eine wirkliche Zwölften

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Eine neue Zwöifton-Schrift
Die Unzulänglichlseit unserer Notenschrift ist bekannt und vielfach zugegeben.
Genau formuliert sind ihre Mängel folgende: Sie ist eine Siebenten-Schrift, steht in
C-Dur, betrachtet die restlichen f i n f Töne als nnr gelegentlich auftretende Veränderungen der Haupttöne und damit alle anderen Tonarten als Nebentonarten. Gewiß ist
es diesem System möglich, alle Tonhöhenverhältnisse darzustellen. Insbesondere seit
sich die meisten Komponisten entschlossen haben, jeden Ton durch ein eigenes
Zeichen auszudrücken; die einen, indem sie jedem Ton ein Vorzeichen beifügten,
andere, indem sie, den Auflöser ausschaltend, nur Erhöhung oder Erniedrigung
bezeichneten. Ubereinstimmung jedoch wurde bisher hauptsächlich darum nicht
erzielt, weil die einen die alte Regel von der Gültigkeit der Veränderung innerhalb des
'Taktes ebenso pedantisch negieren, wie die andern umgekehrt an ihr festhalten.
Jedenfalls ist beides sehr unvolllrom~nen;schwer zu lesen, weil es als Einzelfall in
einer Bilderschrift kein Bild gibt; noch schwerer zu schreiben, zu kopieren und zu
stechen; und fast unmöglich bis zu annähernder Fehlerlosigkeit zu korrigieren.
Außerdem entstehen unüberwindliche Schwierigkeiten, wie zum Beispiel bekanntlich in der Ganztonslrala. Oder die, für welche man folgenden Ausweg gefunden hat
(wenig glücklich, wie mir scheint):
Beispiel r
Beispiel
anderen Instrumente keine schwarzen und weißen Tasten haben, aber doch insofern
berechtigt, als es auch mit unserem System der Notennamen übereinstimmt.
Ich übersehe durchaus nicht, daß zu einer Reform unserer Notenschrift auch eine
der Notenbenennung treten müßte; bilde mir, wenn ich hier einen neuartigen
Vorschlag mache, keineswegs ein, Endgültiges gefunden zu haben; behaupte auch
nicht, daß sich mein Vorschlag unmittelbar einführen ließe, auch wenn der gewisse
automatische Widerstand ausbliebe. Aber ich glaube, daß meine Lösung die Frage um
ein Bedeutendes klärt, weil sie einerseits die Möglichkeit zeigt, sich von der Naturskala zu entfernen, ohne (was der Mangel der Janko-Klaviatur ist) Charakteristik und
Faßlichkeit einzubüßen; und anderseits kaum mehr an Darstellungsraum braucht als
die frühere, obwohl sie jedem Ton einen eigenen Raum zuweist, obwohl sie somit
eine wirkliche Zwölften-Notenschrift ist.
Vielleicht ist die günstige Ausnützung des Raumes ihr in die Augen springendes
Merkmal, und darinn sei die Darstellung auch von diesem Punkte aus begonnen:
Durch eine schräge »Hilfslinie« wird es möglich, in den .Zwischenraum« drei
Noten zu setzen, statt wie bisher eine. Die erste (über der Linie) unter der (schrägen)
Hilfslinie; die zweite auf, die dritte über ihr:
Beispiel 3
Das ermöglicht, eine Oktave auf dem Raum von drei Linien darzustellen, während
hierzu in unserer Notenschrift mindestens vier nötig waren, ohne daß jeder 'Ton einen
eigenen Raum besaß:
Beispiel 4
I Busoni betitele seinen Vorschlag: >Versucheiner organischen Klaviernoeenschrift< und sagt
sehr schön: D. . . und es wurde mir endgültig Itlar, daß unsere heutige Oktave nicht mehr aus
sieben Intervallen besteht, sondern aus zwölf und daß jedes dieser Intervalle seinen eigenen Platz
auf dem Notensystein haben müsse.<<
Beispiel 5
Eine Oktave sieht
folgendermaßen aus:
2
Es liegt mir fern, die Vorzüge unserer Notenschrift zu verkennen oder zu vergessen. Vor allem, daß sie der Natur entspringt; daß sie durch Charalrteristilr reichlich
eine gewisse Schwerfaßlichkeit aufwiegt; daß sie ein Entwicklungsergebnis ist: daß sie
den Instrumenten so gut angepaßt ist, wie diese schließlichumgekehrt ihr; daß sie auf
verhältnismäßig lsleinem Raum ziemlich viel unterbringt; und insbesondere: daß bis
heute nichts wirklich Besseres gefunden worden ist.
