Hyperthyreose - Fortbildung USZ

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PRAXIS
Praxis 2007; 96: 1505–1512
1505
Hyperthyreose
Leitsymptome: Gewichtsverlust, Tachykardie, Wärmeintoleranz, Tremor, Nervosität, Schwäche
Die Schilddrüsenhormonsynthese wird durch die Hormone TRH
(Thyreotropin-Releasing-Hormon, Hypothalamus) und TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Hypophyse) stimuliert, deren Ausschüttung wird wiederum durch die Schilddrüsenhormone fT4
(Thyroxin) und fT3 (Trijodthyronin) reguliert (Feedbackmechanismus). Essentiell für die Synthese von Schilddrüsenhormonen ist Jod.
In die Schilddrüsenzelle aufgenommenes Jod wird mit Hilfe des Enzyms Schilddrüsen-Peroxidase (TPO) in das Schilddrüsen-Speicherprotein Thyreoglobulin und in T4 und T3 eingebaut. Der grösste Teil
des sezernierten Schilddrüsenhormons ist T4, T3 ensteht meist in der
Peripherie durch Dejodierung von T4. Im Blut werden Schilddrüsenhormone hauptsächlich durch Thyroxin-bindendes Globulin
transportiert. Allgemein erhöhen Schilddrüsenhormone den oxidativen Stoffwechsel von Mitochondrien, steigern Sauerstoff- und
Energieverbrauch sowie die Wärmeproduktion. Sie wirken katabol,
lipolytisch und potenzieren die Wirkung von Katecholaminen.
Die Hyperthyreose ist häufig, ca. 1% der Bevölkerung (deutlich mehr
Frauen) sind betroffen. Am häufigsten kommt die primäre Hyperthyreose (Ursache in der Schilddrüse) vor. Ursachen bei uns sind v.a.
der M. Basedow (häufige Autoimmunerkrankung) und die funktionelle Autonomie der Schilddrüse. Sowohl die sekundäre Hyperthyreose (Ursache in der Hypophyse) wie auch die tertiäre Hyperthyreose (Ursache im Hypothalamus) sind Raritäten und werden hier
nicht behandelt. Eine spezielle Form ist die subklinische Hyperthyreose mit supprimiertem TSH, aber normalem fT4 und fT3.
Beim Morbus Basedow wirken TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK)
stimulierend auf die Schilddrüse mit diffusem Wachstum und
Überfunktion. Extrathyreoidale Manifestationen des M. Basedow
sind die endokrine Orbitopathie, seltener eine Dermopathie ([prätibiales] Myxödem) und Akropachie. Zu den entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen mit primärer Hyperthyreose gehören auch die
«Silent Thyreoiditis», die postpartale Thyreoiditis (Autoimmunthyreoiditiden) sowie die subakute Thyreoiditis de Quervain. Bei diesen drei Thyreoiditiden kommt es durch entzündliche Zerstörung
der Schilddrüse mit Freisetzung von Schilddrüsenhormonen zur
passageren Hyperthyreose. Autoimmunthyreoiditiden verlaufen
online-CME der PRAXIS ist gemäss Fortbildungsprogramm der
Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM)
als strukturierte und nachweisbare Fortbildung anrechenbar.
Die Fortbildung entspricht einem geschätzten Arbeitsaufwand
von einer Stunde pro Fortbildungsbeitrag und wird somit mit
1 Credit bewertet. SGAM-Mitglieder können online-CME der
PRAXIS auf dem Selbstdeklarationsprotokoll notieren.
Die Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM)
vergibt im Rahmen der nachzuweisenden Fortbildung Innere
Medizin pro online-CME der PRAXIS 1 Credit.
