ACTA GERMANISTICA SAVARIENSIA ARBEITSMATERIALIEN DES LEHRSTUHLS FÜR GERMANISTIK AN DER WESTUNGARISCHEN UNIVERSITÄT – CAMPUS SAVARIA Sprachwissenschaft Petra Szatmári MORPHOLOGIE 2 Wortarten 2011 2 ZU DEN WORTARTEN 2 ZU DEN WORTARTEN 2.1. Prinzipien, Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Klassifizierung der Wortarten 2.1.1. Das semantische Verfahren 2.1.2. Das morphologische Verfahren 2.1.3. Das syntaktische Verfahren 2.2. Ausgewählte Wortartklassifizierungen 2.2.1. Die 10-Wortarten-Lehre der traditionellen Grammatik 2.2.2. Das Wortartsystem bei Hans GLINZ (1957) 2.2.3. Die heterogene Wortartklassifizierung bei Walter FLÄMIG (GRUNDZÜGE 1981) 2.3. Abschließendes Literatur 2.1. PRINZIPIEN, MÖGLICHKEITEN UND SCHWIERIGKEITEN BEI DER KLASSIFIZIERUNG DER WORTARTEN Die Lehre von den Wortarten kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Daraus ergibt sich, dass die Einteilung der Wortarten Ergebnis eines historischen Prozesses mit sehr unterschiedlichen Theorieerweiterungen und Theorieumgestaltungen ist. Daraus, dass Wörter aufgrund ihrer phonetisch-phonologischen, orthographisch-graphematischen, morphologischen, lexikalisch-semantischen und syntaktischen Eigenschaften als Einheiten im Schnittpunkt dieser verschiedenen Beschreibungsebenen vorkommen, resultiert auch, dass sie prinzipiell nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden können. Wenn Wörter einer Sprache nach Form- und Bedeutungsmerkmalen klassifiziert werden, gewinnt man Wortarten/Wortklassen. Unter Wortart versteht man somit „Klassen von Wörtern mit gemeinsamen grammatischen Eigenschaften. Grammatische Wortartcharakterisierungen verwenden vorrangig morphologische und syntaktische Merkmale. Für die Subklassifizierung werden auch sinnvollerweise pragmatische und semantische Kriterien herangezogen“ (RÖMER 2006: 52). Schwierigkeiten bei der Klassifizierung ergeben sich u.a. daraus, dass Wortarten aus der parole oder aus der langue konstruiert werden können.1 Vor diesem Hin1 So heißt es z.B. bei RÖMER (2006: 52-53): „Auch bei der Bestimmung von Wortarten fragt man, ob diese aus der parole, der jeweils individuellen Verwendung im Satz, oder aus der systemhaften, usuellen Charakterisierung, aus dem Lexikon mit 2 ZU DEN WORTARTEN tergrund unterscheidet die Fachliteratur (vgl. u.a. RÖMER 2006: 53) das syntaktische Wort (Wortform, Textwort) und das lexikalische Wort (Lexikonform). 2.1.1. DAS SEMANTISCHE VERFAHREN Beim semantischen Verfahren wird davon ausgegangen, dass jede Wortklasse per se eine Grundbedeutung hat (vgl. ENGEL 21992: 17, 1992: 54): Grundbedeutung Wörter, die Vorgänge oder ein Sein bezeichnen Wörter, die Wesen, Dinge oder Begriffe bezeichnen Wörter, die Zustände oder Eigenschaften bezeichnen Wortart/-klasse Verben (laufen, schlafen) Problematisches Vorfall (= Geschehen), Schönheit (= Eigenschaft) funktioniert Substantive (Frau, Korb, (Verfahren somit nur, wenn man Ziel) vorher die WortklassenAdjektive (krank, gierig) zuordnung vornimmt, vgl. ENGEL 1992: 54) Nach semantischen Merkmalen kann z.B. unterschieden werden zwischen Autosemantika (Autosemantikon) Synsemantika Konkreta Abstrakta Zählbares Unzählbares Kategoriales haben ein lexikalisches Morphem und eine referentielle Bedeutung (= Vollwörter) sind grammatische Morpheme, sie schaffen inhaltliche Beziehungen, d.h. geben Relationen an, und können nicht allein Vorkommen (= Leerwörter; Funktionswörter/Fügewörter) Substantive mit gegenständlicher Bedeutung Substantive mit nichtgegenständlicher, begrifflicher Bedeutung Wortarten mit Bedeutung Tisch, schlafen, groß zu; dass; insofern, als Baum, gelb Freiheit, Geduld Stein, Mensch Wasser, Sand, Luft kategorialer Haus, laufen, alt seiner Gesamtheit von grammatischen Eigenschaften, aus der langue abzuleiten sei.