I.1.3 c Konservative Kräfte Definition: Ein zeitunabhängiges Kraftfeld

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I.1 Grundbegriffe der newtonschen Mechanik
I.1.3
c Konservative Kräfte
:::::::::::::::::::::::::::
~ (~r) wird konservativ genannt, wenn es ein Skalarfeld(3)
Definition: Ein zeitunabhängiges Kraftfeld F
V (~r) gibt, das
~ (~r)
F~ (~r) = −∇V
(I.10)
erfüllt. V (~r) wird als Potential oder auch potentielle Energie bezeichnet.
~ angewandt auf eine skalare Funktion auf R3 ,
In Gl. (I.10) bezeichnet der Nabla-Operator ∇,
den Gradienten dieser Funktion.
Für konservative Kraftfelder hängt die durch die Kraft zwischen zwei Punkten verrichtete Arbeit
nicht vom Weg ab.
Beweis: Das Resultat folgt aus
Z ~r2
Z
W =
F~ (~x) · d~x = −
~r 1
~r 2 ~ (~x) · d~x = − V (~r2 ) − V (~r1 )
∇V
(I.11)
~r 1
~ (~r) ist.
unter Verwendung der Tatsache, dass V (~r) eine Stammfunktion von ∇V
2
Bemerkung: Offensichtlich ist V (~r) nur bis auf eine additive Konstante eindeutig. Die Letztere wird
oft so gewählt, dass das Potential im Unendlichen verschwindet.
~ (~r), definiert auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet G
Behauptung: Sei ein Kraftfeld F
von R3 .(4) Dann ist F~ (~r) genau dann konservativ, wenn seine Rotation in jedem Punkt von G
verschwindet:
~ (~r) ⇔ ∇
~ × F~ (~r) = ~0 ∀~r ∈ G.
F~ (~r) = −∇V
(I.12)
Dass die Rotation eines konservativen Kraftfeldes null ist, folgt direkt aus der Identität
~ × ∇V
~ (~r) = ~0,
∇
die sich z.B. komponentenweise beweisen lässt: die i-te Komponente (in einem kartesischen Koordinatensystem) des Terms auf der linken Seite ist ijk ∂j ∂k V (~r), mit ijk dem Levi-Civita-Symbol
und ∂` die Ableitung nach dem Komponenten x` des Ortsvektors. Dabei ist ijk antisymmetrisch
unter dem Austausch von j und k, während die zweite Ableitung ∂j ∂k symmetrisch ist, so dass
die Summe über alle Werte dieser Indizes Null ergibt.
Zum Beweis, dass ein rotationsfreies Kraftfeld F~ (~r) sich als (das Negative des) Gradienten eines
skalaren Potentials V (~r) schreiben lässt, soll man zunächst einen beliebigen Punkt ~r0 in G wählen
und V durch
Z ~r
V (~r) = − F~ (~r 0 ) · d~r 0
~r 0
für jeden ~r ∈ G definieren. Das
R Integral auf der rechten Seite der obigen Formel ist eindeutig
definiert, wenn Wegintegrale F~ · d~x von ~r0 nach ~r unabhängig vom gewählten Weg sind. Betrachte man zwei unterschiedliche Wege C1 , C2 in G, die von ~r0 nach ~r führen. Dann definiert
C1 −C2
~r0
(3)
(4)
C2
C1
~r
C1 −C2
D.h. eine zahlenwertige Funktion des Ortsvektors ~r.
Ein Gebiet wird als einfach zusammenhängend bezeichnet, wenn sich jeder geschlossene Weg im Gebiet stetig
zu einem Punkt zusammenziehen lässt, ohne das Gebiet zu verlassen. Zum Beispiel ist eine Ebene (R2 ) einfach
zusammenhängend, während R2 ohne einen Punkt nicht mehr einfach zusammenhängend ist.