© 2007 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Abb.: Hyperthyreose-Patient: starrer Blick mit rechtsseitigem Exophthalmus mit Lidretraktion, Konjunktivitis mit Injektionen und vermehrtem
Tränenfluss
praktisch immer schmerzlos; für die Diagnostik werden Autoantikörper bestimmt, wobei jedoch auch bei anderen Schilddrüsenerkrankungen (mit niedrigem Titer der Autoantikörper) und bei
Gesunden Schilddrüsen-Autoantikörper vorkommen können (für
letztere Personen besteht ein erhöhtes Risiko, später eine manifeste
Autoimmunthyreoiditis zu entwickeln). Die «Silent Thyreoiditis»
manifestiert sich v.a. bei Frauen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr; nach der klinisch dominierenden Hyperthyreose kommt es im
Verlauf nur selten zu einer persistierenden Hypothyreose.
Bei der postpartalen Thyreoiditis zeigt sich die (oft milde) Hyperthyreose 2–10 Monate nach Geburt (meist über 6–8 Wochen anhaltend); die Patientinnen werden oft wieder euthyreot; eine bleibende
Hypothyreose tritt jedoch je nach Autor (und Beobachtungsintervall) nicht so selten ein.
Die subakute Thyreoiditis de Quervain tritt oft nach einem viralen
Infekt der oberen Luftwege auf; sie ist im Gegensatz zu den anderen
Thyreoiditiden schmerzhaft und charakteristischerweise sind BSR
und CRP erhöht und es besteht oft eine leichte Leukozytose. Autoantikörper sind bei der subakuten Thyreoiditis, wenn überhaupt,
nur leicht und passager erhöht, die meist leichte Hyperthyreose
kann nach Wochen/Monaten in eine (meist) passagere Hypothyreose übergehen und heilt spontan ab.
Die funktionelle multifokale und unifokale Autonomie der Schilddrüse kommt in Jodmangelgebieten häufiger vor; ursächlich assoziiert sind Mutationen im TSH-Rezeptor-Gen; die multifokale
Autonomie zeigt sich v.a. bei älteren Patienten mit langjähriger
multinodöser Struma; da sich die Hyperthyreose meist über Jahre
enwickelt, sind die Patienten oft symptomarm. Die unifokale Autonomie (toxisches Adenom) manifestiert sich oft früher (30.–40. Lebensjahr). Amiodaron führt v.a. bei vorbestehender Schilddrüsenautonomie zu einer jodinduzierten Hyperthyreose (Amiodaroninduzierte Hyperthyreose Typ 1; meist in den ersten Wochen nach
Therapiebeginn). Amiodaron kann aber auch durch entzündliche
Zellzerstörung zu einer destruktiven Thyreoiditis mit Hormonfreisetzung und konsekutiver Hyperthyreose führen, entsprechend
unterschiedlich sind die Therapieansätze.
DOI 10.1024/1661-8157.96.40.1505
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1506
Hyperthyreose
Klinik und Komplikationen
Klinik
● Nervosität, Unruhe, Gereiztheit, Ängstlichkeit, Schlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, emotionale Labilität, Pychosen, Delir
● Tremor (feinschlägig), Hyperreflexie
● Wärmeintoleranz, warme Haut, vermehrtes Schwitzen
● dünnes Haar, Ödeme
● Allgemeine Schwäche; Muskelschwäche, -schmerzen
● Gewichtsverlust bei gesteigertem Appetit (Cave: v.a. bei Jüngeren selten Gewichtszunahme, da mit «Heisshunger» sehr viel
gegessen wird)
● Diarrhoe (fehlt oft)
● Tachykardie, oft Vorhofflimmern/-flattern bei Älteren
● Osteoporose und pathologische Frakturen bei Älteren
● Menstruationsstörungen; beim Mann Gynäkomastie, Libidoverlust
● Evtl. sichtbare Struma oder palpable Knoten/Knotenstruma
● Evtl. auskultatorisches Schwirren (Hypervaskularisation) über
Struma (M. Basedow)
● M. Basedow: endokrine Orbitopathie (infiltrative Erkrankung
von Augenmuskel/-bindgewebe: u.a. Konjunktivitis, Exophthalmus, Augenmuskellähmungen); seltener Ödeme/Myxödem (häufigste Lokalisation prätibial), Akropachie (Auftreibung der Finger- und Zehenglieder bei subperiostaler Knochenneubildung, Trommelschlägelfinger); evtl. Onycholyse
● Lidretraktion bei jeder Hyperthyreose möglich (erhöhter Sympathikotonus)
Beachte:
Die Manifestationsform der Hyperthyreose ist vielfältig. Sie kann
oligosymptomatisch verlaufen, v.a. im Alter, oder mit einer Vielzahl von Symptomen in Erscheinung treten. Die subklinische
Hyperthyreose ist bei Jüngeren meist symptomlos, im Alter ist sie
oft mit Vorhofflimmern und beschleunigter Osteoporose assoziiert.
