Musik und Sprache

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NDK Unterrichtsgestaltung mit Musik:
Komponieren mit Kindern: Text – Sprache – Musik
Peter Baumann / 25.9.06
Festhalten und Planen von Musik
Eine musikalische Notation soll die musikalischen Parameter Tonhöhe, Tondauer, Tonfarbe und
Tonstärke fixieren und Zusammenklänge und Zusammenspiel im zeitlichen Ablauf ordnen, sie soll
musikalische Inhalte speichern. Die vollständige und genaue Festlegung aller Aspekte musikalischer
Gestaltung ist nur annäherungsweise möglich.
Musikalische Inhalte können auf verschiedene Weise fixiert und gespeichert werden:
- in Bildern
- in Texten
- in sprachlich verfassten Konzepten
- in grafischen Notationen
- in traditioneller Notenschrift
Diese Bilder, Texte, Notationen usw. können umgekehrt wieder gelesen – verstanden – musikalisch
umgesetzt werden.
Eine kurze Reflexion über den Umgang mit der traditionellen Notenschrift sei den nachfolgenden
Unterrichtsbeispielen vorangestellt.
Der Umgang mit der traditionellen Notenschrift – eine Entlastung:
Die abendländische Notenschrift hat sich seit dem frühen Mittelalter aus zur Erinnerungshilfe
dienenden Gesten des Singleiters und gekritzelten Erinnerungshilfen zu einer differenzierten und als
Planungshilfe taugenden Notenschrift entwickelt. Zuerst wurden die Handbewegungen als grafische
Zeichen, als Neumen über den zu singenden Text geschrieben (Neuma = Wink). Verschiedene
Entwicklungsschritte führten von dieser Neumen-Schrift zur Notenschrift mit Liniensystem,
Notenschlüssel (>Tonhöhe) sowie Notenköpfen und -hälsen (>Tonlängen). Damit waren von den vier
Tonparametern Tonhöhe, Tonlänge, Tonfarbe und Tonstärke deren zwei fix definiert, die anderen
wurden bald durch die Sprachschrift ergänzt: piano, forte usw. für die Tonstärke, Instrumentenangaben
und Spielanweisungen für die Klangfarbe. Diese Notenschrift war nicht mehr nur als Erinnerungshilfe
tauglich, mit ihr konnten komplexe musikalische Werke geplant und fixiert werden. Sie präsentiert
sich dabei heute noch als eine Mischung zwischen Symbol- und Analogschrift: die Notenlängen
werden in Symbolen, die Tonhöhen als eine analoge Abbildung des Oben und Unten notiert (hohe
Töne sind auf oberen Notenlinien gesetzt, tiefe Töne auf unteren). Und sie erweist sich als eine sehr
komplexe Schrift, schwierig zu lesen für Ungeübte. Das Lesen der traditionellen Notenschrift ist
letztendlich nur über langjähriges Instrumentalspiel erlernbar: Ich ‚tippe’ die Vorgabe der Notenschrift
in mein Instrument und höre dabei, wie das klingen soll. Erst nach langer (sehr langer!) Übung kann
man sich diesen Umweg über das Instrument ersparen und einen Notentext allein lesend mit dem
inneren Ohr auch schon hören.
Christian Kaden schreibt dazu in einer musiksoziologischen Studie:
Der Entfremdungsprozess (zw. Komponist und Hörer) von dem zu reden wäre … gehört zum Substantiellen der
Kompositionsgeschichte, vom Anbeginn, von ihrem Grunde her. … die Komponisten des 11. Jh. treten lediglich in die
Fussstapfen jener Geheimnisträger, die da Schamanen, oder Zeremonialhäuptlinge, oder Meditationsmeister heissen. Auch
könnte man Parallelen zu Geheimwissenschaften ziehen… . Aber gemessen an alledem, erlangt Komposition denn doch
einen eigenen, weitaus souveräneren Status. Sie braucht ihr Mysterium nicht eigens zu verhüllen. Das Bollwerk, mit dem
sie sich unliebsamer sozialer Zugriffe erwehrt, ist Schrift an und für sich. Mit ihrer Hilfe scheidet sich der kleine Kreis der
Noten-, nein: der Notationserfahrenen (…) von der Masse der Uneingeweihten. (Kaden Ch. Des Lebens wilder Kreis, Musik
im Zivilisationsprozess. Kassel 1993 S. 100).
Kaden sagt damit aus: Die Notenschrift ist nicht nur schwierig zum lesen, über sie werden auch (mit
Absicht?) die Uneingeweihten von den Eingeweihten (fortgeschrittene Berufsmusiker) geschieden –
Notenschrift also eine ars riservata.