“ 2 ZU DEN WORTARTEN Relationales Wortarten mit Bedeutung relationaler mit Den Begriffen Kategoriales und Relationales liegt nach SOMMERFELDT/STARKE (1988: 53) die Annahme zugrunde, dass bei der Masse von Wörtern deren lexikalische Bedeutung von der sog. Wortartbedeutung überlagert wird. Die Wortartbedeutung ist eine verallgemeinerte Bedeutung auf hoher Abstraktionsebene. Für sie wird die Bezeichnung „kategoriale Bedeutung“ verwendet. Demnach haben die Wortarten folgende kategoriale Bedeutung: Substantiv ‚Gegenstand’, Verb ‚Prozess’, Adjektiv ‚Merkmal’. In diesen höchst abstrakten kategorialen Bedeutungen der drei Wortarten sind bestimmte kategoriale Merkmale enthalten. Diese zeigen sich in grammatischen Kategorien. Schematisch lässt sich das folgendermaßen darstellen (vgl. SOMMERFELD/STARKE 1988: 53-54): Wortart kategoriale kategoriale Bedeutung Merkmale Substantiv ‚Gegenstand’ mit grammatischem Geschlecht ver(Spiel) sehen 46 % zählbar 2/4 isolierbar spezifizierbar deklinierbar Verb ‚Prozess’ bindbar an Person (spielen) in der Zeit verlaufend 19,3 % eine bestimmte Geltung ausdrückend 1/4 Adjektiv (groß) 22,6 % 1/4 ‚Merkmal’ - unselbständig graduierbar grammatische Kategorie Genus Numerus Kasus Person Tempus Modus Komparation Für die Hauptwortarten scheint die Angabe der kategorialen Bedeutung ziemlich unkompliziert zu sein. Für die anderen Wortarten (Präposition, Adverb, Pronomen) wird aufgrund ihrer grammatischen Bedeutung, und zwar inhaltliche Beziehungen im Satz herzustellen, die Bedeutung ‚Relation’ angegeben. Insofern gliedern SOMMERFELDT/STARKE (1988: 54) den Wortschatz in vier „Fundamentalkategorien“. Hauptnachteil dieser Klassifizierung ist, dass die Relationswörter nicht weiter unterteilt werden. 2 ZU DEN WORTARTEN Die Gesamtcharakteristik einer Wortart kann aber nicht nur von einer verallgemeinerten Bedeutung her erfolgen, sondern es müssen auch deren morphologische Prägung und syntaktische Verwendbarkeit (= der Fügungswert), die sehr eng miteinander verflochten sind, Berücksichtigung finden.2 2.1.2. DAS MORPHOLOGISCHE VERFAHREN Das morphologische Verfahren klassifiziert die Wörter nach ihrer geregelten Formveränderlichkeit, d.h. nach der Flektierbarkeit. Aufgrund dieses Verfahrens kann der Wortbestand in zwei Klassen unterteilt werden, in die Flektierbaren und in die Unflektierbaren. Die Flektierbaren sind mithilfe ihrer Konjugierbarkeit, Deklinierbarkeit bzw. Komparierbarkeit relativ leicht in Subklassen wie Verb, Nomen, Adjektiv und Pronomen zu trennen. Nachteil dieser Einteilung ist, dass die Klasse der Unflektierbaren bei Anwendung des morphologischen Prinzips nicht weiter unterteilt und differenziert werden kann. Die Klasse, zu der Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen usw. gehören, ist jedoch sehr heterogen. Auch wenn sie lediglich 1 % des Wortschatzes ausmacht, erfüllt sie äußerst wichtige Funktionen bei der (sinnvollen) Textverknüpfung, so dass eine weitere Untergliederung unbedingt notwendig wäre. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang ein weiteres Problem, obzwar Wörter wie lila, rosa, Milch, Butter oder nichts unveränderlich sind, werden sie den Adjektiven, Substantiven bzw. Pronomen zugeordnet, so dass deutlich wird, dass hier weitere Kriterien zur Anwendung kommen. 2.1.3. DAS SYNTAKTISCHE VERFAHREN Wenn Wörter nach syntaktischen Gesichtspunkten eingeteilt werden, wird dabei u.a. Folgendes untersucht (a) die Satzwertigkeit eines Wortes: Das bedeutet, ob das Wort logischfunktionell einen Satz vertreten kann 3 oder nicht, z.B. ist das Wort sicherlich satzwertig, denn es repräsentiert einen Satz, einen kondensierten Einschätzungssatz, und zwar ‚das ist sicher’. (b) der Strukturwert eines Wortes: Dabei geht es darum, welche syntaktische Rolle das Wort im Beziehungsgefüge der Satzes innehat, z.B. Prädikat, Subjekt, Attribut usw. 2 Dazu bei SOMMERFELDT/STARKE (1988: 54): „Wir sind der Auffassung, daß für die Anerkennung einer Gruppe oder Klasse von Wörtern als Wortart das Vorhandensein einer kategorialen Bedeutung und gemeinsamer formal-grammatischer Merkmale unerläßlich ist.” Daraus folgt u.a., dass z.B. Numeralien keine Wortart sind, denn ihnen fehlen gemeinsame formal-grammatische Merkmale. 3 Deshalb werden Sie auch Satzrepräsentanten genannt (vgl. RÖMER 2006: 48). 2 ZU DEN WORTARTEN (c) Positionen, die charakteristisch für die Wortart sind. (d) spezielle syntaktische Merkmale: Hier wird untersucht, ob das Wort z.B. eine Kasusforderung stellt oder ob es neben- bzw. unterordnend wirkt. Es werden die Wörter somit nach ihren Kombinationsmöglichkeiten klassifiziert. Bei einem Teil der Wörter wird auch der sog. Substitutionsrahmen oder Distributionsrahmen verwendet, d.h. man unterteilt Wörter mithilfe der Umgebung (Distribution), in der sie typischerweise vorkommen. So definiert man z.B. Substantive durch Artikelwort/Determinativ und Verb, vgl. Der _____________ hinkt. Der Mann hinkt. Der Vergleich hinkt. Allerdings ist auch dieses Verfahren mit verschiedenen Nachteilen verbunden, denn in die meisten Distributionsrahmen passen auch andere Wortarten, wie das folgende Beispiel belegt, Der _____________ hinkt. Der mit dem roten Schirm hinkt. Der im hellen Mantel hinkt. Hinsichtlich der Prinzipien einer wortartmäßigen Aufgliederung des Wortbestandes sind zwei Richtungen erkennbar: die homogene Wortartklassifizierung, bei der nur ein einziges Kriterium konsequent zur Anwendung kommt, bzw. die heterogene Wortartklassifizierung, bei der verschiedene – morphosyntaktische, semantische, pragmatische – Kriterien herangezogen werden. Die unterschiedlichen Klassifikationskriterien für die Wortarten sind Grund dafür, dass es im Deutschen keine einheitliche Klassifikation der Wortarten gibt. Neben Übereinstimmungen (vor allem bei den Wortarten Substantiv und Verb) lassen sich zahlreiche Unterschiede erkennen, z.B. a) Uneinheitlichkeit in der Behandlung der Numeralien: ADMONI (1972: 153ff.) nimmt aufgrund des gemeinsamen Merkmals ‚Zahl’ eine selbstständige Wortart an; HELBIG/BUSCHA (81984) ordnen sie den Adjektiven zu b) Unterschiede hinsichtlich der Gliederung und Zuordnung der Pronomen, Adverbien, Partikeln, Artikel: z.B. (i) fassen JUNG (1980: 253), SOMMERFELDT/STARKE 1988: 127) den Artikel als keine selbstständige Wortart auf, sondern führen ihn ‚als Begleiter des Substantivs’ in der Wortart Substantiv an; nach HELBIG/BUSCHA (81984: 357-358, ) gehört er zusammen mit adjektivischen Demonstrativpronomen (dieses Haus), adjektivischen Possessivpronomen (mein Haus), adjektivischen Interrogativpronomen (welches Haus), adjektivischen Indefinitpronomen (irgendein Haus), adjektivischen Indefinitnumerale (aller Anfang; etliche, mehrere Häu- 2 ZU DEN WORTARTEN ser) zu den Artikelwörtern; im DUDEN (41984: 89f.) bilden Artikel und Pronomen als ‚Begleiter und Stellverstreter des Substantivs’ eine Wortart. 