Komplikationen
Thyreotoxikose (Verwirrung, Delirium, Somnolenz bis Koma,
Tachykardie, Erbrechen und Diarrhoe mit Exsikkose, Elektrolytstörungen, Fieber), ausgelöst meist durch Jodbelastung, Infekte,
Operationen.
Selten (v.a. Asiaten): thyreotoxische periodische Paralyse (hypokaliämiebedingt).
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Hyperthyreose
Abklärungsstrategie
Routinelabor und diagnosesichernde Untersuchung
Weitere Abklärungen (Ursachensuche)
Primäre/sekundäre Hyperthyreose: Als Screening reicht TSH,
für den Verlauf ist das fT4 (fT3) nötig. Bei supprimiertem TSH
und normalem fT4 sollte man fT3 bestimmen (selten isolierte
fT3-Hyperthyreose).
Bei Verdacht auf sekundäre Hyperthyreose initial fT4 mitbestimmen, da TSH evtl. normal oder erhöht ist.
Primäre Hyperthyreose: Schilddrüsenszintigraphie mit Technetium-Pertechnetat (99mTc, wird wie Jod aufgenommen), nur indiziert bei unklarer Hyperthyreose. Keine Anreicherung bei entzündlicher Zerstörung oder exogener Hormon-Zufuhr. Mehranreicherung bei multifokaler oder unifokaler Autonomie.
Nicht indiziert bei klinisch (z.B. Orbitopathie) oder labormässig
gesichertem M. Basedow.
Schilddrüsensonographie primär nicht routinemässig notwendig (kann aber bei Entzündungen oder M. Basedow typisches
Bild zeigen).
Nachweis eines toxischen Adenoms oder allenfalls bei Knotenstruma.
Erweitertes Labor (Ursachensuche)
Primäre Hyperthyreose: Schilddrüsen-Autoantikörper:
TRAK (TSH-Rezeptor-Ak), erhöht bei M. Basedow.
Anti-TPO-/Anti-Thyreoglobulin-Ak, erhöht bei jeder Autoimmunthyreoiditis (nur leichte Erhöhung bei unspezifisch entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen).
Mögliche weitere Befunde bei Hyperthyreose
Normochrome, normozytäre Anämie; erhöhte alk. Phosphatase
(Knochenumbau, v.a. Abbau), evtl. Hyperkalzämie; CK-Erhöhung (Myopathie), erhöhte Leberwerte; CRP/BSR-Erhöhung
und evtl. leichte Leukozytose bei de Quervain-Thyreoiditis.
Sekundäre Hyperthyreose: MRI/CT von Kopf/Hypophyse (Tumor im Bereich Hypophyse/Hypothalamus).
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Hyperthyreose
Diagnosekriterien/Pathophysiologie/Differentialdiagnose
Diagnosekriterien
Primäre Hyperthyreose: TSH u fT4 o, fT3 o (selten nur fT3 erhöht)
Sekundäre Hyperthyreose: TSH o bis normal, fT4 o, fT3 o
Ursachen
Ursachen einer primären Hyperthyreose
Eine persistierende Hyperthyreose macht der M. Basedow
(TRAK stimulieren Drüse zur vermehrten Hormonsynthese;
sehr selten TRAK-negativer M. Basedow).
