Hintergründe zu Strömungen im Islam

Werbung
Globale Entwicklungen, Regionale Herausforderungen
Hintergründe zu Strömungen im Islam
Von: Friederike Wegener
Islamismus ist die Bezeichnung für
alle Ideologien und politischen
Auffassungen die einen Gottesstaat auf
Grundlage des islamischen Rechtes
verfolgen wollen. Die Gesellschaftsund Staatsordnung ist dabei allein
religiös legitimiert. Vertreter des
Islamismus können ihre Ziele friedvoll
oder mit Gewalt, also durch den Jihad,
verfolgen.
Jihadismus/Dschihadismus ist eine
extremistische und militante Strömung
© midosemsem - Fotolia
des Islams. Sie bezieht sich auf den
„kleinen Jihad“, einen militärischen Kampf, der nur in spezifischen Einzelfällen zur Verteidigung der Religion
geführt werden darf. Die Legitimität des „kleinen Jihads“ wird im Einzelfall geprüft und muss von einem
Rechtsgelehrten entschieden werden. Der totale und zeitlich unbegrenzte Heilige Krieg des IS ist in seiner
Form nicht mit den Grundzügen des Islam vereinbar.
Salafismus ist eine sehr konservative Strömung des Islams und kann auch als traditioneller Islamismus
bezeichnet werden. Dessen Verfechter missionieren für eine idealisierte Gesellschaft des ursprünglichen und
unverfälschten Islams. Dieser soll vom Propheten Muhammed und dem ersten Muslimen, dem „al-salaf
al-salih" (den „rechtschaffenen Altvorderen"), praktiziert worden sein. Die Vertreter des Salafismus stützen
sich dabei auf den Koran und die Sunna (die Prophetentradition). Sie folgen der Scharia (der islamischen
Rechtsprechung) genau, sind aber weniger als die Islamisten an einer Staatsdoktrin und an Glaubenslehren
interessiert. Salafismus kann in drei Unterkategorien aufgeteilt werden, die die Ordnung der Scharia auf
unterschiedliche Weise durchsetzen wollen:
Purismus: Hier steht die Missionsarbeit an erster Stelle.
Politischer Salafismus: Hier wird die demokratische Grundordnung in Frage gestellt.
Jihadistischer Salafismus: Befürwortet Gewalt, den Jihad, um die Ordnung der Scharia durchzusetzen.
Sunniten (Sunna) und Schiiten (Schia): Die Todfeindschaft der Sunniten und Schiiten begründet sich im
Kern in der Geschichte des Propheten Mohammed und seiner Lieblingsfrau Aisha. Der Koran berichtet, dass
Aisha auf einer Expedition für zwei Tage verschollen war, bevor sie wieder zu der Karawane Mohammeds
: Die Todfeindschaft der Sunniten und Schiiten begründet sich im
Kern in der Geschichte des Propheten Mohammed und seiner Lieblingsfrau Aisha. Der Koran berichtet, dass
Aisha auf einer Expedition für zwei Tage verschollen war, bevor sie wieder zu der Karawane Mohammeds
stieß. Da sie in Begleitung eines jungen Beduinen war, wurde von einigen Mitgliedern der Karawane
Verdächtigungen über Aishas Untreue verbreitet. Insbesondere Ali Ibn Abi Talib, der Neffe und
Schwiegersohn des Propheten Mohammed, provozierte diesen und seine Frau Aisha. Der Prophet
entschärfte die Verdächtigungen mit einer Offenbarung, die ihm durch einen Erzengel zugetragen wurde,
wonach jeglicher Vorwurf gegen Aisha auf einer Lüge beruhe. Aisha jedoch vergab Ali nicht und intrigierte,
sodass nicht Ali – wie in der Erbfolge vorgesehen – der erste Nachfolger des Propheten Mohammed und
demnach zweiter Kalif wurde, sondern ihr Vater. Ali Ibn Abi Talib, um die Erbfolge betrogen, sollte nun als
vierter Kalif genannt werden. Auch hier wollte Aisha intervenieren und brachte einen Gegenkandidaten als
Kalifen-Anwärter ins Spiel. Ali Ibn Abi Talib wurde mit seinem Gefolge im folgenden Kampf in die Oase Kufa
verdrängt. Hier errichtete er einen Gottesstaat, den die heutigen Schiiten als perfekten Gottesstaat heiligen.
Die Muslime um Aischa und ihren neuen Kandidaten gründeten die neue Dynastie Omayyaden mit Zentrum
in Damaskus. Die Spaltung der islamischen Gemeinschaft (Umma) vertiefte sich durch das unterbitterliche
Vorgehen der Sunna gegen die Schia und dauert bis heute an.