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Newtonsche Mechanik
C2 trivial einen Weg −C2 (mit gleicher Kurve und umgekehrter Parametrisierung) von ~r nach
~r0 , und somit einen geschlossenen Weg C1 − C2 mit Anfangs- und Endpunkt in ~r0 . Aus dem
Satz von Stokes folgt für das Wegintegral der Kraft entlang C1 − C2
I
Z
~ × F~ (~r 0 ) · d2 S
~ = 0,
F~ (~r 0 ) · d~r 0 =
∇
C1 −C2
S
wobei S die durch die Kurve C1 − C2 abgeschlossene Fläche bezeichnet, während die letzte
~ × F~ = ~0 folgt, die in jedem Punkt von S gilt (dank der Annahme
Gleichung aus der Annahme ∇
eines einfach zusammenhängenden Gebiets). Andererseits gilt
I
Z
Z
F~ (~r 0 ) · d~r 0 =
F~ (~r 0 ) · d~r 0 −
F~ (~r 0 ) · d~r 0 ,
C1 −C2
C1
C2
woraus die gesuchte Unabhängigkeit des Wegintegrals vom Weg folgt.
2
I.2 Newtonsche Gesetze
Basierend auf den in Abschn. I.1 eingeführten Begriffen, insbesondere auf der Existenz absoluter
Raum und Zeit, können die dynamischen Gesetze, welche die Wirkung von Kräften auf mechanische
Systeme bestimmen, angegeben werden. Dabei besagen diese Gesetze aber nichts über die mathematische Form der Kräfte: diese hängen von der Situation ab und sollen durch zusätzliche Theorien
oder Modelle präzisiert werden.
I.2.1 Erstes newtonsches Gesetz
Das erste newtonsche Gesetz — das auch erstes Axiom, lex prima oder Trägheitsgesetz genannt
wird — besagt die Existenz von bevorzugten Bezugssystemen, in denen der Bewegungszustand eines
Körpers sich nicht ändert, so lange keine Kraft auf ihn ausgeübt wird:
Erstes newtonsches Gesetz
Es gibt besondere Bezugssysteme, sog. Inertialsysteme, in denen ein Massenpunkt, der
keiner Kraft unterliegt, in seinem Zustand der Ruhe oder gleichförmigen geradlinigen (I.13)
Bewegung beharrt.
Anders gesagt bleibt in Inertialsystemen die Geschwindigkeit ~x˙ (t) eines kräftefreien Massenpunktes
¨(t) verschwindet.
konstant, d.h. seine Beschleunigung ~x
Bemerkungen:
∗ Eigentlich wurde dieses Prinzip schon durch Galilei(b) formuliert, weshalb es auch seinen Namen
trägt. Dazu ist der obige Ausdruck des Gesetzes in der Tat nicht die ursprüngliche Formulierung,
denn es gab bei Newton keinen Bezug auf Inertialsysteme.
∗ Das Gesetz setzt die Existenz eines kräftefreien Zustands implizit voraus. In der Praxis ist dies
eine Idealisierung, denn kein Körper kann von der (anziehenden) Schwerkraft der anderen Körper
im Universum isoliert werden.
Was aber praktisch realisierbar ist — zumindest in sehr guter Näherung —, ist dass die Resultierende
der auf ein System wirkenden Kräfte verschwindet, was sich dann als äquivalent zur Abwesenheit
von Kräfte herausstellt.
∗ Auf Inertialsysteme wird in Abschn. I.3 genauer eingegangen; als solches gilt für Experimente auf
der Erde ein Bezugssystem, das sich relativ zu „Fixsternen“, oder besser weit entfernten Galaxien
oder Quasars, nicht bewegt.
(b)
G. Galilei, 1564–1642
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I.2 Newtonsche Gesetze
I.2.2 Zweites newtonsches Gesetz
Das zweite newtonsche Gesetz — auch zweites Axiom, lex secunda oder Bewegungsgesetz genannt — beschreibt die Änderung der Bewegung eines Körpers mit Impuls ~p(t) unter dem Einfluss
einer Gesamtkraft F~ :
Zweites newtonsches Gesetz
In Inertialsystemen gilt
d~p(t)
~
≡ ~p˙(t) = F.
dt
(I.14a)
In dieser Bewegungsgleichung kann der Impuls ~p(t) durch die Masse m und die Geschwindigkeit
~v(t) des Körpers ausgedrückt werden. Wenn die Masse in der Bewegung konstant bleibt, so kann
sie aus der Zeitableitung herausgezogen werden. Dann wird Gl. (I.14a) zu
m
d~v(t)
d2~x(t)
~
=m
= m~a(t) = F.