Autoimmunthyreoiditiden die «Silent» und postpartale Thyreoiditis und die seltene initiale «Thyreotoxikose» bei der lymphozytären Hashimoto-Thyreoiditis sowie die subakute Thyreoiditis de Quervain führen durch die entzündliche Zerstörung der
Drüse durch Hormonfreisetzung zur passageren Hyperthyreose.
Die persistierende Hyperthyreose bei Schilddrüsenautonomie
(TSH-unabhängige Hormonproduktion) entsteht durch mehrere Knoten (multifokal) oder durch ein autonomes Adenom (unifokal, toxisches Adenom). Jodbelastung (Amiodaron, Kontrasmittel) kann v.a. bei Patienten mit vorbestehender euthyreoter
Autonomie oder Autoimmunthyreopathie eine (passagere) Hyperthyreose auslösen. Amiodaron kann aber auch durch entzündliche Zerstörung der Schilddrüse (CRP erhöht) zur (passageren) Hyperthyreose führen.
Interleukin-2 und Interferon-alpha/PEG-Interferon-alpha sind
mit Autoimmunthyreoiditiden assoziiert, Interferon-alpha kann
aber auch zu einer entzündlich-destruktiven Thyreoiditis führen;
Lithium kann eine «Silent Thyreoiditis» induzieren (siehe Nayak
und Hodak 2007).
Seltene Ursachen einer Hyperthyreose sind die exogene Zufuhr
von Schilddrüsenhormonen und hormonproduzierende hochdifferenzierte Schilddrüsenkarzinome (follikuläre, papilläre
Karzinome). In der Schwangerschaft (oder bei Keimzelltumoren)
kann eine hohe Konzentration von HCG (stimuliert TSH-Rezeptor) zur Hyperthyreose führen.
Die sekundäre Hyperthyreose kommt v.a. beim TSH-produzierenden Hypophysentumor vor; selten besteht eine hypophysäre Resistenz im Feedbackregelkreis: TSH o bis normal, fT4 o,
fT3 o). TSH-supprimierende Medikamente (ohne Hyperthyreose) sind z. B. Glukokortikoide und Dopamin(-agonisten).
Differentialdiagnose
Die breite Differentialdiagnose umfasst insbesondere die Leitsymptome wie Gewichtsverlust, Tachykardie, Wärmeintoleranz,
Tremor, Nervosität, Schwäche.
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Hyperthyreose
Therapie und Prognose
Therapie der häufigsten Ursachen
Symptomatisch können bei jeder Hyperthyreose Beta-Blocker
eingesetzt werden. Etabliert hat sich Propanolol p.o. 40–120 mg
täglich.
Bei der Therapie des M. Basedow gibt es verschiedene Strategien.
In Europa werden bei Erstmanifestation und fehlenden Kontraindikationen Thyreostatika bevorzugt, z.B. Carbimazol (Beginn
mit 15–40 mg/d) (in der Schwangerschaft wird Propylthiouracil
bevorzugt; genaueres dazu siehe Nayak und Hodak 2007). fT4
kann nach 2 und TSH nach 6–8 Wochen erstmals bestimmt werden. Die Dosis der Thyreostatika kann nach Normalisierung von
TSH, fT4 und allenfalls fT3 auf die Erhaltungstherapie reduziert
werden, die Therapiedauer ist sehr individuell. Bei ungenügendem Ansprechen, Rezidiv etc. kann eine Operation oder Radiojodtherapie durchgeführt werden (Cave: Verschlechterung der
endokrinen Orbitopathie). Unter Thyreostatika müssen zu Beginn der Therapie regelmässig Blutbild und Leberwerte kontrolliert werden. Die gefürchtete Agranulozytose unter Thyreostatika tritt aber nur sehr selten auf und gemäss Literatur v.a bei Carbimazol-Dosierungen von ⬎ 30 mg/d, bei Propylthiouracil
scheint keine Dosisabhängigkeit zu bestehen.
Die Hyperthyreose bei autoimmun-entzündlichem Zerfall der
Drüse wird primär symptomatisch mit Beta-Blockern behandelt,
Thyreostatika nützen nicht. Bei der Thyreoiditis de Quervain
werden Entzündungshemmer und/oder Steroide eingesetzt.