Dieser Umstand soll nicht unterschätzt werden. Denn das Bedürfnis nach einer
neuen Notenschrift oder einer ausreichenden Verbesserung der alten ist größer, als es
den Anschein hat, und es haben sich mehr findige Köpfe damit befaßt, als man
glauben möchte. Die bisherigen Versuche, soweit sie mir bekannt worden sind,
lehnen sich an das Vorbild der Klaviatur an.' Das i s ~zwar unbrauchbar, weil die
199
-"C
C$
d
d6.
h
ß
I
t d g
Y
e
$<I
b b b
Bei den Noten es, g und h könnte die Hilfslinie unbeschadet der Deutlichlreit (was
sich allerdings erst beim Gebrauch als Schnellschrift erproben wird) weggelassen
werden (a),
Beispiel 6
vielleicht auch, aber kaum so leicht, bei cis, f, a. Dann würden drei aufeinanderfolgende Halbtöne wie bei C) oder d) aussehen, und eine Oktave:
Beispiel 7
Beispiel 8
6 a + X +
, k d
oder
*
.
" "
*
U-
Ich glaube aber, daß sich die Weglassung nur bei einem der beiden Zeichen empfiehlt,
weil sonst an anderem O r t (8'9 eine Hilfslinie nötig wird und auch der Abstand
zwischen den Linien größer sein müßte. Zur Darstellung mehrerer Oktaven dienen:
ZOO
Eine nerre Zwölften-Schrqt
Aufsätze zirr Mrrsik
I . Hilfslinien, wie in der alten Notenschrift (9); 2. Schlüssel, die aber bloß die Höhe
der Oktave bezeichnen, da in dieser Schrift, wie in manchen anderen Versuchen, die
gleichnamigen Töne immer am gleichen Punkt des Liniensystems stehen, ohne
Rücksicht darauf, ob sie einer höheren oder einer tieferen Oktave angehören (17). 3.
Die Z ~ s a m m e n k o p ~ e l u nzweier
g
oder mehrerer Liniensysteme auf verschiedene
Arten (r I und 12).
Beispiel 9 zeigt, daß man auch bei Verwendung von Hilfslinien Formen erhält, die
charakteristisch und leicht zu schreiben sind (keinesfalls schwieriger als die gebräuchlichen) und daß die unter dem Notensystem sich von denen über demselben sehr
deutlich unterscheiden, aber, wie man in I I bei sehen kann, in ähnlicher Weise mit
den gleichklingenden Noten eines unteren Systems verbinden, wie dies sonst zwischen Violin- und Baßschlüssel der Fall ist.
Aus Beispiel 10 ist ersichtlich, daß man auf verhältnismäßig kleinem Raum, bei
Benützung von bloß sieben Hilfslinien, drei Oktaven unterbringt; auf insgesamt zehn
Linien. In der alten Notenschrift braucht man hiezu elf Linien. Eine solche Anordnung wird bei Instrumenten mit geringem Umfang anwendbar sein.
In r r wird eine Verbindungsmöglichkeit zweier Systeme gezeigt, welche einen
Umfang von (mit Hilfslinien) füni Oktaven darzustellen erlaubt, was für Celesta
anwendbar ist.
In rz sind zwei Systeme unmittelbar aneinandergereiht, was vier Oktaven ergibt.
Zwei solche Doppelsysteme miteinander verbunden, ermöglichen die Darstellung
des ganzen Mlavierraumes.
