm und 1.3 nm eingesetzt. Die stetig zunehmende Anzahl von Experimentieranlagen für kalte Neutronen und deren Weiterentwicklung für unterschiedlichste Anwendungen machen den Bedarf nach einem Instrument zur Bestimmung der Kohärenzeigenschaften eines kalten Neutronenstrahls offensichtlich. Die hier vorliegende Arbeit erläutert den Aufbau und die Justage eines neuartigen Interferometers für kalte Neutronen vom Mach-Zehnder-Typ. Das Interferometer besteht aus drei, in LaueGeometrie hintereinander angeordneten, holographisch hergestellten Gittern in deuteriertem Poly(methylmethacrylat). Diese Gitter werden auf der Basis des photo-neutronenrefraktiven Effektes durch Dotierung des Materials mit DMDPE hergestellt. Des Weiteren wird die erste direkte Messung der Kohärenzfunktion eines kalten Neutronenstrahls beschrieben. Durch sukzessive Rotation eines Phasenschiebers ist es möglich, zwischen den beiden Strahlen im Interferometer einen Phasenschub zu erzeugen, welcher mit zunehmender Phasendifferenz eine Abnahme des Interferenzkontrastes zur Folge hat. Diese Abnahme des Interferenzkontrastes wird detektiert und gestattet eine experimentelle Bestimmung der Kohärenzfunktion. Die Auswertung der experimentellen Daten erlaubt die Bestimmung der Kohärenzlänge des Neu- III tronenstrahls, der kohärenten Streulängendichte des Phasenschiebers und der absoluten Phase des dritten Interferometergitters. Die Kenntnis der Intensität und der Phase eines Streusignals ermöglicht dessen direkte Fouriertransformation vom Reziprok- in den Realraum und stellt somit die Lösung der in der Neutronenstreuung als ”Phasenproblem” bekannten Fragestellung dar. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Motivation 1 2 Das Hologramm als Beugungsgitter 4 2.1 Präparation der Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Radikalische Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3 Der photorefraktive Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3.1 Der photorefraktive Effekt in (Poly)methylmethacrylat . . . . . . . . . . . 11 2.3.2 Der photo-neutronenrefraktive Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3.3 Höhere Harmonische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Dynamische Beugungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.4 3 Erzeugung von Phasenschüben für Neutronen 3.1 3.2 30 Eigenschaften des Neutrons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.1.1 Schwache Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.2 Gravitative Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Berechnung von Streulängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2.1 Starke Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.2.2 Magnetische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2.3 Elektrische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4 Kohärenz 42 4.1 Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.2 Zeitliche Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.2.1 Kreuzkorrelationstheorem und Wiener-Khintchine Theorem . . . . . . . . 50 Räumliche Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.3.1 Van Cittert-Zernike-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Kohärenzeigenschaften von Neutronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.3 4.4 IV Inhaltsverzeichnis 4.4.1 Einfluss der Neutronenzählrate auf die Kohärenzeigenschaften . . . . . . . 5 Das LLL-Interferometer V 58 60 5.1 Der Aufbau des Interferometers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.2 Der Strahlengang im LLL-Interferometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.2.1 Abschätzung der Sichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Justage des Interferometers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5.3.1 Messung des Nick- und Gierwinkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.3.2 Messung des Rollwinkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5.3.3 Berechnung der Lichtintensität bei der Messung des Rollwinkels . . . . . 75 5.3 6 Experimentelle Ergebnisse 79 6.1 Prinzipieller Aufbau einer Neutronenkleinwinkelstreuanlage . . . . . . . . . . . . 79 6.2 Bestimmung der Kohärenzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.2.1 SANS-Anlage des ILL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.2.2 SANS-Anlage der GKSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7 Zusammenfassung und Ausblick Anhang 103 105 A Eikonalnäherung 105 B Matrizendarstellung optischer Komponenten 107 C Kreuzkorrelationstheorem 109 D Van Cittert-Zernike Theorem 110 Literaturverzeichnis 113 Lebenslauf 123 Publikationsliste 124 Inhaltsverzeichnis VI Konferenz/Seminarbeiträge 125 Danksagung 127 1 Einleitung und Motivation Im Laufe der letzten 30 Jahre wurden zahlreiche interferometrische Experimente mit thermischen und ultrakalten Neutronen durchgeführt. Das Spektrum der durchgeführten Experimente reicht dabei von quantenmechanischen Grundlagenexperimenten [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11], über Untersuchungen zu verschiedenen Wechselwirkungen, beispielsweise mit Materie, elektromagnetischen Feldern oder Gravitationsfeldern [12, 13], bis hin zur Charakterisierung der Kohärenzeigenschaften von Neutronenstrahlen [2, 3, 14] oder zu Präzisionsmessungen von Neutronenstreulängen [15, 16]. Der erste experimentelle Nachweis von Neutroneninterferenzen gelang Maier-Leibnitz und Springer 1962 mithilfe eines Fresnel-Interferometers [17]. Rauch et al. entwickelten 1974 das erste Perfektkristall Interferometer für thermische Neutronen vom Mach-Zehnder-Typ [18]. Gruber et al. nahmen 1989 ein Mach-Zehnder Interferometer für ultrakalte Neutronen in Betrieb [19]. Während die Strahlmanipulation in einem Interferometer für thermische Neutronen üblicherweise auf (dynamischer) Beugung an atomaren Gittern beruht, werden in der Interferometrie mit ultrakalten Neutronen vorwiegend lithographisch oder mechanisch hergestellte Gitter als Beugungsstrukturen verwendet. Die Periodizität der Beugungsstruktur bestimmt dabei den nutzbaren Wellenlängenbereich der Neutronen. So liegt der Netzebenenabstand atomarer Gitter in der Größenordnung von 0.1 nm, während die Gitterperioden lithographisch oder mechanisch hergestellter Gitter in einer Größenordnung von 1000 nm liegen. Holographische Techniken bieten eine elegante und hochpräzise Möglichkeit, Strukturen mit Gitterperioden zwischen 50 nm und mehreren 100 nm herzustellen und gestatten es somit, die Lücke des Einsatzes interferometrischer Methoden im Wellenlängenbereich kalter Neutronen zu schließen. Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es, interferometrische Methoden im Energiebereich kalter Neutronen im Hinblick auf mögliche Anwendungen in der Festkörperphysik zu etablieren. Neutronenstreuung hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem äußerst nützlichen Verfahren und zu einer Standardtechnik bei der Untersuchung von Materialstrukturen entwickelt. Gerade 1 2 in den vergangenen Jahren wurden weitere Experimentieranlagen für Untersuchungen von Strukturen in der Größenordnung zwischen 10 nm und 1000 nm mit kalten bzw. ultrakalten Neutronen eröffnet. Da die Streucharakteristik einer zu untersuchenden Substanz von der Korrelation des Quantenfeldes mit der zu untersuchenden Struktur abhängt, ist es für eine korrekte Interpretation von Streuexperimenten unerlässlich, die Kohärenzeigenschaften des Quantenfeldes in Betracht zu ziehen [1]. Interferometrische Techniken ermöglichen es, diese direkt auszumessen. Das in dieser Arbeit besprochene Interferometer baut auf einem 1995 von Schellhorn et al. vorgestellten Interferometerprototyp aus holographischen Gittern für kalte Neutronen mit einer Gesamtlänge von 6 cm und einer Sichtbarkeit der Interferenzen von 14% auf [20, 21]. Das Interferometer besteht aus drei holographisch erzeugten Brechungsindexgittern in deuteriertem Polymethylmethacrylat (d-PMMA), welche in Laue-Geometrie angeordnet und starr auf einem Edelstahlchassis montiert sind. Die Herstellung der Gitter erfolgt durch Belichtung der Proben mit einem Lichtinterferenzmuster, welche im Material eine Modulation des Brechungsindexes sowohl für Licht als auch für Neutronen initiiert (photo-neutronenrefraktiver Effekt). An auf diese Weise hergestellten Strukturen können Neutronen mit Effizienzen von mittlerweile bis zu 80% abgebeugt werden. Durch geeignete Wahl der Belichtungsparameter ist es ferner möglich, die Beugungseffizienzen der optischen Bauteile des Interferometers den Anforderungen entsprechend anzupassen. Das Ziel, neutroneninterferometrische Methoden in der Festkörperphysik zu etablieren [22], machte eine Neukonstruktion des Interferometerprototyps notwendig. Aufgrund der geringen Kohärenzlänge der Neutronenstrahlen stellt der Aufbau eines Neutroneninterferometers enorm hohe Anforderungen an die Justage der Interferometergitter. Bei dem hier vorgestellten Interferometer erfolgt die Justage direkt während der Belichtung der Gitter. Während die bisherige Justagetechnik [20, 21] beispielsweise die Messung und Kompensation des Rollwinkels nur über Distanzen von wenigen Zentimetern in ausreichender Präzision erlaubte, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein neues polarisationsoptisches Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, den Rollwinkel über praktisch beliebig große Distanzen zu kontrollieren. Exemplarisch wird dies bei der Justage des Interferometers mit einer Gesamtlänge von 30 cm demonstriert. Das Interferometer wurde an den Neutronenkleinwinkelstreuanlagen D22 des Institutes Laue-Langevin, Grenoble/Frankreich und SANS-2 des Forschungszentrums GKSS, Geesthacht/Deutschland in 3 Betrieb genommen. Im Rahmen der dort durchgeführten Messungen wurden die Kohärenzfunktionen der beiden Anlagen sowie wichtige Geräteparameter des Interferometers spezifiziert. Im Hinblick auf die Auswertung von Neutronenstreudaten konnte gezeigt werden, dass es prinzipiell möglich ist, sowohl die Amplitude als auch die Phase der Streufunktion eines Kleinwinkelstreuers interferometrisch zu messen. In diesem Zusammenhang ist es gelungen, die Phase des dritten Interferometergitters experimentell zu bestimmen. 2 Das Hologramm als Beugungsgitter Unter einem Beugungsgitter wird im Allgemeinen eine periodische Anordnung gleichartiger Streuzentren verstanden. In der Holographie [23] wird ein solches (elementares) Beugungsgitter im einfachsten Fall durch das Aufzeichnen des Interferenzmusters zweier σ- polarisierter ebener Wellen (Zweiwellenmischung) in einem photorefraktiven Material realisiert (Abb. 2.1). Die Intensitätsverteilung des Interferenzmusters I(z) ist in diesem Fall kosinusförmig moduliert. I(z) = (IR + IS )[1 + m cos(Hz z)] (2.1) Hier sind IR und IS die Intensitäten der sogenannten Referenz- und Signalwellen, mit Hz ist die z-Komponente der Raumfrequenz des Gitters bezeichnet. Der Modulationsgrad der Inten√ sitätsverteilung hängt mit m = 2 IR IS /(IR + IS ) vom Intensitätsverhältnis der Schreibstrahlen ab. Der Gittervektor H ist durch die Differenz zwischen dem Referenzwellenvektor kR und dem Signalwellenvektor kS definiert (Bragg’sches Gesetz): H = kR − kS (2.2) Mit Λ = 2π/|H| als Periode des Interferenzmusters, λ = 2π/|kR,S | als Wellenlänge der Schreibstrahlen und 2ΘB als Öffnungswinkel zwischen den Schreibstrahlen (außerhalb des Mediums) lautet das Bragg’sche Gesetz in alternativer Darstellung:1 Λ= λ 2 sin ΘB (2.3) Im Falle eines linearen photorefraktiven Aufzeichnungsmechanismus hat eine Belichtung des photorefraktiven Materials mit einem kosinusförmigen Interferenzmuster eine ebenso kosinusförmige Modulation des Brechungsindexes n(z) bzw. des Absorptionskoeffizienten α(z) zur Folge. 1 Für die entsprechenden Größen im Medium ist der Brechungsindex n zu berücksichtigen. 4 5 z I(z),n(z),a(z) IS I0 kS IRt L ISr x H QB IRr ISt kR IH IR Abb. 2.1: Skizze der geometrischen Verhältnisse beim Schreiben und Auslesen eines elementaren Hologramms. Referenz- und Signalwelle mit den Intensitäten IR und IS und den Wellenvektoren kR und kS werden am Probenort zur Interferenz gebracht. Das Interferenzmuster I(z) mit der Periode Λ = 2π/|H| bzw. der Raumfrequenz |H| verursacht im photorefraktiven Material räumlich modulierte Änderungen des Brechungsindexes n(z) bzw. des Absorptionskoeffizienten α(z). Mit IRr , IRt , ISr und ISt sind die Intensitäten der reflektierten bzw. transmittierten Referenz- und Signalwelle bezeichnet. Die in Richtung der Referenzwelle beobachtete Gesamtintensität wird mit I0 , die in Richtung der Signalwelle beobachtete Gesamtintensität mit IH bezeichnet. n(z) = n0 + ∆n · cos(Hz z + Φn ) (2.4) α(z) = α0 + ∆α · cos(Hz z + Φα ) (2.5) Mit n0 und α0 sind der ungestörte Brechungsindex bzw. Absorptionskoeffizient, mit ∆n und ∆α deren modulierte Amplituden bezeichnet. Die Phase Φn,α zwischen dem Lichtintensitätsmuster und der Modulation des Brechungsindexes bzw. des Absorptionskoeffizienten erlaubt Rückschlüsse auf die dem photorefraktiven Effekt zugrundeliegenden Mechanismen. Diese Phase 6 kann durch Messung der Intensitäten der hinter der Probe interferierenden transmittierten bzw. abgebeugten R- und S-Strahlen direkt bestimmt werden. Bezeichnet Φ = ΦL − Φn,α die Phasendifferenz zwischen dem Lichtinterferenzmuster und dem Brechungsindexgitter n(z) bzw. dem Absorptionsgitter α(z), so gilt für lokale Prozesse, wie sie beispielsweise für PMMA vorliegen Φ = 0, für nichtlokale Prozesse, beispielsweise diffusionskontrollierte Transportprozesse Φ = π/2. Die Charakterisierung eines Gitters bezüglich der Modulationsstärke des Brechungsindexes ∆n oder des Absorptionskoeffizienten ∆α erfolgt üblicherweise durch Beugung einer ebenen Welle, der Referenzwelle IR , an der lichtinduzierten Struktur. Dabei werden die von der Probe in Richtung IO und IH ausgehenden Intensitäten als Funktion der Abweichung vom Braggwinkel ∆ΘB bestimmt (Abb. 2.2). z' z I0 k0 L x' DQB kR kH IR DQB 2QB H kH' x 2QB QB k0 H' kH kH' q IH n(z) a(z) Abb. 2.2: Skizze der geometrischen Verhältnisse beim Auslesen eines fundamentalen Hologramms durch Rotation des Gitters um ∆ΘB im Realraum (links) sowie zugehöriges Wellenvektordiagramm im reziproken (Fourier-) Raum (rechts). Unter Berücksichtigung der Erhaltung der Energie lautet die Braggleichung im Fall einer Verkippung des Gitters H0 = k0 − k0H − q, mit q als sogenanntem Offbraggvektor. Das Verhältnis der abgebeugten Intensität IH (∆ΘB ) zur Gesamtintensität IH (∆ΘB )+I0 (∆ΘB ) wird als Beugungseffizienz bzw. Beugungswirkungsgrad η(∆ΘB ) des Gitters bezeichnet: η(∆ΘB ) := IH (∆ΘB ) IH (∆ΘB ) + I0 (∆ΘB ) (2.6) 2.1. PRÄPARATION DER GITTER 7 Bei der Belichtung einer photorefraktiven Substanz mit einer in Abb. 2.1 skizzierten Zweistrahlinterferenz berechnen sich die Intensitäten der von der Probe ausgehenden Teilstrahlen IO und IH zu p IO (η, Φn,α ) = IR η + IS (1 − η) + 2 IR IS (1 − η)η sin(Φn,α ) p IH (η, Φn,α ) = IS η + IR (1 − η) − 2 IR IS (1 − η)η sin(Φn,α ). (2.7) 2.1 Präparation der Gitter Die Herstellung holographischer Gitter in (Poly)methylmethacrylat (PMMA) stellt hohe Anforderungen an die chemische Reinheit der Proben sowie deren optische Qualität. Durch Optimierung des Herstellungsprozesses ist es mittlerweile gelungen, die Qualität und Reproduzierbarkeit der Proben zu steigern und somit die Voraussetzungen für eine systematische Untersuchung der Gitterbildungsprozesse, der Polymerisationskinetik, der Langzeitstabilität, etc. zu schaffen [24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31]. Die Ausgangssubstanz zur Herstellung der Polymerplatten ist das Monomer Methylmethacrylat (MMA, CH2 C(CH3 )COOCH3 ). Für neutronenoptische Anwendungen wird deuteriertes d8 - MMA verwendet. Um eine vorzeitige selbstinitiierte Polymerisation des Monomers während der Lagerung des Materials zu unterbinden, sind sowohl dem MMA als auch dem d8 -MMA jeweils 100 ppm 1.4 -Dihydroxybenzol (Hydrochinon, C6 H6 O2 ) als Inhibitor zugesetzt. Dessen reduzierende Wirkung terminiert die für den Polymerisationsprozess verantwortlichen, vorwiegend durch ionisierende Strahlung, Luftsauerstoff, Licht- oder Temperatureinwirkung entstehenden Radikale.2 H COOCH3 | | C = C | | H CH3 H COOCH3 | | • C − C • | | H CH3 n Abb. 2.3: Strukturformeln des Monomers Methylmethacrylat und des Polymers Polymethylmethacrylat. Da es sich bei dem hier vorliegenden Polymerisationsprozess um eine radikalische Polymerisation handelt, ist es notwendig, den Inhibitor vom Monomer zu trennen. Dies erfolgt durch Destil2 Ohne Zugabe eines Inhibitors wird für Methylmethacrylat bei einer Temperatur von 29◦ C ein Monomerumsatz von 50% nach etwa 5 Jahren erreicht [32]. 2.1. PRÄPARATION DER GITTER 8 Abb. 2.4: Modell eines Methylmethacrylatmoleküls Abb. 2.5: Modell des Polymethylmethacrylatmoleküls lation des MMA-Hydrochinon-Gemisches unter Argonatmosphäre bei größtmöglicher Differenz der Dampfdruckkurven von MMA und Hydrochinon bei einer Temperatur von 38◦ C und einem Druck von 70 mbar. Um die in den folgenden Unterkapiteln beschriebene thermische Präpolymerisation und lichtinduzierte Postpolymerisation zu ermöglichen, wird das Destillat mit Polymerisationsinitiatoren dotiert. Für die thermische Präpolymerisation bzw. die lichtinduzierte Postpolymerisation werden die Substanzen Azo-bis-iso-Butyronitril (AIBN, C8 H12 N4 ) bzw. 2.2 -Dimethoxy2 -phenylacetophenon (DMDPE, C6 H5 COC(OCH3 )2 C6 H5 ) verwendet. Diese zerfallen unter Temperatureinwirkung bzw. ultravioletter Beleuchtung in Radikale und chemisch inaktive Restreaktionsprodukte. Die Strukturformeln sowie mögliche Zerfallsreaktionen der Initiatoren sind in den Abbildungen 2.6 und 2.7 gezeigt. CH3 CH3 | | CH3 | kB T N C − C − N = N − C − CN −−−−→ N C − C • | | CH3 CH3 CH3 | CH3 | + N2 + • C − CN | CH3 Abb. 2.6: Strukturformel des Thermoinitiators Azo-bis-iso-Butyronitril (AIBN) und ein möglicher Zerfallsmechanismus unter Temperatureinwirkung. Typische Dotierungskonzentrationen betragen für AIBN 0.5 mg/ml (≈ 3 mol/ml) und für DMDPE 0.5 mg/ml (≈ 2 mol/ml). Die Einwaage des Photoinitiators sowie alle weiteren Arbeitsschritte erfolgen bei Dunkelkammerbeleuchtung. Die dotierte Monomerlösung wird in speziell 2.1. PRÄPARATION DER GITTER O OCH3 k | ·º· T · T C −C T ¹¸ · T · 9 O ·º· T · T −−hν −→ T ¹¸ · T · | OCH3 OCH3 k | ·º· T · T C• + • C T ¹¸ · T · ·º· T · T T ¹¸ · T · | OCH3 O −−−→ k ·º· T · T C• + T ¹¸ · T · • CH3 + O k ·º· T · T C T ¹¸ · T · | OCH3 Abb. 2.7: Strukturformel des Photoinitiators 2,2-Dimethoxy-2-phenylacetophenon (DMDPE) und ein möglicher Zerfallsmechanismus unter Beleuchtung mit UV-Licht. konstruierte Polymerisationsküvetten gefüllt und bei einer Temperatur von 45◦ C über einen Zeitraum von 48 Stunden präpolymerisiert. Temperatur und Zeitraum sind so gewählt, dass ein Monomerumsatz von etwa 80% erreicht wird. Die verbleibenden 20% an Monomeren stehen der lichtinduzierten Postpolymerisation zur Verfügung. Die Befüllung der Polymerisationsküvetten erfolgt, indem die Monomerlösung mittels Edelstahlkanülen in einen durch einen elastischen Dichtungsring und zwei Glasplatten3 begrenzten Hohlraum gespritzt wird. Um eine Kontamination des Destillats mit Luftsauerstoff zu vermeiden, wird der durch die Glasplatten und den Dichtungsring begrenzte Hohlraum vor der Befüllung mehrmals mit Argon gespült. Die Glasplatten befinden sich in einem Metallrahmen, welcher so konstruiert ist, dass ein beweglicher Flansch Volumenkontraktionen während der Polymerisation kompensiert und auf diese Weise eine Ablösung des Polymerisates von den Quarzglasscheiben verhindert. Als Dichtungsringe haben sich FEP (Perfluorethylenpropylen) ummantelte O-Ringe mit Silikon-Hohlkern bewährt, die sowohl die Anforderungen bezüglich Elastizität als auch der Resistenz gegenüber MMA erfüllen. Zusätzlich werden die Kanülen nach der Befüllung der Küvetten mit einer Paste aus PTFE (Polytetrafluorethylen, Markenbezeichnungen TEFLON, HOSTAFLON bzw. FLUON) abgedichtet, um einerseits ein Verdampfen des MMA und andererseits eine Diffusion von Luftsauerstoff zum Probenvolumen zu verhindern.4 3 4 Suprasil II, Durchmesser 40-60 mm, Dicke 3 mm, Planität < 3λ, Parallelität < 3’ FEP und PTFE sind resistent gegenüber fast allen organischen und anorganischen Verbindungen. Sie zeichnen sich durch eine starke Kohlenstoff-Fluor-Bindung in der Molekülkette aus. Lediglich geschmolzene bzw. gelöste Alkalimetalle, elementares Fluor sowie verschiedene Fluorverbindungen können das Material bei hohen Drücken und Temperaturen angreifen. 2.2. RADIKALISCHE POLYMERISATION 10 2.2 Radikalische Polymerisation Sowohl die thermisch induzierte Präpolymerisation als auch die lichtinduzierte Postpolymerisation von MMA zu PMMA erfolgt über einen sogenannten radikalischen Additionspolymerisationsprozess [32, 33], bei dem durch sukzessive Aneinanderreihung von Monomeren Polymerketten entstehen. Der Mechanismus der Additionspolymerisation wird durch das Vorhandensein einer ungesättigten (kovalenten) Bindung zwischen den C-Atomen des Monomers ermöglicht, welche jeweils zwei der vier Valenzelektronen des C-Atoms beansprucht. Die Polymerisation wird durch den Zerfall der Initiatoren AIBN und DMDPE in Radikale mit jeweils einem ungepaarten Elektron eingeleitet. Diese Radikale spalten die C=C - Doppelbindungen der MMA-Moleküle auf und übertragen auf diese Weise ihre radikalischen Eigenschaften auf die C-Atome der Monomere. Der Polymerisationsprozess erfolgt in folgenden Schritten: 1. Start der Polymerisation: R • +M → RM • (2.8) 2. Kettenwachstum: Durch sukzessive Anlagerung weiterer Monomereinheiten an das radikalische Kettenende M • entstehen Polymerketten. Das chemisch aktive Zentrum wird dabei bei jedem Wachstumsschritt an das Kettenendmolekül weitergereicht. RMn • +M → RMn+1 • (2.9) Sowohl die Initiatorradikale R• als auch die Makroradikale RMn+1 • können mit benachbarten Initiatorradikalen oder Makroradikalen reagieren. Durch diese ständige Bildung und Terminierung von Radikalen stellt sich schon nach kurzer Zeit eine Gleichgewichtskonzentration von im System vorhandenen Radikalen in der Größenordnung 10−8 mol/l ein [32]. 3. Kettenabbruchsreaktion: 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 11 Das Kettenwachstum kann durch zwei unterschiedliche Mechanismen zum Stillstand kommen. • Kombination: RMn • +RMm • → RMn+m R (2.10) • Disproportionierung: COOH3 | RMn • +RMm • → RMn−1 C = C + HMm R | | H CH3 (2.11) 2.3 Der photorefraktive Effekt Unter photorefraktiven Materialien werden Materialien verstanden, deren Brechungsindex sich unter Lichteinwirkung ändert. Der photorefraktive Effekt wurde erstmals 1966 von Ashkin et al. [34] bei Untersuchungen an Lithiumniobat - Kristallen (LiNbO3 ) beobachtet und wenig später als Aufzeichnungsmöglichkeit für Volumenphasenhologramme mit Licht erkannt [35]. Die Untersuchung und Entwicklung photorefraktiver Materialien für technische Anwendungen, wie beispielsweise optoelektronische Bauelemente oder Datenspeicher mit Speicherdichten bis zu 10 Mbyte/mm3 , gewann seither zunehmend an Bedeutung und ist Gegenstand intensiver Forschung [36]. Die am häufigsten verwendeten photorefraktiven Materialien sind neben Lithiumniobat andere dielektrische Kristalle, wie beispielsweise Bariumtitanat (BaTiO3 ), Halbleiter wie Galliumarsenid (GaAs) und Indiumphosphid (InP) sowie die in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnenden Photopolymere [37]. 2.3.1 Der photorefraktive Effekt in (Poly)methylmethacrylat Der photorefraktive Effekt in (Poly)methylmethacrylat beruht auf einer Änderung der Dichte des Monomer-Polymer-Gemisches (ρM = 0.94 g/cm3 , ρP = 1.18 g/cm3 ) in Abhängigkeit des Polymerisationsgrades der Substanz, welche mittels der Lorentz-Lorenz-Beziehung (Clausius-MossottiBeziehung) mit einer Änderung des Brechungsindexes n in Zusammenhang steht [38, 39, 40]. 