2
dt
dt
(I.14b)
Das heißt, die Beschleunigung des Körpers ist proportional zur Kraft, welche die Bewegung beeinflusst, und antiproportional zur Masse m.
Bemerkungen:
∗ Das erste Gesetz ist ein Spezialfall des zweiten mit F~ = ~0.
∗ Die Masse m in der Bewegungsgleichung (I.14b) ist die sog. träge Masse des Massenpunktes, die
ein Maß für die Trägheit des letzteren gegenüber Änderungen seines Bewegungszustands darstellt.
Bei der trägen Masse handelt es sich um eine universale Eigenschaft des Körpers, welche die gleiche
bleibt, egal welchen Kräften er unterliegt.
∗ Im zweiten Gesetz wird implizit vorausgesetzt, dass die Kraft F~ auf einen Körper möglicherweise
von seiner Position ~x und seiner Geschwindigkeit ~x˙ abhängen kann, sowie von der Zeit t, nicht aber
von höheren Ableitungen.
Dank der letzteren Bemerkung stellt die vektorielle Bewegungsgleichung (I.14b) ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen
zweiter Ordnung dar. Wenn die mathematische Form der Kraft
F~ = F~ t,~x(t), ~x˙ (t) sowie Anfangsbedingungen ~x(t0 ), ~x˙ (t0 ) gegeben sind, mit t0 irgend eine Referenzzeit, dann hat dieses System eine eindeutige Lösung ~x(t).
Physikalisch bedeutet
diese Eindeutigkeit der Lösung, dass die Kenntnis des Bewegungszu
stands ~x(t 0 ), ~x˙ (t0 ) zu einem beliebigen gegebenen Zeitpunkt ausreicht, um den Bewegungszustand
~x(t), ~x˙ (t) zu irgendeinem anderen Zeitpunkt t vollständig festzustellen. Dementsprechend ist die
newtonsche Mechanik völlig deterministisch.
Beispiel: Massenpunkt im homogenen Schwerefeld mit Luftreibung
Betrachtet sei die Bewegung eines Massenpunktes mit Masse m unter dem Einfluss der Schwerkraft und einer Reibungskraft. Die Resultierende der auf ihn wirkenden Kraft lautet
F~ = F~S + F~R ,
(I.15a)
wobei das Superpositionsprinzip für Kräfte (I.20) benutzt wurde. Dabei ist die Schwerkraft
F~S = mS~g ,
(I.15b)
wobei die Schwerebeschleunigung ~g prinzipiell nach unten gerichtet ist(5) — obwohl das im Folgenden
keine Rolle spielt —, während mS die schwere Masse des Körpers bezeichnet. Experimentell ist die
letztere proportional zur trägen Masse, mS ∝ m, wie sich im berühmten Ergebnis „im Vakuum fallen
alle Körper gleich“ widerspiegelt. Mit der Wahl mS = m gilt |~g | ' 9, 8 m · s−2 auf der Erdoberfläche.
(5)
Definitionsgemäß definiert die lokale Richtung der Schwerebeschleunigung die sog. Vertikale in einem Punkt.
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Newtonsche Mechanik
Hier werden zwei Annahmen gemacht, und zwar dass träge und schwere Masse erstens die gleiche
Dimension M haben, und sich somit mit der gleichen Einheit quantifizieren lassen, und zweitens
denselben numerischen Wert haben, was wiederum den Wert der Schwerkraftbeschleunigung g
festlegt.
Für die Reibungskraft wird die Form der Stokesschen(c) Reibung
F~R = −αR~v
(I.15c)
angenommen, mit αR einer positiven Konstanten.
Unter diesen Voraussetzungen lautet die Bewegungsgleichung (I.14b)
m
d2~x(t)
= m~g − αR~v(t),
dt2
d.h., mit γR ≡ αR /m
d~v(t)
+ γR~v(t) = ~g .
(I.16)
dt
Somit ergibt sich eine lineare inhomogene gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung. Ihre
Lösung erfolgt wie üblich.