Beim autonomen Adenom ist die Operation die Therapie der
Wahl, wobei der Patient präoperativ mit Thyreostatika behandelt
wird, um euthyreot zu werden. Bei der multifokalen Autonomie
wird je nach Grösse der Schilddrüse eine Radiojodtherapie oder
Operation durchgeführt, bei schwerer Hyperthyreose mit einer
Thyreostatika-Vorbehandlung.
Amiodaron muss in der Regel abgesetzt werden. Bei der jodinduzierten Hyperthyreose helfen Thyreostatika, bei der entzündlichen Form Glukokortikoide.
Bei subklinischer Hyperthyreose und Vorhofflimmern oder Osteoporose wird je nach Autor eine Therapie empfohlen.
Die Therapie der thyreotoxischen Krise (Intensivstation) umfasst u.a. Flüssigkeit, Elektrolyte, Antipyretika, Thyreostatika, Beta-Blocker, Hydrokortison.
Prognose
Die Prognose ist je nach Ursache bei behandelter Hyperthyreose
gut.
Die thyreotoxische Krise hat eine erhebliche Mortalität.
Die subklinische Hyperthyreose kann als Frühstadium einer späten manifesten Hyperthyreose erscheinen, wobei der Übergang
in eine manifeste Hyperthyreose allerdings nicht zwingend ist.
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Fallbericht Hyperthyreose
Weg zur Diagnose/Kommentar
Anamnese des Patienten
Der 56-jährige Patient meldete sich wegen sporadischer Atemnot
und retrosternalem Druckgefühl (unabhängig von Anstrengung), Diarrhoe, Unwohlsein und einem Gewichtsverlust von
10 kg bei erhaltenem Appetit in den letzten zwei Monaten. Es bestand zudem ein Schwächegefühl in den Beinen, v.a. beim Treppensteigen. Er fühlte sich zitterig, konnte nur noch schlecht
schlafen, schwitzte vermehrt auch nachts und tolerierte Wärme
(aktuell leichtere Bettdecke) nur noch schlecht.
Die Systemanamnese war ansonsten unauffällig, keine Noxen
oder Medikamente. Die persönliche Anamnese war bis auf eine
Meniskusoperation vor ein paar Jahren unauffällig. Unauffällige
Familienanamnese. Der Patient war verheiratet, kinderlos, arbeitete als Techniker.
Befunde des Patienten
Weg zur Diagnose/Kommentar
Status
56-jähriger Patient in reduziertem Allgemeinzustand, 172 cm,
65 kg (BMI 22 kg/m2). Afebril. Blutdruck 150/85 mmHg, Puls regelmässig 115/Min. Kardiopulmonale Auskultation unauffällig.
Abdomen unauffällig. Schilddrüse palpatorisch unauffällig, kein
Schwirren. Integument warm, keine Ödeme, keine Lymphknoten
palpabel. Augen unauffällig. Sehr lebhafte symmetrische Muskeleigenreflexe, feinschlägiger Ruhetremor. Kein Exophthalmus.
Routinelabor und diagnosesichernde Untersuchung
TSH
⬍ 0.01 mU/l uu ( 0.27–4.20)
fT4
⬎ 100 pmol/l oo (12–22)
Erweitertes Labor
Hb
12.2 g/dl
(restliche Blutwerte unauffällig)
CRP
3 mg/l
TSH-Rezeptor-Ak (TRAK) negativ
Anti-Thyreoglobulin-Ak
Anti-TPO-Ak
1425 IE/ml
709 IE/ml
Der Patient klagte über Unwohlsein, Diarrhoe, Gewichtsverlust
trotz erhaltenem Appetit, Atemnotepisoden, retrosternales
Druckgefühl, Schlafstörungen, Zittrigkeit und vermehrtes
Schwitzen. Die Beschwerden bestanden seit ca. zwei Monaten.