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 12 1 X n2 − 1 = ρ̄N R̄ = ρN,i αi 2 n +2 3²0 (2.12) i Mit ρ̄N ist die mittlere Teilchenzahldichte bezeichnet, R̄ ist die gemittelte Refraktivität, ²0 die Vakuumdielektrizitätskonstante und αi die molekulare Polarisierbarkeit der vorhandenen Moleküle mit der Teilchenzahldichte ρN,i . Für eine ideale Monomer-Polymer-Mischung gilt für den Brechungsindex also n2 − 1 1 (ρ̄M R̄M + ρ̄P R̄P ). = 2 n +2 3²0 (2.13) Die Präparation der mit den Polymerisationsinitiatoren AIBN und DMDPE dotierten MMA Proben zur Herstellung von Volumenphasenhologrammen erfolgt in einem zweistufigen Prozess. Zunächst wird das Verhältnis von PMMA zu MMA durch eine thermisch induzierten Präpolymerisation festgelegt, indem die Parameter Polymerisationstemperatur und -dauer so eingestellt werden, dass die Proben nach der thermischen Polymerisation einen Restmonomergehalt von etwa 20% aufweisen. Diese Restmonomere stehen der lichtinduzierten Postpolymerisation zur Verfügung. Der Postpolymerisationsprozess erfolgt durch Belichtung der mit geeigneten Photoinitiatoren dotierten Proben. Dabei wird der Polymerisationsprozess reinitiiert und durch Wahl der Belichtungsparameter gezielt gesteuert. Bei Belichtung der Substanz mit einem Intensitätsmuster ist es auf diese Weise möglich, den Restmonomergehalt und somit den Brechungsindex räumlich zu strukturieren. Der Photoinitiator gelangt bei der lichtinduzierten Postpolymerisation bei der Absorption eines Photons in einen angeregten Zustand. Das Absorptionsmaximum von DMDPE liegt bei einer Wellenlänge von etwa 340 nm (Abb. 2.8, Abb. 2.9). Die Reaktiongeschwindigkeiten für die Anregung dieser Zustände liegen in einer Größenordnung von 10−9 s bis 10−10 s [41]. Nach dem photochemischen Initiierungsschritt folgt die Addition der Benzoylradikale an die MMA-Moleküle, wobei tertiäre Radikale entstehen, die ihrerseits wiederum an MMA addieren können. Der Zerfall des Photoinitiators unter Beleuchtung kann durch ein einfaches Exponentialgesetz beschrieben werden. Für die zeitliche Änderung der Photostarterkonzentration gilt ṄP = −kP INP . (2.14) 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 13 0.20 Photostarterkonzentration 0 [mg/ml] 0,3 [mg/ml] 0,4 [mg/ml] 0,5 [mg/ml] 0,8 [mg/ml] 0,8 [mg/ml] belichtet -1 α [mm ] 0.15 0.10 0.05 0.00 250 300 350 400 450 500 550 λ [nm] 600 650 700 750 800 Abb. 2.8: Absorptionsspektren unterschiedlich mit dem Photostarter DMDPE dotierter PMMA Proben. Die thermische Präpolymerisation der Proben erfolgte bei einer Temperatur von 45◦ C über einen Zeitraum von 48 h bei einer Thermostarterkonzentration von 0.5 mg/ml. Zusätzlich eingezeichnet ist das Spektrum einer Probe mit einer Photostarterkonzentration von 0.8 mg/ml, welche über einen Zeitraum von etwa 10 h bei einer Wellenlänge von λ = 351 nm und einer Intensität von 400 W/m2 langzeitbelichtet wurde. Hier ist kP eine (experimentell zu bestimmende) Reaktionskonstante, I die Bestrahlungsintensität und NP die Anfangskonzentration des Photostarters. 2.3.2 Der photo-neutronenrefraktive Effekt In Analogie zum photorefraktiven Effekt in der Lichtoptik wird unter dem photoneutronenrefraktiven Effekt eine Änderung des Brechungsindexes für Neutronen verstanden, welche durch Lichteinwirkung im Material hervorgerufen wird [42, 43]. Die Belichtung eines photo-neutronenrefraktiven Materials mit einem Lichtintensitätsmuster hat somit eine dementsprechende Modulation des Neutronenbrechungsindexes n(r) zur Folge [24, 26, 44]. Dieser modulierte Neutronenbrechungsindex wird - unabhängig vom zugrundeliegenden mikroskopischen 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 14 0.5 0.5 Belichtungszeit: 16s 8s 4s 2s unbelichtet 0.4 0.3 -1 ∆α [mm ] 0.4 340 nm 385 nm -1 α [mm ] 0.3 0.2 0.1 0.2 0.0 300 400 500 600 700 800 λ [nm] 0.1 0.0 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 λ [nm] Abb. 2.9: Absorptionsspektren sowie Differenzspektren relativ zur unbelichteten Probe (Inset) unterschiedlich lange belichteter PMMA-Proben. Alle Proben waren jeweils mit 0.5 mg/ml DMDPE und AIBN dotiert. Die Belichtung erfolgte bei einer Wellenlänge von λ = 351 nm und einer Intensität von 1.8 kW/m2 . Die thermische Präpolymerisation der Proben erfolgte bei einer Temperatur von 45◦ C über einen Zeitraum von 48 h. Die Absorptionsbande bei λ = 340 nm kann eindeutig dem Photostarter DMDPE zugeordnet werden (vgl. Abb. 2.8). Für die im Differenzspektrum deutlich sichtbare, mit der Belichtungsdauer anwachsende Absorptionsbande bei λ = 385 nm, kann eines der Zerfallsprodukte des DMDPE verantwortlich gemacht werden (vgl. Abb. 2.7). Um welchen Zerfallsmechanismus es sich dabei genau handelt, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Wechselwirkungsmechanismus - als ortsabhängige Strukturierung der Neutronenstreulängendichte auf mesoskopischer Ebene beschrieben. Die folgenden Betrachtungen sind auf die der Neutronenoptik zugrundeliegenden kohärenten, elastischen Streuprozesse von Neutronen an Materie [45] beschränkt. Die Bewegungsgleichung nichtrelativistischer Teilchen mit der Ruhemasse m in einem Potential V (r, t) ist die Schrödingergleichung: 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT · 15 ¸ ~2 2 ∂ψ(r, t) − ∇ + V (r, t) ψ(r, t) = ı~ 2m ∂t (2.15) Für ein stationäres Potential V (r) kann Gl. 2.15 mit dem Lösungsansatz ψ(r, t) = Ψ(r)e−ıωt (2.16) nach Zeit und Ort separiert werden. Die ortsabhängige Funktion Ψ(r) ist eine Lösung der stationären Schrödingergleichung · ¸ 2m ∇ + 2 (E − V (r)) Ψ(r) = 0. ~ 2 (2.17) Diese Gleichung ist vom Typ einer Helmholtzgleichung: h i ∇2 + K(r)2 Ψ(r) = 0 (2.18) Durch Vergleich von Gl. 2.17 mit Gl. 2.18 kann für ein nichtrelativistisches Quant, das sich im Energiezustand E = ~ω befindet und der Dispersionsrelation k2 = 2mE ~2 (2.19) unterliegt, der Ausdruck r K(r) := 2m (E − V (r)) ~2 (2.20) als Betrag des Wellenvektors |K(r)| der durch das Potential gestörten Wellenfunktion des Teilchens aufgefasst werden [5, 45]. Somit ist es möglich, in Analogie zur Lichtoptik, einen Brechungsindex für Neutronen anzugegeben: K(r) = n(r) = k r 1− V (r) E (2.21) 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 16 Das zeitunabhängige Wechselwirkungspotential V (r) wird im Folgenden als optisches Potential bezeichnet. In Kapitel 3 wird gezeigt, dass die Stärke der Wechselwirkung zwischen Neutronen und Materie durch Angabe der sogenannten kohärenten Streulängendichte ρbc quantifiziert werden kann. Möglichkeiten, die kohärente Streulängendichte und somit das neutronenoptische Potential V (r) räumlich zu strukturieren, sind: • Modulation der Streulängendichte des Substrates In PMMA beruht der photo-neutronenrefraktive Effekt auf einer lichtinduzierten Änderung der Teilchenzahldichte ∆ρN (r), welche eine Änderung der kohärenten Streulängendichte ∆ρbc (r) nach sich zieht (vgl. Abschnitt 3.2). Die Beleuchtung einer photo- neutronenrefraktiven Substanz mit Licht geeigneter Wellenlänge und einer Intensitätsverteilung I(r) ermöglicht somit eine räumliche Modulation des neutronenoptischen Potentials: µ ¶ ∆ρN (r) V (r) = V + ∆V (r) ∝ ρbc + ∆ρbc (r) = ρbc 1 + ρN (2.22) Mit V ist hier das über das Probenvolumen gemittelte neutronenoptische Potential, mit ∆V (r) dessen räumlich strukturierte Änderung bezeichnet. Während in PMMA die Änderung der Dichte photochemischen Ursprungs ist, sind in piezoelektrischen photorefraktiven Materialien Raumladungsfelder für Gitterverzerrungen verantwortlich, welche ebenso lokale Brechungsindexänderungen hervorrufen [46, 47, 48]. Als typische Substanz sei hier LiNbO3 erwähnt, dessen Raumladungsfelder in der Größenordnung von 100 kV/cm liegen können. • Modulation einer Beimengung Eine weitere Möglichkeit, den Neutronenbrechungsindex lokal zu ändern, ist die Modulation einer Beimengung, beispielsweise eines Isotops oder einer Atomsorte mit der kohärenten Streulängendichte ρjbc . Für den Teilchentransport können sowohl Diffusion oder Driftprozesse infolge von Raumladungsfeldern als auch photochemische Reaktionen verantwortlich sein. Für das neutronenoptische Potential gilt hier: 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT V (r) = V + ∆V j (r) ∝ ρbc + ∆ρjbc 17 (2.23) • Beiträge infolge elektrischer Potentiale Zusätzliche, allerdings verglichen mit den bisher besprochenen um einige Größenordnungen kleinere Beiträge zum neutronenoptischen Potential sind auf eine direkte Kopplung des magnetischen Dipolmoments µn [49] des Neutrons an eventuell vorhandene elektrische Raumladungsfelder zurückzuführen. Für den photo-neutronenrefraktiven Effekt in PMMA spielen Raumladungsfelder allerdings keine Rolle. Bezüglich Beiträgen einer Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Dipolmoment des Neutrons und elektromagnetischen Feldern sei auf Kapitel 3 verwiesen. 2.3.3 Höhere Harmonische Die Belichtung eines photorefraktiven Materials mit einem kosinusförmig modulierten Lichtinterferenzmuster hat nicht notwendigerweise eine ebenso kosinusförmige modulierte Änderung des Brechungsindexes zur Folge. Abweichungen der lichtinduzierten Strukturierung des Brechungsindexes von der eingestrahlten Lichtintensitätsmodulation sind auf die dem photorefraktiven Effekt zugrundeliegenden im Allgemeinen nichtlinearen Prozesse zurückzuführen. Bei der Charakterisierung von lichtinduzierten Strukturen durch Beugungsexperimente machen sich diese Nichtlinearitäten im Aufzeichungsprozess als höhere Beugungsordnungen i ∈ N bemerkbar [50]. Es sei darauf hingewiesen, dass wegen sin ΘB = iλ/2Λ Beugungsordnungen mit i > 2Λ/λ prinzipiell nicht mehr mit Licht ausgelesen werden können. Abbildung 2.10 zeigt ein Ergebnis eines Neutronenbeugungsexperiments an insgesamt vier Beugungsordnungen zur Untersuchung von Nichtlinearitäten des photo-neutronenrefraktiven Auffzeichnungsprozesses in PMMA. Die Messungen fanden etwa vier Monate nach dem Einschreiben statt. Aufgetragen ist die auf fünf Stunden normierte Neutronenzählrate je Detektorpixel entlang einer über den Detektor verlaufenden Diagonalen. Das lichtinduzierte Brechungsindexgitter wurde dafür nacheinander in die Braggwinkel der einzelnen Beugungsordnungen gedreht und die Beugungsintensität ortsaufgelöst detektiert. Die der lichtinduzierten Polymerisation bzw. der Polymerisationskinetik des PMMA zugrundeliegenden Prozesse sind noch nicht vollständig geklärt. Insbesondere der Zusammenhang zwischen der durch kurzzeitige Belichtung im Material erzeugten Radikalkonzentration und der 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 6 10 18 Θ23133Θ4 567 0K Zählrate/Pixel in 5h 1K Θi 1 ΘB (2) 4 10 2K 3K 4K Θi 1 ΘB (3) 2 10 Θi 1 ΘB (4) Offbragg (1) Θi 1 6 ΘΒ 0 10 0 2 4 Θi [mrad] 6 8 10 Abb. 2.10: Auf fünf Stunden normierte Neutronenzählrate je Detektorpixel entlang einer diagonal über den Detektor eingezeichneten Geraden (Inset) für verschiedene Ein(j) fallswinkel θB (j = 0, 1, 2, 3, 4) als Funktion des Winkels Θi zwischen dem Zentrum des transmittierten und dem zum jeweiligen Detektorpixel gestreuten Strahl (1) [51, 30]. Die Gitterkonstanten der verschiedenen Beugungsordnungen ΘB (¤), (2) (3) (4) ΘB (◦), ΘB (4), ΘB (♦) betragen Λ1 = 540 nm, Λ2 = 270 nm, Λ3 = 135 nm und Λ4 = 67.5 nm. Der schraffierte Bereich markiert den bei der Messung zur Hälfte abgeblockten transmittierten Strahl. Für die im Inset gezeigte ortsaufgelöste Neutronenzählrate wurde das Gitter in den Braggwinkel für die 4. Beugungsordnung gedreht. über einen Zeitraum von Monaten beobachteten Änderung des Polymerisationsgrades und somit des Brechungsindexes ist derzeit Gegenstand eingehender Untersuchungen.5 Ein auf der Basis lichtspektroskopischer Messungen entwickeltes Modell beschreibt die nichtlineare Kinetik der lichtinduzierten Änderung der Radikalkonzentration bzw. der Absorption als Funktion der Belichtungsparameter sowie der initialen Photostarterkonzentration als lokalen, d.h. nicht diffusionskontrollierten Prozess [30, 51, 52]. Eine Änderung der Absorption findet den Expe5 Die Belichtungszeiten liegen für typische Intensitäten I ≈ 1 kW/m2 in der Größenordnung einiger Sekunden. 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 19 rimenten zufolge nur während der Belichtung statt, nach der Belichtung bleibt die Absorption im Rahmen der Messgenauigkeit konstant. Das Modell beschreibt die zeitliche Änderung der Radikalkonzentration NR durch Beleuchtung mithilfe der Differentialgleichung ṄR = −2ṄP − kR INR . (2.24) Der erste Term in Gl. 2.24 bringt eine Abnahme der Photostarterkonzentration und durch Einsetzen von Gl. 2.14 eine damit einhergehende Zunahme der Radikalkonzentration NR als Funktion der Bestrahlungsintensität I zum Ausdruck. Der zweite Term beschreibt die Abnahme der Radikalkonzentration NR unter Beleuchtung als Folge einer möglichen lichtinduzierten Terminierungsreaktion der Radikale untereinander. Mit den experimentell zu bestimmenden Reaktionsraten kP und kR und der initialen Photostarterkonzentration NP (0) berechnet sich die zeitliche Entwicklung der Radikalkonzentration durch Beleuchtung zu NR (t) = i 2NP (0)kP h −kP It e − e−kR It . kR − kP (2.25) Abbildung 2.11 zeigt die mithilfe von Gl. 2.25 berechnete zeitliche Entwicklung der Radikalkonzentration NR (t, z) für ein ein kosinusförmig moduliertes Lichtintensitätsmuster I(z) = I0 · [1 + m cos 2πz Λ ]. Unter der Voraussetzung einer Proportionalität zwischen der Absorptionsänderung ∆α und der Photostarter- bzw. Radikalkonzentration, welche durch die Parameter fP und fR berücksichtigt wird, gilt ∆α(t) = fP [NP (t) − NP (0)] + fR NR (t). (2.26) Diese Voraussetzung wurde experimentell bestätigt. Durch Einsetzen von Gl. 2.14 und Gl. 2.25 in Gl. 2.26 lautet die zeitliche Entwicklung der Absorptionsänderung ∆α(t): · µ ¶ ¸ 2fR kP 2fR kP ∆α(t) = NP (0) e−kP It + fP − e−kR It − fP kR − kP kR − kP (2.27) Dem Modell zufolge kann die Kinetik der Änderung der Radikalkonzentration bzw. der Absorption in mit DMDPE dotiertem PMMA lediglich für kurze Belichtungszeiten bzw. geringe 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 20 3 2 mol NRA E ml 1 40 0 500 30 250 20 t@sD 0 z@mmD 10 -250 -500 0 Abb. 2.11: Nach Gleichung 2.25 berechnete Kinetik der Radikalkonzentration NR (t, z) für ein kosinusförmig moduliertes Lichtintensitätsmuster I(z) = I0 · [1 + m cos 2πz Λ ]. Als Parameter wurden typische Werte gewählt: NP (0) = 2 mol/ml, m = 0.9, I0 = 400 W/m2 , Λ = 380 nm. Ferner wurden die experimentell bestimmten Werte kR = 0.14 · 10−4 m2 J−1 , kP = 7.8 · 10−4 m2 J−1 verwendet [30, 51]. Belichtungsintensitäten als näherungsweise linear betrachtet werden. Durch Fourierentwicklung der Radikalkonzentration NP (t, z) nach cos(Hz) ist es möglich, die Amplituden der höheren Harmonischen als Funktion der Bestrahlung E = I · t zu berechnen. Ein Vergleich der berechneten Fourieramplituden des Radikalgitters mit den experimentell bestimmten Beugungseffizienzen erlaubt Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen der Radikalkonzentration und der Brechungsindexänderung. Abbildung 2.12 zeigt eine Anpassung der zeitlichen Entwicklung der mithilfe des Modells berechneten ersten Fourieramplitude der Radikalkonzentration an die experimentell bestimmten über den Offbraggwinkel integrierten Beugungseffizienzen der ersten Beugungsordnung. Das Einschreiben der Gitter erfolgte bei bei einer Intensität von 2.8 kW/m2 und unterschiedlichen Belichtungszeiten. Bei der Anpassung wurde eine Proportionalität zwischen der Brechungsindexänderung und der initialen Radikalkonzentration angenommen. Ferner 2.3. DER PHOTOREFRAKTIVE EFFEKT 21 wurde für den Zusammenhang zwischen dem Beugungswirkungsgradintegral (Gl. 2.50) und der Brechungsindexänderung die Näherung Iη (∆n) ∝ ∆n gemacht. Die freien Parameter der Anpassung waren Beleuchtungsintensität I0 und initiale Radikalkonzentration NP (0). 22 20 18 16 14 F0 F1 F2 F3 Erste Harmonische Zweite Harmonische Iη 12 10 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Belichtungszeit [s] Abb. 2.12: Experimentell ermittelter integrierter Beugungswirkungsgrad (Symbole) der ersten und zweiten Beugungsordnung, aufgenommen bei einer Wellenlänge von λ = 351 nm. Die PMMA-Proben wurden unterschiedlich lange (2 s, 4 s, 8 s, 16 s) bei einer Intensität von 2.8 kW/m2 und einer Wellenlänge von λ = 351 nm belichtet. Die rote gestrichelte Linie entspricht einer Anpassung der ersten Fourieramplitude der im Modell beschriebenen Entwicklung an den Datensatz für den integrierten Beugungswirkungsgrad der ersten Beugungsordnung. Die auf diese Weise ermittelten Parameter wurden für die Berechnung der nullten, zweiten und dritten Fourieramplitude als Funktion der Belichtungszeit verwendet. Dem Modell zufolge ist es durch geeignete Wahl der Belichtungsparameter möglich, das Verhältnis der Amplituden der verschiedenen Beugungsordnungen gezielt zu steuern. Um die Tragfähigkeit des Modellansatzes zu prüfen, müssen zukünftige Experimente insbesondere die fehlende Übereinstimmung des Beugungswirkungsgradintegrals der zweiten Beugungsordnung mit der berechneten Fourieramplitude klären. Systematische Untersuchungen zum Einfluss der Belich- 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 22 tungsparameter und Photostarterkonzentration auf die Polymerisationskinetik und somit auf die zeitliche Entwicklung der einzelnen Beugungsordnungen werden derzeit zur Prüfung des beschriebenen Modells durchgeführt. 2.4 Dynamische Beugungstheorie Im Unterschied zur kinematischen Beugungstheorie berücksichtigt die dynamische Beugungstheorie Mehrfachstreuprozesse und somit Wechselwirkungen zwischen den transmittierten (in Vorwärtsrichtung gebeugten) und den reflektierten Strahlen. Die dynamische Beugungstheorie wurde zunächst von Darwin [53] (1914), Ewald [54] (1916) und Laue [55] (1931) für Röntgenstrahlen entwickelt. Ausführliche Zusammenfassungen der Theorie sind in den Arbeiten von Kogelnik [56] sowie Battermann und Cole [57] zu finden. Im Hinblick auf die dynamische Theorie der Neutronenbeugung sei auf Rauch und Petrascheck [58, 59] bzw. Sears [45] verwiesen. Die kinematische Theorie beschreibt Beugungsphänomene unter der Voraussetzung kleiner Wechselwirkungsvolumina bzw. kleiner Wechselwirkungspotentiale zwischen Medium und Welle. Eine abgebeugte Welle wird in der Probe nicht rückgebeugt und interferiert daher nicht mit den transmittierten Wellen. Die Intensitäten der reflektierten- bzw. transmittierten Wellen sind daher zur Amplitude der periodisch modulierten Beugungsstruktur und zum Probenvolumen proportional. Diese Näherung ist für sogenannte dünne Gitter hinreichend erfüllt. Für dicke Gitter müssen allerdings Wechselwirkungen zwischen den reflektierten- und transmittierten Strahlen aufgrund von Rückstreuprozessen im Probenvolumen berücksichtigt werden. Eine quantitative Unterscheidung zwischen dicken und dünnen Gittern erfolgt durch Angabe des sogenannten Q-Faktors: Q= 2πλ D n0 Λ2 (2.28) Sind Wellenlänge λ, Gitterdicke D, Gitterperiode Λ und mittlerer Brechungsindex des Mediums n0 so gewählt, dass Q À 1 ist, wird von einem dicken Gitter oder einem Volumenphasenhologramm gesprochen. Im folgenden Abschnitt werden die Grundzüge sowie einige Konsequenzen der Theorie gekoppelter Wellen für den symmetrischen Laue-Fall in Zweistrahlnäherung besprochen (vgl. [59, 60]). 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 23 Zweistrahlnäherung Die Zweistrahlnäherung der dynamischen Beugungstheorie behandelt den Fall, dass sich lediglich zwei reziproke Gitterpunkte in unmittelbarer Nähe der Ewaldkugel befinden (vgl. Abb. 2.2) und somit nur ein transmittierter und ein reflektierter Strahl nichtverschwindende Beiträge zur Intensität liefern. Im Folgenden soll der symmetrische Laue-Fall der dynamischen Beugung besprochen werden, bei dem die Netzebenen des Beugungsgitters senkrecht zur Probenoberfläche orientiert sind. Eine ebene Welle Ψ(r, t) erfülle die Bragg-Bedingung. Absorption der Wellen im Medium wird vernachlässigt. Gesucht werden Lösungen der entsprechenden Wellengleichung in einem periodischen Potential, der Schrödingergleichung für Materiewellen · ¸ ~2 2 ∂ψ(r, t) − ∇ + V (r, t) ψ(r, t) = ı~ 2m ∂t (2.29) bzw. der aus den Maxwellgleichungen resultierenden Wellengleichung für elektromagnetische Wellen ∇2 ψ(r, t) − 1 ∂ 2 ψ(r, t) = 0. c2 ∂t2 (2.30) √ Hier ist c = c0 /n = c0 / ² die Lichtgeschwindigkeit im Medium, n der Brechungsindex und ² die Dielektrizitätskonstante des Mediums. Mit dem Ansatz ebener Wellen ψk (r, t) = ak eı(k·r−ωk t) = Ψ(r)e−ıωt (2.31) und den Dispersionsrelationen k2 = 2mE f ür nichtrelativistische Quanten ~2 k2 = E2 f ür relativistische Quanten ~2 c2 bzw. (2.32) erhalten wir für den ortsabhängigen Teil Ψ(r) der Wellenfunktion im Vakuum in beiden Fällen eine Differentialgleichung vom Typ einer Helmholtzgleichung: 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE (∇2 + k2 )Ψ(r) = 0 24 (2.33) Die Helmholtzgleichung innerhalb eines Mediums mit Wellenvektor K = nk und Brechungsindex n lautet: (∇2 + K2 )Ψ(r) = 0 (2.34) Für ein beliebiges periodisches Potential besitzt Gl. 2.34 im Allgemeinen unendlich viele Lösungen. Da jedoch nur jene Wellenvektoren nichtverschwindende Beiträge zur Intensität liefern, welche sich in der Nähe der Ewaldkugel befinden, reduziert sich die Dimension des Gleichungssystems in vielen Fällen drastisch. Zur Lösung von Gl. 2.34 für ein periodisches Wechselwirkungspotential zwischen Neutronen und Materie der Form V (r) = V + ∆V cos(Hr) (2.35) wird nun die in den Gleichungen 2.21 bzw. 3.27 angegebene Definition des Neutronenbrechungsindexes verwendet. Das Quadrat des Brechungsindexes berechnet sich zu n(r)2 = 1 − ¢ V + ∆V cos(Hr) ∆V ¡ ıHr = n20 − e + e−ıHr . E 2E (2.36) Eine ins Medium eintretende ebene und monochromatische Welle mit einem Wellenvektor k0 wird an dem kosinusförmig modulierten Wechselwirkungspotential nur dann abgebeugt, wenn die Braggbedingung KH = K0 − H erfüllt ist. Es werden genau zwei Wellen im Medium angeregt, sogenannte Blochwellen, welche Lösungen der Wellengleichung für ein periodisches Potential darstellen [61]. Ψ(r) = Ψ0 eıK0 r + ΨH eıKH r (2.37) Durch Einsetzen des Potentials und des Blochwellenansatzes in die Wellengleichung 2.34 erhalten wir für den Zweistrahlfall folgendes gekoppelte Gleichungssystem der dynamischen Beugungstheorie: 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 25 µ ¶ ´ V ∆V ³ ı(H+KH )r 0= e + k 1− Ψ0 eıK0 r − k2 e + e−ı(H−KH )r ΨH E 2E µ ¶ ³ ´ V ∆V 0 = −ΨH K2H eıKH r + k2 1 − ΨH eıKH r − k2 eı(H+K0 )r + e−ı(H−K0 )r Ψ0 E 2E (2.38) | {z } −Ψ0 K20 ıK0 r 2 e 2 =k2 n2 K 0 Durch Vergleich der Koeffizienten sowie Berücksichtigung der Braggbedingung und der Dispersionsrelation (Gl. 2.32) lautet das Gleichungssystem ·³ ¸ ´ m∆V 2 2 e − K Ψ0 − 0= K ΨH e−ıK0 r 0 ~2 ·³ ¸ ´ m∆V 2 2 e 0= K − KH ΨH − Ψ0 e−ıKH r ~2 (2.39) bzw. in etwas kompakterer Matrizenschreibweise µ ¶ m∆V e 2 − K2 K − 2 0 ~ Ψ0 = 0. ΨH e 2 − K2 − m∆V K H ~2 (2.40) Aus der Bedingung, dass die Determinante der 2 × 2-Matrix für nichttriviale Lösungen verschwinden muss, folgt die Dispersionsrelation für die Wellen im Medium: µ e2 (K − K20 ) e2 · (K − K2H ) = m∆V ~2 ¶2 2 ≡ vH (2.41) e K0 , KH innerhalb und k außerhalb des Mediums unterscheiden Die Beträge der Vektoren K, aufgrund der relativ kleinen Brechungsindexunterschieds in der Größenordnung von 1−n ≈ 10−7 nur sehr wenig. Daher kann Gl. 2.41 mit der Näherung e + K0 ≈ K e + KH ≈ 2k K (2.42) auf eine quadratische Form gebracht werden: 2 e − K0 ) · (K e − KH ) = vH (K 4k 2 (2.43) 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 26 Somit erhalten wir für K0 und KH jeweils zwei Lösungen K0α , Kβ0 und KαH , KβH . Das Wellenfeld innerhalb des Mediums ist also eine kohärente Superposition von vier Wellen: β α α β Ψ(r) = Ψα0 eıK0 r + Ψβ0 eıK0 r + ΨαH eıKH r + ΨβH eıKH r (2.44) Da sich die Ausbreitungsrichtungen der mit α und β indizierten Lösungen (α und β - Zweige) jeweils geringfügig unterscheiden, kommt es infolge von Interferenzen zu Oszillationen der Intensitäten der Wellen im Medium, den sogenannten Pendellösungsoszillationen [62]. Unter Berücksichtigung der Stetigkeitsbedingungen an den Grenzflächen Vakuum-Medium bzw. Medium-Vakuum berechnen sich die Intensitäten der abgebeugten bzw. der in Vorwärtsrichtung gebeugten (transmittierten) Wellen für Neutronen zu IH I0 sin2 φ 1 + y2 µ 2 = |A0 | cos2 φ + = |A0 |2 ¶ y2 2 sin φ . 