III Im Reich des Imam

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III Im Reich des Imam
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10.
Der persische Sonderweg
While the Imam remained in occultation, a shadow of
illegitimacy was bound to cover all worldly strivings and
activities, above all thoses related to government. There was
no true authority nor the possibility thereof; only power.
The real triumph of Shi’ism is possible only through the return
and manifestation of the Hidden Imam, when legitimacy will
return to the world and be fulfilled.
Hamid Algar, Religion and State in Iran 1785-1906 – The Role
of the Ulama in the Qajar period – Berkley and Los Angeles
1969
Die Revolution, die 1979 in Iran zu einem radikalen Staatsumbau führte, ist der
einzigartige Fall eines Wechsels von Herrschaftssystem und Herrschaftsklasse innerhalb der
islamischen Staatenwelt im 20. Jahrhundert. Zwar hat es in der postkolonialen Epoche
zahlreiche Umstürze und Neugründungen gegeben, aber selbst in den Fällen, in denen der
Islam offiziell als Staatsreligion anerkannt wurde, galt der Koran nicht wörtlich als
Grundgesetz. Einmalig war vor allem, daß ein Geistlicher an die Spitze der Staatspyramide
trat, allerdings nicht mit eigener Machtvollkommenheit, sondern als Repräsentant des
verborgenen Imam.
Durch ein Referendum wurde im März 1979 die neue Verfassung der Islamischen
Republik Iran angenommen und somit ein Gottesstaat gegründet, in dem der Velayat-e-Faqih,
der große Rechtsgelehrte, oberste Autorität im Namen des verborgenen Imam war. Die
theoretische Grundlage dafür hatte Khomeini in seinem Buch "Der islamische Staat" gelegt.
In der radikalen Weiterentwicklung der Funktion der Obersten Instanz in diesem System, die
ursprünglich nur theologische Bedeutung gehabt hatte, zur obersten Instanz auch in
politischen Fragen, liegt das eigentlich Revolutionäre in Khomeinis Lehre. Er tritt aber nicht
als Usurpator an die Stelle des Schahs, sondern betrachtet sich als Statthalter des verborgenen
Imam bis zu dessen Wiederkehr als der Mahdi.
Die Schia hat sich vom Hauptstrom der islamischen Welt schon in der Frühzeit kurz
nach dem Tod des Propheten entfernt. Ursache hierfür waren nicht, wie im frühen
Christentum, in erster Linie theologische Fragen, sondern reine Machtfragen. Die Schia, die
sich als die Partei Alis bezeichnet, konnte sich nicht damit abfinden, daß der Neffe und
Schwiegersohn des Propheten Mohammed nicht zu dessen Nachfolger gewählt worden war.
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Erst nachdem drei andere Kandidaten zum Zuge gekommen waren, kam die Reihe auch noch
an Ali. Dieser wurde aber von seinen Feinden im Zusammenhang mit den Nachfolgewirren
ebenso getötet wie sein Sohn Hussein. Mit diesen beiden begann die Reihe der von der
Zwölfer Schia anerkannten Imame, die die obersten Autoritäten für die schiitischen Gläubigen
waren und noch immer sind. Die Omajjaden Kalifen wurden von den Schiiten ausdrücklich
nicht als Oberhaupt des Islam anerkannt.
Ali und sein Sohn Hussein waren die ersten Imame, die Gegenstand des für die
Schiiten charakteristischen Trauerkultes wurden. Ihnen folgten zehn weitere Imame nach,
deren Bild aber in der geschichtlichen Überlieferung nicht ganz deutlich wird. Die Schia lehrt,
daß der Zwölfte Imam in der Jugend in die große Verborgenheit getreten ist. Man erwartet
seine Wiederkehr und damit die Herrschaft der Gerechtigkeit in der Welt. Dies ist die
Hoffnung auf die Gestalt des Mahdi, die auch sonst in der islamischen Welt verbreitet war
und ist. Auch die Besetzer der Großen Moschee von Mekka im Jahre 1979 bezeichneten sich
als Gefolgsleute des Mahdi.
Die Schia wurde Staatsreligion in Persien mit dem Gründer der Safawiden-Dynastie,
Schah Ismail (1501 - 1524). Im Laufe der Jahrhunderte bildete sich unter den Ayatollahs eine
institutionalisierte und hierarchisch gegliederte geistige Führungsspitze heraus. Neben der
religiösen Betreuung ihrer Anhänger waren sie für das Justiz- und Erziehungswesen
zuständig. Höchsten Rang hatten vor allem diejenigen Ayatollahs, die ihren Sitz an einem der
Wallfahrtsorte hatten, wo Imame und Märtyrer verehrt wurden. Die weltliche Herrschaft des
Schah wurde respektiert, aber immer kritisch beobachtet. Die Schiiten unterstützten den
Schah ausdrücklich in allen Fragen, die die nationalen Interessen betrafen. Seit der Frühzeit
unterstützte die Schia die Staatsmacht in ihrer Auseinandersetzung mit dem byzantinischen
Reich. Später traten an deren Stelle die Osmanen, mit denen es lang andauernde
Auseinandersetzungen gab. Im 18. Jahrhundert schließlich wurden Teile des Iran von
sunnitischen Afghanen erobert. Schließlich sah sich Iran durch das zaristische Rußland und
vor allem das imperiale Britannien bedrängt, das die Interessen seines indischen Reiches
wahrnahm. Im 20. Jahrhundert war Iran zeitweise in Einflußzonen zwischen Sowjetunion und
England aufgeteilt.
