DIALEKTE HABEN KEINE GRAMMATIK

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2. „Dialekte haben keine Grammatik“
„DIALEKTE HABEN KEINE GRAMMATIK“ – LAIENLINGUISTISCHE POSITIONEN
Aufgaben:
- Welche Vorstellungen (Konzepte) von Grammatik liegen den folgenden Aussagen
zugrunde?
- Wie wird die Aussage, Dialekte hätten keine Grammatik, in den folgenden Aussagen
begründet
A. znüni - in luzern anders als in zürich
Da ich von Zürich nach Zug pendle, bin ich täglich mit zwei Ausgaben 20min konfrontiert.
Der Zürcher- und der Luzernerversion. Heute ein schlagkräftiger Titel und zwar bei
beiden der gleiche. Oder nicht?
Für mich als nicht Zentralschweizer tönt das Znüni allerdings eher komisch...
1. ganz klar DER z’nüni. findi. gopf.
[…]
2. ganz klar: das znüni! nicht nur in der innerschweiz…
3. das znüni-was? das znünibrot? das znüni tönt in meinen ohren unvollständig. aber
eben. es ist ja offensichtlich beides richtig
4. da muss man halt die ’stiller has’ version wählen:
U när Znüni näh
Znüni näh
so umgeht man gekonnt, dass Schweizerdeutsch eben schlicht nur ein Dialekt ist und
eben genau deshalb keine Grammatik kennt (ich höre schon das Geschrei von allen
die fast nur noch auf Schweizerdeutsch SMS oder Emails schreiben können … Euch
sei gesagt: das Zeug kann keine Sau lesen!!)
5. schön, dass du dich auch wieder mal zu wort meldest. und dann gleich so pointiert.
eigentlich hett ich ja sölle so schriibe, eifach zum dich echli ärgere. und wenn man
wikipedia glauben darf, stimmt das mit der grammatik so also nicht.
6. Interessant! Allerdings bezieht es sich auf ‘Merkmale’ der (gesprochenen?) Sprache
und nicht auf ‘Regeln’ für schriftliche Äusserungen, worauf sich mein Kommentar ja
bezogen hatte. Allerdings war Grammatik dabei wohl der falsche Begriff. Durch die
fehlenden Regeln für schriftliche Anwendungen ist und bleibt es ein Dialekt (s. auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Schweizerdeutsch).
B. Das schönste am Schweizerdeutsch ist eben doch, dass es keine Grammatik gibt! Da
kannste einfach schreiben, wie dir die Finger gewachsen sind. Im Deutschen ist das
einfach mühsam! Oder Englisch mit diesen be********** Ausnahmen...
C. als schweizerin muss ich da mal energisch wiedersprechen... halskrankheit? was habt ihr
denn gegen schyzerdütsch? es tönt zumindest lustig (und manche akzente sind sogar
schön) und ausserdem ist es wahrscheinlich die einfachste sprache der welt , da keine
grammatik existiert und man so schreiben kann wie man spricht bez. das wort ausspricht.
D. If you´re writing dialect it´s quite nonrelevant how you write it. Fortunately there are no
strict grammar rules for dialects you have to act on.
BA-Proseminar: Dialektsyntax; HS 07
Sibylle Germann
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2. „Dialekte haben keine Grammatik“
E. Es gibt ganz viele verschiedene dialekte, jeder schweizer hat praktisch seinen eigenen,
das Wallisser deutsch hat auch Wörter im Vokabular die für andere schweizer
unverständlich sind, es gibt keine Grammatik - DIE FREISTE SPRACHE DER WELT!
deswegen fast unmöglich zu lernen.
F. Also.....ich kriege kalt??? Was ist denn das? Mir wird kalt, oder ich friere schnell...aber
ich kriege kalt.... klingt wie Ausländerdeutsch.... Obwohl, LiL íst ja auch ein Ausländer
und die Schweizer sprechen ja eh alle nur Dialekt.
Antwort: Na gut, dann WIRD mir eben kalt, komm du mir mal in die Schweiz, wo es keine
Grammatik, sondern an die 26 Dialekte gibt.
G. Obwohl unsere Sprache sehr einfach ist (fast keine Grammatik, keine Vergangenheit bei
Verben, keine Deklination von Substantiven), wissen wir uns mit den Feinheiten im
Ausdruck zu helfen.
H. ach dennis, schweizerdeutsch ist sooo einfach zu erklären: es gibt keine grammatik,
keine rechtschreibung, keine wirklichen fallformen und die einzige regel lautet in etwa:
"drück dich so aus, dass dich dein gegenüber versteht". wir haben es soooooo gut,
unsere sprache ist gelebte anarchie
I.
Gut: das Chinesisch kennt keine Grammatik, also keine Konjugationen oder Futur oder
Vergangenheit. Man sagt also wörtlich "Ich essen gestern" anstatt wie im Deutschen "Ich
aß gestern" oder gar "Ich habe gestern gegessen".