1 + y2 (2.45) p |vH | D 1 + y 2 und φ ≡ 2k0 cos ΘB (2.46) Die Parameter |vH | y≡ ∆ΘB sin 2ΘB 4k0 bringen hier die Abweichung vom exakten Braggwinkel ∆ΘB sowie den Einfluss der Dicke des Gitters D bzw. der Amplitude der Modulation des Wechselwirkungspotentials vH zwischen Medium und Neutronen zum Ausdruck. A0 ist die Amplitude der einfallende Welle mit Wellenvektor k0 . Mit der aus Gleichung 2.6 bekannten Definition des Beugungswirkungsgrades η als das Verhältnis von abgebeugter Intensität zur Gesamtintensität gilt: η≡ IH sin2 φ = IH + I0 1 + y2 (2.47) Mit den in der Holographie mit Licht üblichen dimensionslosen Parametern ν≡ πD∆n λ cos ΘB und ξ ≡ πD (ΘB − Θ) Λ (2.48) 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 27 lautet der Beugungswirkungsgrad η nach Kogelnik [56] η=ν p ν 2 + ξ2 . ν 2 + ξ2 2 2 sin (2.49) Abbildung 2.13 zeigt den nach Gl. 2.49 berechneten Beugungswirkungsgrad als Funktion des sogenannten Off-Bragg-Winkels ∆ΘB = ΘB − Θ und der Brechungsindexänderung ∆n. 1 0.75 η 0.5 0.25 0.0004 0 ∆n -0.001 0.0002 0 ∆ΘB @radD 0.001 0 Abb. 2.13: Nach Gl. 2.49 berechneter Beugungswirkungsgrad als Funktion der Brechungsindexänderung ∆n und der Abweichung ∆ΘB vom exakten Braggwinkel ΘB . Für die Berechnung wurden die selben Parameter wie im Experiment (Abb. 2.14) verwendet: Dicke des Gitters D = 2.8 mm, Gitterperiode Λ = 540 nm, Lichtwellenlänge zum Auslesen des Gitters λ = 473.8 nm. Im exakten Braggwinkel vereinfacht sich Gleichung 2.49 zu η = sin2 ν. Der Beugungswirkungsgrad zeigt für ∆Θ = 0 mit zunehmender Brechungsindexänderung ∆n also ein oszillatorisches Verhalten. Mit zunehmender Amplitude der Modulation des Brechungsindex ∆n entwickeln sich in der Umgebung des Braggwinkels Nebenmaxima, welche zu einer Verbreiterung der Rocking- 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 28 kurve führen.6 Für schwach beugende Gitter mit ν ≤ π/2 ist der Beugungswirkungsgrad im Braggwinkel eindeutig mit der Amplitude der Brechungsindexänderung verknüpft. Für stark beugende Gitter mit ν > π/2 lässt sich der Beugungswirkungsgrad im Braggwinkel nicht mehr eindeutig aus Gl. 2.49 bestimmen. Des Weiteren hängt die Beugungseffizienz im exakten Braggwinkel zusätzlich von der Divergenz und Wellenlängenverteilung des am Gitter gebeugten Feldes ab. Diese Einflüsse infolge der Strahlinkohärenz müssen insbesondere bei der Beugung von Neutronen in Betracht gezogen werden. Eine zur exakten Charakterisierung der Gitter nützliche, von der Strahlinkohärenz unabhängige Größe ist der über den Off-Bragg-Parameter integrierte Beugungswirkungsgrad, das sogenannte Beugungswirkungsgradintegral [51, 63]: D Iη (∆n) := Λ Zπ η(∆n, ∆ΘB )d∆ΘB (2.50) −π Obwohl auch diese Funktion für stark beugende Gitter mehrdeutige Werte für ∆n liefert, ist es möglich, durch Vergleich des experimentell bestimmten Beugungswirkungsgrades in der Nähe des Braggwinkels mit der nach Gleichung 2.49 berechneten Beugungseffizienz, die Amplitude der Brechungsindexänderung eindeutig zu bestimmen. Zum Vergleich der dynamischen Theorie der Beugung mit den Experimenten ist in Abb. 2.14 eine Messung des Beugungswirkungsgrades mit Licht bei einer Wellenlänge von λ = 473.8 nm (diodengepumpter frequenzverdoppelter Nd:YAG Laser) als Funktion des Off-Bragg-Winkels ∆ΘB und der Brechungsindexänderung ∆n gezeigt.7 Unmittelbar nach der Belichtung des Gitters mit Licht einer Wellenlänge von λ = 351 nm und 6 ± 0.7 kJ/m2 erfolgte die Untersuchung der Entwicklung des Gitters über einen Zeitraum von 160 h. Die Aufnahme der ersten 25 Rockingkurven nach der Belichtung erfolgte im Abstand von jeweils etwa 15 min, ab Messung 25 betrug das Messintervall jeweils etwa 60 min. Der funktionale Zusammenhang zwischen der durch Anpassung von Gl. 2.49 an die Messdaten ermittelten Brechungsindexänderung ∆n und √ der Entwicklungszeit t der Gitter folgt für die betrachtete Zeitspanne näherungsweise einem tGesetz [51]. Untersuchungen zur Klärung der Ursachen einer derartigen Polymerisationskinetik der Polymer-Monomer-Mischung werden derzeit durchgeführt. Eine Abhängigkeit der Kinetik des Entwicklungsprozesses von der Gitterperiode wurde nicht beobachtet. Dies deutet darauf hin, dass es sich um keinen diffusionskontrollierten Polymerisationsprozess handelt. 6 Als Rockingkurve wird hier die Darstellung des Beugungswirkungsgrades als Funktion der Abweichung vom Braggwinkel η(∆Θ) bezeichnet. 7 Das Experiment wurde am Instrument HOLONS des GKSS Forschungszentrums simultan mit Neutronen und Licht durchgeführt [29, 51, 30]. 2.4. DYNAMISCHE BEUGUNGSTHEORIE 29 0.8 η 0.6 0.4 0.2 0.0 -0.001 0.0004 ∆Θ 0.000 [ra d] 0.0002 ∆n 0.001 0.0000 Abb. 2.14: Experimentell bestimmter Beugungswirkungsgrad η(∆n, ΘB ) der eines lichtinduzierten Gitters in PMMA als Funktion der Brechungsindexänderung ∆n und der Abweichung ∆ΘB vom exakten Braggwinkel ΘB (Probe D019, Gitterkonstante Λ = 540 nm, Dicke des Gitters D = 2.8 mm). Das Gitter wurde bei einer Lichtwellenlänge von λ = 473.8nm ausgelesen. 3 Erzeugung von Phasenschüben für Neutronen Die Wechselwirkung eines Neutrons mit einem beliebigen Potential hat eine Änderung der Phase der dem Neutron zugeordneten Wellenfunktion zur Folge. Mittels interferometrischer Methoden kann die relative Phase zweier Wellenfelder durch kohärente Superposition experimentell bestimmt werden. Dabei wird das Feld beim Eintritt ins Interferometer kohärent geteilt, räumlich separiert und am Ausgang des Interferometers wieder superponiert. Im Rahmen der Eikonal- Näherung ist es möglich, die Ausbreitung der Felder in Analogie zur geometrischen Optik als ”Strahlen” zu beschreiben [64]. Unter diesen Strahlen werden in der Neutronenoptik die klassischen Trajektorien der Neutronen verstanden. Die Phase der Wellenfunktion ist in dieser semiklassischen Näherung durch das Eikonal S bestimmt. Die Eikonalgleichung lautet (vgl. Anhang A): (∇S)2 = ~2 K 2 = 2m(E − V ) (3.1) Die Berechnung der Phasendifferenz zwischen den Teilstrahlen Ψ1 = A1 eıS1 /~ und Ψ2 = A2 eıS2 /~ , welche in einem Interferometer sowohl aufgrund der geometrischen Verhältnisse als auch infolge einer Wechselwirkung der Teilchenstrahlen mit einem Potential resultieren kann, erfolgt dann durch Integration entlang des gesamten optischen Weges im Interferometer [45]. 1 ∆S = S0 + ∆Φ = ~ ~ Z Z ∇Sds − S0 + 1 2 1 ∇Sds = ~ I I ∇S · ds = 1 K · ds = ~ I p · ds (3.2) Für die am Ausgang eines Interferometers superponierten Wellenfunktionen 30 3.1. EIGENSCHAFTEN DES NEUTRONS 31 Ψ± = A1 eıS1 /~ ± A2 eıS2 /~ (3.3) berechnen sich die Intensitäten zu I± = |Ψ± |2 = A21 + A22 ± A1 A2 cos(∆Φ). 2 (3.4) Unter Zuhilfenahme des Formalismus der Kohärenzfunktionen wird in Kapitel 4 gezeigt, wie, durch Messung der Intensitäten I± (∆Φ) am Ausgang des Interferometers auf die Kohärenzeigenschaften des Teilchenstrahls geschlossen werden kann. In Kapitel 6 erfolgt dann eine Diskussion und Präsentation der experimentellen Ergebnisse zur Bestimmung der Kohärenzcharakteristik zweier verschiedener Kleinwinkelstreuanlagen für kalte Neutronen. 3.1 Eigenschaften des Neutrons Das Neutron wurde von Ernest Rutherford im Jahr 1920 [65] postuliert und 1932 von James Chadwick bei der Untersuchung der Kernreaktion 94 B + 42 He −→ 12 C 6 + 10 N experimentell nach- gewiesen. In der Veröffentlichung seiner Entdeckung schreibt er [66]: ”These results, and others I have obtained in the course of the work, are very difficult to explain on the assumption that the radiation from beryllium is a quantum radiation, if energy and momentum are to be conserved in the collisions. The difficulties disappear, however, if it be assumed that the radiation consists of particles of mass 1 and charge 0, or neutrons. The capture of the α-particle by the Be9 nucleus may be supposed to result in the formation of a C 12 nucleus and the emission of the neutron. From the energy relations of this process the velocity of the neutron emitted in the forward direction may well be about 3 × 109 cm/s. The collisions of the neutron with the atoms through which it passes give rise to the recoil atoms, and the observed energies of the recoil atoms are in fair agreement with this view. Moreover, I have observed that the protons ejected from hydrogen by the radiation emitted in the opposite direction to that of the exciting α-particle appear to have a much smaller range than those ejected by the forward radiation. This again receives a simple explanation of the neutron hypothesis.” Kurze Zeit später zeigt Werner Heisenberg [67, 68], dass es sich bei diesem neuen Teilchen um ein Elementarteilchen (Nukleon) handelt und formuliert das uns geläufige Protonen-Neutronen-Modell des Atomkerns. Das heute akzeptierte Standardmodell der Elementarteilchen beschreibt das Neutron als Baryon, 3.1. EIGENSCHAFTEN DES NEUTRONS 32 zusammengesetzt aus einem up- und zwei down-Quarks. Mit einem Gesamtspin von 1/2 zählt es zu den Fermionen [69]. Die fundamentalen Eigenschaften des Neutrons sind in Tabelle 3.1 aufgelistet. Masse Spin magnetisches Moment magnetische Polarisierbarkeit Kernmagneton gyromagnetisches Verhältnis Lebensdauer (β-Zerfall) elektrisches Dipolmoment elektrische Polarisierbarkeit elektrische Ladung mittlerer quadratischer Ladungsradius m s µn βn µN γ = 2µn /~ τ dn αn qn < rn2 > 1.6749279 ± 0.00000050 × 10−27 kg 1 2~ −1.91304272 ± 0.00000045 µN −4 fm3 (2.7 ± 1.8+1.3 −1.6 ) × 10 5.05078658 ± 0.00000056 × 10−27 J/T 1.83247191 ± 0.00000045 × 108 rad s−1 T −1 885.7 ± 0.8 s < 6.3 × 10−26 e cm (11 ± 1.6) × 10−4 fm3 (−0.4 ± 1.1) × 10−21 e −1.1161 ± 0.0022 fm2 Tab. 3.1: Fundamentale Eigenschaften des Neutrons [70, 71] Das Neutron kann einerseits als Teilchen mit Masse m [72], andererseits auch als Welle mit der De Broglie Wellenlänge λ beschrieben werden [73]. Für ein Neutron mit einer Geschwindigkeit v, der Planck’schen Konstante h und der Masse m, gelten folgende Beziehungen: De Broglie Relation: E= λ= h mv mv 2 ~2 k 2 h2 = = 2 2m 2mλ2 (3.5) (3.6) Neutronen werden bezüglich ihrer kinetischen Energie in folgende Bereiche eingeteilt: Neutronen Energie Wellenlänge ultrakalt kalt thermisch epithermisch mittelschnell schnell ≤ 0.5 meV 0.5 meV − 2 meV 2 meV − 100 meV 100 meV − 1 keV 1 keV − 0.8 MeV ≥ 0.8 MeV & 13 Å ' 13Å − 6 Å ' 6Å − 1 Å ' 1Å − 0.01 Å ' 0.01 Å − 0.0003 Å . 0.0003 Å Tab. 3.2: Einteilung der Neutronen nach ihrer Energie bzw. ihrer De Broglie Wellenlänge 3.1. EIGENSCHAFTEN DES NEUTRONS 33 3.1.1 Schwache Wechselwirkung Die schwache Wechselwirkung ist für den β-Zerfall und somit für die begrenzte Lebensdauer (τ ≈ 885.7 ± 0.8 s [70], τ ≈ 886.8 ± 3.4 s [74]) des freien Neutrons verantwortlich. Das Neutron zerfällt dabei in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino: n → p + e− + ν e (3.7) Aufgrund der schwachen Wechselwirkung gebundene Zustände sind bisher unbekannt. Bei Streuprozessen von Neutronen an Atomkernen überwiegen die starke- und die elektromagnetische Wechselwirkung. Die Reichweite der schwachen Wechselwirkung liegt in einer Größenordnung von 10−3 fm. 3.1.2 Gravitative Wechselwirkung Gravitative Beiträge zum Wechselwirkungspotential machen sich vor allem bei interferometrischen Experimenten mit kalten und ultrakalten Neutronen als nicht zu vernachlässigende Phasenschübe bemerkbar. Der Einfluss des Gravitationspotentials auf die Phase eines thermischen Neutronenstrahls wurde erstmals 1975 von Colella, Overhauser und Werner [75] untersucht. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die experimentelle Überprüfung des Äquivalenzprinzips, also der Proportionalität zwischen schwerer Masse mg und träger Masse mi [76, 77, 78, 79, 80, 81, 13, 82]. Die Hamiltonfunktion eines sich im Abstand r um einen Körper mit schwerer Masse Mg bewegenden Neutrons mit schwerer Masse mg lautet H(r, p) = mg Mg p2 −G − ω · L. 2mi r (3.8) Mit p ist hier der Impuls des Neutrons, mit G die Gravitationskonstante bezeichnet, ω ist die Winkelgeschwindigkeit der Erde und L = r × p der auf den Erdmittelpunkt bezogene Drehimpuls des Neutrons. Die Bewegungsgleichung des Neutrons setzt sich aus den drei Termen Gravitationskraft, Zentrifugalkraft und Corioliskraft zusammen: mi r̈ = mg g − mi ω × (ω × r) − 2mi ω × ṙ (3.9) 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 34 Die Schwerebeschleunigung g wurde hier (näherungsweise) als konstant vorausgesetzt. Für das gravitative Wechselwirkungspotential gilt: Vgrav (r) = mg g · r (3.10) Der Phasenschub zwischen zwei Neutronenstrahlen im Interferometer, die sich in unterschiedlichen Gravitationspotentialen befinden, beträgt ∆Φgrav Hier ist A = L2 2 mi = ~ I ṙdr = 2πmi mg gλA sin α . h2 (3.11) tan ΘB die von den Teilstrahlen mit dem Öffnungswinkel 2ΘB im Interferometer der Länge L eingeschlossene Fläche, α der Winkel zwischen g und der Flächennormalen von A und g der Betrag der lokalen Schwerebeschleunigung. Die Bewegung eines Teilchens in einem Nichtinertialsystem, wie beispielsweise dem mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Bezugssystem Erde, liefert zusätzliche Wechselwirkungsbeiträge infolge der Corioliskraft [83, 84], mit dem Wechselwirkungspotential Vcoriolis = −~ ω · (r × k). (3.12) Für einen in horizontaler Richtung in ein LLL-Interferometer eintretenden Neutronenstrahl beträgt der durch die Corioliskraft verursachte Phasenschub (Sagnac-Effekt) ∆Φs = mi ~ I (ω × r) · dr = 2mi ωA (sin ΘL cos α + sin γ sin ΘL sin α). ~ (3.13) Hier ist ΘL die geographische Breite am Ort der Messung und γ der Winkel zwischen der geographischen Nord-Süd-Richtung und dem ins Interferometer eintretenden Neutronenstrahl. 3.2 Berechnung von Streulängen Die Stärke der Wechselwirkung zwischen Neutronen und Materie wird durch die Angabe von (gebundenen) Streulängen charakterisiert [85, 86, 45]. Die gesamte gebundene Streulänge b eines 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 35 Atoms setzt sich aus den Beiträgen der in den folgenden Abschnitten besprochenen Wechselwirkungen zusammen. b = bnuc + bmagn + bel + bpol (3.14) bnuc , bmagn und bel bezeichnen die einzelnen Beiträge der starken, magnetischen und elektrostatischen Wechselwirkung, bpol berücksichtigt ein mögliches elektrisches Dipolmoment des Neutrons, welches einen Polarisationsbeitrag zur Gesamtstreulänge liefern würde. Die im Allgemeinen statistische Verteilung der Neutronen- und Kernspins hat zusätzlich inkohärente Beiträge bi zur Gesamtstreulänge b zur Folge. Solche Beiträge sind beispielsweise für die starke Wechselwirkung aufgrund ihrer Spinabhängigkeit zu erwarten. Diese inkohärenten Beiträge können als Fluktuationen ∆b um eine gemittelte Streulänge hbi, der sogenannten kohärenten Streulänge bc aufgefasst werden, welche durch die Varianz quantifiziert werden können. Für die Gesamtstreulänge gilt dann: b = hbi + ∆b ≡ hbi + p hb2 i − hbi2 (3.15) Durch Umgruppierung der einzelnen Terme in Gl. 3.14 bezüglich ihrer Spinabhängigkeit ist die Gesamtstreulänge als Summe eines kohärenten und eines inkohärenten Streulängenanteils darstellbar. b = bc + bi (3.16) 3.2.1 Starke Wechselwirkung Die Stärke der Spin-Bahn-Wechselwirkung, der Foldy-Wechselwirkung sowie die Beiträge der elektrischen Wechselwirkungen sind um etwa zwei bis fünf Größenordnungen kleiner als die Beiträge der starken Wechselwirkung oder der magnetischen Dipolwechselwirkung. Daher trägt die starke Wechselwirkung neben der magnetischen Dipolwechselwirkung (Zeeman Wechselwirkung) den dominierenden Anteil zur Gesamtwechselwirkung zwischen Neutronen und Materie bei. Das starke Wechselwirkungspotential zwischen einem Neutron und einem Atomkern an 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 36 der Stelle rj kann wegen der, verglichen mit der De Broglie - Wellenlänge thermischer und kalter Neutronen (≈ 0.1 − 1 nm) relativ kurzen Reichweite der Kernkraft (≈ 1 fm), mithilfe eines Fermi-Pseudopotentials beschrieben werden. Vnuc (r) = 2π~2 bnuc δ(r − rj ) m (3.17) Eine an einem derartigen Potential gestreute ebene Welle kann näherungsweise als Superposition einer ebenen Welle und einer Kugelwelle beschrieben werden. Ψ(r) ≈ eik·r + bnuc eikr r (3.18) Die Amplitude der Kugelwelle ist dabei durch die Streulänge bnuc und den Abstand r vom Potential definiert. Streuexperimenten zwischen Nukleonen zufolge setzt sich das starke Wechselwirkungspotential aus einem spinunabhängigen Beitrag in Form eines Zentralpotentials und einem spinabhängigen Beitrag zusammen. Diese beiden Beiträge werden in Gl. 3.17 durch die Streulänge bnuc berücksichtigt. Wird nun der allgemeine Fall betrachtet, dass ein unpolarisierter Neutronenstrahl an einem Medium mit beliebiger Isotopenzusammensetzung oder Polarisation der Kernspins gestreut wird, muss über das Streuvolumen gemittelt und die Spinabhängigkeit der Wechselwirkungsbeiträge der Zusammensetzung des Mediums entsprechend statistisch gewichtet werden. Der Kernspin I kann mit dem Neutronenspin s entweder parallel oder antiparallel zum Gesamtspin J± = I ± s koppeln. Die Anzahl der Einstellungsmöglichkeiten des Gesamtspins beträgt für parallele Kopplung des Neutronenspins relativ zum Kernspin n+ = 2J+ + 1, für antiparallele Kopplung n− = 2J− + 1. Da die Wahrscheinlichkeit für beide Zustände des Gesamtspins gleich groß ist, berechnen sich die kohärenten und inkohärenten Streulängen zu 1 (n+ b+ + n− b− ) = g+ b+ + g− b− n+ + n− √ p n+ n− √ 2 2 = hb i − hbi = (b− − b+ ) = g+ g− (b+ − b− ), n+ + n− bnuc,c = hbi = bnuc,i (3.19) mit den Gewichtungsfaktoren g± I +1 2I + 1 I g− = . 2I + 1 g+ = (3.20) 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 37 Die Abhängigkeit der Wechselwirkung von der Orientierung des Neutronenspins relativ zum Kernspin wird durch die Streulängenbeiträge b+ (Neutronenspin parallel zum Kernspin) und b− (Neutronenspin antiparallel zum Kernspin) zur gebundenen Streulänge berücksichtigt [45]. Auflösen des Gleichungssystems 3.19 nach b+ und b− führt auf r I bnuc,i I +1 r I +1 bnuc,i . Neutronenspin ↑↓ Kernspin: b− = bnuc,c − I Neutronenspin ↑↑ Kernspin: b+ = bnuc,c + (3.21) Sowohl die statistische Verteilung der Kernspins der einzelnen Atome im Medium (Spininkohärenz) als auch die natürliche Verteilung der Isotope innerhalb einer Atomsorte (Isotopeninkohärenz) führt zu inkohärenten Beiträgen der Gesamtstreulänge. Die inkohärente Streuung ist für einen in alle Raumwinkel verteilten isotropen Streuuntergrund verantwortlich (4π- Streuung). Für Anwendungen in der Neutronenoptik werden in vielen Fällen inkohärente Beiträge zur Streulänge vernachlässigt und lediglich kohärente Beiträge in Betracht gezogen. Wegen des Fehlens einer vollständigen Theorie der starken Wechselwirkung werden die kohärenten und inkohärenten Streulängen bnuc,c und bnuc,i im Allgemeinen experimentell bestimmt. Der Brechungsindex für Neutronen In Kapitel 2, Gl. 2.21, wurde der Neutronenbrechungsindex in Analogie zur Lichtoptik als Verhältnis des Betrags des Wellenvektors |K| im Medium zum Betrag des Wellenvektors |k| im Vakuum definiert. Der Betrag des Wellenvektors |K| ist dabei durch das Wechselwirkungspotential V zwischen Medium und Neutronen und deren kinetische Energie E bestimmt. Im vorhergehenden Kapitel wurde das Potential eines einzelnen Streuzentrums mithilfe eines FermiPseudopotentials angegeben. Für ein einatomiges System wird das sogenannte neutronenoptische Potential der starken Wechselwirkung durch Mittelung über alle Streuzentren des Streuvolumens definiert: 2π~2 Vnuc (r) = m * X j + bj δ(r − rj ) = 2π~2 hρbc (r)i m (3.22) Mit ρbc (r) ist hier die gebundene Streulängendichte bezeichnet. Für ein einatomiges System ist die gemittelte gebundene Streulängendichte gleich dem Produkt der gebundenen kohärenten Streulänge bc und der gemittelten Teilchenzahldichte h ρN (r)i 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 38 hρbc (r)i = bc hρN (r)i. (3.23) Als gebundene kohärente Streulänge bc ist hier der Mittelwert der Streulängen bj aller im betrachteten Volumen enthaltenen Atome bc = hbj i (3.24) bezeichnet. Für ein homogenes Medium berechnet sich die gemittelte Teilchenzahldichte hρN (r)i mithilfe der Massendichte ρ, der Avogarozahl NL und der Masse mj eines Streuzentrums zu * hρ(r)i = X + δ(r − rj ) j NL = ρP . mj (3.25) j Für ein Medium mit Molekülen oder Elementarzellen, welches aus verschiedenen Atomen und/oder Isotopen zusammengesetzt ist, muss über die einzelnen Streulängendichten ρkbc (r) summiert werden: ρbc (r) = X ρkbc (r) (3.26) k Absorptionseffekte werden analog zur Lichtoptik mit komplexen Brechungsindizes n = n0 − ın00 bzw. mit komplexen Streulängen b = b0 − ıb00 mithilfe eines totalen Reaktionsquerschnitts σr = σa + σs beschrieben [45, 87]. Der Absorptionswirkungsquerschnitt σa für ein bestimmtes Isotop ist dabei das Verhältnis des zeitlichen Mittelwertes der pro Zeiteinheit absorbierten Neutronen zur Anzahl der pro Zeit- und Flächeneinheit einfallenden Neutronen. Eine analoge Definition gilt für den Streuwirkungsquerschnitt σs als das Verhältnis des zeitlichen Mittelwertes der Rate gestreuter Neutronen zur Anzahl der pro Zeit- und Flächeneinheit einfallenden Neutronen. Unter Zuhilfenahme der Schrödingergleichung und Berücksichtigung des totalen Reaktionsquerschnitts berechnet sich der komplexe Neutronenbrechungsindex (vgl. Kapitel 2, Gl. 2.21) zu K n= = k r Vnuc λ2 ρN 1− ≈1− E 2π r b2c − ³ σ ´2 r 2λ +ı σr ρN λ . 4π (3.27) 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 39 Für schwach absorbierende, vorwiegend kohärent streuende Materialien kann der totale Reaktionsquerschnitt σr vernachlässigt werden und Gleichung 3.27 vereinfacht sich zu n≈1− λ2 ρN bc . 2π (3.28) 3.2.2 Magnetische Wechselwirkung Das magnetische Moment [88, 89, 90] des Neutrons führt zu Wechselwirkungen zwischen Neutronen und elektromagnetischen Feldern [91]. Näherungsweise ist das Wechselwirkungspotential durch die drei Hauptterme Vmagn = VZeeman + VSchwinger + VF oldy (3.29) bestimmt, wobei das Zeeman-Wechselwirkungspotential in ferromagnetischen Substanzen wie beispielsweise Fe, Ni oder Co den dominierenden Beitrag liefert. Unter Einbeziehung der magnetischen Beiträge zum Wechselwirkungspotential berechnet sich der Neutronenbrechungsindex zu r n= 1− Vnuc + Vmagn . E (3.30) Zeeman Wechselwirkung Unter der sogenannten Zeeman Wechselwirkung wird die magnetische Dipolwechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment des Neutrons µn und einem magnetischen Feld B(r) verstanden. Das magnetische Feld von Atomen mit permanentem magnetischen Moment verursacht ein Wechselwirkungspotential, welches hinsichtlich der Größenordnung mit dem der starken Wechselwirkung vergleichbar ist. Das Potential für die Zeeman Wechselwirkung lautet VZeeman (r) = −µn · B(r). (3.31) Der Phasenschub, den ein Neutron beim Passieren eines Magnetfeldes der Länge d erfährt, beträgt ∆ΦZeeman = ± µn Bmλd . 2π~2 (3.32) 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 40 Schwinger Wechselwirkung Die Bewegung eines Neutrons mit magnetischem Moment µn in einem elektrischen Feld E(r), beispielsweise dem Coulombfeld eines Atoms, führt zu einem geschwindigkeitsabhängigen Wechselwirkungsbeitrag, der sogenannten Spin-Bahn-Kopplung [49, 92, 93]: VSchwinger (r) = − ~ µ · [E(r) × k] mc n (3.33) Auf ein Neutron, das sich mit der Geschwindigkeit v = ~k/m in einem elektrischen Feld E bewegt, wirkt aufgrund seines Dipolmoments als relativistischer Effekt ein magnetisches Feld B. Dieses Magnetfeld B = ~ mc (E × k) verursacht einen relativen Phasenschub ∆ΦAC (Aharonov- Casher Effekt, Vektor-Aharonov-Bohm-Effekt) [94, 95, 96, 82] welcher für thermische Neutronen erstmals 1989 interferometrisch bestimmt wurde: I ∆ΦAC = 2µn µn B dt = ± El ~ ~c (3.34) Mit l ist hier die effektive Wechselwirkungsdistanz bezeichnet, die das Neutron im Feld zurücklegt. Foldy Wechselwirkung Die Foldy-Wechselwirkung resultiert aus einer direkten Kopplung des magnetischen Dipolmoments des Neutrons mit dem Coulombfeld des Kerns. Sie hängt nicht von der Polarisation des Neutrons ab [97, 98, 99, 100]. VF oldy = − ~µn divE 2mc (3.35) 3.2.3 Elektrische Wechselwirkung Gemäß dem Quarkmodell besteht das Neutron aus drei Quarks, u-d-d. Die Ladung des u-Quarks beträgt 2/3, die der d-Quarks jeweils -1/3 der Elementarladung. Daher kann für das Neutron weder ein elektrisches Dipolmoment dn noch eine elektrische Polarisierbarkeit α ausgeschlossen werden. Die Existenz nichtverschwindender Wechselwirkungsbeiträge infolge eines elektrischen Dipolmoments oder einer elektrischen Polarisierbarkeit des Neutrons konnte bisher allerdings experimentell nicht verifiziert werden [101, 102]. 3.2. BERECHNUNG VON STREULÄNGEN 41 Elektrostatische Wechselwirkung Eine Ladungsdichtenverteilung ρ(r) des Neutrons in einem elektrischen Potential, beispielsweise dem elektrischen Potential eines Atoms Ve (r), hat zusätzliche elektrostatische Wechselwirkungsbeiträge zur Folge [45, 103]. Durch Multipolentwicklung des über die Dimension eines Neutrons als konstant angenommenen Potentials Ve (r) erhält man für die ersten drei Terme des Wechselwirkungspotentials Vel (r) = (q0 + q1 ∇ + ²∇2 + ...)Ve (r), (3.36) mit den Entwicklungskoeffizienten Z q0 = q1 = ² = Z ρ(r)dV rρ(r)dV Z 1 r2 ρ(r)dV. 6 (3.37) Der erste Term der Multipolentwicklung berücksichtigt eine mögliche Ladung des Neutrons, der zweite Term die Wechselwirkung zwischen einem elektrischen Dipolmoment dn des Neutrons und dem elektrischen Potential des Atoms. Der dritte Term bringt den Wechselwirkungsbeitrag eines Quadrupolmoments des Neutrons mit dem elektrischen Feld des Atoms zum Ausdruck. Elektrische Polarisierbarkeit Aufgrund der internen Ladungsverteilung ist für ein Neutron, das sich in einem elektrischen Feld befindet, ein Beitrag einer elektrischen Polarisierbarkeit αn = dn /E möglich [104, 105, 106, 107]. Die experimentell bestimmte obere Schranke dafür wird derzeit mit αn = (11 ± 1.6) × 10−4 fm3 angegeben [70]. Ein solcher Beitrag der elektrischen Polarisierbarkeit würde in einem elektrischen Feld E folgendes zusätzliche Wechselwirkungspotential Vpol liefern: Vpol = 1 αn E 2 2 (3.38) 4 Kohärenz Interferometrische Experimente eröffnen die Möglichkeit, nicht nur die Intensitäten, sondern durch kohärente Superposition der Wellenfelder auch die relativen Phasen der den Wellenfeldern zugeordneten Wellenfunktionen zu bestimmen. Die Intensität I eines Teilchenstrahls ist definiert als der zeitliche Mittelwert1 der Teilchenstromdichte, also der zeitlich gemittelten Teilchenzahl, welche in einem bestimmten Zeitintervall auf einer Fläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung detektiert wird. Sie ist proportional zur zeitlich gemittelten Teilchenzahl- oder Wahrscheinlichkeitsdichte h|Ψ|2 i: 1 I ∝ h|Ψ| i = lim T →∞ 2T ZT ΨΨ∗ dt 2 (4.1) −T Liegt die Dauer 2T der zeitlichen Mittelung in der Größenordnung der Kohärenzzeit tc = 1/∆ν des Feldes mit der Frequenzbreite ∆ν, wird vom kurzzeitigen Mittel gesprochen. Für stationäre, stochastische Felder fluktuieren die kurzzeitigen Mittelwerte um einen festen Wert, das langzeitige Mittel. Im Folgenden wird dieser langzeitige Mittelwert der Teilchenzahl- oder Wahrscheinlichkeitsdichte kurz als (normierte) Intensität I eines Teilchenstrahls bezeichnet. Bei den betrachteten Teilchen handelt es sich um freie Quanten, die der Dispersionsgleichung p2 = m20 c2 = E 2 /c2 − p2 gehorchen und deren Polarisationszustand unbestimmt ist. Mit p ist hier der Viererimpuls bezeichnet. Verluste durch Absorption werden bei den nachfolgenden Überlegungen vernachlässigt. Die Gesamtteilchenzahl bleibt dem System somit erhalten. 