Zur Erhaltung der nationalen Identität kämpfte der Klerus auch gegen die Regierung
des Schah aus der Kadjaren-Dynastie, die sich im 19. Jahrhundert als vorletzte persische
Dynastie durchsetzen konnte. Die Schah-Regierung war allerdings damals viel weniger
entschlossen, als die geistliche Führung, Ansprüche der auswärtigen Mächte, insbesondere der
imperialen Briten, zurückzuweisen.
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Die Geistlichkeit war auch beteiligt, als es 1924 zur Ablösung des letzten KadjarenSchahs kam. Die Geistlichkeit befürchtete, daß über den politischen und wirtschaftlichen
Einfluß die westliche Lebensart sich in Iran durchsetzen und damit der iranischen Kultur ein
Ende setzen könnte. In der Schlußphase der Monarchie waren die Amerikaner beinahe der
einzige ausländische Gegner, den man in Iran fürchtete.
Während des ganzen 19. Jahrhunderts hatte die Geistlichkeit zusammen mit dem
Mittelstand und den Basaris gegen den Ausverkauf Irans durch die Kadjaren-Herrscher
gekämpft, die immer etwas klamm waren. Ein berühmtes Beispiel ist der Streit um das
Tabakmonopol Ende des 19. Jahrhunderts. Unter strenger Geheimhaltung hatte das
Herrscherhaus die Konzession für die Tabakindustrie und den Tabakhandel an britische
Händler vergeben. Der Widerstand dagegen kumulierte schließlich in einer von einem hohen
Geistlichen erlassenen Fatwa, die den Tabakgenuß aus religiösen Gründen untersagte. Dieser
Fatwa war großer Erfolg beschieden. Die frommen Iraner hielten sich an die Vorgabe und im
ganzen Lande gingen die Wasserpfeifen aus.
Auch in der Frage einer Volksvertretung stellte sich die Geistlichkeit auf die Seite der
Händler und des Mittelstandes, die vor allem durch eine solche Vertretung repräsentiert
werden
wollte.
Allerdings
war
für
die
Mullahs
ausgemacht,
daß
eine
solche
Verfassungsentwicklung nicht zu einer Anerkennung der Souveränität des Volkes führen
durfte. Sie sorgten daher für eine Regelung, die sicherstellte, daß durch das Parlament keine
Gesetze erlassen werden konnten, die nicht mit dem Islam übereinstimmten. Aus diesem
Grunde wurde ein Wächterrat eingerichtet, der die entsprechende Überwachung vornahm.
Dieser Wächterrat wurde auch in die Verfassung der Islamischen Republik Iran von 1979
aufgenommen. Mit der Vorbereitung der neuen Verfassung weigerte sich Khomeini
kategorisch, die Kennzeichnung „Demokratie“ in den Staatsnamen aufzunehmen. Im
Gottesstaat kann das Volk nach der schiitischen Lehre nicht souverän sein.
Der Kosakenführer Reza, der an der Spitze des Umsturzes der letzten Kadjaren
gestanden hatte, und der ein großer Bewunderer des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk
war, hätte gerne nach dem türkischen Vorbild eine säkulare Republik eingeführt. Die
Ayatollahs plädierten allerdings erfolgreich für die Beibehaltung der Monarchie, so daß sich
Reza unter Annahme des altpersischen Namens Pahlevi als neuer Schah ausrufen ließ. Das
änderte an dem Grundverhältnis zwischen Geistlichkeit und Herrscher allerdings nichts. Es
kam zu heftigen Zusammenstößen mit dem neuen Herrscher, wenn dieser etwa in das
Heiligtum von Quom einbrach und eigenhändig widerspenstige Mullahs züchtigte, wenn diese
wieder einmal zu aufmüpfig wurden.
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In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam es zu einer Konfrontation um die
Ölindustrie, bei der das Parlament gegen den Herrscher stand, den letzten Schah Mohammed
Reza. Premierminister Mossadeq wollte die Ölindustrie nationalisieren. Die geistliche
Führung unter dem Großayatollah Kashan hatte sich zunächst auf die Seite Mossadeqs
gestellt, da sie, wie dieser, die Ressourcen des Landes nicht den Ausländern überantworten
wollten. Allerdings nahm die Geistlichkeit sich später wieder zurück, da sie spürte, daß wer
auch immer als Sieger aus der Konfrontation hervorgehen würde, den Klerus nicht als Partner
ansehen würde. Sicher spielt auch die Befürchtung eine Rolle, daß bei einem Sieg des
Parlaments die kommunistische Tudeh-Partei zuviel Einfluß in Iran bekommen könnte und
mit ihr die benachbarte Sowjetunion. Diese stand Anfang der 50er Jahre ja noch im Zenith
ihrer Macht.
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