Angesichts der Komplexität der traditionellen Notenschrift drängt sich eine didaktische Reflexion auf:
Welcher Umgang mit dieser Notenschrift ist in der Primarschule sinnvoll, möglich? Was kann das
Kind mit dieser Schrift bewerkstelligen: erinnern, planen, lesen?
Postulat:
Da Notenlesen an das Instrumentalspiel gebunden ist, kann der traditionellen Notation in der
Primarschule nur ein ganz begrenzter Platz eingeräumt werden:
- Sie kann als Erinnerungshilfe dienen.
- Das Analogabbild Oben-Unten der Notenlinienorganisation kann als Grob-Hinweis auf den
Melodieverlauf gelesen oder vielleicht eher gedeutet werden.
- Das Lesen und Umsetzen des rhythmischen Verlaufes einer traditionellen Notation kann auch in der
Primarschule geübt werden: das Instrumentarium ist ja vorhanden (Body-Percussion, Klatschen,
Klopfen auf Gegenstände usw.).
Der Umgang mit der traditionellen Notation kann in der Volksschule keinesfalls so weit entwickelt
werden, dass diese Schrift als Planungshilfe oder als präziser Mittler eines musikalischen Inhaltes
dienen kann (hören mit dem inneren Ohr oder Blattsingen). Entsprechend dieser Erkenntnis müssen
die Inhalte gewählt werden.
Alternative Speicher- und umgekehrt dann wieder Lesemöglichkeiten für die Primarschule sind oben
schon erwähnt:
- Bilder
- Texte
- Sprachlich verfasste Konzepte
- Grafische Notationen
Grafiken lassen sich in Musik umsetzen:
Verschiedene grafische Vorlagen können in Musik umgesetzt werden (welche eigentlich
nicht?):
-
Bilder
Pläne
Schnittmuster
grafische Notationen
traditionelle Notationen
Skulpturen
…
1 Landscape - Soundscape: Wie klingt unser Schulhaus (ab 2. Klasse):
Wir ‚vertonen ein Schulhaus’. Anhand des Schulhausplanes legen wir eine
Detailpartitur fest. Das musikalische Spiel eignet sich insbesondere für SchülerInnen,
die neu in ein Schulhaus eingetreten sind; sie werden auch auf die akustische
Erschienungsform des Schulhauses sensibilisiert.
-
ein von der Gruppe auf dem verteilten Plan festgelegter Weg wird
abgeschritten
o mit Tonband aufnehmen
oder
o
o
o
o
sich Notizen über bestimmte Geräusche machen
die notierten Geräusche zu einer Klangcollage zusammenstellen
der Klasse vorspielen (Klangcollage und/oder Tonbandaufnahme)
Klasse versucht den Weg zu ‚erhören’.
2 Bildvertonung
Ein Bild wird von der Gruppe vertont und der Klasse vorgespielt.
Die Gruppe könnte sich zur Vertonung folgende Fragen stellen:
-
Welches sind markante Bildaussagen?
-
Sollen Stimmungen vertont werden (Landschaft, Jahreszeit,…)?
-
Sollen Aktionen vertont werden (Autofahrt, Gehen, …)?
-
Sollen konkrete Signale eingebaut werden (Glocken beim Kirchenturm, …)?
Zur Auswertung könnten alle Bilder vorliegen, die Schüler versuchen, die Musiken
zuzuordnen. Die Auswertung soll immer von Fragestellungen geleitet werden.
Dadurch wird eine synästhetische Wahrnehmungssensibilisierung gefördert und das
blosse zuordnende Raten verhindert:
-
Welchen emotionalen Grundgehalt hat diese Musik – in welchem Bild sehen
wir Entsprechungen?
-
Ist die Musik bewegt (langsam-schnell, regelmässig-unregelmässig,…) –
welches Bild zeigt bewegte Szenen?
-
Was erkennen wir für Geräusche in der Musik – in welchem Bild werden diese
Geräusche erzeugt (Auto, Kuhglocken,…)?
-
…
3 Videovertonung
Eine Video-Sequenz wird von der Klasse vertont.
Vorübungen im für einen differenzierten Einsatz der Instrumente (Orff’sches
Instrumentarium, Percussionsinstrumente, Körperinstrumente) sind sinnvoll:
-
Drückt mit euren Instrumenten etwas Langsames – Schnelles aus!
-
Drückt mit euren Instrumenten etwas Lautes – Leises aus!
-
Drückt mit euren Instrumenten etwas Regelmässiges – Unregelmässiges aus!
-
Drückt mit euren Instrumenten eine Aufwärts- - Abwärts- Drehbewegung aus!
-
Drückt etwas Dialogisches aus!
-
…
4 Stripsody (Cathy Berberian)
Siehe Materialien.
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