1 RT 1 2T T →∞ −T Mit hgi werden im Folgenden zeitliche Mittelwerte hgi = lim g(t)dt beschrieben. Unter hgi wird im Allgemeinen der Mittelwert eines Ensembles zufallsverteilter (stochastischer) Prozesse verstanden. Ein zufallsverteilter Prozess g(t) liegt vor, wenn g in einer nichtdeterministischen Weise von t abhängt. In diesem Sinn kann g(t) statistisch mithilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen bzw. Wahrscheinlichkeitsdichten beschrieben werden. Im Fall, dass die Wahrscheinlichkeitsdichten eines zufallsverteilten Prozesses invariant gegenüber zeitlicher Verschiebung sind, wird von stationären Prozessen gesprochen. Wird an den stochastischen Prozess zusätzlich die Forderung gestellt, dass sämtliche Ensemblemittelwerte den zeitlichen Mittelwerten entsprechen, handelt es sich um ergodische Prozesse. Für stationäre, ergodische stochastische Prozesse kann der Mittelwert über das Ensemble durch den zeitlichen Mittelwert ersetzt werden. 42 43 Der Zustand des in das Interferometer eintretenden Neutronenstrahls wird in der Impulsdarstellung durch die Funktion a(p, E) beschrieben. Die Präparation der Impulsverteilung eines Neutronenstrahls erfolgt nach dem Austritt der Neutronen aus dem Moderator häufig durch mechanische Wellenlängenselektion und Kollimation (vgl. Kapitel 6). Die Ortsdarstellung der Zustandsfunktion berechnet sich durch Fouriertransformation der Impulsdarstellung zu Z∞ 1 Ψ(x, t) = p (2π~)3 ı a(p, E)e ~ (p·x−Et) d3 p dE (4.2) −∞ bzw. mithilfe der De-Broglie-Relationen E = ~ω und p = ~k zu Z∞ Ψ(x, t) = p 1 (2π)3 a(k, ω)eı(k·x−ωt) d3 k dω. (4.3) −∞ Die Zustandsfunktionen a(p, E), a(k, ω) bzw. Ψ(x, t) sind Lösungen der Schrödingergleichung (Gl. 2.29) und werden als Wellenfunktionen bezeichnet. Am Eingang des Interferometers wird der sich im Zustand Ψ befindliche Teilchenstrahl kohärent in zwei Teilstrahlen Ψ0 und Ψ00 aufgespalten 0 Ψ (x, t) = Ψ00 (x, t) = p 1 (2π)3 1 p (2π)3 Z∞ a0 (k, ω)ei(k·x−ωt) d3 k dω −∞ Z∞ a00 (k, ω)ei(k·x−ωt) d3 k dω (4.4) −∞ und am Ausgang des Interferometers wieder zur Überlagerung Ψout± gebracht: Ψout± = Ψ0 ± Ψ00 (4.5) Aufgrund der Winkel- und Wellenlängenselektivität der strahlmanipulierenden Komponenten eines Neutroneninterferometers sind die Zustandsfunktionen a0 (k, ω) und a00 (k, ω) bzw. Ψ0 (x, t) und Ψ00 (x, t) der beiden Teilstrahlen im Allgemeinen unterschiedlich. Wechselwirkungen der Teilstrahlen mit beliebigen Potentialen oder geometrische Weglängenunterschiede im Interferometer haben zusätzlich eine Änderung der Phasen der Zustandsfunktionen der Teilstrahlen zur 44 Folge. Einflüsse infolge von Justageungenauigkeiten der Interferometergitter, welche bei einem realen Interferometer unvermeidbar sind und beispielsweise unterschiedliche Ausbreitungsrichtungen der Teilstrahlen am Ausgang des Interferometers verursachen können, werden bei den anschließenden Betrachtungen vernachlässigt. Abbildung 4.1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines idealen Interferometers. Unter der Voraussetzung, dass Absorptionseffekte an den Potentialen vernachlässigt werden dürfen, kann deren Wirkung auf die Teilstrahlen im Interferometer durch unitäre Operatoren VI = exp (ı ΦI ) und VII = exp (ı ΦII ) beschrieben werden. Yout± = VI Y ' ± VII Y '' VI Y' Y VII Y'' Abb. 4.1: Prinzipskizze eines idealen Interferometers Die Wellenfunktion Ψout± (ΦI , ΦII , x, t) der am Ausgang des Interferometers superponierten Teilstrahlen in Abhängigkeit der durch die Potentiale verursachten Phasen ΦI und ΦII lautet: Ψout± (ΦI , ΦII , x, t) = VI Ψ0 ± VII Ψ00 = eı ΦI Ψ0 ± eı ΦII Ψ00 = ΨI ± ΨII (4.6) Die Intensität I± (∆Φ, x, t) als Funktion des Phasenschubes ∆Φ = ΦI − ΦII der durch die optischen Komponenten des Interferometers und die Potentiale modifizierten und hinter dem Interferometer superponierten Teilstrahlen berechnet sich somit zu 4.1. KORRELATIONSFUNKTIONEN 45 I± (∆Φ, x, t) = hΨout± Ψ∗out± i = h(ΨI ± ΨII )(ΨI ± ΨII )∗ i = h|ΨI |2 + |ΨII |2 ± Ψ∗I ΨII ± ΨI Ψ∗II i = h|ΨI |2 i + h|ΨII |2 i ± 2<hΨI Ψ∗II i ≡ ΓI, I (0, x, t) + ΓII, II (0, x, t) ± 2< [ΓI, II (∆Φ, x, t)] = II + III ± 2< [ΓI, II (∆Φ, x, t)]. (4.7) Mit ΓI, II (∆Φ, x, t) ist hier die komplexe Kreuzkorrelationsfunktion bezeichnet (es wurde verwendet a∗ b+ab∗ = 2<(ab∗ )). Im Fall identischer Wellenfunktionen handelt es sich bei ΓI, I (∆Φ, x, t) bzw. ΓII, II (∆Φ, x, t) um die komplexen Autokorrelationsfunktionen, welche für ∆Φ = 0 den Intensitäten II bzw. III entsprechen [108, 109, 110, 111, 112, 113, 114].2 4.1 Korrelationsfunktionen Der Formalismus der Korrelationsfunktionen lässt sich einfach mithilfe des Young’schen Interferenzexperiments veranschaulichen (vgl. Abb. 4.2) [108, 110, 115]. Betrachtet werden die Feldkorrelationen einer Strahlungsquelle an zwei unterschiedlichen Orten PI und PII einer Lochmaske. Die Korrelationseigenschaften des Feldes hängen dabei sowohl von der räumlichen Ausdehnung der Strahlungsquelle als auch von deren spektraler Verteilung ab. Die Transmission der Lochmaske an den Orten PI und PII ist durch die komplexen Funktionen AI und AII bestimmt. Der Abstand zwischen der Lochmaske und der Beobachtungsebene sei groß gegenüber der Zentralwellenlänge des Strahlungsfeldes (d À λ0 ). Die geometrischen Weglängen zwischen den Orten PI und PII der Lochmaske und dem Beobachtungspunkt P betragen RI = t1 c bzw. RI = t2 c, mit c als mittlere Ausbreitungsgeschwindigkeit des Feldes. Die Feldstärke am Punkt P eines in einiger Entfernung von der Lochmaske angebrachten Schirms beträgt Ψ(x, t) = AI Ψ(x1 , t − t1 ) + AII Ψ(x2 , t − t2 ) = ΨI (x1 , t − t1 ) + ΨII (x2 , t − t2 ) (4.8) Die Intensität der am Punkt P superponierten Felder berechnet sich mit ∆t = t2 − t1 zu: 2 Bei Korrelationen zwischen zwei Raum-Zeit-Punkten wird häufig von Korrelationen 2. Ordnung gesprochen. Intensitätskorrelationen h|ΨI |2 |ΨII |2 i werden als Korrelationen 4. Ordnung bezeichnet. Die Korrelationsfunktionen entsprechen einer Faltung h(x) = f (−x) ◦ g ∗ (x) 4.1. KORRELATIONSFUNKTIONEN 46 P RI Y(x,t) PI YI(x1, t) RII PII YII(x2, t) d Lochmaske Abb. 4.2: Schirm Veranschaulichung des Formalismus der Korrelationsfunktionen mithilfe des Young’schen Interferenzexperiments. I(x, ∆t) = hΨ(x, t)Ψ(x, t)∗ i = h(ΨI (x1 , t − t1 ) + ΨII (x2 , t − t2 ))(ΨI (x1 , t − t1 ) + ΨII (x2 , t − t2 ))∗ i = h|ΨI (x1 , t − t1 )|2 i + h|ΨII (x2 , t − t2 )|2 i + 2<hΨI (x1 , t − t1 )ΨII (x2 , t − t2 )i ≡ Γ(x1 , 0) + Γ(x2 , 0) + 2< [Γ(x1 , x2 , ∆t)] = II + III + 2< [Γ(x1 , x2 , ∆t)]. (4.9) Die Kreuzkorrelationsfunktion bzw. die Autokorrelationsfunktionen sind auf folgende Weise definiert: Γ(x1 , x2 , ∆t) := hΨI Ψ∗II i 1 = lim T →∞ 2T ZT ΨI (x1 , t)Ψ∗ (x2 , t + ∆t)dt (4.10) ΨI (x1 , t)Ψ∗I (x1 , t + ∆t)dt (4.11) ΨII (x2 , t)Ψ∗II (x2 , t + ∆t)dt (4.12) −T Γ(x1 , ∆t) := hΨI Ψ∗I i 1 = lim T →∞ 2T ZT −T Γ(x2 , ∆t) := hΨII Ψ∗II i 1 = lim T →∞ 2T ZT −T 4.1. KORRELATIONSFUNKTIONEN 47 Die Messung der Intensitäten am Ausgang eines Interferometers ermöglicht somit eine direkte Bestimmung des Realteils der Kreuzkorrelationsfunktion. Eine zur Charakterisierung der Modulationsstärke eines Interferogramms geeignete Größe ist die sogenannte Sichtbarkeit v (engl. visibility), welche auch als Kontrastverhältnis bezeichnet wird [116]. Die Sichtbarkeit wird mithilfe der maximalen und minimalen Intensität des Interferenzmusters gebildet und ist auf folgende Weise definiert:3 v(x, ∆t) := Imax − Imin Imax + Imin (4.13) Da die Intensitäten in Abhängigkeit des Phasenunterschiedes im Allgemeinen mit 2< [Γ(x1 , x2 , ∆t)] um einen festen Wert II + III oszillieren, werden zur Berechnung der Sichtbarkeit die Beträge der Korrelationsfunktionen herangezogen. Für die Intensitäten Imax und Imin gilt Imax (x, ∆t) = II + III + 2 | Γ(x1 , x2 , ∆t) | und Imin (x, ∆t) = II + III − 2 | Γ(x1 , x2 , ∆t) | . (4.14) Durch Einsetzen von Gl. 4.14 in Gl. 4.13 kann nun die Sichtbarkeit als Funktion der räumlichen bzw. zeitlichen Separation der interferierenden Wellenfunktionen ausgedrückt werden: v(x, ∆t) = = = 2 | Γ(x1 , x2 , ∆t) | Γ(x1 , 0) + Γ(x2 , 0) 2 | Γ(x1 , x2 , ∆t) | I + III √ I 2 II III | γ(x1 , x2 , ∆t) | . II + III (4.15) Mit |γ(x1 , x2 , ∆t)| ist hier die normierte Kohärenz- bzw. Korrelationsfunktion bezeichnet, m = √ 2 II III /(II + III ) ist die aus Gl. 2.1 bekannte Modulation.4 Somit lautet die Gesamtintensität (Gl. 4.7) als Funktion der Sichtbarkeit v mithilfe von Gl. 4.15: 3 4 Zur Spezifizierung eines Interferometers wird häufig der Maximalwert der Sichtbarkeit v(x, 0) verwendet. Die normierte Kohärenz- bzw. Korrelationsfunktion wird oft auch als Kohärenzgrad oder komplexes Maß gegenseitiger Kohärenz bezeichnet. 4.2. ZEITLICHE KOHÄRENZ 48 p I(x, ∆t) = II + III + 2 II III <[γ(x1 , x2 , ∆t)] = (II + III ) [1 + v(x, ∆t)] (4.16) Die experimentelle quantitative Untersuchung von Kohärenzeigenschaften eines Teilchenensembles erfolgt oft unter vereinfachten Bedingungen, d.h. räumliche (engl. spatial) und zeitliche (engl. temporal) Kohärenzeigenschaften werden unabhängig voneinander betrachtet. In den folgenden Unterabschnitten sollen die Spezialfälle der zeitlichen und räumlichen Kohärenz genauer besprochen werden. 4.2 Zeitliche Kohärenz Das Konzept der zeitlichen Kohärenz befasst sich mit der Frage, welchen Einfluss die spektrale Verteilung des Teilchenstrahls auf seine Kohärenzeigenschaften hat. Die Phase des Feldes Ψ(x, t) in einer Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung wird als konstant angenommen. Am Beispiel eines Michelson-Interferometers kann das Konzept der zeitlichen Kohärenz auf einfache Weise veranschaulicht werden, indem durch Variation des geometrischen Strahlwegs in einem Arm des Interferometers ein Laufzeitunterschied zwischen den beiden Teilstrahlen erzeugt wird. In einem Mach-Zehnder-Interferometer kann ein solcher Laufzeitunterschied mithilfe eines (nicht dispersiven) Phasenschiebers realisiert werden, welcher in einen der beiden Interferometerarme eingebracht wird (Abb. 4.3). ip i(p+F) Y0 = Yr'e +Yt''e Y' Y ip/2 Y'e Y''e i(p+F) Y''ei(p/2+F) ip/2 YH = Yt'e +Yr''e Abb. 4.3: Skizze eines Mach-Zehnder-Interferometers i(3p/2+F) 4.2. ZEITLICHE KOHÄRENZ 49 Ein in ein ideales Mach-Zehnder-Interferometer eintretender, sich im Zustand Ψ befindlicher Teilchenstrahl der Intensität I wird mithilfe eines Strahlteilers symmetrisch in zwei Teilstrahlen getrennt und dabei räumlich separiert. Diese Teilstrahlen werden mittels Spiegel auf einen weiteren Strahlteiler gelenkt. Die geometrische Anordnung der optischen Komponenten des Interferometers bringt dabei die Teilstrahlen hinter dem zweiten Strahlteiler wieder zur räumlichen Überlagerung. Reflexionen an den Strahlteilern und Spiegeln haben für die Teilstrahlen Phasenschübe von jeweils π/2 zur Folge [117]. Durch das Einbringen eines Potentials in einen der beiden Interferometerpfade wird nun zusätzlich eine Phasendifferenz ∆Φ zwischen den beiden Teilstrahlen erzeugt. Die Wechselwirkung mit dem Potential verursache keinen Strahlversatz, sondern lediglich eine Änderung der Phase in Ausbreitungsrichtung des Teilchenstrahls um eıΦ . Eine einfache Intensitätsmessung an dem durch das Potential modifizierten Teilstrahl im Zustand Ψ00 eıΦ erlaubt keine Rückschlüsse auf dessen relative Phase. I 00 = h(Ψ00 eıΦ )(Ψ00 eıΦ )∗ i (4.17) Erst durch kohärente Superposition der sich in den Zuständen Ψ00 (x, t) und Ψ0 (x, t) befindlichen Teilstrahlen ist es möglich, auf die durch das Potential verursachte relative Phase zu schließen. Unter der Voraussetzung symmetrischer Strahlteiler lautet die Wellenfunktionen an den beiden Ausgängen 0 und H des Interferometers: Ψ0 = ΨH = Ψ ıπ e (1 + eıΦ ) 2 Ψ ıπ/2 e (1 − eıΦ ) 2 (4.18) Für einen quasimonochromatischen Teilchenstrahl berechnen sich die Intensitäten somit zu: I (1 + cos Φ) 2 I IH (Φ) = hΨH Ψ∗H i = (1 − cos Φ) 2 I0 (Φ) = hΨ0 Ψ∗0 i = (4.19) Eine Änderung des optischen Weglängenunterschieds im Interferometer aufgrund einer Wechselwirkung der interferenzfähigen Teilstrahlen mit einem Potential hat also für die das Interferometer verlassenden Strahlen gegenläufige kosinusförmige Oszillationen der Intensitäten zur 4.2. ZEITLICHE KOHÄRENZ 50 Folge. Diese funktionale Abhängigkeit der Intensität der superponierten Teilchenstrahlen von der Phasendifferenz wird als Interferenz bezeichnet. Auf alternative Weise kann das Interferometer bequem mithilfe einer Matrizengleichung beschrieben werden. Die Komponenten des Interferometers sind dabei durch 2 × 2-Matrizen dargestellt. Diese Matrizen erlauben es, die den Eingangsmoden zugeordneten Wellenfunktionen in jene der Ausgangsmoden zu transformieren: µ Ψ0 ΨH ¶ µ ¶ µ ıΦ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ 1 1 ı 1 ı e 0 0 ı Ψ · · ·√ · ı 1 0 1 ı 0 0 2 ı 1 µ ¶ µ ¶ 1 (1 + eıΦ ) ı(1 − eıΦ ) Ψ =− · ıΦ ıΦ 0 2 −ı(1 − e ) (1 + e ) 1 =√ 2 Ψ = 2 µ eıπ (1 + eıΦ ) eıπ/2 (1 − eıΦ ) ¶ (4.20) Die den optischen Komponenten eines Interferometers zugehörigen Matrizen sind in Anhang B aufgelistet (Tabelle B.1). 4.2.1 Kreuzkorrelationstheorem und Wiener-Khintchine Theorem Für einen monochromatischen Teilchenstrahl ist die Korrelationsfunktion kosinusförmig moduliert. Die Sichtbarkeit der Interferenzen hängt lediglich vom Intensitätsverhältnis der superponierten Strahlen ab. Handelt es sich aber, wie es bezüglich der Energieverteilung beispielsweise für thermische Neutronen der Fall ist, um ein Boltzmann-verteiltes Ensemble von Zuständen a(ω), stellt sich die Frage nach dem funktionalen Zusammenhang zwischen der Zustandsverteilung und der Korrelationsfunktion. Dieser Zusammenhang wird durch das Kreuzkorrelationstheorem hergestellt, welches mittels einer Fouriertransformation die Kreuzkorrelationsfunktion ΓI,II (∆t) mit dem Produkt der Zustandsfunktionen aI (ω) und a∗II (ω) zweier Teilchenstrahlen verknüpft: ΓI,II (∆t) = hΨI (t)Ψ∗II (t + ∆t)i = F[aI (ω)a∗II (ω)] Der Beweis des Kreuzkorrelationstheorems ist in Anhang C angeführt. (4.21) 4.3. RÄUMLICHE KOHÄRENZ 51 Das Wiener-Khintchine-Theorem (Autokorrelationstheorem) ist ein Spezialfall des Kreuzkorrelationstheorems für identische Zustandsfunktionen aI = aII bzw. ΨI = ΨII : Γ(∆t) = hΨ(t)Ψ∗ (t + ∆t)i = F[ | a(ω) |2 ] (4.22) Abbildung 4.6 zeigt die mithilfe des Wiener-Khintchine Theorems berechnete Autokorrelationsfunktion für ein experimentell bestimmtes Leistungsspektrum | a(ω) |2 einer Neutronenkleinwinkelstreuanlage. 4.3 Räumliche Kohärenz Während im vorhergehenden Abschnitt der Einfluss der spektralen Verteilung eines Teilchenensembles auf dessen Kohärenzeigenschaften diskutiert wurde, sollen nun Auswirkungen der räumlichen Ausdehnung einer Strahlungsquelle auf die Kohärenzeigenschaften des von der Quelle emittierten Feldes untersucht werden. Die Strahlungsquelle wird im Folgenden als eben und quasimonochromatisch betrachtet. Die Intensitäts- bzw. Feldstärkenverteilung der Quelle wird durch die Funktionen I(η, ξ) bzw. Ψ(η, ξ) beschrieben. Zwischen den von unterschiedlichen Quellpunkten emittierten Feldern bestehe keine Korrelation. Zur Veranschaulichung des Konzepts der räumlichen Kohärenz werden wieder die Phasenkorrelation des Feldes an den Orten P1 und P2 einer Lochmaske eines Youngschen Interferometers betrachtet (vgl. Abb. 4.2) [108, 110, 115]. Die Feldamplituden an den Punkten P1 und P2 der Lochmaske im Abstand L von der Quelle berechnen sich durch Integration über die Feldamplitudenverteilung der gesamten Quelle: Z Ψ(P1 ) = Quelle Z Ψ(P2 ) = Quelle Ψ(η, ξ)eıkr1 (η,ξ) dηdξ r1 (η, ξ) Ψ(η, ξ)eıkr2 (η,ξ) dηdξ r2 (η, ξ) (4.23) Abbildung 4.4 zeigt die geometrischen Verhältnisse zur Berechnung der Feldamplituden Ψ(P1 ) und Ψ(P2 ) für zwei exemplarisch ausgewählte Quellpunkte mit den Amplituden Ψ(η, ξ) und Ψ(η 0 , ξ 0 ). Die in einiger Entfernung von der Lochmaske bestimmte Intensität der superponierten Felder Ψ(P1 ) + Ψ(P2 ) lautet 4.3. RÄUMLICHE KOHÄRENZ Y(h,x) I(h,x) 52 r1(h,x) Y(P1) r2(h,x) G(P1,P2) r1(h',x') Y(h',x') Y(P2) r2(h',x') L Quelle Lochmaske Detektor Abb. 4.4: Veranschaulichung des Konzeptes der räumlichen Kohärenz einer ausgedehnten, quasimonochromatischen Quelle mithilfe des Youngschen Interferenzexperimentes. Für zwei Quellpunkte sind exemplarisch die Feldamplituden Ψ(η, ξ) und Ψ(η 0 , ξ 0 ) eingezeichnet. I(P1 , P2 ) = h(Ψ(P1 ) + Ψ(P2 ))(Ψ(P1 ) + Ψ(P2 ))∗ i = I(P1 ) + I(P2 ) + 2<[Γ(P1 , P2 )], (4.24) mit der räumlichen Korrelationsfunktion Z Γ(P1 , P2 ) = I(η, ξ) Quelle e−ık(r1 (η,ξ)−r2 (η,ξ)) dηdξ. r1 (η, ξ)r2 (η, ξ) (4.25) Für punktförmige Strahlungsquellen ist die Phase eines emittierten monochromatischen Wellenfeldes an jedem Ort zu jedem Zeitpunkt eindeutig definiert, d.h. die räumliche Kohärenz des Feldes ist maximal. Die räumliche Korrelationsfunktion entspricht einer Fouriertransformation der Intensitätsverteilung I(η, ξ) der Quelle. Für den eindimensionalen Fall lautet die Korrelationsfunktion Γ(x, Θ) einer ausgedehnten Quelle mit der Distanz L zwischen Quelle und Maske in der Näherung achsennaher Strahlen (L À x, Θ ≈ arctan(x/L)) und 2π/k ¿ L: 1 Γ(x, Θ) ≈ 2 L Z∞ I(Θ)e−ıkx sin Θ dΘ −∞ (4.26) 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 53 Zur Herleitung der Berechnung der Korrelationsfunktion für den eindimensionalen Fall sowie einer Skizze zur Illustration der geometrischen Verhältnisse sei auf Anhang D verwiesen. 4.3.1 Van Cittert-Zernike-Theorem Der Zusammenhang zwischen der Intensitätsverteilung einer räumlich ausgedehnten, quasimonochromatischen, inkohärenten Strahlungsquelle und der auf die Gesamtintensität normierten Korrelationsfunktion R γ(P1 , P2 ) = I(η, ξ)e−ık(r1 (η,ξ)−r2 (η,ξ)) dηdξ Quelle R I(η, ξ)dηdξ (4.27) Quelle wird durch eine Fouriertransformation hergestellt und als Van Cittert-Zernike-Theorem bezeichnet [108, 110, 111]. Das Van Cittert-Zernike-Theorem beschreibt Korrelationen an zwei Punkten des Feldes und stellt das räumliche Analogon zum Wiener-Khintchine-Theorem dar. Es wurde erstmals von Van Cittert (1934) [118] und etwas später in allgemeinerer Form von Zernike (1938) [119] formuliert. Unter Beschränkung auf kleine Winkel Θ berechnet sich die normierte Korrelationsfunktion für den eindimensionalen Fall näherungsweise zu R γ(x, Θ) ≈ I(Θ)e−ıkx sin Θ dΘ Quelle R I(Θ)dΘ (4.28) Quelle (vgl. Abb. 4.8 und Anhang D). 4.4 Kohärenzeigenschaften von Neutronen In den vorhergehenden Abschnitten wurde gezeigt, dass die Kohärenzeigenschaften eines Strahlungsfeldes direkt mit der spektralen Verteilung und der räumlichen Ausdehnung der Strahlungsquelle in Zusammenhang stehen. Aufgrund der, im Vergleich mit elektromagnetischen Feldern, äußerst geringen Teilchenstromdichte an Anlagen für thermische und kalte Neutronen, muss in der Neutronenoptik häufig ein den experimentellen Rahmenbedingungen entsprechender Kompromiss zwischen gewünschtem Neutronenfluss und erforderlichem Kohärenzvolumen gefunden 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 54 werden. So beträgt die Photonenstromdichte eines He-Ne-Lasers (1 mW) etwa 1017 cm−2 s−1 , die Stromdichte des für die in dieser Arbeit beschriebenen Experimente präparierten kalten Neutronenstrahls liegt in in einer Größenordnung von 103 cm−2 s−1 . Die zeitlichen Kohärenzeigenschaften eines Neutronenstrahls werden durch die Wahl der Wellenlängenverteilung festgelegt. Die Wellenlängenselektion thermischer Neutronen erfolgt mittels Gittermonochromatoren durch Bragg- oder Lauereflexion. Die relativen Halbwertsbreiten der Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 liegen zwischen 0.1% und 1%. Die Selektion der Wellenlänge kalter Neutronen erfolgt meist auf mechanische Weise mit relativen Halbwertsbreiten in einer Größenordnung von ∆λ/λ0 ≈ 10%. Die Zentralwellenlänge λ0 und die relative Halbwertsbreite der Wellenlängenverteilung sind durch Drehzahl und Kippwinkel des Selektors unabhängig voneinander einstellbar. Eine einfache Beziehung zur Abschätzung der longitudinalen Kohärenzlänge lc lässt sich durch Differenzierung von λ = c/ν nach ν angeben: ∆λ c =− 2 ∆ν ν (4.29) Mit der Kohärenzlänge lc = c tc und der Kohärenzzeit tc ≈ 1/∆ν erhalten wir lc ≈ λ20 . ∆λ (4.30) Ein typisches Neutronenspektrum einer Kleinwinkelstreuanlage ist in Abb. 4.5 gezeigt. Abb. 4.5: Mittels Flugzeitspektroskopie ermittelte Wellenvektorverteilung, gemessen an der Neutronenkleinwinkelstreuanlage SANS2 des GKSS Forschungszentrums. Die nominelle Zentralwellenlänge beträgt λ0 = 1.1nm, die Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 = 23% [51]. Die durchgezogene Linie entspricht einer Anpassung der Summe dreier Gaussfunktionen an die experimentell ermittelten Daten. Normierte Intensität [arb.u.] 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 3 4 5 6 7 k [2π/nm] 8 9 10 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 55 Zur exakten Berechnung der Wellen- und Autokorrelationsfunktion wurden an das experimentell ermittelte Spektrum drei Gaussfunktionen angepasst. Abbildung 4.6 zeigt den Realteil, den Imaginärteil und den Absolutwert der Wellenfunktion sowie die mithilfe des Wiener-KhintchineTheorems (Gl. 4.22) berechnete Autokorrelationsfunktion. 1.0 [arb. u.] 0.5 0.0 -0.5 |Ψ| Re Ψ Im Ψ |Γ(∆t)| Re Γ(∆t) -1.0 lc = 7nm -1.5 -10 -5 0 5 10 x [nm] Abb. 4.6: Mithilfe von Gl. 4.3 berechneter Realteil, Imaginärteil und Absolutwert der Wellenfunktion Ψ des in Abb. 4.5 angepassten Flugzeitspektrums sowie nach Gl. 4.22 (Wiener-Khintchine Theorem) berechneter Realteil und Absolutwert der Autokorrelationsfunktion Γ. Die räumliche Kohärenz eines Neutronenstrahls hingegen ist durch dessen Kollimation bestimmt. Die Kollimation wird an einer Neutronenstreuanlage durch die Größe und den Abstand von Blenden festgelegt. Die Winkelverteilung der Neutronen am Probenort berechnet sich durch Faltung der Ausleuchtungsfunktion der Neutronenquelle an der Blende xQ am Ausgang des Neutronenleiters f (xQ ) mit der Transmissionsfunktion der Blende xP am Probenenort g(xP ) im Abstand LC (Abb. 4.7). Für eine homogene Ausleuchtungsfunktion der Blende xQ am Ausgang des Neutronenleiters und eine homogene Transmissionsfunktion der Blende gP am Probenort ist die Winkelvertei- 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN f(xQ) 56 h(xD) LC x'D xD xP xQ g(xP) LD Abb. 4.7: Schematische Darstellung des Kollimationssystems zur Berechnung des Strahlprofils am Probenort bzw. am Detektor. lungsfunktion der Neutronen hinter der Probenblende trapezförmig. Die Basisbreite x0D und die Plateaubreite xD der Verteilung h(xD ) am Detektor sind dabei alleine durch die Geometrie des Kollimationssystems bestimmt und betragen xD = xP − (xQ − xP )LD LC x0D = xQ − (xQ + xP )(LD + LC ) . LC (4.31) Eine einfache Abschätzung der spatialen Kohärenz lässt sich durch Definition des Kohärenzareals angeben: Ax,y ≈ λ20 ∆Θx,y (4.32) Die Größe ∆Θx,y bezeichnet hier den maximalen Öffnungswinkel des Teilchenstrahls, welcher durch die Geometrie des Kollimationssystems bestimmt ist. Für eine Kleinwinkelstreuanlage betragen typische Blendendurchmesser etwa 1 mm bis 50 mm, der Abstand zwischen den Blenden kann zwischen 1 m und 30 m variiert werden. Mit diesen Kollimationsparametern erhält man für das räumliche Kohärenzareal nach Gl. 4.32 bzw. Gl. 4.26 Werte zwischen 0.02 µm2 und 30 µm2 (λ0 = 1 nm). 