Mit Kleie gegen Schwermetall

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UMWELTTECHNIK
Mit Kleie gegen
Schwermetall
Abwasserreinigung mit Bioadsorbern
Der Rohstoff Wasser gewinnt zunehmend strategische Bedeutung. Neben
„klassischen“ Methoden
und Verfahren zur Reinigung kontaminierter Abwässer werden in den letzten Jahren Überlegungen
angestellt, für diese Problemstellungen Verfahren
zu entwickeln, die auf stets
verfügbaren, nämlich
nachwachsenden und
preiswerten Rohstoffen basieren. Ein Beispiel hierfür
sind Bioadsorber auf der
Basis von Kleie.
Dr. Günther Mann, Atec
Seit Jahren werden in allen Industrienationen Untersuchungen angestellt, wie die Eigenschaften bestimmter natürlicher Verbindungen, für den Stoffwechselprozess und
damit das Wachstum Metalle bzw. Spurenelemente anzulagern, für unterschiedlichste
Dekontaminationsaufgaben genutzt werden können. In diesem Zusammenhang
sind, beginnend mit Chitin bzw. Chitosan
über Schalen von Zitrusfrüchten und Holz eine Vielzahl von Rohstoffen untersucht, gegebenenfalls modifiziert und im Hinblick auf
ihre Adsorptionskapazitäten gegenüber
Schwermetallen getestet worden. In den seltensten Fällen führten die Forschungsarbeiten zu industriellen Anwendungen. Gründe
hierfür sind häufig hohe Rohstoffpreise oder
kompliziertes Handling der Endprodukte.
Bioadsorber erfüllt alle
Anforderungen
Für die Praxis geeignet sind Bioadsorber auf
der Basis preiswerter und nahezu weltweit
verfügbarer landwirtschaftlicher Reststoffe.
Als Beispiele seien Kleie oder Maisspindel-
grieß genannt. Das Herstellungsverfahren
folgt in der Regel einem speziell modifizierten Phosphorylierungsprozess. Die unter der
Produktbezeichnung Menex am Markt verfügbaren Bioadsorber erfüllen die Entwicklungsvorgaben
preiswerte und problemlos verfügbare,
nachwachsende Rohstoffe;
hohe und weitestgehend selektive Adsorptionsfähigkeit gegenüber Schwermetallen,
Radionukliden (im Bereich von > 2 mmol/ml
Adsorber) und ausgewählten organischen
Verbindungen;
optimale Adsorptionswirkung im ph-Bereich 5,5 bis 6,5;
vielfache Regenerationsfähigkeit;
problemlose Entsorgung einschließlich biologischer Abbaubarkeit.
Die hohen Bindungskapazitäten beruhen
hierbei nicht nur auf klassischem Ionenaustausch, sondern auch auf Prinzipien wie
Chelatbildung, nichtionogener Adsorption
und Ioneneinschluss in inter- oder intrafibrilläre Kapillaren von Polysaccharid-Netzwerken. Die Produktion der genannten Bioadsorber erfolgt in einer hierfür speziell entwickelten, auf Standardkomponenten basierenden technischen Anlage (Bild 1). Derzeit
befinden sich spezielle Bioadsorbertypen in
Entwicklung, die über klassische Anionentauscherfähigkeiten verfügen.
Wie bei allen Verfahren in der Chemie oder
Biochemie sind auch beim Einsatz von Bioadsorbern bestimmte Reaktionsbedingungen notwendig, unter denen sie effizient
funktionieren. Folglich erfordert ein erfolgreiches Einsatzkonzept für biologische Adsorptionsmittel die Entwicklung speziell darauf abgestellter Applikationstechnologien,
die sich zumindest partiell von den Technologien unterscheiden, innerhalb derer „klassische“ Ionentauscher, ob Harze oder Aktivkohle, eingesetzt werden.
Technisch und wirtschaftlich
interessante Lösung
Geht man von den potentiellen Einsatzmöglichkeiten aus, so bieten sich alle Aufgabenstellungen an, bei denen Schwermetalle
bzw. Radionuklide aus flüssigen oder von
festen -durch spezielle Waschverfahren auf
das Medium Flüssig transferierbar – Medien
abgereinigt werden müssen. Ein derartiges
System, mit dem eine Reihe dieser Aufgabenstellungen bearbeitet werden kann,
ist in Bild 2 dargestellt. Auf konkrete Messund Analysewerte soll der Übersichtlichkeit
halber im folgenden verzichtet werden.