Die Vielfalt und Art der Symptome liess differentialdiagnostisch als erstes an eine Hyperthyreose als Ursache der Beschwerden denken.
u
(13.5–17.2)
o
o
(⬍ 10)
(Norm:
negativ)
(⬍ 350)
(⬍ 350)
Im Status passten zu einer Hyperthyreose die Tachykardie, die
lebhaften Muskeleigenreflexe und der feinschlägige Ruhetremor. Der Blutdruck war leicht erhöht. Die Schilddrüsenpalpation war unauffällig. Eine Struma muss nicht immer vorhanden sein.
Es bestanden keine Hinweise für eine endokrine Orbitopathie.
Es wurde eine Laboruntersuchung veranlasst.
Die Verdachtsdiagnose einer Hyperthyreose konnte bei supprimiertem TSH und erhöhtem fT4 bestätigt werden.
Die häufigste Ursache einer länger bestehenden Hyperthyreose ohne spezielle Anamnese ist die autoimmune Stimulation
der Schilddrüse beim M. Basedow oder die Schilddrüsenautonomie. Zur weiteren Abklärung wurde eine erweiterte Laboruntersuchung veranlasst.
Im Blutbild fand man eine leichte normochrome, normozytäre Anämie, die wir im Rahmen der Hyperthyreose interpretierten. Das CRP war normal. Es zeigten sich, typisch für jede Autoimmunthyreoiditis, deutlich erhöhte Anti-Thyreoglobulin-
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Fallbericht Hyperthyreose
und Anti-TPO-Ak, allerdings bei negativen TRAK. Als Ursache
der Autoimmunthyreoiditis dachten wir trotz negativer TRAK
an einen M. Basedow (TRAK sind zwar für den M. Basedow
spezifisch, der Nachweis gelingt aber nicht immer).
Weitere Abklärungen
Schilddrüsenszintigraphie: In beiden Schilddrüsenlappen diffuse
vermehrte Anreicherung von 99mTc-Pertechnetat.
Um die Diagnose in diesem Fall sicher stellen zu können, veranlassten wir eine Schilddrüsenszintigraphie (wegen negativer
TRAK und fehlender Orbitopathie). Der M. Basedow kann dadurch gut von einer anderen Autoimmunthyreoiditis mit entzündlicher Zerstörung der Drüsen und Hormonfreisetzung
(folglich keine Anreicherung in Szintigraphie) unterschieden
werden.
Die Schilddrüsenszintigraphie zeigte das typische Bild eines M.
Basedow (diffuse Mehranreicherung), womit die Diagnose einer Hyperthyreose bei M. Basedow gestellt wurde.
Differentialdiagnostisch käme auch eine diffuse Autonomie in
Frage, für einen TRAK-negativen Basedow sprechen aber die
relativ hohen Schilddrüsenautoantikörper. In diesen (seltenen)
Fällen werden im Verlauf die TRAK oft plötzlich positiv.
Therapie des Patienten
Zur Behandlung der Hyperthyreose wurde eine thyreostatische
Therapie mit Methimazol initial 20 mg p.o. begonnen. Symptomatisch erhielt der Patient Beta-Blocker, womit er sich
schnell besser fühlte. Die Schilddrüsenwerte normalisierten sich
im Verlauf, die thyreostatische Therapie wurde danach noch
für sechs Monate weitergeführt. Die Anämie und der Blutdruck
normalisierten sich. Der Patient wurde regelmässig nachkontrolliert.
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1512
Fragen zur Hyperthyreose
Frage 1
Welches sind die zwei häufigsten Ursachen einer
persistierenden Hyperthyreose in unseren Breitengraden?
(Mehrfachauswahl)
a)
b)
c)
d)
e)
Silent Thyreoiditis
Thyreoiditis de Quervain
Hypophysenadenom
M. Basedow
Schilddrüsenautonomie
Frage 2
Womit ist die subklinische Hyperthyreose insbesondere im Alter gehäuft assoziiert?