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 0.8 1.0 Re γ(x) Gaussfunktion |γ(x)| Gaussfunktion Re γ(x) Stufenfunktion |γ(x)| Stufenfunktion Normierte Intensität 1.0 57 0.8 0.6 0.4 0.2 0.6 0.0 Γ(x) [arb. u.] -0.5 0.0 0.5 Θ [mrad] 0.4 0.2 0.0 lc123450 nm -0.2 -5000 -4000 -3000 -2000 -1000 0 1000 2000 3000 4000 5000 x [nm] Abb. 4.8: Nach Gl. 4.26 (Van Cittert-Zernike-Theorem) berechnete spatiale Kohärenzfunktion <(γ(x)) bzw. |γ(x)|, für ein Gauss’sches und ein homogenes Intensitätsprofil (Inset) der Neutronenquelle und eine Neutronenzentralwellenlänge von λ0 = 2 nm. Die Winkelausdehnung der Quelle entspricht näherungsweise der in den Experimenten eingestellten Kollimation des Neutronenstrahls. Für die Kollimationsparameter wurden folgende Werte angenommen: Distanz zwischen der Neutronenleiterblende und der Probenblende LC = 19.1 m, Ausdehnung der Neutronenleiterblende in xRichtung xQ = 10 mm, Ausdehnung der Probenblende in x-Richtung xP = 1 mm. Zur Berechnung des Kohärenzvolumens eines Neutronenstrahls muss über den gesamten Phasenraum des Neutronenstrahls, d.h. sowohl über die Ausbreitungsrichtungs- als auch über die Energieverteilung des Teilchenensembles integriert werden. Es ist also erforderlich, die temporale und die spatiale Kohärenzfunktion in Betracht zu ziehen. Im Fall, dass die Winkelverteilung unabhängig von der Wellenlängenverteilung ist, darf die Gesamtverteilung als Produkt der Einzelverteilungen angesetzt werden: g(λ, Θ) = a(λ) · g(Θ) (4.33) 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 58 Somit ist es möglich, das Kohärenzvolumen als das Produkt von (temporaler) Kohärenzlänge lc und (spatialem) Kohärenzareal Ax,y zu definieren: Vc := lc Ax,y ≈ λ20 λ20 ∆λ ∆Θx,y (4.34) 4.4.1 Einfluss der Neutronenzählrate auf die Kohärenzeigenschaften Die durch Kernspaltung in einem Reaktor oder durch Spallation erzeugten Neutronen mit Energien in der Größenordnung einiger MeV werden zunächst durch Wechselwirkung mit einem Moderator auf Energien in der Größenordnung einiger 10 meV und danach mittels einer sogenannten kalte Quelle durch Wechselwirkung mit flüssigem Deuterium auf Energien unter 2 meV gebracht. Das Volumen des Moderators ist so gewählt, dass sich die Neutronen vor dem Austritt im Durchschnitt im thermischen Gleichgewicht mit dem Moderator befinden. Die Energieverteilung der kalten Neutronen entspricht einer Maxwellverteilung: N (E) = N0 µ ¶ E E exp − (kB T )2 kB T (4.35) Eine interferometrische Bestimmung der Kohärenzfunktion erfolgt durch Ermittlung der Intensität der am Ausgang des Interferometers superponierten Teilstrahlen als Funktion deren relativer Phasendifferenz. Die Wahrscheinlichkeit, für eine bestimmte Phasendifferenz innerhalb eines festgelegten Zeitintervalls N Zählereignisse festzustellen, folgt einer Poisson Verteilung P (N ) = hN iN −hN i e , N! mit dem zeitlichen Mittelwert (Erwartungswert) hN i, einer Standardabweichung von p einem relativen Fehler von 1/ hN i. (4.36) p hN i und Bei der in dieser Arbeit beschriebenen Bestimmung der Kohärenzfunktion eines kalten Neutronenstrahls einer Kleinwinkelstreuanlage erfolgt die Intensitätsmessung mithilfe einer ortsauflösenden Detektormatrix. Dabei wird Phasenschub zwischen den Teilstrahlen schrittweise geändert und jeweils über alle registrierten Neutronenzählereignisse des Detektors summiert. Ein variabler Phasenschub kann beispielsweise durch schrittweises Rotieren eines Phasenschiebers um i Positionen realisiert werden kann. Für die Anzahl der Zählereignisse pro Phasenschieberstellung gilt dann: 4.4. KOHÄRENZEIGENSCHAFTEN VON NEUTRONEN 59 Ni = hN i[1 + v cos(φi )] (4.37) Sind der zeitliche Mittelwert hN i und die Sichtbarkeit v bekannt, errechnet sich die Phasenunschärfe ∆φi der Interferenzen durch Auflösen von Gl. 4.37 nach φi und Einsetzen in µ 2 (∆φi ) = δφi δNi ¶2 µ 2 (∆Ni ) = δφi δNi ¶2 Ni (4.38) Ni . hN i2 (v 2 − 1) + 2hN iNi − Ni2 (4.39) zu [120] s ∆φi = Bei den in Kapitel 6 beschriebenen Experimenten liegen die Mittelwerte der Zählereignisse am Detektor in Abhängigkeit der Zentralwellenlänge, der Wellenlängenverteilung sowie der Kollimation des Neutronenstrahls in einer Größenordnung zwischen 10 s−1 . hN i . 1000 s−1 . Um p den mittleren Fehler 1/ hN i auf 1% zu reduzieren, müssen die Zählereignisse daher für jeden Messpunkt über Zeiträume von 10 bis 1000 Sekunden summiert werden. Die Phasenunschärfe der Messpunkte an den Wendestellen Ni = hN i von Gleichung 4.37 kann mit s ∆φi = 1 hN iv 2 (4.40) für 10000 Zählereignisse und einer Sichtbarkeit von v = 20% zu ∆φi ≈ 5% abgeschätzt werden. Eine Abschätzung der totalen Phasenunschärfe ∆φstat. einer Messreihe für beliebige Phasenschieberstellungen i erfolgt durch Summation über die einzelnen Phasenunschärfen und Minimierung des quadratischen Fehlers [120, 59] à ∆φstat. = X (∆φi )−2 i !−1/2 s ≈ 1 √ . ihN i(1 − 1 − v 2 ) (4.41) Für i = 50 Messpunkte zu je hN i = 10000 Zählereignissen und einer Sichtbarkeit von v = 20% berechnet sich die auf die Zählstatistik zurückzuführende Phasenunschärfe zu etwa ±1%. 5 Das LLL-Interferometer 5.1 Der Aufbau des Interferometers Der Aufbau des Interferometers für kalte Neutronen entspricht dem aus der Lichtoptik bekannten Mach-Zehnder-Interferometer. Während in der Lichtoptik zur Strahlmanipulation im Interferometer Spiegel bzw. teildurchlässige Spiegel (Strahlteiler) zum Einsatz kommen, finden in der Neutronenoptik häufig Gitter Verwendung.1 So kommen in der Interferometrie mit thermischen Neutronen (0.1 nm . λ . 0.6 nm) vorwiegend atomare Gitter zum Einsatz. Der typische Netzebenenabstand der (111)-Ebene eines Silizium Einkristalls beträgt d = 0.3135 nm und beschränkt den nutzbaren Wellenlängenbereich auf λ . 0.6 nm. In der Interferometrie mit ultrakalten Neutronen werden für Wellenlängen λ & 3 nm häufig lithographisch oder mechanisch hergestellte Gitter mit Gitterkonstanten ab etwa 1 µm verwendet. Das in dieser Arbeit beschriebene Interferometer für kalte Neutronen besteht aus drei hintereinander angeordneten holographisch erzeugten Brechungsindexgittern, an welchen Neutronen in Transmissionsgeometrie (Laue-Geometrie) gebeugt werden. Ein Interferometer dieses Typs wird als LLL-Interferometer bezeichnet. Einer der Hauptvorteile holographischer Techniken zur Herstellung von Beugungsgittern ist die Möglichkeit, die Gitterkonstanten über einen weiten Bereich (ab etwa 50 nm über einige Größenordnungen nach oben hin) frei zu wählen. Mit holographisch hergestellten Gittern stehen daher Strukturen zur Verfügung, die bezüglich des Netzebenenabstandes die Lücke zwischen natürlichen und mechanisch bzw. lithografisch hergestellten Gittern schließen. Somit eröffnet der Einsatz holographisch erzeugter Strukturen als neutronenoptische Komponenten vielversprechende Perspektiven, im Wellenlängenbereich kalter bzw. ultrakalter Neutronen (λ & 0.6 nm) Interferometrie zu betreiben. Durch geeignete Wahl der Belichtungsparameter beim Herstellungsprozess können zusätzlich die Beugungswirkungsgrade der Gitter einzeln festgelegt sowie die Amplituden höherer Fourierkomponenten den speziellen Anforderungen entsprechend angepasst werden (vgl. Kapitel 2.3). So ist es beispielsweise möglich, höhere 1 Der Bau eines Neutroneninterferometers aus Spiegeln analog zum Mach-Zehnder-Interferometer ist auch durch Ausnützung der Totalreflexion möglich. Derzeit finden erfolgreiche Tests eines Interferometers auf der Basis von Totalreflexion kalter Neutronen (λ0 = 1.26 nm) an Multilayerschichten statt [121, 122]. 60 5.2. DER STRAHLENGANG IM LLL-INTERFEROMETER 61 Beugungsordnungen zu unterdrücken und (annähernd) sinusförmige Gitter zu verwirklichen. Beim LLL-Interferometer sind die Strahlteiler durch die beiden Gitter G1 und G3, die Spiegel durch das Gitter G2 realisiert (Abb. 4.3 und 5.2). Die holographisch hergestellten Gitter befinden sich zur mechanischen Stabilisierung zwischen zwei Quarzglasplatten in Küvetten, welche starr auf einem Edelstahlchassis montiert sind (Abb. 5.1).2 Um thermische Einflüsse auf die Stabilität des Interferometers zu minimieren, sind sowohl die Küvetten als auch das Chassis aus einer Nickel-Eisen Legierung mit geringem thermischen Ausdehnungskoeffizienten gefertigt.3 Die Kenndaten des Interferometers sind in Tabelle 5.1 angeführt. Abb. 5.1: Photo des Interferometers im Labor nach Belichtung und Justage der Gitter. Die drei holographischen Gitter G1, G2 und G3 befinden sich in Küvetten, welche starr mit einem Chassis verschraubt sind. Der Abstand zwischen den Gittern beträgt jeweils 15 cm. Links und rechts von Gitter G3 sind zwei Analysatoren zur Rollwinkelmessung am Interferometerchassis angebracht. Das Interferometerchassis befindet sich zusätzlich auf einem Lineartranslationstisch, zur Korrektur von Führungsungenauigkeiten sind zwischen Translationstisch und Interferometer Piezostellelemente montiert. 5.2 Der Strahlengang im LLL-Interferometer Bei dem in dieser Arbeit besprochenen Interferometer handelt es sich nicht um ein ”ideales” Interferometer im Sinn von Kapitel 4. Bei einem ”idealen” Interferometer, mit einer maximalen Sichtbarkeit der Interferenzen von v = 100%, betragen die Beugungseffizienzen des ersten und dritten Gitters 50%, die des zweiten Gitters 100%. Die bei einer Wellenlänge von λ0 = 1, 5 nm 2 3 Breadboard Newport Super Invar 20 cm × 40 cm × 6 cm Linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient im Temperaturbereich 20 - 100◦ C: α = 1.3 · 10−6 K −1 , chemische Zusammensetzung in Gewichtsprozent: Ni 36.40, Fe 63.044, Mn 0.39, C 0.036, Si 0.13 5.2. DER STRAHLENGANG IM LLL-INTERFEROMETER Gesamtlänge Gitterkonstante Masse Dimensionen Von Strahlen eingeschlossene Fläche Strahlseparation am 3. Gitter Beugungseffizienz der einzelnen Gitter∗ Maximale Sichtbarkeit der Interferenzstreifen Auflösung Transmission∗∗ L Λ m l×b×h A0 ≈ L2 λ/4Λ x0 ≈ Lλ/2Λ η v ∆E T 62 300 mm 380.34 ± 0.1 nm 15 kg 40 × 20 × 15 cm3 1.2 cm2 0.8 mm η1 = 58%, η2 = 48%, η3 = 5% 21% ≈ 10−6 eV 41% Tab. 5.1: Kenngrößen des LLL-Interferometers für kalte Neutronen, aufgenommen bei einer Neutronenzentralwellenlänge von λ0 = 2 nm und ∆λ/λ0 = 10% (∗ λ0 = 1.5 nm, ∗∗ λ0 = 1 nm). experimentell bestimmten Beugungswirkungsgrade der einzelnen Gitter des hier vorgestellten LLL-Interferometers betragen η1 = 58%, η2 = 48% und η3 = 5% (vgl. Abb. 6.4). Dies hat zur Folge, dass das Interferometer von acht Teilstrahlen verlassen wird. Die Teilstrahlen sind im Folgenden mit ttt, trr, rrt, ttr, rtr, trt, rrr, rtt bezeichnet (Abb. 5.2).4 Die Summe aller, das Interferometer in Richtung des einfallenden Teilchenstrahls (Vorwärtsrichtung) verlassenden Teilstrahlen ttt, trr, rrt und rtr wird als R-Strahl, die Summe der das Interferometer in Richtung des am ersten Gitter abgebeugten Strahls verlassenden Teilstrahlen ttr, trt, rrr und rtt als S-Strahl bezeichnet. Aufgrund der geringen räumlichen Separation der Teilstrahlen können die jeweils vier Strahlen des R- bzw. S-Strahls am Detektor nicht einzeln aufgelöst werden. So beträgt die die räumliche Separation der Randstrahlen ttt und rtr bzw. ttr und rtt von den Zentralstrahlen trr und rrt bzw. trt und rrr des R- bzw. S-Strahls am dritten Interferometergitter für eine Neutronenzentralwellenlänge von λ0 = 2 nm etwa 0.8 mm (Pixelgröße des Detektors 7.5 × 7.5 mm2 ). Die vier Teilstrahlen ttt, ttr, rtr und rtt tragen allerdings aufgrund der geometrischen Verhältnisse im Interferometer und der, verglichen mit der Strahlseparation, geringen spatialen Kohärenzlänge nicht zur Interferenz bei, sondern sind lediglich als konstante Beiträge zur Intensität in Betracht zu ziehen (für die verwendeten Kollimationen und Wellenlängen liegt die spatiale Kohärenzlänge in einer Größenordnung von 1 µm). Die interferenzfähigen Teilstrahlen trr und rrt bzw. trt und rrr werden als 0- bzw. H-Strahlen bezeichnet. 4 t := transmittierter Strahl, r := reflektierter Stahl 5.2. DER STRAHLENGANG IM LLL-INTERFEROMETER 63 Ψttt G2 G1 G3 Ψ0=Ψtrr+Ψrrt φ Ψtr Ψttr 2ΘB Ψrtr Ψrr einfallender Neutronenstrahl Ψ SaphirPlatte ΨH=Ψtrt+Ψ rrr L = 300 mm Ψrtt Abb. 5.2: Schematische Darstellung des Strahlengangs im Interferometer. Der einfallende Neutronenstrahl mit der Wellenfunktion Ψ wird an jedem der drei Interferometergitter transmittiert und reflektiert. Durch sukzessive Rotation eines Phasenschiebers im Interferometer werden die Phasen Φ der Wellenfunktionen der am ersten Gitter reflektierten und transmittierten Teilstrahlen geändert und somit am Ausgang des Interferometers Intensitätsoszillationen der superponierten Teilstrahlen mit den Wellenfunktionen Ψ0 und ΨH erzeugt. 5.2.1 Abschätzung der Sichtbarkeit Der Kontrast der durch die kohärente Superposition der Teilstrahlen im Interferometer resultierenden Interferenzen wurde in Kapitel 4 (Gl. 4.13) durch die Definition der Sichtbarkeit v quantifiziert. v= Imax − Imin Imax + Imin Im Folgenden soll die Sichtbarkeit der Interferenzen für eine ebene Welle als Funktion der einzelnen Beugungswirkungsgrade η1 , η2 , η3 der drei Interferometergitter berechnet werden. Die Gesamtintensitäten des R- und S-Strahls betragen IR (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) = Ittt (η1 , η2 , η3 ) + Irtr (η1 , η2 , η3 ) + I0 (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) 5.2. DER STRAHLENGANG IM LLL-INTERFEROMETER 64 IS (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) = Ittr (η1 , η2 , η3 ) + Irtt (η1 , η2 , η3 ) + IH (η1 , η2 , η3 , ∆Φ). (5.1) Die Intensitäten I0 und IH der am Ausgang des Interferometers superponierten Teilstrahlen trr und rrt bzw. trt und rrr hängen sowohl von den Beugungseffizienzen η1 , η2 , η3 als auch von der relativen Phase ∆Φ der Wellenfunktionen Ψtrr und Ψrrt bzw. Ψtrt und Ψrrr ab. Eine Änderung der relativen Phase kann durch Wechselwirkung der Teilstrahlen im Interferometer mit einem Potential oder durch Translation des dritten Interferometergitters parallel zum Gittervektor H realisiert werden. Für einen ins Interferometer eintretenden Strahl der Intensität I berechnen sich die Intensitäten I0 und IH in Abhängigkeit der Beugungswirkungsgrade η1 , η2 , η3 und des Phasenschubes ∆Φ zu I0 (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) = h(Ψtrr + Ψrrt )(Ψtrr + Ψrrt )∗ i = Itrr + Irrt + 2<hΨtrr Ψ∗rrt i p = Itrr + Irrt + 2 Itrr Irrt cos ∆Φ = I[(1 − η1 )η2 η3 + η1 η2 (1 − η3 ) + 2η2 p (1 − η1 )η1 (1 − η3 )η3 cos ∆Φ] IH (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) = h(Ψtrt + Ψrrr )(Ψtrt + Ψrrr )∗ i = Itrt + Irrr + 2<hΨtrt Ψ∗rrr i p = Itrt + Irrr − 2 Itrt Irrr cos ∆Φ = I[(1 − η1 )η2 (1 − η3 ) + η1 η2 η3 − 2η2 p (η1 − 1)η1 (η3 − 1)η3 cos ∆Φ]. (5.2) Die Summe aller das Interferometer verlassenden Teilstrahlen ist infolge der Teilchenzahlerhaltung konstant. IR (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) + IS (η1 , η2 , η3 , ∆Φ) = konst. (5.3) Für die Fälle konstruktiver (∆Φ = 0) bzw. destruktiver (∆Φ = π) Interferenz erhalten wir für die maximale bzw. minimale Intensität des R- bzw. S-Strahls somit IRmax,min (η1 , η2 , η3 ) = Ittt + Irtr + Itrr + Irrt ± 2Iη2 p (1 − η1 )η1 (1 − η3 )η3 5.2. DER STRAHLENGANG IM LLL-INTERFEROMETER 65 ISmax,min (η1 , η2 , η3 ) = Ittr + Irtt + Itrt + Irrr ± 2Iη2 p (η1 − 1)η1 (η3 − 1)η3 . (5.4) Die Sichtbarkeit der Interferenzen des R- bzw. S-Strahls berechnet sich zu p 2η2 (1 − η1 )η1 (1 − η3 )η3 vR (η1 , η2 , η3 ) = (1 − η1 )(1 − η2 )(1 − η3 ) + η1 (1 − η2 )η3 + (1 − η1 )η2 η3 + η1 η2 (1 − η3 ) p 2η2 (1 − η1 )η1 (1 − η3 )η3 vS (η1 , η2 , η3 ) = . (1 − η1 )(1 − η2 )η3 + η1 (1 − η2 )(1 − η3 ) + (1 − η1 )η2 (1 − η3 ) + η1 η2 η3 (5.5) Abbildung 5.3 zeigt die mithilfe von Gl. 5.4 berechneten normierten minimalen und maximalen Intensitäten des R- und S-Strahls als Funktion der Beugungswirkungsgrade für ein Interferometer mit identischen Beugungseffizienzen der Gitter G1 und G2 und einem davon unabhängigen Beugungswirkungsgrad des Gitters G2. η1 =η3 1 0.8 0.6 0.4 1 0.2 0 0.8 0.6 Imin,Imax 0.4 0.2 0 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 η2 Abb. 5.3: Minimale und maximale normierte Intensitäten Imin und Imax des R-Strahls (schwarze Gitternetzlinien) und S-Strahls (blaue Gitternetzlinien) als Funktion der Beugungswirkungsgrade, berechnet für ein Interferometer mit zwei identischen Gittern G1 und G3 mit den Beugungseffizienzen η1 = η3 und einem Gitter G2 mit einer davon unabhängigen Beugungseffizienz η2 . Die Differenzen der Intensitäten ∆IR,S = IRmax −IRmin = ISmax −ISmin des R- bzw. des S-Strahls nehmen zwischen den beiden Grenzfällen einer Gitterkonfiguration mit η1 = η3 = 50% und η2 = 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 66 100% und einer Gitterkonfiguration, bei der mindestens eines der Gitter eine Beugungseffizienz von η = 0 aufweist, kontinuierlich alle Werte zwischen 1 und 0 an. Abbildung 5.4 zeigt für ein Interferometer mit voneinander unabhängigen Beugungseffizienzen der Gitter G1, G2 und G3 Flächen mit konstanter Differenz ∆IR,S zwischen der maximalen und minimalen Intensität (vgl. Gl. 5.5). Aufgetragen sind der für das hier besprochene Interferometer relevante Fall mit einer experimentell ermittelten Differenz der Intensitäten des R-Strahls von ∆IR = 20% (äußere Halbschale) sowie exemplarisch die Fälle mit ∆IR,S = 50% (mittlere Halbschale) und ∆IR,S = 95% (innere Halbschale). In Abbildung 5.5 sind für ein Interferometer mit voneinander unabhängigen Beugungseffizienzen der Gitter G1, G2 und G3 Flächen konstanter Sichtbarkeit vR (Gl. 4.13 bzw. Gl. 5.5) des R-Strahls dargestellt. Auch hier stellt die äußerste Halbschale den für das in dieser Arbeit besprochene Interferometer relevanten Fall mit einer Sichtbarkeit von 21% dar. Zusätzlich sind die Flächen konstanter Sichtbarkeit für die Fälle vR = 50% und vR = 95% eingezeichnet. Jede Fläche konstanter Differenz ∆IR,S = konst. (Abb. 5.4) bzw. konstanter Sichtbarkeit vR = konst. (Abb. 5.5) entspricht den jeweils möglichen Konfigurationen der Beugungswirkungsgrade η1 , η2 und η3 der Interferometergitter. Mit zunehmender Differenz ∆IR,S oder Sichtbarkeit vR,S reduziert sich der Konfigurationsraum kontinuierlich, im Grenzfall lim ∆IR,S → 1 ist lediglich eine Konfiguration mit η1 = 50%, η2 = 100% und η3 = 50% möglich. Die in den beiden Grafiken auf der Unterseite der äußeren Halbschalen eingezeichneten Punkte markieren die für eine Zentralwellenlänge von λ0 = 2 nm mit η1 = 80%, η2 = 68% und η3 = 7% ermittelten Beugungswirkungsgrade des Interferometers. Dabei wurde der Beugungswirkungsgrad des zweiten Gitters für diese Wellenlänge experimentell bestimmt, die Werte der Beugungswirkungsgrade des ersten und dritten Gitters wurden mithilfe der bei einer Zentralwellenlänge von λ0 = 1.5 nm gemessenen Beugungswirkungsgrade η1 und η2 extrapoliert. Die Abschätzung der Sichtbarkeit der Interferenzen als Funktion der Beugungswirkungsgrade ist insbesondere deshalb von Interesse, weil durch Vergleich mit den experimentell bestimmten Sichtbarkeiten auf die Qualität der Gitterjustage geschlossen werden kann. Ein Vergleich der experimentell ermittelten Daten mit den theoretischen Vorhersagen, sowie eine Diskussion der Ergebnisse findet in Kapitel 6 statt. 5.3 Justage des Interferometers Der Bau eines Interferometers für kalte Neutronen aus holographisch hergestellten Gittern stellt aufgrund der geringen Kohärenzlänge der Neutronenstrahlen enorm hohe Anforderungen an die 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 67 1 0.8 η3 0.6 0.4 0.2 0 1 0 0.8 0.2 0.6 0.4 0.4 η2 0.6 0.2 0.8 η1 1 0 Abb. 5.4: Flächen konstanter Differenz zwischen der maximalen und minimalen Intensität ∆IR,S = IRmax − IRmin = ISmax − ISmin , als Funktion der Beugungswirkungsgrade η1 , η2 , η3 der drei Interferometergitter. Die äußerste Halbschale stellt eine Fläche konstanter Differenz ∆IR = 20% für die bei einer Wellenlänge von λ = 2 nm experimentell bestimmten maximalen und minimalen Intensitäten des R-Strahls dar. Der an der Unterseite der Grafik angedeutete Punkt markiert die für eine Zentralwellenlänge von 2 nm ermittelten Beugungswirkungsgrade der Interferometergitter mit η1 = 80%, η2 = 68% und η3 = 7%. Die zwei inneren Halbschalen sind Flächen konstanter Sichtbarkeit für v = 50% und v = 95%. Gitterjustage. Kleinste Ungenauigkeiten bezüglich der Ausrichtung der Gitter zueinander führen unweigerlich zu Kontrastverlusten der Interferenz [63, 123, 21]. Während die Gitterperiode und die Brechungsindexmodulation der Gitter durch die Einschreibegeometrie bzw. die Belichtungsparameter festgelegt werden und kontrastmindernde Faktoren wie beispielsweise Abweichungen 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 68 1 0.8 0.6 η3 0.4 0.2 0 1 0 0.8 0.2 0.6 0.4 0.4 η2 0.6 0.2 0.8 η1 1 0 Abb. 5.5: Flächen konstanter Sichtbarkeit v der Interferenzen des R-Strahls als Funktion der Beugungswirkungsgrade η1 , η2 , η3 der drei Interferometergitter. Die äußerste Halbschale stellt eine Fläche konstante Sichtbarkeit für die bei einer Wellenlänge von λ = 2 nm experimentell bestimmte Sichtbarkeit von v = 21% der Interferenzen des R-Strahls dar. Der an der Unterseite der Grafik angedeutete Punkt markiert die für eine Zentralwellenlänge von 2 nm ermittelten Beugungswirkungsgrade der Interferometergitter mit η1 = 80%, η2 = 68% und η3 = 7%. Die zwei inneren Halbschalen sind Flächen konstanter Sichtbarkeit für v = 50% und v = 95%. in der Äquidistanz der Gitter, gekrümmte oder nichtparallele Gitteroberflächen, Oberflächenrauheit, etc. bei dem hier vorgestellten Interferometertyp durch entsprechend kleine Fertigungstoleranzen bei der Konstruktion der Küvetten und des Interferometerchassis minimiert werden können, erfolgt die Justage bezüglich der Ausrichtung der Gitter des Interferometers direkt während der Belichtung der einzelnen d-PMMA-Proben. Dazu müssen unmittelbar vor der 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 69 Belichtung kontrastmindernde Faktoren wie Roll-, Nick- und Gierwinkelfehler (vgl. Abb. 5.8) den Anforderungen entsprechend minimiert werden. Die dem Interferometer zugrundeliegende Justagetechnik wird in den folgenden Abschnitten erläutert. Die Justage der Gitter erfolgt direkt während der Belichtung der d-PMMA Proben. Die Proben, welche sich zwischen Suprasilplatten in Edelstahlküvetten befinden, sind starr auf einem Chassis montiert, welches sich wiederum auf einem Linearverstelltisch befindet.5 Zur Belichtung werden die Proben nacheinander mithilfe des Linearverstelltisches in den Interferenzbereich einer holographischen Zweistrahlinterferenzanordnung gefahren. Die Genauigkeit der Gitterjustage hängt bei diesem Interferometertyp neben der Stabilität des holographischen Aufbaus alleine von der Präzision der Translationsbewegung ab. Um zu gewährleisten, dass alle drei Gitter in der erforderlichen Genauigkeit zueinander ausgerichtet sind, werden jeweils unmittelbar vor der Belichtung Abweichungen von der idealen Translationsbewegung des Linearverstelltisches bestimmt und mithilfe von Piezostellelementen kompensiert. Die Belichtung erfolgt für jedes Gitter über einen Zeitraum von 5 Sekunden bei einer Wellenlänge von 351 nm und einer Intensität von etwa 5300 W/m2 . Abweichungen von der exakten, geradlinigen Bewegung in Form von Roll-, Nick- und Gierbewegungen sind bei mechanischen Linearführungen unvermeidbar und treten in Form eines Führungsspieles als Folge von Fertigungstoleranzen auf. Zur Messung der Translationsfehler des Linearverstelltisches sind am Interferometerchassis zwei Polarisatoren zur Kontrolle des Rollwinkelfehlers sowie ein Spiegel zur Bestimmung des Nick- und Gierwinkels, angebracht. Zur Kompensation der Führungsungenauigkeiten sind zwischen dem Schlitten des Linearverstelltisches und dem Interferometerchassis drei Piezotranslationselemente montiert. Der gesamte holographische Zweistrahlinterferenzaufbau, das Messsystem für die Bestimmung der Roll-, Nick- und Gierwinkel, der Lineartranslationstisch, das Piezokompensationssystem sowie das Interferometerchassis mit den photosensitiven Proben befindet sich auf einem schwingungsgedämpften optischen Tisch (Abb. 5.6). 5.3.1 Messung des Nick- und Gierwinkels Als Nick- und Gierwinkel werden die Winkelfehler in einer Ebene senkrecht zur Bewegungsrichtung in vertikaler bzw. horizontaler Richtung bezeichnet (Abb. 5.8). 5 Newport Translation Stage TS300DC.5 (Spezifikationen: maximaler Verfahrweg 300 mm, Stellgenauigkeit in Bewegungsrichtung ±10 µm, Wiederholbarkeit ±0.5 µm, Nicken ±44 µrad, Gieren ±15 µrad, Rollen nicht spezifiziert.) 