In den letzten Beispielen wurde die unterste Linie jedes Systems verstärkt, was die
Unterscheidung der Typen erleichtert. Man kann auch versuchen, die oberste Linie
zu punktieren und die mittlere zu strichlieren, wie in 13, oder eines der anderen
Unterscheidungsmittel anzuwenden, wie in 14, I 5, 16.'
In rz gelangten auch die in 17 dargestellten Schlüssel zur Anwendung.
Beispiel r7
Es sind Doppelschlüssel, deren Form gewählt wurde, weil dadurch immer zwei
Oktaven charalcteristisch bezeichnet werden, wie aus den in r 8 gezeigten Benützungen hervorgeht.
Beispiel 18
Beispiel ro
=I
Beispiel
Beispiel
Ii
201
12
2
Ich glaube jedoch, man wird hievon absehen können.
202
Aufsatze zur
Eine neue Zwölfton-Schnftft
Musik
203
Es bildet einen Hauptvorzug dieses Vorschlages, daß die heute nicht mehr seltene
Notierungsnotwendigkeit mehrerer halbtonweit entfernter, gleichzeitig klingender
Töne in dieser neuen Schrift keine Schwierigkeit mehr macht, wie aus Beispiel 20 zu
ersehen ist.
Beispiel 20
Die Ubereinanderstellung der Systeme zeigt beispielsweise, wie die Oktaven durch
die Schlüssel bezeichnet werden können. Die Schlüssel sind hier nicht als G-, C- und
F-Schlüssel aufzufassen, sondern nur als H ö h e n b e z e i ~ h n u nfür
~ die durch sie
umfaßten Oktaven.
Hier ist auch dargetan, auf welche Weise es möglich ist, sich dem Umfang der
Stimmen oder Instrumente anzupassen, ohne allzu viele Hilfslinien zu verwenden.
Dabei ist die Stellung jedes Schlüssels zu einer Grundlinie als unveränderlich angenommen, so daß also die Linie, auf der der Violinschlüssel das C der zweigestrichenen, dieselbe Linie im Altschlüssel das der kleinen und im Baßschlüssel das der
großen Oktave bedeutet. Mit einem dreilinigen und zwei Hilfsliniensystemen lassen
sich, je nachdem der Schlüssel auf ein Voll- oder ein Wilfssystem gesetzt wird, Lagen
bestimmen, die sich, wie gezeigt, aufs beste den Umfängen der Orcliesterinscrumente
anpassen.
Aus
ist zu erschen, daß (insbesondere im Stich) weitgehendem Lagenwechsel
durch Obergang aus einen? einfachen in ein doppeltes System entsprochen wird
(19 a), daß aber (19 b) Schlüsselwechsel ebenso anschaulich wirkt.
Beispiel 19 a:
I'ierrot lunaire, N r . 19
Solche Zusammenklänge sind vielleicht mit der Hand nicht leichter zu schreiben, als
in der alten Notenschrift. Aber man hat gewiß weniger lang zu überlegen, und es ist
sicher leichter zu entziffern. Nach einigen Versuchen schreibt man es aber auch ganz
leicht, und wenn es sich dem Gedächtnis einmal eingeprägt haben wird, kann es keine
große Mühe machen.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß die definitiven Formen sich erst tiurch den Gebrauch
herausbilden werden. Vielleicht wird man anfangs nur weite Lineaniente verwenden,
und erst bis sich durch Schnellschrift handlichere Gestalten entwickelt haben, wird
man kleiner schreiben können. Ich glaube aber, da13 das nicht einmal so schwer ist und
wenn sich einige Komponisten entschlössen, diese Notenschrift zu benützen, einige
Instrunientalisten, sie zu lernen, so wird das Tempo bald ein schnelleres werden.
Ich kann mirs nicht versagen, auf das N B in 2 1 b der vorstehenden Ubertragungen
hinzuweisen. Hier liegt eine Note, aus dem vorigen Takt über die Seite henibergebunden, es steht kein Kreuz, kein Be, kein Auflöser dabei und ist doch zweifellos, daß
es ein a ist, und kein as oder ais!
