TIERGESUNDHEIT Die richtige Strategie gegen Spulwürmer Mit regelmäßigen Wurmkuren allein ist es nicht getan. Wie Sie Spulwürmer erfolgreich bekämpfen, erläutert Dr. Fritz Baumhüter, Puhlheim. H elle Flecken auf der Leber, die so genannten „milk spots“, sind ein untrügliches Zeichen für den Befall mit Spulwürmern. Bundesweit weisen im Schnitt knapp die Hälfte aller auf dem Schlachthof untersuchten Schweinelebern derartige Symptome auf. Ein Fünftel der Organe ist sogar so stark befallen, dass es verworfen wird. Besonders hoch ist die Infektionsrate im Spätsommer bis Herbst – vermutlich das Ergebnis einer vermehrten Reifung von Spulwurmeiern in den warmen Sommermonaten. Der finanzielle Schaden, der durch Spulwürmer verursacht wird, ist enorm. Nicht nur, dass die meisten Schlachthöfe für jede verwurmte Leber 2 bis 3 DM in Rechnung stellen. Weitaus schwerer wiegt die verminderte Mastleistung der mit Spulwürmern infizierten Tiere, die mit bis zu 10 DM pro Schwein zu Buche schlagen kann. Denn die Spulwürmer schädigen die Darmwand, verschlechtern die Futterverwertung und führen zu leistungsmindernden Entzündungsreaktionen in Lunge und Leber. In der Lunge sind sie zudem häufig Wegbereiter für andere Atemwegserkrankungen. S 6 top agrar 7/2001 Vor dem Umstallen in den Abferkelstall sollten alle Sauen mit einem spulwurmwirksamen Mittel gewaschen werden, um äußerlich anhaftende Spulwürmer abzuspülen. Fotos: Heil, Schmidt Verminderte Zunahmen und höhere Verluste Eigene, im Raum Weser-Ems durchgeführte Untersuchungen belegen dies deutlich. Verglichen wurden 17 Betriebe mit einer Befallsrate von unter 10 % Parasitenlebern mit 60 Mastbetrieben, in denen im Schnitt ein Drittel aller Lebern bei der amtlichen Fleischbeschau durch „milk spots“ auffiel (siehe Übersicht 1). Das Ergebnis ist deutlich: Die täglichen Zunahmen waren in den stark befallenen Betrieben um mehr als 55 g reduziert, die Futterverwertung um 3,5 % schlechter und die Verluste um mehr als 1 % erhöht. Fakt ist jedoch, dass regelmäßig durchgeführte Wurmkuren allein nicht ausreichen, um einen Bestand wirksam und effektiv von Spulwürmern zu sanieren. Langzeitstudien belegen dies. Entscheidend ist vielmehr, dass der Einsatz der Wurmmittel von einem straffen Hygienemanagement begleitet wird. Um die richtige Strategie erarbeiten zu können, muss man jedoch den Entwicklungszyklus des Spulwurmes genau kennen (siehe Übersicht 2). Hier einige De- S C H W E I N tails: Die im Dünndarm des Schweines schmarotzenden, geschlechtsreifen Spulwurmweibchen legen pro Tag zwischen 0,2 und 2 Millionen Eier ab. Diese Eier gelangen mit dem Kot in die Außenwelt. Hier findet die embryonale Entwicklung des Spulwurmes statt, wobei sich aus den befruchteten Eizellen infektiöse Spulwurmeier bilden. Diese Entwicklung in der Umwelt ist temperaturabhängig, erfordert Sauerstoff und Feuchtigkeit. Die benötigte Mindesttemperatur beträgt 15 °C. Die Entwicklungszeit ist in diesem Temperaturbereich jedoch verlängert und beträgt die Aufnahme von 50 Spulwurmeiern aus, um eine Infektion auszulösen. Bereits wenige Stunden nach der Aufnahme schlüpfen aus den Eiern Spulwurmlarven, die die Dünndarmwand durchbohren und über den Blutkreislauf in die Leber