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 70 Argon-Ionen Laser Polarisator PEM l/4-Platte He-Ne Laser Translationstisch PEMController Fotodiode Fotodiode Autokollimator Analysator Lock-In Verstärker PiezoController Abb. 5.6: Überblicksskizze des holographischen Schreibaufbaus zur Belichtung und Justage der Interferometergitter. Der gesamte holographische Schreibaufbau das System zur Nick- Gier- und Rollwinkelmessung sowie das System zur Korrektur dieser Winkel mittels Piezostellelementen befindet sich auf einem schwingungsgedämpften optischen Tisch. Die Messung erfolgt auf berührungslose Weise mittels Autokollimationstechnik. Darunter wird ein optisches Verfahren verstanden, das es ermöglicht, kleine Richtungs- oder Neigungsfehler festzustellen. Die Genauigkeit dieser Messmethode ist unabhängig von der Entfernung zwischen dem Spiegel und dem Autokollimator und beträgt gegenwärtig ±0.01 Bogensekunden bei einer Auflösung von ±0.005 Bogensekunden. In der Brennebene des Autokollimatorobjektives befindet sich eine Okularstrichplatte (Fernrohrstrichplatte) und eine Kollimatorstrichplatte (Abb. 5.9). Mithilfe eines im Allgemeinen auf unendlich eingestellten Autokollimationsfernrohrs (Autokollimator) und einem Spiegel, welcher an dem zu messenden Objekt angebracht ist, wird eine Strichmarke auf sich selbst abgebildet. Der Autokollimator projiziert dabei das Bild der Strichmarke in kollimiertem (parallelen) Licht auf den Spiegel, der das Lichtbündel wieder auf die Kollimatorstrichplatte des Autokollimators reflektiert. Auf diese Weise entsteht das Autokollimationsbild. Ist die Spiegelebene exakt senkrecht zur optischen Achse justiert, wird das Strahlenbündel in sich selbst abgebildet. Wird der Spiegel um einen Winkel α gekippt, fallen die reflektierten Strahlen schräg in das Objektiv ein, sodass das Autokollimationsbild nicht mehr 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 71 Abb. 5.7: Photo des Interferometers mit holographischem Schreibaufbau, dem Justagesystem zur Nick- und Gierwinkelmessung mittels Autokollimation sowie dem polarisationsoptischen System zur Rollwinkelmessung. am Ort der Okularstrichmarke abgebildet wird. Der Versatz des Autokollimationsbildes in der Okularbildebene ist ein Maß für die Änderung der Winkellage des Spiegels. Zur Bestimmung des Nick- und Gierwinkels des Linearverstelltisches bei der Belichtung der Interferometergitter bzw. deren Justage wird der Spiegel direkt am Interferometerchassis angebracht (Oberflächennormale des Spiegels parallel zur Bewegungsrichtung des Linearverstelltisches). Abweichungen von der idealen Translation in Form von Nick- bzw. Kippwinkeln können auf diese Weise über praktisch beliebig große Distanzen berührungslos in ausreichender Genauigkeit gemessen werden. Die mithilfe dieses Verfahrens erzielte Justagegenauig- keit des Interferometers beträgt für die Relativstellung der Gitter bezüglich des Nickwinkels ∆αN ick ∼ = 0.2 Bogensekunden, bezüglich des Gierwinkels ∆αGier ∼ = 0.25 Bogensekunden und liegt somit in der Nähe der Messgenauigkeit des in dieser Arbeit verwendeten Autokollimationssystems.6 5.3.2 Messung des Rollwinkels Bei dem von Schellhorn et al. [20] vorgestellten Interferometer war es möglich, den Rollwinkel über die Gesamtlänge des Interferometers von 6 cm mithilfe der Autokollimationstechnik zu bestimmen. Die Genauigkeit der Messung über diese Distanz wurde mit αRoll ≈ 0.2 Bogensekun6 elektronischer Autokollimator der Firma Trioptics GmbH, Typ TriAngle TA100-115, Brennweite 1000 mm, Tubusdurchmesser 150 mm, Genauigkeit 0.2 Bogensekunden, Auflösung 0.01 Bogensekunden 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 72 Abb. 5.8: Definition des Roll-, Nick- (engl. Pitch) und Gierwinkels (engl. Yaw) eines Translationstisches. [124] Abb. 5.9: Prinzipskizze eines Autokollimators [125] den angegeben [21]. Dazu wurde ein Spiegel mit der Oberfläche parallel zur Translationsrichtung des Linearverstelltisches am Interferometerchassis befestigt und der Rollwinkel mittels Autokollimation bestimmt. Da die Genauigkeit dieses Verfahrens von der Planität des Spiegels entlang des Verfahrweges abhängt, sind der hochpräzisen Bestimmung von Rollwinkeln über größere Distanzen daher natürliche Grenzen gesetzt. Während Nick- und Kippwinkel relativ einfach mithilfe der Autokollimationstechnik direkt bestimmt werden können, ist eine Messung des Rollwinkels auf der Basis der Autokollimation über größere Strecken nicht in ausreichender Genauigkeit möglich. Für die Justage des hier vorgestellten Interferometers mit einer Gesamtlänge von 30 cm wurde zu Messung des Rollwinkels ein neuartiges polarisationsoptisches Verfahren entwickelt. Das Verfahren gestattet es, den Rollwinkel berührungslos über beliebig große Distanzen zu bestimmen und Abweichungen von der geradlinigen Bewegung durch Piezo-Stellelemente zu kompensieren. Zusammen mit dem im vorhergehenden Abschnitt besprochenen Verfahren zur Nick- und Gierwinkelmessung können auf diese Weise annähernd ”ideale Führungen” realisiert werden. Die Rollwinkelmessung des Linearverstelltisches erfolgt durch zeitliche Modulation des Polarisationszustandes eines in Bewegungsrichtung orientierten Lichtstrahls (Abb. 5.10). Als Lichtquelle wird ein He-Ne Laser 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 73 mit einer Leistung von 5 mW und einer Wellenlänge von λ = 543.5 nm verwendet. Nacheinander befinden sich ein Polarisator, ein photoelastischer Modulator7 (PEM), eine λ/4 Verzögerungsplatte und ein weiterer Polarisator (Analysator) im Strahlengang. Der Analysator ist dabei fix mit dem auf dem Linearverstelltisch montierten Interferometerchassis verbunden. Die durch den PEM zeitlich modulierte Intensität wird als Funktion der Analysatorstellung mithilfe eines geeigneten Detektors sowie Lock-In-Technik ausgewertet [126, 127]. Polarisator 0 deg Photoelastischer Modulator 45deg l/4 Verzögerungs platte 0 deg Analysator 90 deg ±aRo ll Detektor Lock - In Verstärker Rollwinkel Abb. 5.10: Skizze des optischen Aufbaus zur Messung des Rollwinkels. Die Pfeile symbolisieren die linearen bzw. die elliptisch-zirkularen Polarisationszustände. Polarisator und Analysator sind um 90 deg zueinander gedreht.8 Die Hauptachsen des photoelastischen Modulators sind um 45 deg, die Hauptachsen der λ/4 Verzögerungsplatte um 90 deg zur Polarisatorstellung gedreht. In Abhängigkeit der Phasenverschiebung Φ = A0 sin(ωt), welche die beiden Feldkomponenten Ex und Ey des linear polarisierten Lichtstrahls durch den photoelastischen Modulator erhalten, werden die Polarisationszustände rechtszirkular-elliptisch-linearlinkszirkular-elliptisch mit einer Frequenz ω/2π = 50 kHz durchlaufen. Die λ/4 Verzögerungsplatte transformiert diese Polarisationszustände wieder in lineare Polarisationszustände zurück, deren Polarisationsrichtung sich mit der Frequenz ω/2π in Abhängigkeit von der am Modulator eingestellten Amplitude A0 um den Winkel ±Φ/2 um die Eingangspolarisationsrichtung dreht. Der Detektor registriert also nach dem Analysator ein in der Amplitude zeitlich moduliertes 7 8 Hinds InstrumentsTM PEM-90 Glan-Thompson Polarisatoren mit einem Löschungsverhältnis von 1/50000 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 74 Signal, welches äußerst empfindlich von der Stellung des Analysators relativ zum Polarisator abhängt. Dieses zeitlich modulierte Signal wird mithilfe eines Lock-In Verstärkers ausgewertet (Abb. 5.11). Auf diese Weise ist es derzeit möglich, die Fehlstellung des Analysators und somit den Rollwinkel des Linearverstellers mit einer Auflösung von ±0.2 Bogensekunden zu erfassen. 0.00 Lock-In Channel 1 Lock-In Channel 2 Lock-In Signal [arb. u.] -0.05 -0.10 -0.15 -0.20 -0.25 -0.30 -0.35 Position Linearverstelltisch [mm] 0.010 100 50 0.005 0 0.000 -50 -0.005 -100 -0.010 -150 -0.015 0 200 400 600 800 Position Analysator [deg] 0.015 150 1000 Zeit [arb. u.] Abb. 5.11: Messung des Rollwinkels (rote, schwarze Linie) als Funktion des Verfahrweges des Translationstisches (blaue Linie). Die obere Grafik zeigt die beiden detektierten Lock-In-Signale in Abhängigkeit der Relativstellung des Analysators zum Polarisator infolge des Rollwinkelfehlers des Translationstisches. Die zeitliche Drift der Amplitude des Lock-In Signals ist auf thermische Einflüsse zurückzuführen und kann durch aktive Stabilisierung des Messaufbaus bezüglich Temperaturänderungen minimiert werden. Um das Lock-In-Signal auf absolute Winkel zu eichen, wurde der Analysator zusätzlich auf einen Rotationstisch mit einer Winkelgenauigkeit von 0.001 deg montiert (grüne gestrichelte Linie). Um die Auflösung des Verfahrens zu steigern, wird ein Teil des zeitlich modulierten Signals zusätzlich hinter der λ/4−Platte mithilfe eines Strahlteilers ausgekoppelt und in entgegengesetzter Richtung auf einen zweiten am Interferometerchassis befestigten Analysator gelenkt. Dieses Signal wird mit einer weiteren Photodiode detektiert (Abb. 5.6). Durch Vergleich der beiden De- 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 75 tektorsignale ist es auf diese Weise möglich, störende Einflüsse von Streulicht, Inhomogenitäten des Analysators, thermische Drift, etc. zu unterdrücken. Die beim Einschreiben der Interferometergitter erzielte Genauigkeit bezüglich des Rollwinkels beträgt αRoll . ±1 Bogensekunden. Die Auflösung des Verfahrens kann durch Verwendung von Polarisatoren mit besserem Löschungsverhältnis, thermische Stabilisierung des Systems (insbesondere des photoelastischen Modulators), längere Integrationszeiten sowie der Verwendung amplitudenstabilisierter Laser gesteigert werden. Die Möglichkeit, Abweichungen von der exakten, geradlinigen Bewegung von Linearführungen auf praktisch beliebig große Distanzen zu messen, macht dieses Verfahren auch für eine kommerzielle Nutzung interessant. Die Messung des Rollwinkels über größere Distanzen ist bei dem hier vorgestellten Verfahren weder mit einem messtechnischen Mehraufwand noch mit einer Abnahme an Messgenauigkeit verbunden. Die hohe Messgenauigkeit des Verfahrens beruht einerseits auf dem Löschungsverhältnis der verwendeten Polarisatoren in der Größenordnung von 1/50000, andererseits auf der optischen und elektronischen Güte des photoelastischen Modulators. Der hier verwendete photoelastische Modulator reduziert das maximale Löschungsverhältnis um etwa zwei Größenordnungen (Abb. 5.12). Die Abnahme des Löschungsverhältnisses bei eingeschaltetem Modulator ist auf eine Vorspannung im Frequenzgenerator des Modulators zurückzuführen, welche eine elliptisch-zirkulare Polarisierung des Lichtstrahls zur Folge hat. 5.3.3 Berechnung der Lichtintensität bei der Messung des Rollwinkels Eine bequeme Methode, Polarisationszustände von elektromagnetischen Feldern zu beschreiben, bietet der Jones-Formalismus [128, 129, 130, 115]. Dabei werden den linearen Komponenten eines optischen Systems 2 × 2 Matrizen, sogenannte Jones-Matrizen, zugeordnet, welche auf den Feldvektor der einfallenden Welle wirken. Durch Multiplikation der entsprechenden JonesMatrizen mit dem Feldvektor können beliebige Kombinationen von optischen Komponenten und deren Wirkung auf den Polarisationszustand einer elektromagnetischen Welle auf einfache Weise berechnet werden. In Anhang B, Tab. B.2 sind die für die Anordnung zur Bestimmung des Rollwinkels relevanten Jones-Matrizen sowie die Drehmatrizen R und RT aufgelistet. Für die im vorherigen Kapitel beschriebene Anordnung linearer Polarisator Px - Photoelastischer Modulator PEM45 deg - λ/4 Phasenplatte Q0 deg und linearer Polarisator Pα berechnet sich das elektrische Feld Eout zu: 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 76 -5 1x10 Polarisator Hauptachsenlage PEM Analysator 45 deg -6 0 deg I [arb. u.] 10 -7 10 PEM aus, 45 deg Hauptachsenlage PEM ein, 45 deg Hauptachsenlage, Φ = 0 deg PEM ein, 0 deg Hauptachsenlage, Φ = 180 deg PEM ein, 0 deg Hauptachsenlage, Φ = 0 deg -8 10 -9 10 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 Winkel Analysator [deg] Abb. 5.12: Zunahme der Intensität als Funktion der Analysatorstellung bei eingeschaltetem Modulator in 0 deg und 45 deg Hauptachsenlage relativ zur Polarisatorstellung. Bei parallel zur Polarisationsrichtung liegender Hauptachsenlage des Modulators ist für die am Modulator eingestellten Modulationsamplituden, welche Phasenverschiebungen von Φ = 0 deg bzw. Φ = 180 deg entsprechen, keine Änderung der Intensität feststellbar. Die Abnahme des Löschungsverhältnisses bei 45 deg Hauptachsenlage des Modulators zur Polarisatorstellung ist auf eine Vorspannung im Frequenzgenerator des Modulators zurückzuführen. Eout (α, A0 , ω, t) = Pα · Q0 deg · RT · P EM (A0 , ω, t) · R · Px · Ein µ = ¶ µ ıπ cos2 α cos α · sin α e 4 · 2 cos α sin α sin α 0 0 ¶ π e−ı 4 1 ·√ 2 µ ¶ 1 −1 · 1 1 µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ 1 1 0 1 1 1 0 Exin ·√ · · 0 e−ı·Φ 0 0 Eyin 2 −1 1 µ 2 ¶ cos α · cos(A0 sin(ωt)) + cos α · sin α · sin(A0 sin(ωt)) = Ein cos α · sin α · cos(A0 sin(ωt)) + sin2 α · sin(A0 sin(ωt)) (5.6) 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 77 Abbildung 5.13 zeigt die nach Gl. 5.6 berechnete Intensität Iout = hEout E∗out i der durch das beschriebene optische System mit Φ = A0 sin(ωt) zeitlich modulierten elektromagnetischen Welle für unterschiedliche Analysatorstellungen bzw. Rollwinkel αRoll . Aufgrund der hohen Sensitivität des modulierten Signals bezüglich geringster Änderungen der Analysatorstellung αRoll eignet sich das Verfahren zur hochpräzisen Bestimmung von Rollwinkeln. Experimentell konnte bisher durch Analyse des zeitlich modulierten Signals mittels Lock-In Technik eine Winkelgenauigkeit von αRoll . ±1 Bogensekunden bei einer Auflösung von ±0.2 Bogensekunden erreicht werden. 5.3. JUSTAGE DES INTERFEROMETERS 78 0.0012 Analysatorstellung αRoll 90.00 deg 90.05 deg 90.25 deg 90.50 deg 91.00 deg 91.50 deg 0.0010 Iout / Iin 0.0008 0.0006 0.0004 0.0002 0.0000 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 ωt [rad/π] Abb. 5.13: Nach Gl. 5.6 berechnete normierte Intensität Iout /Iin für verschiedene Analysatorstellungen αRoll . Zur Berechnung der zeitlich modulierten Intensitäten Iout (α, A0 , ω, t) wurde für die Amplitude des photoelastischen Modulators ein Wert von A0 ∝ ±0.5 deg verwendet. Dieser Wert hat sich bezüglich des Signal-Rauschverhältnisses bei der experimentellen Bestimmung des Rollwinkels als günstig erwiesen. Für gekreuzte Polarisator- Analysatorstellung (90 deg) ist die Intensitätsmodulation sinusförmig. Die Periode der Intensitätsmodulation entspricht dabei der doppelten Periode des photoelastischen Modulators mit der Kreisfrequenz ω. Für zunehmende Abweichungen von der gekreuzten Stellung wird die Intensitätsmodulation anharmonisch, die Periode der Intensitätsmodulation halbiert sich dabei. Diese Änderung der Periode der Intensitätsmodulation relativ zur Periode des photoelastischen Modulators wird mithilfe von Lock-In-Technik ausgewertet. 6 Experimentelle Ergebnisse Das Interferometer wurde einen Monat nach der Belichtung und Justage der Gitter an der Kleinwinkelstreuanlage D22 des Institutes Laue Langevin ILL in Grenoble/Frankreich in Betrieb genommen. Im Rahmen der bewilligten Messzeit von drei Tagen erfolgte die Bestimmung der charakteristischen Parameter des Interferometers sowie die Untersuchung der Kohärenzeigenschaften des Neutronenstrahls der Kleinwinkelstreuanlage bei verschiedenen Neutronenwellenlängen und Kollimationen. In einer zwei Monate später durchgeführten Messreihe wurde das Interferometer an der Kleinwinkelstreuanlage SANS-2 des Neutronenforschungszentrums GeNF in Geesthacht/Deutschland eingesetzt. An diesem Instrument wurden weitere Experimente zur Kohärenzcharakteristik einer Kleinwinkelstreuanlage durchgeführt. Abbildung 6.1 zeigt das Interferometer am Probenort der Kleinwinkelstreuanlage des Neutronenforschungszentrums GeNF. 6.1 Prinzipieller Aufbau einer Neutronenkleinwinkelstreuanlage Die in einem Reaktor durch Kernspaltung oder Spallation erzeugten schnellen Neutronen mit Energien in der Größenordnung von 2 MeV werden in einem zweistufigen Prozess auf die für Kleinwinkelstreuanlagen mit kalten Neutronen typischen Energien zwischen 0.5 meV und 2 meV gebracht. Im ersten Moderationsschritt wird die Energie der schnellen Neutronen durch Wechselwirkung mit einem geeigneten Moderator bei Raumtemperatur auf Energien zwischen 2 meV und 100 meV reduziert (thermische Neutronen). Als Moderator werden dabei üblicherweise Wasser, schweres Wasser oder Graphit verwendet. Im zweiten Schritt wird die Energie der Neutronen in einer sogenannten kalten Quelle, d.h. durch Wechselwirkung mit flüssigem Deuterium bei einer Temperatur von 25 K auf Energien zwischen 0.5 meV und 2 meV reduziert. Diese kalten Neutronen werden durch Totalreflexion mithilfe von Neutronenleitern den jeweiligen Instrumenten zugeführt und mit Blendensystemen kollimiert. Zusätzlich befindet sich zwischen Neutronenleiter und Kollimationsstrecke ein Wellenlängenselektor, der es ermöglicht, die Zentralwellenlänge λ0 sowie die Wellenlängenverteilung ∆λ des Neutronenstrahls den experimentellen Erfordernissen entsprechend anzupassen. Die auf diese Weise im Orts- und Impulsraum präparierten 79 6.1. PRINZIPIELLER AUFBAU EINER NEUTRONENKLEINWINKELSTREUANLAGE80 Abb. 6.1: Photo des Interferometers am Probenort der Neutronenkleinwinkelstreuanlage SANS-2 des Neutronenforschungszentrums GeNF. Das Interferometer ist zwischen dem Ausgang der Kollimationsstrecke und dem Eingang des Detektorrohres auf einem Rotationstisch positioniert. Zum Schutz der Gitter vor äußeren Einflüssen wie Streulicht und Temperaturschwankungen ist an der Oberseite des Interferometerchassis eine Abdeckung aus Aluminium angebracht an welcher der Schrittmotor zur Rotation des Phasenschiebers montiert ist. Neutronen treffen nach dem Austritt aus der Kollimationsstrecke auf die Probe. Die Intensität des durch Wechselwirkung mit einer Probe gestörten Neutronenstrahls wird mithilfe eines ortsauflösenden Detektors bestimmt (Abb. 6.2). Unter Neutronenkleinwinkelstreuung wird eine zerstörungsfreie Untersuchungsmethode für Mikrostrukturen mit Abmessungen zwischen 1 nm und 1000 nm verstanden. Die Methode besteht darin, dass ein kollimierter Neutronenstrahl an Inhomogenitäten einer zu untersuchenden Probe gestreut wird. Solche Inhomogenitäten können etwa Fluktuation der Dichte, der Konzentration eines Isotops oder der Magnetisierung sein. Neutronenkleinwinkelstreuung findet breite Anwendung in den Materialwissenschaften, wie beispielsweise in der biologischen Strukturforschung (Viren, Proteine, Enzyme), der Metallurgie (Legierungen, magnetische oder supralei- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 81 Abb. 6.2: Schematischer Aufbau einer Neutronenkleinwinkelstreuanlage [131] tende Werkstoffe), der Polymerforschung bis hin zur Energie- und Umwelttechnik (Porosität und Oberflächenbeschaffenheit von Filtermaterialien und Katalysatoren). 6.2 Bestimmung der Kohärenzfunktion 6.2.1 SANS-Anlage des ILL Das Instrument D22 des ILL ist die gegenwärtig weltweit leistungsstärkste Neutronenkleinwinkelstreuanlage. 1.2 × 108 cm−2 s−1 Der maximale Neutronenfluss der Anlage am Probenort beträgt bei einer Zentralwellenlänge von 0.45 nm und einer Wellenlängenverteilung von ∆λ/λ0 = 10%. Der nutzbare Wellenlängenbereich liegt zwischen 0.45 nm < λ0 < 4 nm. Die Kollimationsstrecke kann zwischen 1.4 m und 19.1 m variiert werden, die größtmögliche Strahlöffnung am Neutronenleiterausgang beträgt 55 × 40 mm2 . Der Detektor, welcher hinter der Probe zwischen 1.35 m und 18 m verfahren werden kann, besitzt eine Fläche von 96 × 96 cm2 bei einer Pixelgröße von 7.5 × 7.5 mm2 . Zur Messung der Kohärenzfunktion wird das Interferometer zunächst in jene Winkelposition gefahren, bei der für alle drei Interferometergitter G1, G2 und G3 maximale Beugungsintensität auftritt. Dieser Winkel wird im Folgenden als gemeinsamer Braggwinkel bezeichnet. Die Ermittlung des gemeinsamen Braggwinkels erfolgt durch Bestimmung des Beugungswirkungsgrades des gesamten Interferometers in Abhängigkeit des Winkels zwischen den Gittervektoren und dem Neutronenstrahl. Dafür wird das gesamte Interferometer mittels eines Rotationstisches mit einer Genauigkeit von ±0.002 deg schrittweise relativ zum Neutronenstrahl gedreht und die Intensität des transmittierten und des abgebeugten Strahls detektiert (Abb. 6.3). 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 82 60 λ=1.0 λ=1.5 λ=2.0 λ=2.6 50 nm nm nm nm η [%] 40 30 20 10 0 -0.3 -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 ∆ΘB [deg] Abb. 6.3: Rockingkurven des gesamten Interferometers für verschiedene Zentralwellenlängen λ0 = 1.0 nm, λ0 = 1.5 nm, λ0 = 2.0 nm und λ0 = 2.6 nm. Die Plateaus der Rockingkurven des gesamten Interferometers sind etwa doppelt so breit wie die Rockingkurven der einzelnen Gitter (Abb. 6.4), während die Basisbreite der Rockingkurven annähernd gleich bleibt. Die Verbreiterung der Plateaus ist leicht einzusehen, wenn mithilfe von Gleichung 5.4 die minimalen und maximalen Intensitäten des R- und S-Strahls berechnet werden. Abbildung 6.5 zeigt für eine Zentralwellenlänge von λ0 = 1.5 nm einen qualitativen Vergleich der für eine Zentralwellenlänge von λ = 1.5 nm experimentell bestimmten Beugungseffizienzen ηexp der Beugungsordnungen ±1 des gesamten Interferometers mit den berechneten Beugungswirkungsgraden ηSmax , ηSmin und η̄S = Ittr + Irtt + Itrt + Irrr . Dabei wurden für die Beugungswirkungsgrade η1,2,3 der einzelnen Gitter die experimentell bestimmten Werte aus Abb. 6.4 verwendet. Die Abweichung der experimentell bestimmten Beugungswirkungsgrade von den berechneten ist darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Bestimmung des Gesamtbeugungswirkungsgrades des Interferometers der Prozess der Gitterentwicklung noch nicht abgeschlossen war [51]. Da die Beu- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 83 60 Gitter 1 ± 1. Ordnung Gitter 2 ± 1. Ordnung Gitter 3 ± 1. Ordnung 50 40 η [%] 30 20 10 5 4 3 2 1 0 -0.3 -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 Gitter 1 ± 2. Ordnung Gitter 2 ± 2. Ordnung 1.0 η [%] 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -0.3 -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 ∆ΘB [deg] Abb. 6.4: Rockingkurven der ersten Beugungsordnung der einzelnen Interferometergitter G1, G2 und G3 (oben) sowie der zweiten Beugungsordnung der Gitter G1 und G2 (unten), aufgenommen bei einer Neutronenzentralwellenlänge von λ0 = 1.5 nm. Die Einstellungen zur Kollimation sind in Tabelle 6.1 aufgelistet. gungswirkungsgrade η1,2,3 der einzelnen Interferometergitter erst etwa vierzehn Monate später bestimmt wurden, unterscheiden sich die zur Berechnung herangezogenen Werte geringfügig von den zum Zeitpunkt der interferometrischen Messung tatsächlich vorliegenden Beugungswirkungsgraden. Eine weitere Ursache für die Abweichungen ist auf unterschiedliche Einstellungen der Kollimationen zurückzuführen (vgl. Tab. 6.1). Eine Verbreiterung der Plateaus der Rockingkurven des gesamten Interferometers gegenüber den Rockingkurven der einzelnen Interferometergitter wäre ebenso durch Justagefehler der einzelnen Interferometergitter zu erklären. Solche Justagefehler könnten beispielsweise relative Fehlstellungen ∆αRoll , ∆αNick , ∆ αGier der Gitter, unterschiedliche Gitterperioden oder Abstände zwischen den Gitter sein. Diese Justageungenauigkeiten der Interferometergitter hätten allerdings gleichzeitig eine erhebliche Abnahme des Interferenzkontrastes zur Folge. So wäre beispielsweise mit einer Verbreiterung des Plateaus der Rockingkurve um 10% aufgrund von Gierwinkelfehlern 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 84 ηS ηS max ηS min ηexp 60 vmax1 20% 50 η [%] 40 30 20 10 0 -0.2 -0.1 0.0 ∆ΘB [deg] 0.1 0.2 Abb. 6.5: Vergleich der für eine Zentralwellenlänge von λ = 1.5 nm experimentell bestimmten Beugungseffizienzen ηexp der Beugungsordnungen ±1 des gesamten Interferometers mit den berechneten Beugungswirkungsgraden ηSmax , ηSmin und η̄S = Ittr + Irtt + Itrt + Irrr . Für ein Interferometer mit der in Abb. 6.4 gezeigten Abhängigkeit der Beugungswirkungsgrade vom Offbraggwinkel ∆ΘB ist eine maximale Sichtbarkeit der Interferenzen von etwa vmax ≈ 20% zu erwarten. eine Abnahme des Interferenzkontrastes in einer Größenordnung von 50% verbunden [21]. Eine solche Abnahme des Interferenzkontrastes wurde experimentell nicht beobachtet. Ebenso kann eine Verbreiterung des Plateaus der Rockingkurve um 10% als Folge unterschiedlicher Gitterperioden ausgeschlossen werden. Ein zusätzlicher Beitrag zur Verbreiterung der Rockingkurven ist allerdings infolge einer für ein Interferometer mit unterschiedlichen Beugungswirkungsgraden nichtverschwindenden resultierenden Phase der Teilstrahlen im Interferometer als Funktion des Offbraggwinkels zu erwarten [132]. Diese Phase führt zu zusätzlichen Interferenzbeiträgen, welche bei der Abschätzung der minimalen und maximalen Intensitäten in Abb. 6.5 nicht berücksichtigt wurden. Nach der Justage des Interferometers in den gemeinsamen Braggwinkel wird ein Phasenschieber 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 84 Abb. 6.6: Beugungswirkungsgrad η des zweiten Interferometergitters als Funktion der Neutronenzentralwellenlänge λ0 , bei einer Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 = 10%. Für die Kollimation wurden die selben Einstellungen gewählt wie im Experiment zu Abb. 6.4. 1.0 nm 1.1 nm 1.5 nm 1.6 nm 1.7 nm 1.8 nm 1.9 nm 2.0 nm 2.1 nm 2.3 nm 2.6 nm 78 72 66 η(λ) [%] 85 60 54 48 42 36 30 24 18 12 6 0 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 Iη(λ) [arb. u.] ∆ΘB [mrad] 1.4x10 -5 1.2x10 -5 1.0x10 -5 8.0x10 -6 6.0x10 -6 4.0x10 -6 Abb. 6.7: Integrierte Beugungseffizienz Iη des zweiten Interferometergitters als Funktion der Neutronenzentralwellenlänge λ0 , bei einer Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 = 10%. 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 2.8 λ [nm] zwischen dem ersten und zweiten Gitter eingebracht. Der Phasenschieber ist über eine Achse an einem am Interferometerchassis befestigten Rotationstisch montiert. Die Ausrichtung des Phasenschiebers parallel zu den Gitteroberflächen erfolgt durch Rückreflexion eines in die Kollimationsstrecke eingespiegelten, zum Neutronenstrahl parallel ausgerichteten Lichstrahls, an den Oberflächen der Interferometergitter und des Phasenschiebers. Die Drehachse des Phasenschiebers steht senkrecht und symmetrisch zu der von den Neutronenstrahlen aufgespannten Ebene. Durch sukzessive Rotation des Phasenschiebers im Interferometer werden nun für verschiedene Winkelstellungen in der Nähe des gemeinsamen Braggwinkels ΘB ± ∆ΘB Interferogramme aufgezeichnet und auf diese Weise nach einer Winkelstellung mit maximaler Sichtbarkeit vmax der Interferenzen gesucht. Die für die Messungen relevanten Einstellungen sind in Tabelle 6.1 aufgelistet. 