(Mehrfachauswahl)
a) Vermehrte Ödemneigung
b) Beschleunigte Osteoporosebildung
c) Vorhofflimmern
d) Refluxkrankheit
e) Arterielle Hypotonie
Frage 3
Welcher Hinweis lässt Sie ohne weitere Laborabklärung sicher auf einen M. Basedow schliessen, bei
laborchemisch supprimiertem TSH mit erhöhtem fT4?
(Einfachauswahl)
Frage 4
1. Bei der «Silent Thyreoiditis» mit Hyperthyreose
zeigt sich szintigraphisch charakteristischerweise eine
diffuse Tracer-Mehranreicherung,
weil
2. bei der Autoimmunthyreoiditis die Jodaufnahme und
Schilddrüsenhormonsynthese durch Autoantikörper
stimuliert wird.
a) 1. richtig, 2. falsch
b) 1. falsch, 2. richtig
c) alles richtig
d) alles falsch
e) 1. richtig, 2. richtig, «weil» falsch
Frage 5
Welche der folgenden Medikamente können eine
Hyperthyreose verursachen?
(Mehrfachauswahl)
a) Verapamil
b) Amiodaron
c) Lithium
d) Interferon-alpha
e) Interleukin-2
Auflösung der Fragen und Kommentar in PRAXIS Nr. 42
vom 17. Oktober 2007.
Sie können die Fragen auch online unter www.praxis.ch
lösen. Nach Beantwortung der Fragen sind Auflösung und
Kommentar sofort abrufbar.
a) Struma
b) Knotenstruma
c) Endokrine Orbitopathie
d) Herkunft aus Jodmangelgebiet
e) Ausgeprägter Tremor
Korrespondenzadresse
Bibliographie
U. Kolyvanos Naumann
Dr. J. Furrer
Dr. L. Käser
Prof. Dr. W. Vetter
Medizinische Poliklinik
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich
Nayak B, Hodak SP: Hyperthyroidism. Endocrinol Metab Clin N Am 2007;36:617-656.
[email protected]
Moser C, Furrer J; Ruggieri F: Halsschmerzen und Fieber nach Peginterferon apha-2a. Praxis
2007;96:205-207.
Benz R, Morf M, Weber M, Furrer J: Lähmende Spaghetti. Schweiz Med Forum 2005;5:396-398.
Diez JJ: Hyperthyroidism in Patients older than 55 Years: An Analysis of the Etiology and Management. Gerontology 2003;49:316-323.
Wiesli P, Schmid Ch: Hyper- und Hypothyreose: Welche Tests sind in der Praxis sinnvoll? Schweizerische Rundschau Medizin, Praxis 2001;90:877-881.
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Praxis 2007; 96: 1653–1653
1653
Antworten zu den Fragen zur Hyperthyreose aus Praxis Nr. 40
Frage 1
Antworten d) und e) sind richtig.
Die häufigsten Ursachen einer persistierenden Hyperthyreose in
unseren Breitengraden sind der M. Basedow und die Schilddrüsenautonomie.
Frage 2
Antworten b) und c) sind richtig.
Die subklinische Hyperthyreose ist im Alter gehäuft assoziiert
mit Auftreten eines Vorhofflimmerns und einer beschleunigten
Osteoporoseentstehung.
Frage 4
Antwort d) stimmt: beide Aussagen sind
falsch.
Bei der «Silent Thyreoiditis» mit Hyperthyreose zeigt sich szintigraphisch keine Tracer-Mehranreicherung, weil die Hyperthyreose durch die Freisetzung der Schilddrüsenhormone aus der
entzündlich zerstörten Schilddrüse verursacht wird.
Frage 5
Antworten b), c), d) und e) sind richtig.
Amiodaron, Lithium, Interferon-alpha, Interleukin-2 können
eine Hyperthyreose verursachen.
Frage 3
Antwort c) ist richtig.
Eine endokrine Orbitopathie bei Hyperthyreose lässt die Diagnose eines M. Basedow bereits stellen (spezifisch). Sie kann auch
isoliert oder vor der Hyperthyreose auftreten, nicht aber bei anderen Hyperthyreoseformen.
© 2007 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
DOI 10.1024/1661-8157.96.42.1653
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