gelangen. Hier werden die meisten Larven vom Immunsystem der Leber abgefangen. Aus dieser Immunbzw. Entzündungsreaktion entstehen dann die bei der amtlichen Fleischuntersuchung als „milk spots“ sichtbaren Reaktionen des Bindegewebes. Die nicht abgefangenen Spulwurmlarven wandern zur Lunge und bohren sich zweigleisig vorgehen. Erstens muss verhindert werden, dass die Schweine neue Spulwurmeier ausscheiden. Dazu ist eine regelmäßige Entwurmung erforderlich. Zweitens müssen die im Stall vorhandenen Spulwurmeier durch geeignete Reinigungs- und Desinfektionmaßnahmen unschädlich beseitigt werden. Und es dürfen keine neuen Spulwurmeier eingeschleppt werden. Striktes Rein-Raus in der Mast! Übers. 1: Spulwürmer mindern die Mastleistung BetriebsAnzahl ParasitenPneuFutterverwer- tägl. Zu- Verlusnahme, g te, % kategorie1) Betriebe lebern2), % monien, % tung, 1: … unter 10 % 17 5,35 5,60 3,07 725 3,07 über 10 % 60 33,80 12,40 3,18 670 4,18 1) durchschnittl. %-Anteil von Spulwurm-Lebern im Betrieb 2) mit Spulwürmern infiziert Massiver Spulwurmbefall vermindert die Zunahmen, verschlechtert die Futterverwertung und erhöht die Verluste. Übersicht 2: Entwicklungskreislauf des Spulwurms Lunge mit Spulwurmlarven Leber mit Spulwurmlarven und „milk spots“ Magen Dünndarm Infektiöse Eier Heranreifen zu infektiösen Spulwurmeiern in 4 – 8 Wochen = Körperwanderung der Spulwurmlarven Wenige Stunden nach der Aufnahme schlüpfen aus den Eiern Spulwurmlarven, die die Darmwand durchboren und über das Blut zur Leber und zur Lunge gelangen. etwa zwei Monate. Bei optimalen Temperaturen von 30 bis 33 °C verkürzt sich die Entwicklungszeit dagegen auf annähernd zwei Wochen. Bei den in modernen Mastställen ganzjährig vorherrschenden Temperaturen von 24 bis 28 °C liegt die Entwicklungsdauer deshalb bei rund zwei bis drei Wochen. Die Eier werden dann im Auslauf, über die Einstreu oder auf Kotplätzen von anderen Schweinen aufgenommen. Ferkel können sich zudem am kotverschmierten Gesäuge der Sauen anstecken. Bei den kleinen Tieren reicht schon dort durch das Lungengewebe. Von hier aus gelangen sie in die Luftröhre, den Schlund bzw. die Speiseröhre und erscheinen schließlich wieder im Dünndarm. Hier entwickeln sich die Larven zu geschlechtsreifen Spulwürmern, die nach sechs bis acht Wochen dann erneut Spulwurmeier ausscheiden. Der komplexe Entwicklungszyklus des Spulwurms und seine hohe Widerstandsfähigkeit verdeutlichen, dass diesem Parasiten nur mit einer systematischen Bekämpfungsstrategie beizukommen ist. Wer Erfolg haben will, muss Zeichnung: Thiemeyer Herz Für die Spulwurmsanierung in der Mast und Ferkelerzeugung gelten dabei unterschiedliche Fahrpläne. In der Schweinemast sollten Sie das folgende Sechs-Punkte-Programm beherzigen: ■ Achten Sie auf die strikte Belegung der Abteile im Rein-Raus-Verfahren! ■ Nach jedem Durchgang müssen die Abteile gründlich gereinigt und mit einem spulwurmwirksamen Desinfektionsmittel (siehe Übersicht 3) behandelt werden. Nach Möglichkeit sollte man vor der Reinigung die Gülle unter den Spalten ablassen. ■ Stallen Sie nur spulwurmfreie Ferkel ein, d. h. Tiere aus einem Bestand, in dem eine Spulwurmprophylaxe stattfindet! ■ In Beständen, in denen vor der Sanierung ein hoher