2.2. AUSGEWÄHLTE WORTARTKLASSIFIZIERUNGEN Die Einteilung der Wortarten geht auf die Antike zurück4 und dank der Autorität dieses Systems wurde diese Klassifizierung auch Sprachen aufgezwungen, denen sie nicht passt, wie z.B. Sprachen, die keinen Artikel haben. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass die Einteilung der Wortarten in einem historischen Prozess entstanden ist und somit unterschiedlichen Theorien, Theorieerweiterungen ausgesetzt war. 2.2.1. DIE 10-WORTARTEN-LEHRE GRAMMATIK DER TRADITIONELLEN Die sog. „10-Wortarten-Lehre“ hat sich im Laufe der 2000jährigen Geschichte der griechisch-abendländischen Grammatikschreibung herausgebildet und war bis in die 1950er Jahre Grundlage für die Einteilung des deutschen Wortbestandes. Sie ist auf Johann Christoph ADELUNGS „Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache“ (1782) zurückzuführen (vgl. HOMBERGER 1993: 47). Die 10 Wortkategorien sind (1) Substantiv/Nomen (6) Adverb (2) Verb (7) Konjunktion (3) Adjektiv (8) Präposition (4) Artikel (9) Numerale (5) Pronomen (10) Interjektion. Da die Kriterien für die Klassifizierung nie offen gelegt worden sind, ist bei der Frage, nach welchen Kriterien die Einteilung erfolgt ist, zuerst von der Terminologie auszugehen. Dabei sind Eindeutschungen eher dort irreführend, wo der Wortartklassifizierung nicht semantische Kriterien zugrunde liegen, vgl. Zeit/Tätigkeitswort für Verb; Dingwort für Nomen. Charakteristisch für diese Einteilung war, dass die Einteilung auf der unkritischen Kombination verschiedener Kriterien beruhte, was in Anlehnung an HOMBERGER (1993: 47-48) an einigen Beispielen veranschaulicht werden soll:5 4 Als Verfasser der „ersten Grammatik des Abendlandes“ wird Dionysios TRAX (ca. 170-90 v. Chr.) angenommen (vgl. ARENS 1969: 121). Nach ihm gibt es acht Redeteile (= Wortarten): Nomen, Verbum, Partizip, Artikel, Pronomen, Präposition, Adverb, Konjunktion (vgl. RÖMER 2006: 43). 5 3 Einige Beispiele auch nach LÜHR ( 1990: 120ff.). 2 ZU DEN WORTARTEN Nomen / Substantiv semantisch morphologisch syntaktisch Verb semantisch morphologisch Adjektiv semantisch morphologisch syntaktisch Artikel syntaktisch operational Numerale semantisch Präposition morphologisch syntaktisch Konjunktion syntaktisch : bezeichnet Dinge – Konkreta (Eigennamen/Propria (Marina, Schweiz), Gattungsnamen/Appellative6 (Tisch, Mensch), Sammelbezeichnungen/Kollektive (Gebirge, Volk), Stoffbezeichnungen (Holz, Gold), Abstrakta (Eigenschaften (Schönheit, Eitelkeit), Relationen (Vaterschaft), Tätigkeiten (Schnitt), Vorgänge (Zerfall), Zustände (Freude) : wird dekliniert (vor allem Kasus) : steht nach Artikel : bezeichnet Handlungen (bauen), Tätigkeiten (arbeiten), Vorgänge (wachsen), Zustände (liegen) : wird konjugiert (vor allem Tempus) : bezeichnet Eigenschaften, Verhalten, Aussehen oder Zustand von Gegenständen und Personen, dient der Beschreibung und Charakterisierung : wird dekliniert (vor allem Komparation) : steht