WELTRELIGIONEN-EXKURSIONEN zu Orten religiöser Begegnung ISLAMISCHES ZENTRUM IMAM ALI (Schiiten, Mollardgasse 50, 1060 Wien) Am 9. Februar 2017, 16 Uhr kamen 25 Personen zum Islamischen Zentrum Imam Ali und wurden von einer mit Dschador bekleideten Dame zur Bibliothek geführt, wo wir die Schuhe ablegten. Dort erwartete uns Imam Erich Muhammad Waldmann. Den Damen unter uns hat der Imam wegen der einschlägigen islamischen Vorschrift nicht die Hand zur Begrüßung gereicht – dafür aber um Verständnis gebeten. Wir wurden dann in einer sehr herzlichen Atmosphäre mit Tee und Kuchen bewirtet. Wie uns Herr Waldmann erzählte, stammt er aus Leoben. Durch den Mann seiner Schwester lernte er den Glauben der Schiiten kennen, der ihn sehr beeindruckte, so dass er zu dieser Glaubensgemeinschaft konvertierte. Er erhielt die notwendige Ausbildung im Iran und ist zuständig für Unterrichtet und wissenschaftliche Untersuchungen im schiitische Zentrum. Außerdem unterrichtet er an der religionspädagogischen Fachhochschule, die interreligiös geführt wird. Das Islamische Zentrum (IZIA) ist 1991 für religiöse Aktivitäten, wie Gemeinschaftsgebet, Freitaggebet und Gottesdienste gegründet worden. Eine Frauengruppe unterrichtet im Zentrum vor allem Frauen und Jugendliche. Es gibt Religionskurse und eine Reihe von Diensten auf kulturellem Sektor; so zum Beispiel Sprachkurse in Farsi, Deutsch und Arabisch. Auch die Bibliothek steht den Studierenden zur Verfügung. Das Islamische Zentrum Imam Ali unterstützt die Gläubigen bei der Entwicklung und Vertiefung ihres islamischen Bewusstseins. Es ist bemüht, die Menschen auf eine den Lebensumständen in Europa entsprechende Weise zu helfen, ihr Leben in ethischer, familiärer und gesellschaftlicher Hinsicht zu gestalten und in der österreichischen Gesellschaft zu leben. Das IZIA gehört auch dem Multireligiösen Bezirksforum (MRBF) für den 6. Bezirk an. Dabei sind auch die Evangelische Pfarrgemeinde AB Gumpendorf, die Pfarre St. Ägyd Gumpendorf, die Christengemeinschaft, Mariahilferstrasse, die Pfarre St. Josef ob der Laimgrube, Windmühlgasse 3, die Pfarre Mariahilf, Barnabitengasse, die Baptistengemeinde Mollardgasse bzw. der buddhistische Fo-Guang-Shan Orden, Sechshauserstrasse. Es werden gemeinsame Aktivitäten zum Kennenlernen der Vielfalt der religiösen Einrichtungen und der dort lebenden Menschen veranstaltet. Diese Gemeinschaft wird auch vom Bezirksvorsteher unterstützt. Die muslimische Welt kennt verschiedene Glaubensrichtungen. Die weltweit größte sind die Sunniten. Die Schiiten bilden die zweitgrößte muslimische Gemeinschaft. Schiiten glauben an einen einzigen Gott (Allah), Mohammed und die Auferstehung. Der Begriff Schiiten bezieht sich auf die Schia Ali, die Partei von Ali Ibn Abi Talib, einem Cousin und Schwiegersohn des Propheten. Ali übernahm nach dem Tod der ersten drei Nachfolger des Religionsgründers Mohammed im 7. Jahrhundert als vierter weltlicher und geistiger Führer die Leitung der noch jungen islamischen Gemeinde. Die Schiiten betrachten ihn als einzigen legitimen Nachfolger Mohammeds und als Imam, der göttlich legitimiert ist. Nach Ansicht der Sunniten, ist die Bestimmung des Nachfolgers des Propheten den Muslimen überlassen.. Sunniten und Schiiten unterscheiden sich allerdings im Glauben und in der religiösen Praxis kaum. In beiden Hauptrichtungen des Islams gibt es aber verschiedene Rechtsschulen. Unterschiede sind beim Gebet und der Rechtsauslegung, z.B. beten Schiiten mit offenen Sunniten mit geschlossenen Händen. Schiiten verwenden einen Gebetsstein, den sie in den Gebetsraum mitnehmen – ein Symbol für die Erde, Sunniten aber nicht. Der Koran ist das durch den Engel Gabriel geoffenbarte Wort Gottes an den Propheten Mohammed. Die Sunna beinhaltet die Aussagen des Propheten über die islamische Lebensweise (Tradition). Die Sunna ist auch eine Quelle für die Scharia, das ist die