Beispiel
2.1
a: h i r e fiir Klavier, op. 2 j
moiit
Beispiel 19 b:
Pierrot lunaire, N r . 2
.
1
Eine nerre Zwölften-Schrift
Beispiel 21 b:
Pierrot lunaire, Nu. 18
Picc.
KI.
in B'
Gg.
rtc
Klav.
Ich habe mir bei den handschriftlich hergestellten Beispielen keine Miihe gegeben
zu kalligraphieren, sondern im Gegenteil, möglichst schnell und fließend zu schreiben. Stechen oder kalligraphieren ließe sich das sehr schön. Fraglich (aber nicht mehr
für mich) ist höchstens die Lesbarkeit bei schneller Schrift.
Nun zum Schluß noch die Versicherung: ich bin nicht der Meinung, daß man alle
bisher gedruckten und geschriebenen Noten umdrucken oder umschreiben muß.
Keineswegs; so wenig, als man alle Bücher in stenographische Schrift übertragen hat.
Aber so gut jeder Volksschüler Kurrent- und X.ateinschrift schreiben und lesen kann
und jeder Russe, Bulgare, Serbe, Türke, Araber, Chinese und Japaner neben dieser
und eventuell jener seine weit verschiedenere Nationalschrift, so gut werden sich hier
die Fähigkeiten finden müssen, zwei verschiedene Notenschriften gleich gut zu
beherrschen.
Nachschr$t
Zwecks Einführung dieser Notenschrift schlage ich vor:
I. Einen Bund zu gründen, dem a) Komponisten angehören sollen, die sich
verpflichten, wenigstens ein Werk in dieser neuen Notenschrift herauszugeben; b)
Instrumentalisten, die sich verpflichreri, weriigsreris eines dieser Werke zu studieren
und aufzuführen.
11. Es sollen einige prominente Komponisten, Mitglieder dieses Bundes, außerdem
gemeinsam einen kleinen Band eigens für diesen Zweck geschriebener kürzerer
Kompositionen in der neuen Zwölfton-Schrift veröffentlichen.)
3 Die U. E. hat nach meinen Angaben Notenpapier herstellen lassen.
205
111. Die durch die Logik geforderte Netabenennung der Noten (man wird dabei
trotzdem in der Obergangszeit noch die alten, auf bloß sieben Tönen beruhenden
verwenden dürfen) soll sich in freier Nachahmung des Vorbildes des sdo-re-mi~
vollziehen. Denn die Weiterführung der Buchstabennamen bis zu .n« (daran, daß ein
Tenor ein hohes »m« singt, denkt man nur ungern!) ist kaum ohne Verwirrung oder
Unlogik durchführbar und das »do-re-mi« schwerlich weiter ausdehnbar. U m zu
vermeiden, daß diese neuen Noten, so wie die alten, für die man in der ganzen Welt
dieselben Zeichen, aber vielfach verschiedene Benennungssysteme verwendete, neuerdings eine babylonische Verwirrung der Namen hervorrufen, ist es wohl am besten,
ihnen ihre neuen Namen sofort mit auf den Weg zu geben und dabei solche zu
wählen, welche in allen Musiltländern Sympathien finden werden: Sie sollen die
Namen von zwölf der hervorragendsten lebenden Musiker moderner Richtung
erhalten. Zu diesem Zweck werde ich eine Anzahl der bekanntesten Komponisten
und Instrumentalisten zum Eintritt in den Bund einladen. Die ersten zwölf geben in
der Reihenfolge, in der ich ihre Zusage erhalte, durch eine geeignete Silbe ihres Voroder Zttnamens je einen Ton der Skala den Namen.
Nachschrift 2
Es hat sich inzwischen herausgestellt, daß auch für den Klaviersatz zwei Systeme
(insgesamt also sechs Linien) genügen. Darum - zum Stechen ist keine Zeit mehr habe ich Beispiel 2 1 a noch umgeschrieben.
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