adnominal (zwischen Artikel und Nomen) oder prädikativ (nach Kopulaverben) : steht vor einem Nomen : kann gegen andere Begleiter ausgetauscht werden (der/ein/mein/kein/dieser Freund) : betrifft Zahlen und Zählbares : bestimmt Kasus des nachfolgenden Wortes (Nomen, Pronomen) : verknüpft Nomen oder Pronomen mit anderen Wörtern zu Syntagmen : verknüpft Wörter, Syntagmen oder Teilsätze. Dabei kam es zu Mehrfachzuordnungen, die sich aus der unterschiedlichen Funktion einzelner Wörter ergab, z.B. der als Artikel (der Mann), als Demonstrativpronomen (der mit dem Hut) oder als Relativpronomen (der Mann, der…); Adjektive können häufig auch adverbial verwendet werden, vgl. die schöne Sängerin – 6 Damit ist die gesamte Gattung gleichartiger Dinge oder Lebewesen gemeint, wobei sowohl das Einzelding bzw. Einzelwesen wie auch deren Gesamtheit bezeichnet werden kann. 2 ZU DEN WORTARTEN sie singt schön . Adverbial gebrauchte (unflektierte) Adjektive wurden den Adverbien zugeordnet und auch als „Adjektivadverbien“ bezeichnet. Aber auch das semantische Kriterium wurde nicht immer konsequent durchgehalten, denn ‚Wörter, die Zahlen bedeuten’, also Numerale, wurden z.B. den Nomen (Million), Verben (verdoppeln, verdreifachen) bzw. Adjektiven (doppelt) zugeteilt. Doppelt angeführt wurden ferner Wörter, die sich über das Merkmal ‚syntaktische Verwendbarkeit’ unterschieden, vgl. seit, während, bis schienen bei den Präpositionen und Konjunktionen auf.7 2.2.2. WORTARTSYSTEM BEI HANS GLINZ (1957) Aus seiner grundlegenden Kritik an der traditionellen Wortartenlehre heraus entwickelte in den 1950er Jahren Hans GLINZ basierend auf der formalmorphologischen Ausprägung eines Wortes die sog. „Fünf-Wortarten-Lehre“.8 Er klassifiziert Wörter (Lexeme) nach ihrer Gestaltveränderlichkeit in flektierbare und nicht-flektierbare Wörter. Nicht-Flektierbare nennt er Partikel. Die Wortart Partikel stellt somit eine Wortart dar (und umfasst Adverb, Präposition, Konjunktion, Interjektion), die nur intern weiter unterteilt werden kann. Die Flektierbaren werden in konjugierbare und deklinierbare Wörter geteilt. Konjugierbare Wörter repräsentieren die Klasse der Verben. Deklinierbare Wörter lassen sich mithilfe von Genus und Kasus in Substantive und Komparation in Adjektive (diese werden nicht hinsichtlich ihres prädikativen bzw. adverbialen Gebrauchs unterschieden) gliedern. Artikel und Pronomen bilden eine Wortart, die GLINZ „Begleiter oder Stellvertreter“ nennt. Das folgende Schema veranschaulicht seine Vorgehensweise (nach LINKE/NUSSBAUMER/PORTMANN 1991: 76): Wörter (Lexeme) flektierbar 7 nicht-flektierbar ADMONI (1972) behält das traditionelle System der 10-Wortarten bei, ergänzt es aber durch drei weitere Klassen: Negation (diese Klasse umfasst verschiedene Wörter von unterschiedlicher morphologischer Struktur und syntaktischer Verwendung wie nichts, niemand, kein, keineswegs; verbindendes Merkmal ist ihre lexikalische Bedeutung); Modalwort und Partikeln, die aus der traditionellen Wortart Adverb ausgegliedert werden. Modalwörter sind Wörter mit Satzwert wie sicherlich. Partikeln (bloß, mal, nur, doch) charakterisieren ein einzelnes Wort, ohne eine selbstständige Position im Satz einzunehmen. 8 Dieser Einteilung folgt auch im Großen und Ganzen die DUDEN Grammatik (1984). 