Rempelei unter Elektronen Erstmals beobachtet: Ultrakurze physikalische Prozesse Teilchenfalle: Hinter dem komplexen optischen Versuchsaufbau erkennt man die Vakuumkammer mit dem halbkugelförmigen Elektronenanalysator. Jens Güdde Marburger Physiker haben erstmals die grundlegenden mikroskopischen Prozesse beobachtet, die für den elektrischen Widerstand von Materialien verantwortlich sind. Den Forschern am Fachbereich Physik der Philipps-Universität ist es gelungen, Strompulse zu erzeugen und nachzuweisen, die tausend mal kürzer sind als solche, die bisher mit der schnellsten Elektronik messbar waren. Die Ergebnisse ermöglichen fundamentale Aussagen über die Wechselwirkung von Elektronen in Festkörpern. Die elektrische Leitfähigkeit von Metallen wird durch Stöße der Elektronen an den Atomrümpfen bestimmt. Selbst in sehr guten elektrischen Leitern wie Kupfer beträgt die Zeit zwischen zwei Stößen nur wenige Femtosekunden. Diese Effekte konnten bisher jedoch nie direkt gemes- sen werden. In Marburg konnten nun erstmals ultrakurze Strompulse berechnet und experimentell realisiert werden; sie wurden durch Bestrahlung von Metalloberflächen mit Femtosekundenlasern generiert – eine Femtosekunde entspricht der Dauer von 0,000 000 000 000 001 Sekunden. Die gezielte Erzeugung und Manipulation solcher Strompulse eröffnet nicht nur ein weites Feld der Grundlagenforschung, sondern könnte eines Tages zur Entwicklung elektronischer Bauelemente führen. Um elektrische Ströme an einer Kupferoberfläche zu er- zeugen, verwendeten die Forscher Laserpulse. Die eingestrahlte Energie versetzt die Elektronen in dem bestrahlten Material in einen angeregten Zustand. Die Besonderheit des Marburger Experiments liegt aber vor allem in dem Nachweis des Stroms mit Hilfe des Photoeffekts. Dazu wird ein weiterer Laserpuls eingestrahlt, der die angeregten Elektronen aus der Probe herausschlägt, ohne ihre Geschwindigkeit parallel zur Oberfläche zu ändern: Der Strom kann dann beobachtet werden, indem man die Geschwindigkeitsverteilung der emittierten Elektronen mit einem Elektronenanalysator misst. Die Ergebnisse der Physikprofessoren Ulrich Höfer und Stephan Koch sowie ihrer Kollegen wurden in „Science“ veröffentlicht. >> vd Subtile Geschichtspolitik Trotz Zäsur aktuell Verbundprojekt erforscht frühneuzeitliche Erinnerungsliteratur 50 Jahre wirtschaftswissenschaftlicher Systemvergleich Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Gemeinschaftsprojekt „Herrschermemoria und politische Norm in der Frühen Neuzeit“, das die Forschungsstelle für Personalschriften zusammen mit dem Seminar für Neuere Geschichte der Philipps-Universität durchführt. Im Mittelpunkt stehen Gedenktexte, die an verstorbene Fürsten erinnern und politische Leitbegriffe vermitteln. Die Gesamtsumme der eingeworbenen Mittel beträgt über 400.000 Euro. Bei dem Vorhaben geht es darum, wie politische Normen in der Frühen Neuzeit formu- Namhafte Gäste aus Wissenschaft und Politik haben das 50-jährige Bestehen der Marburger „Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme“ gefeiert, unter ihnen der frühere polnische Finanzminister Leszek Balcerowicz. Auch der Hessische Wirtschaftsminister ließ es sich nicht nehmen, am Festakt teilzunehmen: Alois Rhiel hat einst bei Alfred Schüller promoviert, dem bisherigen Leiter der Forschungsstelle. Die Marburger Forscher setzen sich mit Ordnungsfragen der Wirtschaft auseinander. „Der Zusammenbruch der meisten Zentralverwaltungswirtschaften 1989 markierte ei- ne deutliche Zäsur“, sagte Schüller in seinem Rückblick. „Der Vergleich von Wirtschaftssystemen – ist das Schnee von gestern oder aktuelles Forschungsprogramm?“, fragte Schüllers Nachfolger Stefan Voigt. Dem neuen Leiter zufolge besteht nach wie vor ein Bedarf, die „Vielfalt institutioneller Arrangements innerhalb von Marktwirtschaften“ zu vergleichen: „Diese Institutionen haben zum Teil sehr weit reichende ökonomische Konsequenzen, die erst in den letzten Jahren zum Gegenstand ökonomischer Forschung geworden sind.“ >> vd Oliver Geyer st Nachruf-Exegeten: Rudolf Lenz (l.) und Christoph Kampmann können sich über die Förderung ihres Geschichtsprojektes freuen. liert, aber auch funktionalisiert wurden. Aufgegriffen wird ein besonders aussagekräftiger Aspekt, der bisher so gut wie keine Beachtung gefunden hat: die Erinnerung an verstorbene Herrscher in Leichenpredigten, Nachrufen, Gedenkreden. „Salopp formuliert: In der Frühen Neuzeit wurde in einzigartiger Weise mit Geschichte und Erinnerung Politik gemacht, auf sehr subtile und wirkungsvolle Weise, und wir wissen bisher kaum etwas darüber“, erläutert Antragsteller Christoph Kampmann, Professor am Seminar für Neuere Geschichte. >> st Der neue Leiter der Forschungsstelle Stefan Voigt mit dem früheren polnischen Finanzminister Leszek Balcerowicz, dem ehemaligen Direktor Alfred Schüller und Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (v.l.n.r.) 13