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION Einstellungen zu Abb. 6.3: Zentralwellenlänge λ0 Blende am Ausgang des Neutronenleiters Blende am Eingang des Interferometers Abstand zwischen Neutronenleiterausgang und Interferometer Abstand zwischen Interferometer und Detektor Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 Einstellungen zu Abb. 6.4: Zentralwellenlänge λ0 Blende am Ausgang des Neutronenleiters Blende am Eingang des Interferometers Abstand zwischen Neutronenleiterausgang und Interferometer Abstand zwischen Interferometer und Detektor Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 86 1 nm, 1.5 nm, 2 nm Ø = 20 mm Ø = 2 mm 17.6 m 18 m 10% 2.6 nm 5 × 55 mm2 1 × 10 mm2 17.6 m 18 m 10% 1.5 nm 12 × 55 mm2 1 × 10 mm2 17.6 m 18 m 10% Tab. 6.1: Geräteeinstellungen für die in Abb. 6.3 und Abb. 6.4 gezeigten Rockingkurven Der Weglängenunterschied ∆x, den die beiden Strahlen Ψtr und Ψrr aufgrund der geometrischen Verhältnisse im Interferometer durch Rotation des Phasenschiebers erfahren, beträgt · ∆x = D0 ¸ 1 1 − , cos(ΘB − φ) cos(ΘB + φ) (6.1) mit D0 als Phasenschieberdicke, φ als Drehwinkel des Phasenschiebers und ΘB als Braggwinkel (vgl. Abb. 5.2). Durch Berücksichtigung des Neutronenbrechungsindexes n erhält man für den optischen Weglängenunterschied ∆xn = (1 − n)∆x, (6.2) ρ bc wobei 1 − n = λ20 2π ist (Gl. 3.28). Die Phasendifferenz ∆Φ zwischen den Wellenfunktionen Ψtrr und Ψrrt (0-Strahl) bzw. Ψtrt und Ψrrr (H-Strahl) beträgt: ∆Φ = ρbc λ0 ∆x (6.3) Die infolge der Rotation des Phasenschiebers verursachte Änderung der relativen Phase zwischen den Wellenfunktionen Ψtrr und Ψrrt bzw. Ψtrt und Ψrrr führt zu gegenläufigen konstruktiven und destruktiven Interferenzen im 0- und H-Strahl und somit zu korrelierten Intensitätsänderungen hinter dem dritten Interferometergitter. Bei einer Periode von 2π der Interferenzen beträgt die Phasendifferenz zwischen 0- und H-Strahl ∆Φ = π (vgl. Gl. 4.19). Die Gesamtintensität 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 87 Iges = I0 + IH (6.4) bleibt daher erhalten. Die Intensität des 0- und H-Strahls wird mithilfe eines ortsauflösenden Detektors als Funktion der Phasenschieberstellung gemessen. Zusätzlich zur Änderung des optischen Weglängenunterschieds erzeugt ein Phasenschieber in mindestens einem der beiden Interferometerpfade einen vom Drehwinkel abhängigen Strahlversatz. Die gemessene Kohärenzfunktion beinhaltet daher sowohl longitudinale als auch transversale Kohärenzeigenschaften des Neutronenstrahls. Der senkrecht zur Strahlausbreitungsrichtung und Rotationsachse von einer planparallelen Platte der Dicke D0 erzeugte Strahlversatz a(φ) berechnet sich als Funktion des Drehwinkels φ zu ¸ · 1 a(φ) = D0 tan (arcsin ( sin φ)) − tan φ cos φ. n (6.5) Der ins Interferometer einfallende Neutronenstrahl wird am ersten Gitter geteilt. Die beiden Teilstrahlen treffen unter den Braggwinkeln ±ΘB auf den Phasenschieber. Für die Differenz des durch den Phasenschieber verursachten Strahlversatzes als Funktion des Drehwinkels φ zwischen transmittiertem und abgebeugtem Strahl gilt aufgrund der geometrischen Verhältnisse: ∆a(φ) = a(φ + ΘB ) − a(φ − ΘB ) (6.6) Obwohl der Strahlversatz im gemessenen Winkelbereich des Phasenschiebers wesentlich größer als der optische Weglängenunterschied ist (Abb. 6.8), spielen die logitudinalen Kohärenzeigenschaften bei der hier verwendeten Technik zur Erzeugung eines Phasenschubes die dominierende Rolle. Ein Vergleich mit der nach Gl. 4.26 berechneten räumlichen Kohärenzfunktion (Abb. 4.8) lässt für die verwendete Kollimation des Neutronenstrahls einen äußerst geringen Einfluss des Strahlversatzes auf die Abnahme des Modulationskontrastes der Kohärenzfunktion erwarten. So weisen die longitudinalen gegenüber den transversalen Kohärenzeigenschaften für typische Kollimationen und Wellenlängenverteilungen etwa um zwei bis drei Größenordnungen kleinere longitudinale als transversale Kohärenzlängen auf (vgl. Gl. 4.30 und Gl. 4.22 bzw. Gl. 4.32 und Gl. 4.26 sowie Abb. 4.6 und Abb. 4.8). 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 88 140 ∆a ∆xn 120 100 ∆xn, ∆a [nm] 80 60 40 20 0 -20 -60 -40 -20 0 20 40 60 ∆φ [deg] Abb. 6.8: Vergleich des durch Rotation eines Saphirphasenschiebers der Dicke D0 = 4.56 mm erzeugten optischen Weglängenunterschieds ∆xn mit dem Strahlversatz ∆a im Interferometer. Die Berechnung wurde für einen Braggwinkel von ΘB = 0.15 deg und Neutronen der Wellenlänge λ0 = 2 nm (n ≈ 0.9996) durchgeführt. Trotzdem erfolgt die Abnahme des Modulationskontrastes der experimentell bestimmten Kohärenzfunktionen etwa doppelt so rasch, als die für gleiche Zentralwellenlängen und Wellenlängenverteilungen berechneten longitudinalen Kohärenzfunktionen. Dieser Unterschied deutet darauf hin, dass der Einfluss der spatialen Kohärenz, also der räumlichen Ausdehnung der Neutronenquelle, bei einer exakten Analyse der Kohärenzeigenschaften nicht vernachlässigt werden darf. Diesbezügliche Experimente zur Quantifizierung des Einflusses spatialer Kohärenzeigenschaften auf die gemessenen Kohärenzfunktionen wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgeführt. Zur Klärung des Einflusses der räumlichen Ausdehnung der Neutronenquelle auf die Kohärenzeigenschaften könnten Experimente bei unterschiedlicher Kollimation des Neutronenstrahls beitragen. Der am Instrument D22 in Grenoble verwendete Detektor besitzt 128 × 128 Pixel mit einer Pixelgröße von 7.5 mm×7.5 mm. Die funktionale Abhängigkeit zwischen Neutronenzählrate und Drehwinkel des Phasenschiebers ermöglicht eine direkte experimentelle Bestimmung des Realteils der Kohärenzfunktion Γ(∆x) (Gl. 4.7). Ergebnisse der interferometrischen Bestimmung der Kohärenzfunktion sind in Abb. 6.9, Abb. 6.10 und Abb. 6.11 zu sehen. 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 89 12000 δE = -1.051 π λ0 = 2.017 nm δR = 0.6 π 11000 10000 R-Strahl Counts [ ] 9000 8000 7000 S-Strahl 6000 lc= 10.9 ± 0.4 nm 0 -10 -5 0 5 10 ∆xn [nm] Abb. 6.9: Interferogramm, aufgenommen für eine Zentralwellenlänge von λ0 = 2.017 nm durch Rotation eines Saphir-Phasenschiebers über 90 deg (Schrittweite 1 deg) um eine Achse senkrecht zur Einfallsebene der Neutronen. Die durch Kreise und Quadrate gekennzeichneten Punkte entsprechen den Messwerten der Intensität als Funktion des optischen Weglängenunterschieds ∆xn zwischen den Strahlen Ψtr und Ψrr (vgl. Abb. 5.2), die durchgezogenen Linien repräsentieren den Realteil der Kohärenzfunktion und sind eine Anpassung gemäß Gl. 6.7. Die Einhüllende (gestrichelte Linie) entspricht dem Absolutwert der Kohärenzfunktion. Die Auswertung der interferometrischen Messung erfolgt durch Anpassung von Gl. 6.7 an die experimentellen Daten. IR,S (∆x) = JR,S ( · ¸2 ) (∆x − xE )ρbc λ20 ± AR,S exp − cos(ρbc λ0 (∆x − xE ) − δR,S ) lc π (6.7) Hier sind JR,S die Intensitäten der Teilstrahlen Ittt + Irtr und Ittr + Irtt , welche aufgrund der räumlichen Separation von den Teilstrahlen rrt, trr, trt und rrr nicht zur Interferenz beitragen und lediglich für konstante Untergrundzählraten verantwortlich sind. Der Exponential- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 90 11000 10000 9000 R-Strahl 8000 Counts [ ] 7000 S-Strahl 6000 5000 δR,S = 0.47 π 4000 xE = -2.9 ± 0.4 µm δE = -1.007 π λ0 = 2.017 nm 3000 2000 1000 Phasenschieber Saphir Schrittweite ∆φ = 2 deg 2 Blende Neutronenleiter 5x55 mm 2 Blende Interferometer 1x10 mm Sichtbarkeit R-beam = 18.6% Sichtbarkeit S-beam = 22.3% lc= 10.5 ± 0.5 nm mittlere Zählrate 144.5 Counts/sec 0 -0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 ∆x [mm] Abb. 6.10: Interferogramm, aufgenommen für eine Zentralwellenlänge von λ0 = 2.017 nm durch Rotation eines Saphir-Phasenschiebers über 90 deg (Schrittweite 2 deg) um eine Achse senkrecht zur Einfallsebene der Neutronen. Die durch Kreise und Quadrate gekennzeichneten Punkte entsprechen den Messwerten der Intensität als Funktion des geometrischen Weglängenunterschieds ∆x zwischen den Strahlen Ψtr und Ψrr (vgl. Abb. 5.2), die durchgezogenen Linien repräsentieren den Realteil der Kohärenzfunktion und sind eine Anpassung gemäß Gl. 6.7. Die Einhüllende (gestrichelte Linie) entspricht dem Absolutwert der Kohärenzfunktion. term bringt einen gaussförmigen Abfall der Kohärenzfunktion zum Ausdruck, wobei ∆x der durch Rotation des Phasenschiebers erzeugte geometrische Weglängenunterschied zwischen dem am ersten Interferometergitter resultierenden transmittierten und abgebeugten Teilstrahl ist. Die Näherung eines gaussförmigen Abfalls der Kohärenzfunktion wird durch das typische Wellenlängenspektrum einer Neutronenkleinwinkelstreuanlage (Abb. 4.5) nahegelegt, welches sich näherungsweise ebenfalls mithilfe einer Gaussfunktion beschreiben lässt. Mit xE werden geometrische Weglängenunterschiede im Interferometer als sogenannte ”innere” Phase des Interferometers berücksichtigt, welche auf Justageungenauigkeiten der Interferometergitter zurückzuführen sind. Des Weiteren ist mit ρbc die kohärente Streulängendichte des Phasenschiebers, mit λ0 die 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 91 4500 4000 3500 R-Strahl Counts [ ] 3000 2500 2000 1500 1000 500 S-Strahl λ0 = 2.615 nm Phasenschieber Saphir Schrittweite ∆φ = 1 deg 2 Blende Neutronenleiter 5x55 mm 2 Blende Interferometer 1x10 mm Sichtbarkeit R-Strahl= 14.8% Sichtbarkeit S-Strahl = 26.2% lc= 14.5 ± 1 nm mittlere Zählrate 33 Counts/sec 0 -0.03 -0.02 δR,S = 0.16 π xE = -8.4 ± 0.6 µm δE = -3.59 π -0.01 0.00 0.01 0.02 ∆x [mm] Abb. 6.11: Interferogramm, aufgenommen für eine Zentralwellenlänge von λ0 = 2.615 nm durch Rotation eines Saphir-Phasenschiebers über 56 deg (Schrittweite 1 deg) um eine Achse senkrecht zur Einfallsebene der Neutronen. Die durch Kreise und Quadrate gekennzeichneten Punkte entsprechen den Messwerten der Intensität als Funktion des geometrischen Weglängenunterschieds ∆x zwischen den Strahlen Ψtr und Ψrr (vgl. Abb. 5.2), die durchgezogenen Linien repräsentieren den Realteil der Kohärenzfunktion und sind eine Anpassung gemäß Gl. 6.7. Die Einhüllende (gestrichelte Linie) entspricht dem Absolutwert der Kohärenzfunktion. Zentralwellenlänge des Neutronenstrahls und mit lc dessen Kohärenzlänge bezeichnet. Der kosinusförmige Modulationsterm beinhaltet neben der Streulängendichte, der Zentralwellenlänge, dem geometrischen Weglängenunterschied und der ”inneren” Phase des Interferometers zusätzlich eine Größe, welche die Stellung des dritten Interferometergitters längs des Gittervektors, die Phase δR,S des dritten Interferometergitters beschreibt. Die Amplitude der Modulation der Interferenzen des R- und S-Strahls wird durch die Größe AR,S ausgedrückt. Im Folgenden wird die Bedeutung der Größen lc , ρbc , xE , δR,S und AR,S , welche aus den interferometrischen Messungen der Kohärenzfunktion direkt gewonnen werden können, näher erläutert: 1. Bestimmung der Kohärenzlänge des Neutronenstrahls 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 92 Die Abnahme der Modulation für zunehmende Phasenschübe ∆x ist eine direkte Konsequenz der begrenzten Kohärenzlänge des Neutronenstrahls. Als Kohärenzlänge sei hier jene optische Weglänge bezeichnet, bei der der Betrag der normierten Kohärenzfunktion auf den Wert 1/e abgefallen ist bzw. der Betrag der Kohärenzfunktion den Wert AR,S /e annimmt. Die experimentell bestimmte Kohärenzfunktion beinhaltet dabei sowohl Beiträge der lateralen als auch der longitudinalen Kohärenzeigenschaften des Neutronenstrahls. Die longitudinalen Kohärenzeigenschaften sind durch das Wellenlängenspektrum bestimmt, welches experimentell mittels Flugzeitspektroskopie ermittelt werden kann. Die typische Wellenlängenverteilung einer Kleinwinkelstreuanlage entspricht näherungsweise einer gaussförmigen Verteilung (Abb. 4.5). Im Interferometer wird das Neutronenspektrum an jedem einzelnen Interferometergitter modifiziert. Der sich im Zustand Ψ(x, t) befindliche, ins Interferometer einfallende Neutronenstrahl, wird an den Interferometergittern jeweils in einen reflektierten und einen transmittierten Anteil aufgespalten, d.h. es werden am ersten Interferometergitter die Zustände Ψr (x, t) und Ψt (x, t), am zweiten Interferometergitter die Zustände Ψrr (x, t), Ψrt (x, t), Ψtr (x, t) und Ψtt (x, t), usw. präpariert. Daher handelt es sich bei den gemessenen Kohärenzeigenschaften um diejenigen des durch das Interferometer modifizierten Neutronenstrahls und nicht um jene des alleine durch Kollimation und Wellenlängenselektion an der Kleinwinkelstreuanlage präparierten Neutronenstrahls. Die transversalen Kohärenzeigenschaften werden durch die Kollimation des Neutronenstrahls bestimmt, welche jeweils den experimentellen Anforderungen angepasst werden müssen. Bei der hier vorgestellten Technik zur Bestimmung der Kohärenzfunktion verursacht die Rotation des Phasenschiebers einen Strahlversatz senkrecht zur Strahlausbreitungsrichtung und zur Rotationsachse des Phasenschiebers. Dieser Strahlversatz zwischen den interferenzfähigen Teilstrahlen hat Einfluss auf die transversalen Kohärenzeigenschaften der sich in den Zuständen Ψr (x, t) bzw. Ψt (x, t) befindlichen Teilstrahlen (vgl. Gl. 6.5, Gl. 6.6 sowie Abb. 6.8). Die durch die experimentellen Rahmenbedingungen verursachten Einflüsse auf die Zustandspräparation der interferenzfähigen Teilstrahlen müssen bei der Interpretation der Kohärenzfunktion in Betracht gezogen werden. Unter Vernachlässigung des Einflusses des durch den Phasenschieber verursachten Strahlversatzes und der Modifikation des Wellenlängenspektrums durch die Interferometergitter wurde für die Kohärenzlänge des Neu- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 93 tronenstrahls mit einer Zentralwellenlänge von λ0 = 2 nm und einer Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 = 10% durch Anpassung von Gl. 6.7 ein Wert von lc = 10.9 ± 0.4 nm ermittelt. Für die Kollimation des Neutronenstrahls wurden folgende Einstellungen gewählt: Blende am Ausgang des Neutronenleiters 5 × 55 mm2 , Blende am Eingang des Interferometers 1 × 10 mm2 , Abstand zwischen der Blende am Ausgang des Neutronenleiters und der Blende am Eingang des Interferometers 17.6 m, Abstand zwischen zweitem Interferometergitter und Detektor 18 m (vgl. Tabelle 6.3). 2. Bestimmung der Streulängendichte des Phasenschiebers Die Periode des Interferenzmusters hängt direkt von der Streulängendichte des Phasenschiebers ρbc und der verwendeten Neutronenwellenlänge λ ab. Die Streulängendichte des in dieser Arbeit verwendeten Phasenschiebers aus Saphir (Al2 O3 ) wurde für unterschiedliche Zentralwellenlängen λ0 bestimmt. Die interferometrisch ermittelten Streulängendichten von Saphir betragen 5.49 ± 0.02 × 1014 m−2 bzw. 5.46 ± 0.03 × 1014 m−2 für λ0 = 2 nm, 5.15 ± 0.03 × 1014 m−2 für λ0 = 2.6 nm und 5.73 ± 0.08 × 1014 m−2 für λ0 = 1 nm. Der nach Gleichung 3.23 und den in Tabelle 6.4 angeführten Streulängen berechnete Wert beträgt ρbc = 5.715 × 1014 m−2 (vgl. Tab. 6.5). Die Ursachen für die Abweichungen der experimentell bestimmten Streulängendichten vom berechneten Wert konnten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Messzeit nicht geklärt werden. Möglicherweise sind die Abweichungen darauf zurück zu führen, dass die Bestimmung der aus [85, 86] zur Berechnung herangezogenen Streulängen bei thermischen Neutronenenergien durchgeführt wurde. Da die beste Übereinstimmung mit der berechneten Streulängendichte bei der Messung mit der kleinsten Neutronenwellenlänge von 1 nm erzielt wurde (∆ρbc < 0.3%) und die Unterschiede zwischen der berechneten Streulängendichte und den interferometrisch bestimmten Werten zu größeren Wellenlängen hin zu nimmt, kann eine Energieabhängigkeit der Streulängendichte nicht ausgeschlossen werden. Da vom Hersteller des Phasenschiebers keine Angaben bezüglich der exakten chemischen Zusammensetzung und der kristallinen Struktur des synthetischen Saphirs gemacht werden konnten, sind auch Einflüsse infolge von Verunreinigungen bei der Herstellung des Phasenschiebers oder Stapelfehler bei der Kristallzucht auf die ermittelten Streulängendichten möglich. 3. Bestimmung der inneren Phase des Interferometers Justagefehler der Interferometergitter können geometrische Weglängenunterschiede in den beiden Interferometerarmen und somit eine für das Interferometer charakteristische ”in- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 94 nere” Phase zur Folge haben. Der ”innere” geometrische Weglängenunterschied xE des Interferometers ist direkt durch die Lage des Maximums des Absolutwertes der Kohärenzfunktion festgelegt und kann aus der Winkelstellung des Phasenschiebers berechnet werden. Dabei wird explizit die Eigenschaft des begrenzten Kohärenzvolumens des Neutronenstrahls zur Bestimmung des ”inneren” geometrischen Weglängenunterschieds bzw. der ”inneren” Phase des Interferometers genutzt. Die ”innere” Phase δE des Interferometers berechnet sich dabei zu δE = ρbc λxE /π. Für ein ”ideales” Interferometer mit xE = 0 ist die Lage des Maximums der Kohärenzfunktion identisch mit der Nullstellung des Phasenschiebers (Oberflächennormale des Phasenschiebers ⊥ Gittervektor) (vgl. Abb. 6.12a). Sind die geometrischen Wege in den beiden Interferometerarmen unterschiedlich, verschiebt sich das Maximum des Absolutwertes der Kohärenzfunktion um einen für das Interferometer charakteristischen Wert xE (Abb. 6.12c). Die Kenntnis der inneren Phase des Interferometers ermöglicht es, die im nächsten Punkt besprochene Phase des dritten Interferometergitters zu bestimmen. 4. Bestimmung der Phase des dritten Interferometergitters Der Phasenunterschied zwischen dem durch ein Interferometergitter abgebeugten Strahl und dem transmittierten Strahl beträgt π/2 [117, 133]. Durch Verschieben des dritten Interferometergitters in Richtung des Gittervektors ist es möglich, die Phase zwischen den transmittierten und reflektierten Teilstrahlen trr und rrt bzw. rrr und trt im Rbzw. S-Strahl zu ändern und somit alternativ zur Phasenschiebermethode Intensitätsoszillationen zu erzeugen. Da die relative Stellung der einzelnen Interferometergitter bezüglich Translationen längs der Richtung des Gittervektors während der Justage der Gitter nicht kontrolliert wurde (und mit den verwendeten Justagemethoden auch nicht kontrolliert werden konnte), ist die durch das dritte Gitter verursachte Phase der Interferenzen nicht definiert. Die Lage der Nullstellen des Realteils der Kohärenzfunktion oder deren Ableitungen relativ zur Phasenschieberstellung bzw. zur ”inneren” Phase des Interferometers erlaubt direkte Rückschlüsse auf die Phase δR,S (modulo 2π) des dritten Interferometergitters. Zur Veranschaulichung werden folgende vier Fälle diskutiert: Für ein ”ideales” Interferometer ist die Nullstellung des Phasenschiebers identisch mit dem Maximum des Absolutwertes und dem Maximum bzw. Minimum des Realteils der Kohärenzfunktion des R- bzw. S-Strahls. Dieser Fall ist in Abbildung 6.12a darge- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 95 stellt. Sowohl die ”innere” Phase des Interferometers δE = 0 als auch die absolute Phase des dritten Interferometergitters δR,S = 0 verschwinden hier. Die Kohärenzfunktion ist also symmetrisch zur Nullstellung des Phasenschiebers, Maximum und Minimum des Realteils der Kohärenzfunktion liegen bei ∆φ = 0. Der Fall einer nicht verschwindenden absoluten Phase δR,S 6= 0 ist in Abbildung 6.12b für ein ideal justiertes Interferometer mit innerer Phase δE = 0 veranschaulicht. Die Phase des dritten Gitters, also die Position des Maximums bzw. Minimums des Realteils der Kohärenzfunktionen des S-Strahls bzw. R-Strahls relativ zur Nullstellung ∆Φ = 0 des Phasenschiebers ist hier für δR,S = −3π/5 dargestellt. Abbildung 6.12c zeigt die Situation einer von Null verschiedenen ”inneren” Phase des Interferometers und einer verschwindenden relativen Phase δR,S = 0 des dritten Interferometergitters. Das Maximum des Absolutwertes der Kohärenzfunktion verschiebt sich in diesem Fall um δE = 7π/3. Der allgemeine Fall einer sowohl nichtverschwindenden ”inneren” des Interferometers als auch einer von Null verschiedenen relativen Phase des dritten Interferometergitters ist in Abbildung 6.12d für δE = 7π/3 und δR,S = −3π/5 gezeigt. Die Abweichung des Maximums bzw. Minimums des Realteils der Kohärenzfunktion vom Maximum des Absolutwertes der Kohärenzfunktion bestimmt die absolute Phase des dritten Interferometergitters. Die Genauigkeit, mit der die Phase δR,S des dritten Interferometergitters bestimmt werden kann, hängt einerseits von gerätespezifischen Faktoren wie beispielsweise der mechanischen Stabilität des Interferometers oder dessen Empfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen und Vibrationen ab. Andererseits sind die Messwerte mit statistischen Fehlern behaftet. Für die in den Experimenten eingestellten Neutronenzählraten bzw. Messzeiten liegt der statistische Fehler in einer Größenordnung von ±1%. Für die in Abb. 6.9 und Abb. 6.10 gezeigten Interferogramme konnte durch Minimierung des quadratischen Fehlers bei der Anpassung von Gleichung 6.7 an die Messdaten die Phase mit einer Genauigkeit von etwa ±4% bzw. ±5% bestimmt werden. Die beiden Interferogramme wurden im Abstand von etwa 4 Stunden unter gleichen Bedingungen aufgezeichnet. Die ermittelte Differenz der Phasen der beiden Interferogramme liegt mit etwa 4% in der gleichen Größenordnung wie der quadratische Fehler der Anpassung. Dieser Fehler entspricht einer Energieauflösung von ∆E < 10−5 eV des Interferometers. 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 96 a δR,S = 0 δE = 0 δR,S b Intensität [arb. u.] δR,S = -3π/5 δE = 0 δE c δR,S = 0 δE = 7π/3 δR,S d δR,S = -3π/5 δE = 7π/3 -10π -8π -6π -4π -2π 0π 2π 4π 6π 8π 10π Phasenschub ∆Φ Abb. 6.12: Veranschaulichung der Bestimmung der ”inneren” Phase δE des Interferometers sowie der Phase δR,S des dritten Interferometergitters. Die rote Linie zeigt den Realteil der Kohärenzfunktion des S-Strahls, die gepunktet-blaue Linie den Realteil der Kohärenzfunktion des R-Strahls. Der Absolutwert der Kohärenzfunktion ist durch die schwarze Linie repräsentiert, die gepunktet-graue sinusförmige Linie zeigt die Kohärenzfunktion für den Fall unbeschränkter Kohärenz. 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 97 5. Bestimmung der Sichtbarkeit der Interferenzen Die maximale Sichtbarkeit (Visibility) vR,S = AR,S /JR,S ist ein Maß für die experimentell beobachtbare maximale Modulationsamplitude AR,S des Interferenzmusters und somit ein wichtiger Parameter zur Charakterisierung eines Interferometers. Die Sichtbarkeit hängt sowohl von den Beugungswirkungsgraden der einzelnen Interferometergitter als auch von der Gitterjustage ab. Des weiteren führen äußere Einflüsse wie beispielsweise Vibrationen zu sogenannten Dephasing-Effekten und somit zu einer Abnahme des Modulationskontrastes. Wird von kontrastmindernden Faktoren dieser Art abgesehen, beträgt beispielsweise der theoretische Wert für den Modulationskontrast eines LLL-Interferometers mit den Beugungswirkungsgraden von η1,2,3 = 25% der einzelnen Gitter für ein vR,S = 50%, für ein Interferometer ohne Strahltrennung vR,S = 25% (vgl. Abschnitt 5.2.1). Für ein Interferometer mit den Beugungswirkungsgraden η1,2,3 = 50% berechnen sich die Sichtbarkeiten zu vR,S = 100% (Strahltrennung) bzw. vR,S = 50% (keine Strahltrennung). In Tabelle 6.2 sind die mithilfe von Gl. 5.4 und 5.5 berechneten und die für verschiedene Zentralwellenlängen experimentell bestimmten normierten Untergrundzählraten JR,S , Intensitätsdifferenzen ∆IR,S = IR,Smax − IR,Smin und Sichtbarkeiten vR,S aufgelistet. Die experimentell bestimmten Untergrundzählraten JR,S und Intensitätsdifferenzen ∆IR,S wurden auf die Gesamtzählraten JR + JS normiert (vgl. Tab. 6.3). Zentralwellenlänge λ0 [nm] Beugungswirkungsgrad η1 Beugungswirkungsgrad η2 Beugungswirkungsgrad η3 normierte Untergrundzählrate JR normierte Untergrundzählrate JS normierte Differenz ∆IR normierte Differenz ∆IS Sichtbarkeit R-Strahl vR Sichtbarkeit S-Strahl vS Interferogramm Abb. 6.9 2.017 0.80∗ 0.68 0.07∗ 0.549 (0.543) 0.451 (0.457) 0.201 (0.278) 0.189 (0.278) 0.183 (0.341) 0.210 (0.234) Interferogramm Abb. 6.10 2.017 0.80∗ 0.68 0.07∗ 0.549 (0.543) 0.451 (0.457) 0.204 (0.278) 0.201 (0.278) 0.186 (0.341) 0.223 (0.234) Interferogramm Abb. 6.11 2.615 0.90∗ 0.81 0.08∗ 0.649 (0.649) 0.351 (0.351) 0.193 (0.264) 0.184 (0.264) 0.149 (0.452) 0.262 (0.186) 1.500 0.58 0.48 0.05 (0.500) (0.500) (0.207) (0.207) (0.205) (0.208) Tab. 6.2: Für verschiedene Zentralwellenlängen experimentell bestimmte normierte Untergrundzählraten JR,S , Differenzen ∆IR,S und Sichtbarkeiten vR,S . Die in Klammer gesetzten Werte wurden mithilfe der ermittelten Beugungseffizienzen der einzelnen Interferometergitter berechnet. Die mit ∗ markierten Beugungswirkungsgrade wurden für die jeweiligen Wellenlängen extrapoliert, die Bestimmung der Beugungseffizienzen erfolgte etwa fünfzehn Monate nach der Belichtung der Interferometergitter. 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 98 Da die Sichtbarkeiten sehr empfindlich von kleinen Änderungen der Beugungswirkungsgrade abhängen, kann durch Vergleich der berechneten mit den experimentell bestimmten Sichtbarkeiten auf die Qualität der Gitterjustage geschlossen werden. Für die in Tabelle 6.2 angegebenen berechneten Werte wurden die Beugungswirkungsgrade allerdings erst nach der Demontage des Interferometers bestimmt. So erfolgten die interferometrischen Messungen etwa einen Monat, die Bestimmung der einzelnen Beugungswirkungsgrade etwa fünfzehn Monate nach der Belichtung der Gitter. Da der Prozess der Gitterentwicklung zum Zeitpunkt interferometrischen Messungen noch nicht abgeschlossen war (vgl. Kapitel 2, Abb. 2.14 und [51]), ist der direkte Vergleich der hier berechneten Sichtbarkeiten mit den experimentell bestimmten Sichtbarkeiten nur bedingt aussagekräftig. 