2 ZU DEN WORTARTEN konjugierbar deklinierbar festes Genus variables Genus steigerbar 2 Flexionsreihen VERB NOMEN SUBSTANTIV ADJEKTIV nicht steigerbar 1 Flexionsreihe BEGLEITER PARTIKEL oder STELLVERTRETER Artikel oder Pronomen LINKE/NUSSBAUMER/PORTMANN (1991: 76) weisen zurecht darauf hin, dass die fünf Wortarten unter syntaktischen Aspekten zu subklassifizieren seien, die Klasse der Partikeln gilt es zu unterteilen in Subklassen wie Adverb (dort, heute, hoffentlich), Präposition (in, zu, mit), Konjunktion (und, oder, dass, ob, weil), Modalpartikeln (eben, ja, doch), Interjektion (hallo, he) und weitere. Unter syntaktischem Aspekt können u.a. Verben nach Zahl und Art der geforderten Ergänzungen subklassifiziert werden, so verlangt helfen Esub Edat Eprp: Die Kinder helfen der Mutter beim Abwasch. Die konsequente Anwendung des morphosyntaktischen Kriteriums zeigt sich darin, dass GLINZ Wörter mit gleichen Eigenschaften (in Bezug auf ihre syntaktische Verwendbarkeit) einer Wortart zuordnet, die die deutsche Bezeichnung „Begleiter oder Stellvertreter“ bekommt. Wenn man jedoch z.B. die unterschiedlichen Verwendungsweisen des Pronomen es sich vor Augen hält, wird deutlich, dass es nicht in jedem Fall die Funktion eines Begleiters oder Stellvertreters hat, vgl. Platzhalter es (Thema-es): Es sitzen viele Schwalben auf der Leitung. 2.2.3. DIE HETEROGENE WORTARTKLASSIFIZIERUNG TER FLÄMIG (GRUNDZÜGE 1981) BEI WAL- Für seine Klassifizierung in den GRUNDZÜGEN (1981) wendet Walter FLÄMIG unterschiedliche, einander ergänzende Kriterien an. Primär legt er seiner Einteilung das morphologische Kriterium zugrunde.9 Erst dann, wenn dieses nicht 9 8 HELBIG/BUSCHA ( 1984) gehen ebenfalls vom Primat eines Kriteriums aus, sie plädieren für den Primat des syntaktischen Kriteriums. Sie kommen zu folgender Auf- 2 ZU DEN WORTARTEN mehr ausreicht, klassifiziert er nach syntaktischen Gesichtspunkten. Aufgrund seines Ermittlungsverfahrens kommt er zu folgenden Wortklassen: „Wort“ flektierbar konjugierbar VERB nicht-flektierbar nicht konjugierbar = deklinierbar artikelfähig SUBSTANTIV nicht artikelfähig komparierbar ADJEKTIV mit Satzwert MODALWORT ohne Satzwert mit Satzglied-/ Gliedteilwert ADVERB nicht komparierbar PRONOMEN Fügteil ohne Satzglied-/ Gliedteilwert nicht Fügteil PARTIKEL mit Kasusohne Kasusforderung ……... forderung PRÄPOSITION KONJUNKTION Vereinfachungen, um die Kernbereiche des Wortbestandes zu erfassen, wurden dabei bewusst in Kauf genommen. Bei der speziellen Wortartbeschreibung werden Überlagerungen mitberücksichtigt. Keine Wortart im eigentlichen Sinne sind Interjektionen (Ausruf- und Empfindungswörter: ach, pfui, nana…), weil sie weder über das Merkmal ‚Satzwertigkeit’ noch über ‚Fügteilfunktion’ verfügen.10 gliederung (vier Formklassen und Klassen von Funktionswörtern): 1. Verben, 2. Substantivwörter, 3. Adjektive, 4. Adverbien; Funktionswörter I (a. Artikelwörter, b. Pronomen es), Funktionswörter II (a. Präpositionen, b. Konjunktionen), Funktionswörter III (a. Partikeln, b. Modalwörter, c. Negationswörter, d. Satzäquivalente). 