Zuerst wird die allgemeine Lösung ~v h der assoziierten homogenen Differentialgleichung
d~v h (t)
+ γR~v h (t) = 0
dt
gesucht, und zwar
~ e−γR t
~v h (t) = C
~ ∈ R3 beliebig.
mit C
Zweitens ist eine spezielle Lösung ~v s der homogenen Differentialgleichung gebraucht:
d~v s (t)
+ γR~v s (t) = ~g .
dt
Zum Beispiel kann die stationäre Lösung
1
~g
~v s (t) =
γR
genommen werden.
Mit deren Hilfe kann als dritter Schritt die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung als Summe aus ~v h (t) und ~v s (t) geschrieben werden:
~ e−γR t + 1 ~g .
~v(t) = ~v h (t) + ~v s (t) = C
γR
~ festgestellt werden, was unter Berücksichtigung der
Dabei soll noch die Integrationskonstante C
Anfangsbedingung (hier bei t = t0 )
~ e−γR t0 + 1 ~g
~v 0 ≡ ~v(t = t0 ) = C
γR
erfolgt. Aus der letzteren Gleichung folgt
γR t0
~ = ~v 0 eγR t0 − e
C
~g ,
γR
was schließlich zur Lösung
~v(t) = ~v 0 e−γR (t−t0 ) +
1 − e−γR (t−t0 )
~g
γR
(I.17)
führt. Physikalisch findet man, dass der Einfluss der Anfangsgeschwindigkeit ~v 0 wegen der Reibungs(c)
G. G. Stokes, 1819–1903
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I.2 Newtonsche Gesetze
−1
kraft auf einer Zeitskala τR ≡ γR
exponentiell klein wird. Dies führt zu einem stationären Endzustand, der unabhängig von der Anfangsbedingung ist.
Wenn nötig kann man auch die Bahnkurve des Massenpunktes über
Z t
~x(t) = ~x0 + ~v(t0 ) dt0
t0
bestimmen, wobei ~x0 ≡ ~x(t = t0 ) die Anfangsbedingung bei t = t0 bezeichnet, und zwar
~x(t) = ~x0 +
1 − e−γR (t−t0 )
γR (t − t0 ) + e−γR (t−t0 ) − 1
~v 0 +
~g .
2
γR
γR
(I.18)
I.2.3 Drittes newtonsches Gesetz
Das dritte newtonsche Gesetz — auch bekannt als drittes Axiom, lex tertia, Reaktionsprinzip
oder actio und reactio — verknüpft diejenigen Kräfte, welche zwei Körper aufeinander ausüben:
Drittes Newton’sches Gesetz
Die von zwei Massenpunkten aufeinander ausgeübten Kräfte haben den gleichen
Betrag aber entgegengesetzte Richtungen.
(I.19a)
Wenn die zwei Körper jeweils durch 1 und 2 gekennzeichnet werden, mit F~2→1 bzw. F~1→2 der auf
den ersten durch den zweiten bzw. auf 2 durch 1 ausgeübten Kraft, dann gilt
F~2→1 = −F~1→2 .
(I.19b)
Bemerkungen:
∗ Wie in der Bemerkung in § I.5.1 a weiter diskutiert wird, schließt dieses Gesetz implizit die
Existenz von Drei-Körper-Kräften aus.
∗ Laut dem dritten Gesetz ist die Reaktion von Körper 2 auf Körper 1 instantan, wenn Körper 1
eine Kraft auf Körper 2 ausübt. Dies wird in der Relativitätstheorie nicht mehr möglich sein, wenn
die Körper sich nicht berühren.
I.2.4 „Viertes Newton’sches Gesetz“
Als viertes newtonsches Gesetz, oder lex quarta, wird oft das Superpositionsprinzip für Kräfte
hinzugefügt, das in § I.1.3 schon dargelegt wurde:
Viertes Newton’sches Gesetz
Wirken auf einen Massenpunkt mehrere Kräfte F~1 , . . . , F~k , so addieren sich diese
vektoriell.
(I.20a)
Das heißt, die resultierende Kraft auf den Massenpunkt ist
F~ =
k
X
F~k .
(I.20b)
i=1
Es ist dann diese resultierende Kraft, die in der mathematischen Formulierung des zweiten Gesetzes (I.14) auftritt.
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