Rechtleitung im religiösen und moralischen Bereich. Bei den Speisevorschriften - im Arabischen halal = erlaubt bzw. haram= verboten - gibt es geringe Unterschiede zwischen den Vorschriften für Schiiten und Sunniten. Die Teilnehmer unserer Gruppe zeigten großes Interesse und stellten immer wieder Fragen an Herrn Waldmann. Wie der Imam sagte, sind die Schiiten an einem guten Zusammenleben mit den Sunniten interessiert. Die IGGiÖ, d.i. die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich repräsentiert alle Muslime und ist eine gemeinsame Plattform. Die Flüchtlingsfrage hat sich für die Gemeinschaft sehr wenig ausgewirkt. Der IS ist in den letzten 6-7 Jahren entstanden und setzt sich aus Extremisten zusammen. Er hat mit dem Islam nichts zu tun. Zur Freiburger Deklaration – einer Bestrebung um einen säkularisierten Islam - meinte der Imam, dass sich die Schiiten an die Rechtsvorschriften unseres demokratischen Staates, in dem sie leben, halten. Weder Muslime noch Nichtmuslime sind der Überzeugung, dass die Verfassung von Gott ist. Doch das gesellschaftliche Zusammenleben erfordert die Einhaltung der Verfassung auch für Muslime. Die Menschenrechte stehen jedem Menschen zu. In Österreich leben derzeit ca. 600 000 Muslime. Wo Krieg herrscht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist es Muslimen von ihrem Glauben nicht erlaubt, Menschen wegen ihres Glaubens zu töten. In mehreren Staaten bilden die Schiiten die Mehrheit: Iran, Irak, Aserbaidschan und Bahrain. Schiiten gibt es auch im Libanon, Jemen, Pakistan und Afghanistan. Die Aleviten (Anhänger Alis) sind eine auf das 13./14. Jahrhundert zurückgehende, in Anatolien entstandene Religionsgemeinschaft, die Ähnlichkeiten mit dem schiitischen Islam aufweist. Man unterscheidet türkische und kurdische Aleviten. Die schiitische Gemeinde wird großteils durch Spenden aber auch durch ausländische Hilfe finanziert. Obwohl es im Iran nur wenige Christen (armenisch orthodoxe, evangelikale) bzw. auch wenige Juden insgesamt ca. 80 000 Personen gegenüber 80 Mill. Muslimen gibt, haben diese ihre Abgeordneten im Parlament. Die Steinigung im Iran ist seit 10 Jahren nicht mehr vollstreckt worden. Es gibt zwei Kategorien von Sünden: Die Sünde gegen Allah wird leicht verziehen, die Sünde gegen Menschen erst am Jüngsten Tag. Jede Sünde kann vergeben werden, wenn man aufrichtig bereut. Beichte ist nicht möglich. Man darf seine Sünden niemandem sagen. Wenn man stirbt kommt man in eine Zwischenwelt bis alle Menschen gestorben sind. Dann kommt der Tag der Abrechnung, der 50 000 Jahre dauern wird. Die Vollverschleierung ist in Afghanistan und im Iran in bestimmten Gebieten üblich. Es ist notwendig, dass es bei Gericht, im öffentlichen Raum und im Straßenverkehr keine Vollverschleierung gibt. Das muss akzeptiert werden. Nun führte uns Herr Waldmann in die beiden im Erdgeschoss befindlichen Gebetsräume. Während unsere Gruppe dort anwesend war, sind laufend Menschen zum Gebet gekommen. Wie der Imam ausführte, kommen zu besonderen Anlässen bis zu 3 000 Personen (vor allem viele Jugendliche und junge Familien). Die Gebetsgestaltung erfolgt dann über Lautsprecher in allen Räumen des Hauses. Es war sehr berührend, als ein älterer Mann an uns selbstgebackene Brote austeilte. Abschließend wurde von uns noch die FATIHA gebetet: Im Namen Gottes, des Allergnädigsten und Allbarmherzigsten Lob sei Gott, dem Herrn der Universen, dem Allergnädigsten, dem Allbarmherzigsten, dem König am Tag des Jüngsten Gerichtes. Dir nur dienen wir, und Deine Hilfe suchen wir, leite uns Deinen geraden Pfad, den Pfad derer, die Deine Gnade kennen, nicht derer, von denen Du Dich abgewandt hast, und nicht jener, welche den geraden Pfad verließen. Amen Herr, erbarme dich! Wir danken Imam Erich Muhammed Waldmann für die freundliche Aufnahme und seine Ausführungen. Helene Hornich und Helene Spitalsky Wien, im Februar 2017