Hintergrundinformationen - Institut für Virologie und Antivirale

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Hintergrundinformation zur Schweineinfluenza
Influenza-A-Viren sind behüllte Viren mit einem Genom aus 8 RNA-Segmenten. Sie kommen
bei Menschen, Vögeln und verschiedenen Säugetierarten insbesondere Schweinen und Pferden
vor. Wesentliches Charakteristikum der Influenzaviren sind Reassortierungen, also das Auftreten
von Neukombinationen der Gensegmente nach Doppel- oder Mehrfachinfektion des Wirts.
Schweineinfluenzaviren lassen sich entsprechend ihrer genetischen Ausstattung in mindestens
vier Gruppen einteilen:
1. Klassische Schweineinfluenzaviren (classical swine influenza viruses):
1 Subtyp: A/H1N1. Classical swine Viren wurden erstmals 1930 isoliert, aber als Erkrankung
bei Schweinen schon 1918 während der großen Pandemie beschrieben. Nachweis dieser Viren zunächst in Nordamerika, Verbreitung auch in Asien und Europa. Zoonotische Infektionen des Menschen mit diesen Viren können Erkrankungen mit Influenzasymptomatik auslösen. 1976 und 1988 wurden auch tödlich verlaufene Infektionen mit diesen Viren beschrieben. Mensch-zu-Mensch-Übertragung nachgewiesen, Infektionsketten brachen aber bislang
immer nach wenigen Tagen/Wochen ab.
2. Reassortanten der Klassischen Schweineinfluenzaviren:
3 Subtypen: A/H3N2, A/H1N2, A/H1N3. Diese Viren entstanden auf der Basis der Klassischen Schweineinfluenzaviren durch Reassortierung mit humanen H1N1- und H3N2-Viren
und treten seit 1998 in Nordamerika auf. Diese Viren enthalten neben einigen Gensegmenten
der Klassischen Schweineinfluenzaviren auch solche aviärer und humaner Viren. Zoonotische Infektionen des Menschen mit der typischen Grippesymptomatik wurden beschrieben.
Keine Infektion verlief bislang tödlich.
3. Europäische Schweineinfluenzaviren:
3 Subtypen: A/H1N1, A/H1N2, A/H3N2. 1979 trat in Arnsberg erstmals ein neues Virus in
Schweinen auf, das vom Vogel (wahrscheinlich Ente) komplett (alle 8 Segmente) auf
Schweine übertragen worden war und sich sehr schnell in der europäischen Schweinepopulation ausbreitete. Dieses Virus wird deshalb als "avian-like" A/H1N1 bezeichnet. Das Arnsberger Virus wurde kürzlich in Jena komplett sequenziert. Reassortierungen des avian-like
H1N1 mit humanen Viren führten 1984 zu einem "human-like" A/H3N2-Virus mit 2 humanen und 6 aviären Segmenten. Beide Subtypen verdrängten bis 1993 die in Europa zirkulierenden Klassischen Schweineinfluenzaviren. Weitere Reassortierungen ließen 1994 in England/Schottland schließlich ein "human-like" A/H1N2-Virus entstehen, ebenfalls mit 2 humanen und 6 aviären Gensegmenten. Alle drei Subtypen zirkulieren bis heute. Europäische
Schweineinfluenzaviren sind weit verbreitet: in mehr als 80 % der deutschen Schweineherden
hatten die Tiere Kontakt mit diesen Viren. Die europäischen Schweineinfluenzaviren haben
eine Besonderheit: sie sind alle seit 20 Jahren resistent gegen die antiviralen Substanzen Amantadin und Rimantadin. Zoonotische Infektionen des Menschen mit den europäischen
Schweineinfluenzaviren wurden in Einzelfällen beschrieben. Eine 2008/2009 vom Institut
für Virologie und Antivirale Therapie des Universitätsklinikums Jena durchgeführte
Studie zeigt, daß bei Schweinemästern, Schlachtern und Tierärzten aus Thüringen zoonotische Infektionen mit europäischen Schweineinfluenzaviren nicht selten sind: 15 % der berufBachstraße 18 · 07743 Jena · Telefon 03641 93 00
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lich exponierten Studienteilnehmer wiesen Antikörper gegen die getesteten Schweineinfluenzaviren auf, die Mehrzahl besaß Antikörper gegen zwei oder drei der zirkulierenden Subypen.
Die europäischen Schweineinfluenzaviren verursachen eine milde Influenzasymptomatik,
Todesfälle kamen bislang nicht vor. Da Kinder ohne direkten Kontakt mit Schweinen infiziert wurden, ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wahrscheinlich. Die Infektkette bricht
aber schnell ab.
4. Neuartige Schweineinfluenzaviren aus Mexiko:
Subtyp A/H1N1. Diese Viren entstanden durch eine Reassortierung aus Viren der zweiten
und dritten Gruppe. Sie enthalten Gensegmente, die ursprünglich aus aviären, porzinen und
humanen Influenzaviren stammen. Sie besitzen die Amantadinresistenz der Europäischen
Schweineinfluenzaviren, sind aber empfänglich für die Neuraminidasehemmer Tamiflu und
Relenza. Das Virus ist von Mensch-zu-Mensch übertragbar. In Mexiko wurden zahlreiche
Menschen mit diesem Virus infiziert. Es löst dort eine schwere Influenzasymptomatik mit
zahlreichen tödlichen Krankheitsverläufen aus. Die in anderen Ländern bekannt gewordenen
Infektionen verliefen milde ohne Todesfälle. Die Ursache hierfür ist noch unbekannt.
Als Kuriosa wurden bislang zwei Reassortanten aus Europäischen und Klassischen Schweineinfluenzaviren angesehen: 2004 wurde auf den Philippinen ein A/H1N2 und 2005 in Thailand
ein A/H1N1 aus Menschen isoliert. Es handelte sich dabei um Einzelfälle, über eine Verbreitung
bei Schweinen ist nichts bekannt, obwohl sich diese Viren als Reassortanten darstellen aus 6-7
Segmenten der Europäischen Schweininfluenzaviren und 1-2 Segmenten des Klassischen
Schweineinfluenzavirus. Beide Viren sind Amantadin-resistent.
Neben Infektionen mit Schweineinfluenzaviren werden Schweine häufig auch mit humanen Influenzaviren infiziert. Solche Transspezies-Infektionen ermöglichen erst Reassortierungen. Das
Übertragungsrisiko für solche Infektionen lässt sich durch vorsorgliche Influenzaschutzimpfungen des Personals reduzieren, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen.
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Wutzler
Institut für Virologie und Antivirale Therapie,
Universitätsklinikum Jena
Peter.Wutzler(at)med.uni-jena.de
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