Blatt 2: Metrische Räume

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Topologie
M. Eisermann / F. Stoll
WiSe 2016/2017
Blatt 2: Metrische Räume
1. K LASSIFIKATION DER F LÄCHEN : NUR BIEGEN ,
NICHT BRECHEN !
1.1. Wir bewundern die folgenden Flächen F1 , . . . , F6 :
[3P]
F1
F2
F3
F4
F5
F6
(a) Alle sechs Flächen haben dieselbe Euler-Charakteristik, welche?
(b) Welche der Flächen sind orientierbar, welche nicht? Bestimmen Sie für jede
Fläche Fi die Anzahl der Randkomponenten ri .
(c) Bestimmen Sie die Modellfläche Fg±i ,ri , zu der die Fläche Fi homöomorph ist.
Welche der Flächen F1 , . . . , F6 sind demnach homöomorph, welche nicht?
2. O H LÀ LÀ , DER E ISENBAHN !
2.1. Gegeben sei die französische Eisenbahnmetrik
(
[5P]
|x − y|2
d = dSNCF : R2 × R2 → R≥0 : (x, y) 7→
|x|2 + |y|2
falls Rx = Ry
falls Rx 6= Ry
(a)
(b)
(c)
(d)
Zeigen Sie, dass d eine Metrik ist.
Skizzieren Sie die offenen Bälle B((2, 1), 2) und B((0, 1), 3).
Zeigen Sie, dass die Folge (an ) mit an = ( 1n , 0) in (R2 , d) konvergiert.
Zeigen Sie, dass die Folge (bn ) mit bn = ( n1 , 1) in (R2 , d) keine Cauchy-Folge
ist, insbesondere auch nicht konvergiert.
(e) Optional: Zu (0, 0) 6= x ∈ R2 seien (r, ϕ) ∈ R(
≥0 × [0, 2π[ die Polarkoordir · ϕ falls x 6= (0, 0)
naten. Ist die Abbildung f : R2 → R : x 7→
stetig
0
falls x = (0, 0)
bzgl. d = dSNCF ? Begründen Sie Ihre Antwort.
3. L ERNEN S IE STETIG DAZU !
3.1. Seien (X, dX ) und (Y, dY ) metrische Räume. Zeigen Sie
[4P] (a) Jeder offene Ball B(a, r) in (X, dX ) ist offen. (Kein Scherz!)
(b) Für jede Abbildung f : (X, dX ) → (Y, dY ) sind äquivalent:
(i) Die Abbildung f ist stetig im Sinne der ε-δ -Definition.
(ii) Die Abbildung f ist folgenstetig, d.h. aus xn → a in (X, dX ) folgt f (xn ) →
f (a) in (Y, dY ).
(iii) Für jede offene Menge O in (Y, dY ) ist das Urbild f −1 (O) offen in
(X, dX ).
(iv) Für jede abgeschlossene Menge A in (Y, dY ) ist das Urbild f −1 (A) abgeschlossen in (X, dX ).
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Stand 21. Oktober 2016
Topologie
M. Eisermann / F. Stoll
WiSe 2016/2017
A BLAUF DER Ü BUNGEN
Die Übungen nächste Woche am 1./2. November fallen aus (wegen Allerheiligen). Blatt 3
können Sie online ab Montag, 31. Oktober (Halloween!), auf der Topologie-Seite herunterladen. Blatt 2 und 3 sind dann in den Übungen am 8./9. November abzugeben.
M OTIVATION / AUSWAHL DER AUFGABEN
(1) Flächen kommen in diversen Formen und sind nicht immer leicht als gleich oder
verschieden zu erkennen. In Aufgabe 1 können Sie erste Erfahrungen sammeln.
Wenn Sie möchten, können Sie versuchen, Homöomorphismen durch Skizzen zu
visualisieren; das ist aber schon in den gezeigten Fällen nicht ganz einfach!
Der Flächenklassifikationssatz liefert Ihnen zur Lösung dieses Problems einen
erstaunlich einfachen Algorithmus: Es genügt, die Orientierbarkeit bzw. NichtOrientierbarkeit festzustellen, die Anzahl der Randkomponenten und die Euler–
Charakteristik zu berechnen. Noch einfacher geht es nicht!
(2) Die französische Eisenbahnmetrik ist ein klassisches Beispiel: Die kürzeste Verbindung zwischen zwei französischen Städten x und y führt über Paris, es sei denn
beide Städte liegen auf einer gemeinsamen Eisenbahnstrecke nach Paris. (Im Zuge der Dezentralisierung hat sich die Situation etwas verbessert, man kann inzwischen direkt von Strasbourg nach Lyon fahren!) Diese Aufgabe soll die Axiome
einüben und drastisch illustrieren, dass Metriken sehr vielgestaltig sind.
Anekdote am Rande, um auch die Deutsche Bahn zu würdigen. Sei X die
Menge der DB-Haltepunkte und d : X × X → R≥0 der Fahrpreis (in Euro). Soweit ich weiß erfüllt dies d(x, x) = 0 und vermutlich auch d(x, y) > 0 für x 6= y
und d(x, y) = d(y, x). Erstaunlicherweise erfüllt es nicht die Dreiecksungleichung:
Manchmal ist es billiger, einen Umweg zu fahren. Demnach ist d keine Metrik!
Zur Parität auch ein schweizer Beispiel: Sei X die Menge der schweizer Berghütten und d(x, y) die Wanderzeit von x nach y. (Solche Zeitangaben finden Sie auf
den Wegweisern entlang der Wanderwege.) Dieses realistische und sehr nützliche
Abstandsmaß ist nicht symmetrisch!
(3) Aufgabe 3 zeigt, wie sich Stetigkeit und Konvergenz bezüglich der Metrik d allein
mit den offenen Mengen, also der Topologie Td formulieren lassen. Das ist durchaus bemerkenswert, wenn man’s recht bedenkt. Dieser fundamentale Zusammenhang leistet den Übergang vom metrischen Raum (X, d) zum topologischen Raum
(X, Td ), wie in der Vorlesung erklärt.
Die gute Nachricht: Alles bleibt gültig, was Sie bisher über Konvergenz und
Stetigkeit gelernt haben: Für R, C, Rn usw. benutzen Sie seit jeher die euklidische
Metrik (aus der Norm, diese dank Skalarprodukt), und die euklidische Topologie
tut genau das richtige. Warum machen wir uns dann die Mühe? Ganz einfach: weil
es oft nötig oder bequemer ist, Topologien statt Metriken zu betrachten.
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Stand 21. Oktober 2016
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