10 Fügwörter sind „geeignet bestimmte syntaktische Verbindungen zwischen Wörtern, Wortgruppen und Sätzen zu kennzeichnen, wobei sie im Zusammenhang mit 2 ZU DEN WORTARTEN 2.3. ABSCHLIEßENDES An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Zugehörigkeit von Wörtern zu einer bestimmten Klasse – durch Veränderung der Kommunikationsbedürfnisse – durchaus veränderlich ist. Ein Wort vermag neue Eigenschaften anzunehmen, durch die die Zuordnung zu einer anderen Wortart erforderlich wird. Derartige Wortartwechsel (Konversionen) sind in der Sprachgeschichte nicht selten, z.B. (1) Substantivierung von Wörtern aller Wortarten (das Hören, das Du, das O, das Pfui) (2) Adjektive entstehen aus Substantiven bzw. Adverbien (angst, ernst, vorhanden) (3) Adverbien bildeten sich aus erstarrtem Nominalkasus heraus: aus dem Genitiv (mittags, nachts, rechts, keineswegs); aus dem Dativ (bisweilen, morgen); aus dem Akkusativ (heim, hinweg, nicht) (4) Präpositionen entstehen aus Nomen (dank, kraft, anhand, aufgrund, zeit). der syntaktischen Struktur das Zuordnungsverhältnis der verbundenen Einheiten anzeigen (Koordination, Subordination)” (GRUNDZÜGE 1981: 495-496). 2 ZU DEN WORTARTEN Aufgabe: In Anlehnung an BERGENHOLTZ/MUGDAN legt LÜHR (31990: 126) folgendes Schema zur Unterscheidung der Wortarten nach syntaktischen und morphologischen Gesichtspunkten vor: Wort flektierbar konjugierbar nicht flektierbar deklinierbar nicht satzbildend komparierbar nicht komparierbar kann allein Satzglied sein komparierbar artikelfähig satzbildend kann nicht allein Satzglied sein nicht komparierbar nicht artikelfähig verlangt einen Kasus kann allein Satzglied sein verlangt keinen Kasus kann nicht Satzglied sein Verb Adj. Subst. Pron. Artikel(wort) Adj. Adv. übrige Präp. Konjunktion/ Interjektion Adv. Subjunktion; zu + Inf. ja, nein, wie, als beim doch, bitte Vergleich; danke desto, um so beim Komparativ; u.a. Vergleichen Sie diese Klassifizierung mit der von FLÄMIG (GRUNDZÜGE 1981). Woraus mögen sich Unterschiede ergeben? LITERATUR ADMONI, Wladimir (1972): Der deutsche Sprachbau. Leningrad: Nauka. 2 ZU DEN WORTARTEN ARENS, Hans (1969): Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. Freiburg/München: Verlag Karl Alber. BUßMANN, Hadumod (1990): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner. DUDEN. Die Grammatik. (1984) 4., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben und bearbeitet von Günther Drosdowski et al. Mannheim: Bibliographisches Institut. (zit. als DUDEN 41984) ENGEL, Ulrich (21992): Deutsche Grammatik. Heidelberg/Budapest: Múzsák Kiadó. ENGEL, Ulrich (1992): Der Satz und seine Bausteine. In: Ágel, Vilmos/Hessky, Regina (Hg): Offene Fragen – offene Antworten in der Sprachgermanistik. Budapest: Germanistisches Institut der Eötvös-Loránd-Universität, 53-76. FORSGREN, Kjell-Åke (1992): Zum Problem des Satzbegriffs im Deutschen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 114, 3-27. HEIDOLPH, Karl Erich/FLÄMIG, Walter/MOTSCH, Wolfgang (1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin: Akademie-Verlag. (= zit. als GRUNDZÜGE) HELBIG, Gerhard/BUSCHA, Joachim (81984): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Leipzig: Enzyklopädie. HELBIG, Gerhard/BUSCHA, Joachim (161994): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Leipzig et al.: Langenscheidt/Enzyklopädie. HOMBERGER, Dietrich (1993): Das Prädikat im Deutschen. Linguistische Terminologie in Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik. Opladen: Westdeutscher Verlag. LÜHR, Rosemarie (31990): Neuhochdeutsch. München: Fink (= UTB Germanistik Sprachwissenschaft 1349). LINKE, Angelika/NUSSBAUMER, Markus/PORTMANN, Paul R. (1991): Studienbuch Linguistik. Tübingen: Niemeyer. RÖMER, Christine (2006): Morphologie der deutschen Sprache. Tübingen/Basel: Francke (= UTB 2811).