Daraus ergibt sich, dass der Prophet Mohammed den Sunniten so heilig ist, dass er nicht in bildlicher Weise
dargestellt werden darf. Wohingegen die Schiiten glauben, dass es nur einen einzigen Gott gibt und
Mohammed lediglich der Prophet Gottes ist. Hingegen ist Ali Ibn Abi Talib, der Begründer der schiitischen
Glaubensauffassung, der wahrhaftige zweite Statthalter (Kalif) Gottes auf Erden. Schiiten und Sunniten
unterscheiden und bekämpfen sich also weniger wegen theologischer Gründe als wegen der politischen
Differenzen, wer der wahre Nachfolger von Mohammed und zweiter Kalif war. Nachdem Ali Ibn Abi Talib die
Erbfolge als zweiter Kalif verloren hatte und ihm auch die Position des vierten Kalifen von den Sunniten
streitig gemacht wurde, führten die Schiiten den Imam als politisches und rechtmäßiges Oberhaupt des Islam
ein. Ali Ibn Abi Talib war der erste der zwölf Imame und als einziger auch Kalif.
Alawiten (auch Nusairier) hingegen gehörten zur schiitischen Strömung des Islams, deren wichtigster
Heiliger Ali Ibn Abi Talib ist. Der Prophet Mohammed hat demnach keine hohe Stellung in der alawitischen
Glaubensauffassung. Trotzdem werden die Alawiten von Sunniten und Schiiten gleichermaßen als
„abscheuliche Ketzer geschmäht“ (Scholl-Latour, 2014, S.45) und als esoterische Sekte verstanden. Sie
sollen sich im 9. Jahrhundert von der schiitischen Strömung des Islams abgespalten haben (S.62) und sind
seither Opfer der Verfolgung, wie im 16. Jahrhundert im Ausrottungsfeldzug des sunnitisch-türkischen Sultans
Selim I. Die Alawiten differenzieren sich von Schiiten und Sunniten in theologischer Hinsicht insofern, als dass
sie an Seelenwanderung glauben und als Gnostiker auch an eine verborgene Botschaft im Koran. Das
widerspricht den Sunna und Schia, die den Koran größtenteils wörtlich interpretieren. Die Alawiten findet man
heute hauptsächlich in Syrien, in der Türkei und im Libanon.
Aleviten: Nicht zu verwechseln sind die Alawiten mit den türkischen und kurdischen Aleviten. Letzteres ist
eine Strömung des Islam, die im 13./14. Jahrhundert durch turkmenische Zuwanderer in Anatolien entstand.
Wie die Alawiten und die Mehrheit der Schiiten glauben sie an die Zwölfer-Schia, das heißt, dass es zwölf
Imame gab (andere Schiitische Gruppierungen glauben nur an 7 Imame). Im Gegensatz zu den Sunniten,
Schiiten und Alawiten halten sich die Aleviten jedoch nicht an die fünf Glaubenssäulen des Islam sowie an die
Mehrzahl der Gebote und Verbote. Auch werden die Aleviten als mystische und schamanistische Sekte
angesehen. Alawiten und Aleviten unterscheiden sich außerdem in ihrer Auffassung der autoritären Personen
und der Rolle der Frau. Während die Frauen der Aleviten an den Ritualen teilnehmen dürfen, ist dies den
Frauen in der alawitischen Glaubensrichtung untersagt.
Die fünf Säulen des Isla
1.Öffentliches Glaubensbekenntnis
2.Tägliches rituelles Gebet
3.Soziale Spende
4.Fasten während des Ramadans
5.Wallfahrt nach Mekka
Obwohl die vier Glaubensrichtungen alle zum Islam gehören und auf dem Koran basieren, haben die Gier
nach Macht und Einfluss sowie der Wunsch nach der Vormachtstellung des „richtigen Glaubens“ die Muslime
geteilt. So ist die Geschichte des Islams geprägt von Verfolgung, Ermordung und Unterdrückung der
Anhänger der einzelnen Glaubensrichtungen untereinander. Die Grenzziehung des Westens im Mittleren
Osten hat keine ethischen und religiösen homogenen Nationalstaaten kreiert. Sie verlangt, dass Sunniten,
Schiiten, Alawiten und Aleviten unter einer Regierung leben, was oft Unterdrückung und Machtkämpfe zu
Folge hat.
Religiöse Zusammensetzung im Mittleren Osten: Die Mehrzahl der Muslime gehört der sunnitischen
Glaubensrichtung an. Die zweitgrößte Gemeinschaft stellen die Schiiten dar, gefolgt von den Alawiten und
den Aleviten. Während Syrien mehrheitlich sunnitisch ist, wird das Land von einer alawitischen Regierung
unter Präsident Bascha al Assad geführt. Der Irak hingegen in mehrheitlich schiitisch, war jedoch lange unter
Saddam Hussein in sunnitischer Hand. Die Bevölkerung des Irans besteht zu etwa 90 Prozent aus Schiiten.
© Alle Rechte vorbehalten.
consulting plus
Beratung GmbH
Girardetstraße 1-5
45131 Essen
Tel.: +49 201 27 90 40
Herunterladen