Wechselwirkung von Strahlung mit Materie 1

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KAPITEL H
Wechselwirkung von Strahlung mit Materie
1. Einleitung
In der Elektrodynamik wird der Einfluß der Materie auf die Strahlung mit Hilfe der Stoffkonstanten ε r und µ r berücksichtigt, wobei in der Optik häufig µ r = 1 gilt. Hiermit ist es z.B.
möglich, Polarisations- und Intensitätsverhältnisse beim Übergang von Strahlung von einem
zum anderen Medium vollständig zu beschreiben. Dies leisten die Fresnelschen Formeln, die
aus der Maxwellschen Theorie bei Berücksichtigung der Randbedingungen folgen. Möchte
man Aussagen über ε r selbst bekommen, muß man zu einer mikroskopischen Betrachtung
übergehen, d.h. untersuchen, wie die Atome und Moleküle in einem Medium auf die Strahlung reagieren. Wir wissen, daß die Dynamik der Elektronen in einem Atom durch eine Wellengleichung beschrieben wird und daß diese im Atom zu Eigenzuständen führt, die diskrete
Energien aufweisen. Daher sind auch bei der Emission und Absorption nur bestimmte Energiesprünge ∆E = hν möglich. Diese Energiesprünge widersprechen der klassischen Mechanik, so daß man im allgemeinen aus einer klassischen Betrachtung der Wechselwirkung von
Strahlung mit Materie falsche Aussagen erhält. Wir behandeln das Problem trotzdem klassisch, da einige Ergebnisse, z.B. aus der Streutheorie, qualitativ richtig sind und da wir bei
den falschen Vorhersagen besser verstehen, warum die Einführung der Quantenmechanik notwendig war. Klassisch hat man es entweder mit freien oder gebundenen Elektronen zu tun,
die durch die einfallende Welle zu Schwingungen angeregt werden und ihrerseits als Dipole
strahlen. Wir rekapitulieren daher im folgenden einige Grundtatsachen der Dipolstrahlung.
Für eine genauere Darstellung verweisen wir auf die Elektrodynamik.
2. Dipolstrahlung
Abb. 177: B und E im Nahfeld eines Dipols
Ein Dipol mit sinusförmigem Zeitverhalten p = ex = ex 0 sin ωt hat im Nahfeld, d.h. für Laufzeiten der Welle, die klein gegen ihre Schwingungsperiode sind, das Feld eines ruhenden Dipols und B steht senkrecht zu E und zum Radiusvektor r. Die Feldstärke geht mit 1/r3.
Abb. 178: E und B im Fernfeld
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Im Fernfeld hat man ein Feld einer elektromagnetischen Welle, d.h. E ⊥ B, r; B⊥ r .
E in der Welle entspricht der Projektion des ursprünglichen Feldes auf die Ebene senkrecht zu
.
E ϑ = E 0 sin ϑ, I = I 0 sin 2 ϑ
Die Abstrahlcharakteristik eines Dipols geht daher mit sin 2 ϑ.
3. Streuung an freien Elektronen
a) Polarisation
Abb. 179: Polarisationsverhältnisse bei Streuung an
Elektronen
Auch bei Streuung an gebundenen Elektronen ergeben sich die Polarisationsverhältnisse aus
dem Dipolbild (Abb. 179).
b) Spektrale Verteilung
Man muß beachten, daß bei einer konstanten Elektronendichte keine Streuung möglich ist.
Dadurch, daß sich im Streulicht Wellen mit allen möglichen Phasen überlagern, würde die resultierende Intensität Null sein. Gestreut wird also immer an Fluktuationen. Sind diese Fluktuationen inkohärent, so spiegelt sich in der spektralen Verteilung des Streulichtes die Verteilungsfunktion der Elektronen wieder, und man mißt über die Breite die Temperatur der
Elektronen:
Abb. 180: Linienprofil bei
inkohärenter Streuung an
freien Elektronen
∆ωH ∼ T e
Die Gesamtintensität ist ein Maß für die Dichte der Elektronen
∞
∫ 0 I(λ)dλ ∼ n e
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Abb. 181: Linienprofil des Streulichtes
Streuung
bei kohärenter
Wenn die Fluktuationen der Elektronendichte durch Wellenphänomene im Elektronengas
korreliert sind, spricht man von kohärenter Streuung. Das Spektrum spiegelt die charakteristischen Frequenzen der Fluktuationen wider.
4. Streuung an gebundenen Elektronen
a) Dispersionstheorie
Der Brechungsindex n kann in einer mikroskopischen Theorie über die Polarisierbarkeit der
Atome und Moleküle des Mediums berechnet werden.
n2 = εr = 1 + χ
χ ist hierin die Suszeptibilität, d.h. die Polarisierbarkeit aller Teilchen in einem Volumen
χ = Nα
α ist die Polarisierbarkeit eines Atoms
p = ex = αε 0 E
p ist das Dipolment eines Atoms.
Zur Berechnung von α gehen wir vom gedämpften harmonischen Oszillator aus. Die Bewegungsgleichung im Wellenfeld lautet:
••
•
e E e iωt
x +ω20 x + γ x= m
0
ω20 enthält die rücktreibende Kraft und γ die Dämpfung. Man löst wie bei der erzwungenen
Schwingung mit dem Ansatz
•
••
x = x 0 e iωt , x= iωx, x= −ω2 x
 −ω2 + ω2 + iγω x = e E 0
0