Ende vergangenen Jahres wurde das wohl
1: Anlage zur Herstellung von Bioadsorbern
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CHEMIE TECHNIK, 30. Jahrgang, Nr.12
UMWELTTECHNIK
2: Kombiniertes Reinigungsverfahren für mit
Schwermetallen kontaminierte Mischabwässer. Es
bedeuten: 1 Behälter mit
zu reinigendem, kontaminierten Wasser, 2a Pumpe
für Cross-flow-Filtration,
2b Keramikmembran, 2c
regelbare Rückspüleinrichtung, 3a-h Module mit
Bioadsorber zur Abscheidung kationischer Verunreinigungen, 4 zentraler Prozessrechner, 5a-b
pH-Korrekturbehälter mit
Messeinrichtung und Säure-/Laugedosimaten, 6
elektrochemisches Element zur Abscheidung
anionischer Verbindungen, 7 Auffangbehälter
für gereinigtes Wasser
3: Demonstrationsanlage zur Entfernung von Spurenelementen
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erste tatsächlich abwasserfrei funktionierende System bei einem Unternehmen in Baden-Württemberg installiert. An dieser Stelle
soll nur auf das Grundprinzip des Verfahrensteils Recycling der Badwaschwässer eingegangen werden.
Bei diesen Abwässern handelt es sich um
Flüssigkeiten, die sowohl ausgewählte Metalle – Kupfer, Zink, Chrom – in gelöster oder
komplex gebundener Form als auch Tenside
und zum Teil Fette enthalten. Nach erfolgter
Membranfiltration (Ultrafiltration) erfolgt
der Bioadsorber-Einsatz über Chromatografiesäulen; die Wässer lassen sich problemlos
im Produktionsprozess wiederverwenden.
Die Adsorbersäulen können nach Erschöpfung der Kapazität des Adsorbermaterials
ausgetauscht oder regeneriert werden. Die
im Falle der Regeneration entstehenden
Flüssigkeiten werden im Rahmen der Abwasserbearbeitung aufbereitet.
Im Frühjahr 2001 wurde in einer Deponie in
Baden-Württemberg die erste kleintechnische Anlage konzipiert und in Betrieb genommen, die organisch und anorganisch
stark belastete Sickerwässer aus einer Deponieanlage bis auf die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte abreinigen kann. Auf
Grund der bisherigen Erfahrungen wird derzeit das Scale-up in den großtechnischen
Maßstab konzipiert und umgesetzt.
Das System wurde wegen der unterschiedlichen organischen und anorganischen Belastungen modular aufgebaut. Im ersten Prozessabschnitt werden elektrochemisch
durch Elektroflotation und UV-Behandlung,
jeweils modifiziert, große Teile der organischen Verunreinigungen – vor allem Huminsäuren – abgebaut und mechanisch sepa-
KOMPAKT
Bioadsorber
Bioadsorber auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen verfügen über
eine hohe und weitgehend selektive Adsorptionsmöglichkeit gegenüber
Schwermetallen sowie ausgewählten organischen Verbindungen; darüber hinaus zeigen sie eine gute Regenerationsfähigkeit und lassen sich
problemlos entsorgen. Voraussetzung
für eine effiziente Wasseraufbereitung
ist ein genaues Abstimmen der Technologie auf die jeweilige Verunreinigung. Derzeit sind Systeme zur Reinigung von Galvanik- und Deponieabwässern, die Schwermetalle und Spurenelemente enthalten, in der Praxis im
Einsatz.
riert. Im zweiten Abschnitt wirken die Bioadsorber zur Entfernung gegebenenfalls
vorhandener
Schwermetallkontaminationen, die dritte Phase besteht aus standardisierter Aktivkohlebehandlung.
Die Entfernung von Spurenelementen besteht aus einer Reihe von Verfahren, die jeweils separat der Entfernung von Arsen, Eisen, Mangan oder anderen vorliegenden Belastungen dienen. Auf Basis einer Anfrage
von Trinkwasserversorgungsunternehmen
aus dem europäischen Ausland wurde ein
komplexes Chromatografiesystem entwickelt, das Menex- und andere Adsorbermaterialien enthält und die abzuarbeitenden
Wässer stabil unter die EU-Grenzwerte für
Trinkwasser abreinigt. Das System kann bei
Erschöpfung komponentenweise regeneriert werden. Eine derartige Demonstrationsanlage ist seit sechs Monaten erfolgreich im
Einsatz (Bild 3).
Da inzwischen eine Reihe anderer interessanter Applikationen, wie beispielsweise
Verfahren zur Dekontamination von Wässern, die organische Verbindungen enthalten oder Verfahren zur Dekontamination radioaktiv kontaminierter Wässer, in den Testbetrieb aufgenommen werden konnte, stellen die Bioadsorber nicht nur eine technisch
und kommerziell interessante Alternative zu
konventionellen Ionenaustauschern dar.
Vielmehr können mit ihrer Hilfe Verfahren
zur Lösung von Umweltproblemen in Angriff
genommen werden, die bislang als wirtschaftlich nicht lösbar galten.
Info
CT 618
CHEMIE TECHNIK, 30. Jahrgang, Nr.12
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