6. Stabilität des Interferometers Durch Vergleich der unter gleichen Umgebungsbedingungen aufgezeichneten Interferogrammen können Rückschlüsse auf die Langzeitstabilität des Interferometers gezogen werden. Die in Abb. 6.9 und Abb. 6.10 gezeigten Interferogramme wurden im Abstand von 4 Stunden bei einer Neutronenwellenlänge von 2.017 nm aufgenommen. Die relative Drift der Phase des Interferenzmusters wurde mit 0.13 π bestimmt. Der für die eingestellten Neutronenzählraten bei der Anpassung von Gl. 6.7 an die experimentell ermittelten Datensätze berechnete mittlere quadratische Fehler beträgt für das in Abb. 6.9 gezeigte Interferogramm etwa ∆φexp. = ±3.8%, für das in Abb. 6.10 gezeigte Interferogramm etwa ∆φexp. = ±5.4%. Dies entspricht eine Unsicherheit der Phase von ∆φexp. = ±0.12π bzw. ∆φexp. = ±0.17π. Unter der Voraussetzung einer über alle Messpunkte konstanten Sichtbarkeit von v = 20% wurde die Phasenunschärfe in Abhängigkeit der Neutronenzählrate (Abschnitt 4.4.1) mithilfe von Gleichung 4.41 mit ∆φstat. = ±1% abgeschätzt. Unter Berücksichtigung eines näherungsweise gaussförmigen Abfalls der Sichtbarkeit mit zunehmendem Phasenschub berechnet sich die Phasenunschärfe des in Abb. 6.9 gezeigten Interferogramms (50 Messpunkte) zu ∆φstat. ≈ ±2%. Die Phasenunschärfe des in Abb. 6.10 gezeigten Interferogramms (25 Messpunkte) berechnet sich zu ∆φstat. ≈ ±3%. Der durch Anpassung von Gl. 6.7 an die Datensätze ermittelte mittlere quadratische Fehler der Phase ist also knapp doppelt so groß wie der aufgrund der Zählstatistik zu erwartende Fehler. Die Differenz ∆φexp. − ∆φstat. ≈ 2% kann als der während der Aufnahme der beiden Interferogramme über einen Zeitraum von 4 Stunden aufgetretene systematische Fehler 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 99 interpretiert werden und ist somit ein Maß für die Phasenstabilität des Interferometers. Das Interferometer wurde während den Messungen weder thermisch stabilisiert, noch vor Luftturbulenzen infolge von Zugluft in der Experimentierhalle geschützt. Zur Isolation gegenüber Vibrationen sind an der Unterseite des Interferometerchassis Dämpfungselemente aus Gummi angebracht. Zentralwellenlänge λ0 [nm] Wellenlängenverteilung ∆λ/λ0 mittlere Neutronenzählrate [Counts/sec] Ausgangsblende Neutronenleiter [mm2 ] Eingangsblende Interferometer [mm2 ] Kollimationsstrecke [m] Abstand Eingangsblende Interferometer Detektor [m] Dicke des Phasenschiebers D0 [mm] Positioniergenauigkeit des Phasenschiebers [deg] Untergrundzählrate JR [Counts] Modulation AR [Counts] Untergrundzählrate JS [Counts] Modulation AS [Counts] maximale Sichtbarkeit des R-Strahls vR = 100 × AR /JR [%] maximale Sichtbarkeit des S-Strahls vS = 100 × AS /JS [%] Innerer geometrischer Weglängenunterschied des Interferometers xE [µm] Innere Phase des Interferometers δE [rad] Phase des dritten Interferometergitters δR,S [rad] (mod. 2π) longitudinale Kohärenzlänge lc [nm] Streulängendichte Saphir ρbc [1/m2 ] Interferogramm Abb. 6.9 2.017 10% 144.5 5 × 55 1 × 10 19.1 Interferogramm Abb. 6.10 2.017 10% 144.5 5 × 55 1 × 10 19.1 Interferogramm Abb. 6.11 2.615 10% 33 5 × 55 1 × 10 19.1 18 4.56 ± 0.01 ±1/100 8884 ± 14 1629 ± 35 7293 ± 14 1532 ± 35 18 4.56 ± 0.01 ±1/100 8904 ± 20 1655 ± 50 7321 ± 18 1634 ± 45 18 4.56 ± 0.01 ±1/100 3688 ± 10 548 ± 27 1994 ± 8 523 ± 20 18.3 18.6 14.9 21.0 22.3 26.2 −2.98 ± 0.3 −1.051 ± 0.11π −2.80 ± 0.4 −1.007 ± 0.16π −8.37 ± 0.6 −3.59 ± 0.26π 0.60 ± 0.12π 10.9 ± 0.4 5.49 ± 0.02 × 1014 0.47 ± 0.17π 10.5 ± 0.5 5.46 ± 0.03 × 1014 0.16 ± 0.29π 14.5 ± 1 5.15 ± 0.03 × 1014 Tab. 6.3: Geräteparameter der Anlage D22 des ILL sowie die durch Anpassung von Gl. 6.7 an die Messdaten von Abb. 6.9, Abb. 6.10 und Abb. 6.11 ermittelten Fitparameter. 6.2.2 SANS-Anlage der GKSS Analog zu der im vorhergehenden Abschnitt besprochenen Messung der Kohärenzfunktion an der Neutronenkleinwinkelstreuanlage D22 des ILL wurde das Interferometer etwa zwei Monate später zur Bestimmung der Kohärenzfunktion an der Neutronenkleinwinkelstreuanlage SANS-2 des GKSS-Forschungszentrums eingesetzt. Bei einer Kollimation von 1 m und einer Zentralwel- 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 100 lenlänge von 0.5 nm beträgt der maximale Neutronenfluss der Anlage 2×107 cm−2 s−1 . Der nutzbare Wellenlängenbereich liegt zwischen 0.3 nm und 2 nm bei einer Wellenlängenverteilung von ∆λ/λ0 = 10%. Die Kollimationsstrecke kann in Schritten von 2 m zwischen 2 m und 16 m variiert werden, die größtmögliche Strahlöffnung am Ausgang des Neutronenleiters beträgt 40 × 30 mm2 . Der Detektor, welcher hinter der Probe zwischen 1 m und 22 m verfahren werden kann, besitzt eine Fläche von 55 × 55 cm2 und eine Pixelgröße von 7 × 7 mm2 . λ0 = 1 nm 15250 Counts [ ] 15000 14750 14500 14250 -0.02 -0.01 0.00 0.01 ∆x-xE [mm] Abb. 6.13: Interferogramm, aufgenommen bei einer Zentralwellenlänge von λ0 = 1 nm durch Rotation eines Saphir-Phasenschiebers der Dicke D0 = 4.56 mm senkrecht zur Einfallsebene der Neutronen. Die durch Kreise und Quadrate gekennzeichneten Punkte entsprechen den Messwerten der Intensität als Funktion des geometrischen Weglängenunterschieds ∆x zwischen den Strahlen Ψtr und Ψrr (Abb. 5.2). Die durchgezogenen Linien repräsentieren den Realteil der Kohärenzfunktion und sind eine Anpassung gemäß Gl. 6.7. Die Einhüllende (gestrichelte Linie) entspricht dem Absolutwert der Kohärenzfunktion. Die zur Aufnahme des Interferogramms an der SANS-Anlage eingestellten Geräteparameter lauten: Ausgangsblende des Neutronenleiters 10 × 40 mm2 , Eingangsblende des Interferometers 1 × 14 mm2 , Distanz zwischen dem Neutronenleiter und dem Interferometer 15.3 m, Distanz 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION 101 zwischen dem Interferometer und dem Detektor 21.6 m. Für die Sichtbarkeit der Interferenzen wurde ein Wert von 1.75% ermittelt. Die, verglichen mit der Messung am Instrument D22, relativ geringe Sichtbarkeit ist darauf zurückzuführen, dass die Küvette des dritten Interferometergitters zwischenzeitlich beschädigt wurde. Die durch Anpassung von Gl. 6.7 für eine Neutronenzentralwellenlänge von λ0 = 1 nm und eine Wellenlängenverteilung von ∆λ/λ0 = 10% ermittelte Kohärenzlänge beträgt 7 ± 2 nm. Für die kohärente Streulängendichte des Saphir - Phasenschiebers (Al2 O3 ) wurde ein Wert von ρbc = 5.73 ± 0.08 × 10−14 m−2 bestimmt. Der mithilfe von Gleichung 3.23 und den in Tabelle 6.4 angeführten Streulängen berechnete Wert beträgt ρbc = 5.71510−14 m−2 . Die mittlere Neutronenzählrate am Detektor betrug 110 Counts/s. Element H1 H2 Li7 C O Al Si Nb kohärente Streulänge bc [fm] −3.7423 ± 0.0012 6.674 ± 0.006 −2.22 ± 0.02 6.6484 ± 0.0013 5.805 ± 0.004 3.449 ± 0.005 4.15071 ± 0.00022 7.054 ± 0.003 molare Masse [g/mol] 1.007825 2.01410 7.0160 12.0000 15.9949 26.982 28.0855 92.90638 Tab. 6.4: Kohärente Streulängen und molare Masse der in den verwendeten Phasenschiebern vorhandenen Elemente [85, 86] In weiteren Messungen wurden Phasenschieber aus Lithiumniobat (LiNbO3 ) und Quarzglas (Suprasil SiO2 ) verwendet und analog zu der beschriebenen Methode durch Rotation dieser Materialien im Interferometer Phasenschübe zwischen den Teilstrahlen erzeugt. Durch Anpassung von Gl. 6.7 an die Messdaten wurden die kohärenten Streulängendichten dieser Materialien bestimmt. Die experimentell ermittelten Streulängendichten sind in Tabelle 6.5 mit den berechneten Werten verglichen. Aufgrund der geringen Sichtbarkeit der Interferenzen infolge der Beschädigung des dritten Interferometergitters waren die Messungen am Instrument SANS-2 des GKSS-Forschungszentrums mit erheblichen experimentellen Schwierigkeiten verbunden. Die hier ermittelten Streulängendichten der verschiedenen Phasenschiebermaterialien müssen daher mit Vorbehalt betrachtet werden. Einerseits stimmt die interferometrisch bestimmte Streulängendichte von Saphir mit ρbc = 5.73 ± 0.08 × 1014 m−2 im Rahmen der Messgenauigkeit mit dem berechneten Wert 6.2. BESTIMMUNG DER KOHÄRENZFUNKTION molare Masse [g/mol] Dichte [g/cm3 ] Dicke des Phasenschiebers D0 [mm] Teilchenzahldichte ρN [m−3 ] berechnete Streulänge bc [fm] berechnete Streulängendichte ρbc [m−2 ] gemessene Streulängendichte ρbc [m−2 ] λ0 = 2.615 nm, ∆λ/λ0 = 10% λ0 = 2.017 nm, ∆λ/λ0 = 10% λ0 = 1.25 nm, ∆λ/λ0 = 10% λ0 = 1 nm, ∆λ/λ0 = 10% 102 Quarzglas Suprasil SiO2 60.084 2.65 10 ± 0.01 2.156 × 1028 15.76 4.186 × 1014 Lithiumniobat 7 LiNbO 3 147.921 4.464 11.5 ± 0.01 1.817 × 1028 22.25 4.043 × 1014 Saphir Al2 O3 101.969 3.98 4.56 ± 0.01 2.351 × 1028 24.31 5.715 × 1014 ∗ 5.15 ± 0.03 × 1014 ∗ 5.48 ± 0.02 × 1014 3.66 ± 0.1 × 1014 3.67 ± 0.11 × 1014 5.73 ± 0.08 × 1014 Tab. 6.5: Vergleich der an der Anlage SANS-2 des GKSS-Forschungszentrums interferometrisch bestimmten Streulängendichten der verwendeten Phasenschieber mit den berechneten Werten. Zur Berechnung der Streulängendichten wurden die in Tabelle 6.4 angeführten Daten verwendet. Die mit ∗ gekennzeichneten Werte wurden am Instrument D22 des Institutes Laue Langevin ermittelt. ρbc = 5.715 m−2 überein, andererseits unterscheiden sich die gemessenen Streulängendichten von Quarzglas und Lithiumniobat um 14% bzw. 10% von den berechneten Werten. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanzen wären Abweichungen der chemischen Zusammensetzung oder der Dichte der Materialien von den Herstellerspezifikationen. Da im Rahmen der bewilligten Messzeit weder der Nachweis der Reproduzierbarkeit der ermittelten Werte erbracht, noch die Ursachen für die signifikanten Abweichungen von den berechneten Werten geklärt werden konnten, sollten die hier erbrachten experimentellen Ergebnisse in Folgeexperimenten geprüft werden. 7 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Arbeit beschreibt den Aufbau und die Justage eines Interferometers für kalte Neutronen sowie die erste direkte Messung der Kohärenzfunktion kalter Neutronen. Das angestrebte Ziel, ein Interferometer mit einer Gesamtlänge von 30 cm aufzubauen, machte die Entwicklung eines neuen Verfahrens zur Messung des Rollwinkels bei der Belichtung und Justage der Gitter erforderlich. Es handelt dabei sich um ein polarisationsoptisches Verfahren, welches die Bestimmung des Rollwinkels mit einer Genauigkeit von 0.1 Bogensekunden über beliebig große Distanzen erlaubt. Damit wurde eine Voraussetzung für den Bau neuer hochauflösender Interferometer geschaffen. Während das Problem der Gitterjustage zufriedenstellend gelöst werden konnte, ist es nicht gelungen, ideale Verhältnisse bezüglich der Beugungswirkungsgrade (η1 = 58%, η2 = 48%, η3 = 5%)1 der einzelnen Interferometergitter G1, G2 und G3 zu erzielen. Im Hinblick auf eine Steigerung der Sichtbarkeit der Interferenzen, eine Verkürzung der Messzeiten oder die Entwicklung eines Interferometers mit Gitterkonstanten Λ . 200 nm ist es daher notwendig, die Abhängigkeit des Beugungswirkungsgrades verschiedener Beugungsordnungen von den Belichtungsparametern systematisch zu untersuchen sowie den Herstellungsprozess zu optimieren. Der kompakte Aufbau des Interferometers ermöglicht erstmals den Einsatz interferometrischer Techniken an unterschiedlichsten Anlagen für kalte Neutronen. Die Funktion des Interferometers wurde an den Anlagen D22 des Institutes Laue-Langevin und SANS-2 des GKSSForschungszentrums demonstriert. Im Rahmen dieser Messungen wurden erstmals die Kohärenzfunktionen der Neutronenstrahlen der beiden Anlagen für verschiedene Neutronenzentralwellenlängen experimentell bestimmt. Neben der Charakterisierung von Kohärenzeigenschaften von Neutronenquellen wurden mit der Weiterentwicklung des Interferometers die Grundlagen für den Einsatz interferometrischer Techniken in der Strukturanalyse mit kalten und ultrakalten Neutronen geschaffen. Der aufgrund der Breite des Wellenlängenspektrums in der Größenordnung von 10% relativ rasche Abfall der 1 Neutronenzentralwellenlänge λ0 = 1.5 nm 103 104 Kohärenzfunktion ermöglicht die Bestimmung der Phase des dritten Interferometergitters. In diesem Zusammenhang ist ein Experiment geplant, dessen Ziel die Lösung der in der Streutheorie als ”Phasenproblem” bekannten Fragestellung ist. Zu diesem Zweck wird das dritte Interferometergitter durch eine beliebige kleinwinkelstreuende Probe ersetzt und analog zu der hier vorgestellten Technik durch Rotation eines Phasenschiebers im Interferometer ein variabler Phasenschub zwischen den von der Probe gestreuten und transmittierten Teilstrahlen erzeugt. Die auf diese Weise ermittelte Kohärenzfunktion beinhaltet neben der Information über die Intensitäten eines herkömmlichen Streuexperiments zusätzlich die Information über die Phase des Streusignals und ermöglicht somit eine komplette Rücktransformation der Streufunktion vom Fourier- in den Realraum. A Eikonalnäherung Wir betrachten Lösungen der zeitunabhängigen Schrödingergleichung · ¸ 2m 2 ∇ + 2 (E − V (r)) Ψ(r) = 0 ~ (A.1) der Form ı Ψ(r) = Ψ0 (r)e ~ S(r) . (A.2) Die reellen Größen Ψ0 (r) und S(r) stellen hier die Wahrscheinlichkeitsamplitude und das sogenannte Eikonal der Welle dar. Nach Einsetzen von Gleichung A.2 in A.1 und Ausführen der Differentationen erhalten wir · ¸ ı ı 1 2m 2 2 ∇ Ψ0 + 2 ∇Ψ0 ∇S + Ψ0 ∇ S − Ψ0 (∇S) + (E − V (r)) Ψ0 = 0. ~ ~ ~ ~2 2 (A.3) Der mit Ψ0 multiplizierte Imaginärteil dieser Gleichung lautet ∇Ψ20 ∇S + Ψ20 ∇2 S = ∇(Ψ20 ∇S) = ∇j = 0 (A.4) und bringt mit der Wahrscheinlichkeitsdichte ρ = Ψ20 und der Stromdichte j = ρ∇S die Erhaltung der Teilchenzahl zum Ausdruck. Für den Realteil von Gleichung A.3 · ¸ 1 2m 2 ∇ Ψ0 + − Ψ0 (∇S) + (E − V (r)) Ψ0 = 0 ~ ~2 2 105 (A.5) 106 wird nun folgende Näherung gemacht: Wenn sich die Amplitude Ψ0 (r) über die Dimension einer £ ¤ Wellenlänge nur sehr langsam ändert, kann der Ausdruck ∇2 Ψ0 gegenüber 2m (E − V (r)) Ψ0 ~2 vernachlässigt werden, sodass · ¸ 2m (∇S) = ~ (E − V (r)) = ~K2 ~2 2 (A.6) gilt. Dies ist der Fall, wenn das Potential über die Dimension einer Wellenlänge als konstant betrachtet werden kann. Gleichung A.6 stellt die Grundgleichung der geometrischen Optik dar und ist unter dem Namen Eikonalgleichung bekannt. Die Näherung des sich über die Dimension einer Wellenlänge nur langsam ändernden Potentials wird auch als WKB- Näherung (Wentzel, Kramers und Brillouin), Kurzwellennäherung, Näherung ebener Wellen oder Strahlennäherung bezeichnet und beschreibt den klassischen Grenzfall der geometrischen Optik in der Quantenmechanik. In dieser Näherung wird die Phase der Wellenfunktion A.2 alleine durch das Eikonal bestimmt. Die geometrischen Ausbreitungsrichtungen stehen mit ∇S = K senkrecht auf die klassischen Wellenfronten S(r) = konst. B Matrizendarstellung optischer Komponenten Bauelement Jones-Matrix µ ¶ 0 ı ı 0 Spiegel √1 2 Strahlteiler 50/50 µ ¶ 1 ı ı 1 µ ıΦ ¶ e 0 0 1 Phasenschieber Tab. B.1: Matrizen der im Interferometer verwendeten optischen Komponenten 107 108 Bauelement linearer Polarisator Px linearer Polarisator Py Orientierung Jones-Matrix kx µ ¶ 1 0 0 0 ky µ ¶ 0 0 0 1 µ linearer Polarisator Pα λ/4- Verzögerungsplatte Q0 deg cos2 α cos α sin α cos α sin α sin2 α α µ ıπ e 4 0 kx 0 ¶ π e−ı 4 µ λ/4- Verzögerungsplatte Q45 deg Photoelastischer Modulator P EM √1 2 45 deg 1 ∓ı ∓ı 1 ¶ µ ¶ 1 0 0 e−ı·Φ kx µ Photoelastischer Modulator P EM45 deg 45 deg ¶ 1 2 1 + eı·Φ −1 + eı·Φ −1 + eı·Φ 1 + e−ı·Φ µ ¶ ¶ Rotationsmatrix 45 deg R √1 2 1 1 −1 1 Transponierte Rotationsmatrix 45 deg RT √1 2 µ ¶ 1 −1 1 1 Tab. B.2: Jones-Matrizen der für die Rollwinkelmessung verwendeten optischen Komponenten sowie Rotationsmatrizen zur Koordinatentransformation um 45 deg C Kreuzkorrelationstheorem Z∞ a1 (ω)e−ıωt dω = F[a1 (ω)] Ψ1 (t) = −∞ Z∞ a2 (ω)e−ıωt dω = F[a2 (ω)] Ψ2 (t) = (C.1) −∞ 1 Γ(∆t) = lim T →∞ 2T ZT Ψ1 (t)∗ Ψ2 (t + ∆t)dt −T = lim T →∞ 1 2T ZT 1 T →∞ 2T Z∞ −T = −∞ −∞ ZT Z∞ Z∞ 0 −T −∞ −∞ Z∞ 0 a∗1 (ω)a2 (ω 0 )e−ıω ∆t −∞ −∞ = = = 1 2π 0 a∗1 (ω)a2 (ω 0 )e−ı(ω −ω)t e−ıω ∆t dωdω 0 dt Z∞ Z∞ 1 2π 0 a2 (ω 0 )e−ıω (t+∆t) dω 0 dt a∗1 (ω)eıωt dω lim = Z∞ 0 [e−ı(ω −ω)t dt]dωdω 0 −∞ Z∞ Z∞ 0 a∗1 (ω)a2 (ω 0 )e−ıω ∆t δ(ω 0 − ω)dωdω 0 −∞ −∞ Z∞ a∗1 (ω)a2 (ω)e−ıω∆t dω −∞ F[a∗1 (ω)a2 (ω)] (C.2) Der Fall identischer Zustandsverteilungen a1 (ω) = a2 (ω) wird als Wiener-Khintchine- oder Autokorrelationstheorem bezeichnet. 109 D Van Cittert-Zernike Theorem Um die geometrischen Verhältnisse zu vereinfachen wird der Abstand L zwischen dem Punkt 0 der Quelle und dem Punkt P der Lochmaske als konstant angenommen. Das von der Quelle emittierte Feld sei quasimonochromatisch und habe die Feldstärkenverteilung E(Θ). Zwischen den von unterschiedlichen Orten der Quelle emittierten Feldern bestehe keine Korrelation. Die Amplitude des von der Quelle im Winkelbereich ±α/2 emittierten Feldes wird in einer Entfernung L von der Quelle an den Orten P und Q einer Lochmaske bestimmt. x -a/2 SQ - SP » x×sinQ Q Q L 0 Q P I(x,Q) S +a/2 Q Maske Quelle Schirm Abb. D.1: Skizze der geometrischen Verhältnisse zur Herleitung des Van Cittert-Zernike Theorems in einer Dimension. Zur Abschätzung der Kohärenzeigenschaften der räumlich ausgedehnten Quelle werden folgende Näherungen gemacht [134]: 2π/k ¿ SQ − SP ≈ 110 L x sin Θ (D.1) 111 Unter diesen Voraussetzungen berechnen sich die über die gesamte Quelle E(Θ) integrierten Feldstärken an den Punkten P und Q der Lochmaske für achsennahe Strahlen zu ΨP (Θ) = ΨQ (x, Θ) ≈ 1 L 1 L Z+π E(Θ)eıkL dΘ −π Z+π E(Θ)eık(L+x sin Θ) dΘ. (D.2) −π Da die Intensität I(Θ) der Quelle außerhalb von ±α/2 verschwindet, dürfen zur Berechnung der Feldstärken die Integrationsgrenzen ±π gesetzt werden. Die Korrelation zwischen den Wellenfunktionen soll nun mittels einer Intensitätsmessung am Ort eines Schirms untersucht werden. Die unterschiedlichen geometrischen Weglängen zwischen den Punkten P und Q und den Beobachtungspunkten am Schirms haben keinen Einfluss auf die räumlichen Korrelationseigenschaften der betrachteten Felder. Die Intensität I(x, Θ) der am Schirm superponierten und zeitlich gemittelten Felder ΨP und ΨQ lautet: I(x, Θ) = h(ΨP + ΨQ ))(ΨP + ΨQ )∗ i = hΨP Ψ∗P i + hΨQ Ψ∗Q i + 2< hΨP Ψ∗Q i = IP + IQ + 2< Γ(x, Θ) (D.3) Für die Korrelationsfunktion Γ(x, Θ) erhalten wir 1 Γ(x, Θ) ≈ 2 L Z+π I(Θ)e−ıkx sin Θ dΘ (D.4) −π und durch Normierung der Korrelationsfunktion auf die Gesamtintensität das Van CittertZernike Theorem: +π R γ(x, Θ) ≈ I(Θ)e−ıkx sin Θ dΘ −π +π R −π (D.5) I(Θ)dΘ 112 Für den Spezialfall eines senkrecht zur Zeichenebene orientierten, von einer quasimonochromatischen Quelle homogen ausgeleuchteten Spalts mit der Breite a und der Distanz L zwischen Quelle und Maske lautet die Kohärenzfunktion: µ γ(x, a) ≈ sinc kax 2L ¶ (D.6) Ein weiterer Spezialfall ist der einer homogen ausgeleuchteten, radialsymmetrischen, quasimonochromatischen Quelle mit einer Winkelausdehnung ±α/2, für den die Kohärenzfunktion durch eine Besselfunktion erster Ordnung ausgedrückt werden kann: γ(r, α) ≈ 2J1 (krα/2) krα/2 (D.7) Literaturverzeichnis [1] N. 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Aschauer Schulbildung 1976 – 1980 1980 – 1984 Volksschule Bregenz - Schendlingen Hauptschule Bregenz - Vorkloster Beruflicher Werdegang und Ausbildung 1984 1989 1990 1995 1995 1997 – 1988 – 1995 – 2000 – 1998 1999 2000 – März – Juli 2004 Fachschule für Maschinenbau in Bregenz Abteilungskontrolleur bei der Fa. Wild-Leitz in Heerbrugg, Schweiz Außerordentlicher Hörer an der Universität Wien, Studienzweig Physik Studienberechtigungsprüfung für Physik Ordentlicher Hörer an der Universität Wien, Studienzweig Physik Diplomarbeit bei Univ. Prof. Dr. R. A. Rupp (Universität Wien) am GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht, Deutschland, Aufbau der Experimentiereinrichtung HOLONS (Holographie und Neutronenstreuung) gem. mit Dr. Havermeyer Verleihung des akademischen Grades Magister der Naturwissenschaften (Mag. rer. nat.) Doktoratsstudium der Naturwissenschaften an der Universität Wien, Institut für Experimentalphysik Assistent am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien Sonstiges 1989 – 1990 1999 Zivildienst im Seniorenheim Bregenz - Tschermakgarten Dreimonatiges Praktikum an der Kleinwinkelneutronenstreuanlage (SANS) am Paul Scherrer Institut in Villigen, Schweiz Publikationsliste [1] Ch. Pruner, Untersuchung lichtinduzierter Strukturen in PMMA mit holographischen Methoden und Neutronenstreuung, Diplomarbeit, Universität Wien (1998). [2] R. A. Rupp, F. Havermeyer, M. Fally, Ch. Pruner, and J. Kohlbrecher, Relaxation of holographic gratings in PMMA, PSI-Report (1999). [3] R. A. Rupp, Ch. Pruner, F. Havermeyer, D. W. Schubert, and J. Vollbrandt, Relaxation of density gratings in Photopolymers, Trends in Optics and Photonics XXVII, 191 (1999). [4] F. Havermeyer, Ch. Pruner, R. A. Rupp, D. W. Schubert and E. Krätzig, Absorption changes under UV illumination in doped PMMA, Appl. Phys. B, 72:201-205 (2001). [5] Ch. Pruner, R. A. Rupp, M. Fally, H. Dachraoui, R. Mazzucco, Test of a new interferometer for cold neutrons built of holographic gratings, ILL-Report (2002). [6] Ch. Pruner, M. Fally, Test of a new interferometer for cold neutrons built of holographic gratings, GKSS-Report (2002). [7] Ch. Pruner, R. A. Rupp, M. Fally, H. Dachraoui, R. Mazzucco, J. Zipfel, and R. P. May, Interferometric measurement of the longitudinal coherence-function for cold neutrons, ILL annual report (2002). 124 Konferenz/Seminarbeiträge [1] R. A. Rupp, Ch. Pruner, F. Havermeyer, D. W. Schubert, and J. Vollbrandt, Relaxation of density gratings in Photopolymers, Photorefractives-99, Poster, Elsinore, Denmark (1999). [2] F. Havermeyer, Ch. Pruner, R. A. Rupp, E. Krätzig, and J. Vollbrandt, Untersuchungen der Kinetik lichtinduzierter Gitter in PMMA mit Licht-und Neutronenbeugung, Frühjahrstagung der DPG, Vortrag, Leipzig, Deutschland (1999). [3] F. Havermeyer, R. A. Rupp, Ch. Pruner, and D. Schubert, Neutronenbeugung an holographisch induzierten Gittern in PMMA, Deutsche Neutronenstreutagung, Poster, Berlin, Deutschland (1999). [4] Ch. Pruner, Untersuchung lichtinduzierter Strukturen in PMMA mit holographischen Methoden und Neutronenstreuung, Seminar WNS der GKSS, Vortrag, Geesthacht, Deutschland (1999). [5] Ch. Pruner, Ein Interferometer für kalte Neutronen, Seminar Physik 2000, Vortrag, Inst. f. Experimentalphysik, Universität Wien, Österreich (2002). [6] Ch. Pruner, Ein Interferometer für kalte Neutronen, Seminar für Neutronen- und Festkörperphysik, Vortrag, Atominstitut der österreichischen Universitäten, Techn. Universität Wien, Österreich (2002). [7] Ch. Pruner, R. Mazzucco, M. Fally and R. A. Rupp, The polymer interferometer for cold neutrons, ESS European Conference, Poster, Bonn, Deutschland (2002). [8] Ch. Pruner, R. A. Rupp, M. Fally, An interferometer for cold neutrons built of light induced density gratings in photopolymers, IUMRS-ICEM2002, Conference on Electronic Materials / Photorefractive Phenomena and Application, Vortrag, Xi’an, China (2002). 125 126 [9] R. A. Rupp, M. Fally, Ch. Pruner, J. Vollbrandt, A. Schreyer und R. P. May, Neutron physics with photorefractive materials, Frühjahrstagung der DPG, Vortrag, Dresden, Deutschland (2003). 127 Danksagung Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Romano Rupp, der mir die Durchführung dieser Arbeit ermöglichte, mir in experimenteller und theoretischer Hinsicht jede Unterstützung sowie auch den nötigen Freiraum zur eigenverantwortlichen Arbeit gewährte. Von unschätzbarem Wert war die großartige Unterstützung durch Herrn Prof. Martin Fally. Die unzähligen Diskussionen und Anregungen sowie die freundschaftliche Zusammenarbeit mit ihm haben einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung dieser Arbeit geleistet. An den Neutronenstreuanlagen der Neutronenforschungseinrichtungen ILL, GKSS und PSI kam mir die langjährige Erfahrung von Herrn Roland May und Herrn Johannes Zipfel (Institut Laue-Langevin), Herrn Jürgen Vollbrandt, Herrn Helmut Eckerlebe und Herrn Gerhard Kozik (GKSS-Forschungszentrum) sowie Herrn Joachim Kohlbrecher (Paul-Scherrer-Institut) zugute. Herrn Dr. Andreej V. Kityk, der mich mit seinem enormen experimentellen Sachverstand bei der Justage des Aufbaues zur Messung des Rollwinkels unterstützt und damit wesentlich zur Umsetzung des Verfahrens beigetragen hat, Herrn Prof. Wilfried Schranz für den zur Verfügung gestellten photoelastischen Modulator, den Kollegen der Werkstätte des Physikinstitutes unter der Leitung von Herrn Prof. Markus Arndt für die Unterstützung in technischen Belangen sowie den Kollegen Herrn Mag. Rupert Mazzucco und Herrn Mag. Hatem Dachraoui für die tatkräftige Hilfe bei den Experimenten an der Neutronenstreuanlage des Institutes LaueLangevin gilt an dieser Stelle ebenso mein ausdrücklicher Dank. Diese Arbeit wurde durch den Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung FWF (Projekt P-14614-PHY ) unterstützt.