J. Okay, los geht's mit Schweizerdeutsch :)
Ist jetzt nicht so schwer... einfach so aussprechen wie's dasteht - gibt ja eh keine
Grammatik *gg*Beim CH-deutsch gibt's eigentlich keine starken Vokale (z.B. wie Igel
sondern nur Hilfe... ich hoffe ihr versteht wie ich das meine ;)). Das ä als ä aussprechen
und nicht als e.
SEMANTISCHE ROLLEN
auch: „themat. Rollen“, „Theta-Rollen“ („Θ-Rollen“), Tiefenkasus
Definition: Entitäten (und die darauf referierenden Ausdrücke), die in einem von einem Verb
ausgedrückten Vorgang involviert sind
Typen semantischer Rollen
(aus: Löbner 2003: 174)
BA-Proseminar: Dialektsyntax; HS 07
Sibylle Germann
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2. „Dialekte haben keine Grammatik“
Linking: Prozess, durch den in einer Sprache die Ergänzungen (Argumente) eines Verbs
realisiert und unterschieden werden.
Wie encodieren verschiedene Sprachen semantische Rollen? (Linking)
Latein:
Puella vidit dominum.
Vidit puella dominum.
Dominum vidit puella.
Puella dominum vidit.
Vidit dominum puella.
Dominum puella vidit.
Englisch:
The girl protected the lord.
The lord protected the girl.
Chinesisch:
wǒ
kàn-le
nèi-zhī
ich
seh-PERF
dies-KL
‘Ich habe diesen Hund gesehen.’
Nèi-zhī
gōuwǒ
dies-KL
Hund
‘Dieser Hund hat mich gesehen’
Maori:
Ka tiaki
Ø
protected
AGENS
‚The girl protected the lord’
Ka tiaki
Ø
AGENS
protected
‘The lord protected the girl’
gōu.
Hund
kàn-le
seh-PERF
wǒ
ich
te kōtiro
the girl
PATIENS
i
te ariki
the lord
PATIENS
i
te ariki
the lord
te kōtiro
the girl
Deutsch:
Den Polizisten verhaftete der Kommissar.
Andreas sah-en die Kind-er.
Klaus küsste Angelika
Französisch:
Le maître protège le chien.
Le chien protège le maître.
*Le chien protègent les enfants.
Je lui donne un livre.
Je donne un livre à mon amie.
Typen des Linkings:
1.
2.
3.
4.
BA-Proseminar: Dialektsyntax; HS 07
Sibylle Germann
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2. „Dialekte haben keine Grammatik“
EXKURS: SPRACHTYPOLOGIE
Man unterscheidet in der Sprachtypologie zwischen head-marking languages und
dependent-marking languages.
Abhängigkeitsbeziehungen:
Kopf
Besessenes
Nomen
Präposition
Dependens
Besitzer
modifizierendes Adjektiv
von der Präp. regiertes
Element
Argumente
Vollverb
Nebensatz
Verb
Hilfsverb
Hauptsatz
VatersD HausK
schönesD HausK
mitK mirD
ein LiedD singenK
istK gegangenD
ich sageK, dass du…D
Beispiele für die Encodierung der Beziehung zwischen dem Verb und seinen
Argumenten:
Japanisch:
M
Boku
ga
tomodati
I
SUBJ
friend
‘I gave flowers to my friend.’
M
ni
DAT
Abchasisch:
a-xàc’a
a-pê°?`s
a-š°q°’ ?`
the-man
the-woman
the-book
‘The man gave the woman the book.”
hana
flowers
M
H
o
OBJ
ageta.
gave
M
Ø-Ml?`-My-Hte-yt’.
it-to.her-he-gave-FINITE.
Beispiele für die Encodierung der Beziehung zwischen Besessenem und Besitzer:
Tschetschenisch:
H
a.xča
de:Mn
money
father-GEN
‘father’s money’
Abchasisch:
à-č’k°’?n
the-boy
‘the boy’s house’
M
y?-Hy°nè
his-house
Wie encodiert das Deutsche / das Schweizerdeutsche das Verhältnis zwischen Besitzer und
besessenem Objekt (Possessiv-Konstruktionen)?
Beispiele für die Encodierung der Beziehung zwischen Nomen und modifizierendem
Adjektiv:
Russisch:
zelen-Myj
green-NOM.SG.MASC
H
dom
house (NOM.SG.MASC.)
‘green house’
Shuswap
wist
high
M H
‘high house’
t- citx°
REL-house
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2. „Dialekte haben keine Grammatik“
Beispiele für die Encodierung der Beziehung zwischen Präposition und dem von ihr
regierten nominalen Element:
Tschetschenisch:
be:ra-Mna
child-DAT
Tzutuhil:
M
ruu-Hmajik
‘3sg.-because.of
H
t’e
on
jar
the
‘on the child’
aachi
man
‘by the man; because of the man’
Beispiele für die Encodierung der Beziehung zwischen Haupt- und Relativsatz
(Subordinierung):
Englisch:
The Hboy [Mwho gave me money] went out.
Tewa:
M H
[he’I sen
c’a:ndi
ų:bap’o mansu’-n]
’i dokumq.
[that man yesterday wine
3>3.drink-DS 3.sg] 1>3.bought
‘I bought the wine which that man drank yesterday.’
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Sibylle Germann
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