Spulwurm-Druck herrschte, sollte in Absprache mit dem behandelnden Tierarzt während der ersten beiden Mastdurchgänge in der fünften bis sechsten Mastwoche eine zusätzliche Wurmkur durchgeführt werden. ■ Reduzieren Sie die Einschleppungsgefahr von Spulwurmeiern. Stallbesucher dürfen den Stall nur mit betriebseigenen Stiefeln betreten. Oder sie müssen ihr Schuhwerk vorher reinigen und mit einem spulwurmwirksamen Desinfektionsmittel behandeln. Fliegen, Schadnager, Katzen und Hunde können ebenfalls Spulwurmeier einschleppen und sind deshalb aus dem Stall fernzuhalten. ■ Reinigen Sie auch alle Fahrzeuge, mit denen Schweine transportiert wurden, gründlich und desinfizieren Sie sie anschließend. Sanierungsfahrplan für Ferkel erzeugende Betriebe Ferkelerzeuger, die Ihren Bestand von Spulwürmern sanieren wollen, sollten folgende Punkte beherzigen: ■ Um den Infektionsdruck zu reduzieren, werden zu Beginn der Sanierung alle Stallabteile, in denen sich Sauen und Eber befinden, im Rotationsverfahren gereinigt und desinfiziert. Die Sauen und Eber werden zehn Tage vor dem erneuten Einstallen in die desinfizierten Abteile mit einem Langzeitparasitikum behandelt. Alternativ können sie auch top agrar 7/2001 S7 TIERGESUNDHEIT S C H W E I N Übersicht 3: Speziell gegen Spulwürmer wirksame Desinfektions- und Tierwaschmittel Bezeichnung „Milk spots“ auf der Leber, verursacht durch Spulwurmlarven. für die Dauer von sieben Tagen einer Langzeitbehandlung unterzogen werden. Um äußerlich anhaftende Spulwurmeier abzuwaschen, werden die Schweine zusätzlich einer Waschbehandlung (Übersicht 3) unterzogen. Je nach Infektionsdruck wird diese Maßnahme noch ein bis zweimal im Halbjahresrhythmus wiederholt. Informationen zu Sauenduschen finden Sie in top agrar 7/99. ■ Nach dieser ersten „Grundreinigung“ werden die Abferkelabteile vor jedem Neubelegen gereinigt und mit einem spulwurmwirksamen Mittel desinfiziert. ■ Sieben bis zehn Tage vor dem Belegen der gereinigten Abferkelställe werden die Sauen entwurmt. Unmittelbar vor dem Umstallen werden sie dann mit einem Tierwaschmittel äußerlich gewaschen. ■ Auch die Ferkelaufzuchtställe werden nach jedem Durchgang gereinigt und spulwurmwirksam desinfiziert. Die abgesetzten Ferkel werden in der fünften bis sechsten Lebenswoche einer Wurmkur unterzogen. ■ Eber sollten mindestens dreimal jährlich gegen Parasiten behandelt werden. ■ Jungsauen und Eber, die in die Herde integriert werden sollen, werden sechs Wochen lang in einem separaten Quarantänestall untergebracht. Direkt nach der Ankunft im Betrieb erfolgt eine Pa- Hersteller/ Vertreiber Desinfektionsmittel1) Dessau DES Impfstoffwerk Spezial N Dessau-Tornau Endosan Forte H.W. Schaumann S neu Pinneberg Lomasept L20 Interhygiene GmbH Cuxhaven Neopredisan Menno Chemie, 135-1 Norderstedt Tierwaschmittel Venno-Oxygen Menno Chemie, Norderstedt 1) 2) Wirkstoff Kresole 2 2h Kresole 2 2h 5 2h 2 2h 2 5 min Phenolverbindungen, Schwefelkohlenstoff, Chloroform Kresole Sauerstoffabspalter Aus 10. Desinfektionsmittelliste d. Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG), h = Stunden, min = Minuten rasitenbehandlung. Sieben Tage vor der Eingliederung in die Herde wird sie noch einmal wiederholt. Direkt vor dem Umstallen werden Jungsauen und Eber dann mit einem Tierwaschmittel gesäubert. Der Quarantänestall sollte mit separatem Schuhwerk betreten und nach jedem Durchgang desinfiziert werden. ■ Und schließlich gelten auch für Ferkelerzeugerbetriebe die Hygienemaßnahmen wie Schuhwechsel bzw. -desinfektion, bevor die Ställe betreten werden, das Aussperrren von Hunden und Katzen aus dem Stall sowie eine regelmäßige Schadnager- und Fliegenbekämpfung. Wir halten fest Der Befall mit Spulwürmern kann nicht nur zum Verwerfen der mit „milk spots“ belasteten Lebern führen. Er ver- Gründlich reinigen und desinfizieren! I n feuchter Umgebung bleiben Spulwurmeier bis zu sechs Jahre lebensfähig und infektiös. Unter Umständen sogar noch länger. Die äußere Hülle der Eier ist klebrig und haftet deshalb leicht an fast allen Gegenständen. Nach dem Antrocknen verkrusten die Eier mit ihrer Umgebung. Dadurch wird das Eindringen von Desinfektionsmitteln erschwert. Deshalb sind nur spezielle Desinfektionsmittel (s. Übersicht 3) in der Lage, die Schale der Spulwurmeier zu knacken. Zuvor ist eine gründliche Reinigung erforderlich. Entfernen Sie dazu zunächst alle beweglichen Teile, denn sie werden separat geeinigt und desinfiziert, S 8 top agrar 7/2001 Anw.-Kon- Einwirkzentration, % zeit2) und lassen Sie die Gülle ab. Weichen Sie dann die Abteile mit einer Einweichanlage oder mit dem Hochdruckreiniger (1 bis 2 l/m2 bei 10 bar) ein. Am darauffolgenden Tag werden die Abteile und die dazugehörigen Treibgänge mit dem Hochdruckreiniger gesäubert. Die zu reinigenden Flächen werden so lange bearbeitet, bis Oberflächenstrukturen, Farben und ursprüngliche Beschaffenheit der Materialien deutlich zu erkennen sind und das Spülwasser keine Schmutzteilchen mehr enthält. Anschließend werden die Abteile durch Erwärmung auf 15 °C auf die Desinfektion vorbereitet. ursacht zudem auch deutliche Leistungseinbußen und richtet dadurch in stark durchseuchten Betrieben große wirtschaftliche Schäden an. Allein mit regelmäßig durchgeführten Wurmkuren bekommt man das Problem allerdings nicht in den Griff. Vielmehr muss durch begleitende Hygienemaßnahmen versucht werden, den Spulwurmdruck im Betrieb schrittweise zu reduzieren und die erneute Einschleppung von Spulwurmeiern zu verhindern. Speziell auf Mast- und Ferkelerzeugerbetriebe zugeschnittene Sanierungskonzepte berücksichtigen neben einer strikten Rein-Raus-Belegung auch eine konsequente Reinigung und Desinfektion mit spulwurmwirksamen Mitteln sowie eine gründliche Waschbehandlung der Tiere vor dem Einstallen. Nachdem der Stall abgetrocknet ist, kann am folgenden Tag mit der Desinfektion begonnen werden. Die Desinfektionsmittel lassen sich mit dem HD-Reiniger bei 10 bar oder mit speziellen Desinfektionsspritzen ausbringen. Mit einer Aufwandmenge von 0,4 l/m2 ist man auf der sicheren Seite. Man beginnt zunächst bei den tiernahen Flächen und arbeitet sich dann zu den Abtrennungen vor. Senkrechte Flächen werden von unten nach oben besprüht, damit die Desinfektionslösung besser haftet. Vor den Ställen bzw. Abteilen sollten Becken bzw. Wannen mit einer spulwurmwirksamen Desinfektionslösung aufgestellt werden. Wichtig jedoch: Diese Lösung muss wöchentlich erneuert werden!