m
2
χ = Nα = εNem 2 1 2
0 −ω + ω + iγω
0
Der korrekte, aus der Quantenmechanik folgende Ausdruck unterscheidet sich hiervon dadurch, daß im Atom mehrere Frequenzen ωi vorliegen, über die man summieren muß. Der
Beitrag jeder Teilschwingung zu χ wird durch die Oszillatorenstärke fij charakterisiert, wobei
man von Übergängen zwischen den Niveaus i und j ausgeht.
Nje2
χ= ε m
0
Σ −ω2 + ωij2 + iγω
f
i
Aus n 2 = 1 + χ ergibt sich der komplexe Brechungsindex
∼
n = n r + in i
Für den Fall kleiner Dämpfung kann man ni durch ein Lorentzprofil annähern
107
ni ∼
1

1 +  2∆ω
γ 
1
2
1 +  ω∆ωH 
2
(ωH = γ/2)
Abb. 182: Real- und Imaginärteil des Brechungsindex
nr − 1 ∼
∆ω
2
1 +  ω∆ωH 
Der Imaginärteil spiegelt die Form einer Absorptionslinie wider, während der Realteil den üblichen Brechungsindex angibt. Man erkennt, daß im Bereich der Absorption dn < 0 ist und
dω
dn
damit anomale Dispersion vorliegt. Außerhalb ist
> 0 und dort liegen die Gebiete normadω
ler Dispersion. Z.B. liegen bei durchsichtigen Medien wie Glas Absorptionsstellen im Ultravioletten und Infraroten. Im Sichtbaren zeigt das Material daher normale Dispersion.
b) Warum ist der Himmel blau?
Die Streuung von Licht an gebundenen Elektronen nennt man Rayleigh-Streuung. Sauerstoffmoleküle haben Resonanzstellen im Ultravioletten. Da die Feldstärke des Strahlungsfeldes eines Dipols mit der Amplitude der Dipolschwingung geht und diese durch das Verhalten einer
Abb. 183: Streuung an Luftmolekülen
erzwungenen Schwingung bestimmt ist, gilt
E st =
E0
1 +  ω∆ωH 
ωH ist die Halbwertsbreite der Resonanz.
Für ∆ω
ωH >> 1 wird E st =
E0
 ∆ω 
 ωH 
2
,I=
I0
 ∆ω 
 ωH 
4
c , ist ∆λ = ∆ω und damit I ∼ 1 .
Da λ = ω
st
ωH
λH
∆λ 4
2
108
Bei Rayleighstreuung geht die Intensität mit der vierten Potenz der Wellenlänge. Daher wird
blaues Licht viel stärker gestreut als rotes, und der Himmel scheint bei seitlicher Beleuchtung
blau, bei Durchstrahlung rot.
5. Andere Streueffekte
Strahlt man genau mit einer Resonanzwellenlänge ein, erhält man Streulicht durch Resonanzfluoreszenz. Resonanzfluoreszenz eignet sich zum empfindlichen ortsaufgelösten Nachweis
von Stoffen. Die Streuung an dem Gitter eines Kristalls, die wegen der kleinen Abstände
Röntgenlicht erfordert, heißt Bragg-Streuung. Sie wird zur Untersuchung von Kristallen und
zur spektralen Zerlegung von Röntgenlicht eingesetzt. Mie-Streuung findet an Teilchen statt,
die deutlich größer als die Wellenlänge der Streustrahlung ist. Comptonstreuung ist Streuung
an freien Elektronen im Festkörper mit Photonenenergien von der Größenordnung der Energie der Ruhemasse des Elektrons mc2. Bei Comptonstreuung wird Energie auf ein Elektron
übertragen und die Frequenz der Strahlung erniedrigt. Der Comptoneffekt ist klassisch nicht
erklärbar, aber quantenmechanisch quantitativ beschreibbar.
6. Äußerer Photoeffekt
Durch energiereiche Strahlung können Elektronen aus einer Oberfläche ausgelöst werden. Im
Abb. 184: Elektronen werden durch Licht aus einer Metalloberfläche ausgelöst
klassischen Bild wird die Energie der einfallenden Strahlung, die proportional zum Quadrat
der Amplitude ist, verwendet, um die Austrittsarbeit Φ 0 zu überwinden. Der Rest wird in der
kinetischen Energie der Elektronen gefunden, d.h. man erwartet
kE 20 = Φ 0 + 1 mv 2
2
Beobachtet wird
hν = Φ 0 + 1 mv 2
2
Man deutet dies nach Einstein mit der Annahme, daß Licht aus Quanten der Energie hν
besteht.
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