Service Learning und Wertebildung Theoretische Überlegungen und empirische Hinweise Prof. Dr. Heinz Reinders Agenda o o o o o o Wertebildung Gesellschaftliche Werte Individuelle Wertebildung Entwicklung von Intergruppen-Werten Reflexion und Wertebildung Fazit 2 Fragestellung o Welchen Einfluss hat Service Learning auf die Wertebildung bei Heranwachsenden? Allgemeine (zivilgesellschaftliche) Werte o Intergruppen-Werte o Soziale Stereotype o o Welche Rolle spielt der Reflexionsprozess bei der Wertebildung? 3 Wertebildung Wertebildung o o o Werte sind überdauernde und zeitlich stabile Vorstellungen von wünschbaren Handlungsresultaten. Werte geben Handlungsabsichten und Handlungsvollzügen eine inhaltliche Richtung und Intensität. Sie enthalten eine affektive, kognitive und eine verhaltensbezogene Komponente. Werte Ziele Handlungsabsicht 5 Wertebildung o o o Werteentwicklung ist die nicht intendierte und latente Entstehung und Veränderung von Werten. Wertebildung wird verstanden als intendierte und manifeste Einflussnahme auf das Wertesystem einer Person Werteveränderung kann das Resultat beider Prozesse sein und sich auf absolute o relative o ipsative o o Veränderungen von Werten beziehen. 6 Wertebildung o Absolute Werteveränderung o Die Bedeutsamkeit eines Wertes verändert sich. 25 20 15 Wert 10 5 0 MZP 1 o Relative Werteveränderung o Die Bedeutsamkeit eines persönlichen Wertes verändert sich im Vergleich zur Umwelt. MZP 2 25 20 15 Person A 10 Person B 5 0 MZP 1 o Ipsative Werteveränderung o Ein persönlicher Wert verändert sich im Vergleich zu einem anderen persönlichen Wert. MZP 2 25 20 15 Wert A 10 Wert B 5 0 MZP 1 MZP 2 7 Gesellschaftliche Werte Gesellschaftliche Werte o „Wertekreis“ nach Schwartz (1992) 9 Gesellschaftliche Werte o Gesellschaftliche Werte im nationalen Vergleich (WVS; Stand: 16.05.2014; www.worldvaluesurvey.org) 10 Gesellschaftliche Werte o Bereitschaft zu sozialem Engagement der 15- bis 29-Jährigen im internationalen Vergleich (Quelle: World Values Survey 1999; eigene Berechnungen) DE (Ost) Hilfe für "handicapped" DE (West) UK S Hilfe für Senioren PL NL I F Nachbarschaftshilfe FIN 0 5 10 15 20 25 30 DK 11 Individuelle Wertebildung Individuelle Wertebildung o Kindheit und Jugend als sensible Phasen der Werteentwicklung o o o o o o o o (Meta-) kognitive Entwicklung Emotionsregulation Sozialkompetenz Freundschaftskonzepte Moralvorstellungen Entwicklung sozialer Stereotype Verhaltensveränderungen Körperliche Veränderungen Peers Familie Schule Service Learning Werte 13 Individuelle Wertebildung Werte Gesellschaft Sozialer Nahraum Sozialer Nahraum Gesellschaft Werte Service Learning 14 Individuelle Wertebildung o Service Learning als sozialer Nahraum (Reinders, in Vorb.) 15 Individuelle Wertebildung o Service Learning als sozialer Nahraum (Reinders, in Vorb.) 16 Individuelle Wertebildung o o o o o Service LEARNING (Typ 1). Bei Kursen dieser Form steht das Lernen akademischer Inhalte im Vordergrund, die Resultate der Unterstützung für die Gemeinde sind nachrangig. SERVICE Learning (Typ 2). Hier ist die Unterstützung für die Gemeinde zentrales Merkmal der Kurse, der Erwerb akademischen Wissens ist demgegenüber nachgeordnet. Service Learning (Typ 3). Diese Varianten zeichnen sich dadurch aus, dass beide Komponenten eher unverbunden nebeneinander bestehen. SERVICE LEARNING (Typ 4). Ziele des Service und des Lernens nehmen ein ausgewogenes Gewicht ein und sind eng miteinander verknüpft. Es besteht ein reziprokes Verhältnis zwischen Lernenden, Fachinhalten und Praxis. Werte Sigmon (1994) 17 Entwicklung von Intergruppen-Werten Entwicklung von Intergruppen-Werten o Komponenten der Intergruppen-Werte (Hesse & Göbel, 2004; Reinders et al., 2011) o Kognitive Ebene Deklaratives Wissen o Wahrnehmung gruppenspezifischer Unterschiede o Metakognitives Wissen o o Affektive Ebene Interesse an anderen Sozialgruppen o Akzeptanz gruppenspezifischer Unterschiede o Empathie/ Offenheit für Andere o o Handlungsebene o Intergruppen-Handlungsfähigkeit 19 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Results of the first study showed no significant differences in gains in social and personal responsibility (...) or moral judgment (...). On the other hand, results of semi-structured interviews of seven students (...) suggested clear benefits of the service component.“ (Fenzel & Leary, 1997) 20 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Wahrnehmung von Intergruppen-Unterschieden o o Bewusstsein für kulturelle Eigenheiten (Burnett, Hamel & Long, 2004; Einfeld & Collins, 2008; Flannery & Ward, 1998; Jonas & Hill, 2001; Jones et al., 2010; Marullo, 1998, Sanders, McFarland & Bartolli, 2003) Metakognitives Wissen o Reduktion negativer Stereotype (Einfeld & Collins, 2008; Eyler & Giles, 1999; Hirschinger-Blank & Markowitz, 2006; Jonas & Hill, 2001) 21 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Empathie/ Offenheit für Andere Höhere Akzeptanz für Andere (Toews & Cerny, 2005) o Erhöhte emotionale Empathie (Lundy, 2007) o o Intergruppen-Handlungsfähigkeit Service Learning eröffnet Handlungsstrukturen zur Bewältigung interkultureller Herausforderungen in der Community (Boyle-Baise, 2002; Burnett, Hamel & Long, 2004) o Höhere Handlungssicherheit im interkulturellen Kontext (Einfeld & Collins, 2008) o 22 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Veränderung in der Empathiefähigkeit von Studierenden nach besuchter Kursart (Messung durch Emotional Empathetic Tendency Scale, Angaben in Mittelwerten; Lundy, 2007) 60 50 40 30 20 10 0 Semsterbeginn Service Learnning (n=75) Semesterende Interviewführung (n=44) Forschungsbericht (n=73) 23 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Veränderung sozialer Stereotype zu Armutsursachen bei College-Studierenden (Messung durch Attributions for Poverty-Measure, Angaben in Mittelwerten; Seider, Rabinowicz & Gillmor, 2011) 5 4 3 2 1 Semsterbeginn Service Learning (n=362) Semesterende Kontrollgruppe (n=37) 24 Entwicklung von Intergruppen-Werten o Veränderung von Einstellungen gegenüber Übergewichtigen bei Service Learning-Studierenden in einem Ernährungsprogramm (Einzel-Items, Angaben in Mittelwerten; Rukavina, Li & Rowell, 2008) 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 Semsterbeginn kaufen zu viel Junk-Food Semesterende könnten abnehmen wenn sie wollen 25 Reflexion und individuelle Wertebildung Reflexion und individuelle Wertebildung o Fünf Schritte zur Entwicklung von Intergruppen-Kompetenz durch Service Learning (Naudé, 2012; Sanders, McFarland & Bartolli, 2003) 1. Widerstand der Kontaktaufnahme 2. Border crossing: Reaktionen auf Intergruppen-Differenz 3. Bewusstsein für situationale Komplexität 4. Akzeptanz von Gruppendifferenzen 5. Entwicklung von Intergruppen-Handlungsstrategien 6. Sicheres Handeln im Intergruppen-Kontext Affektive Ebene Kognitve Ebene Handlungsebene 27 Reflexion und individuelle Wertebildung o o o Realitätsbezug meint, dass die durchgeführten Projekte nicht im artifiziellen Lernsetting von Schule oder Hochschule, sondern im realen Leben angesiedelt sein und reale Unterstützungsbedarfe der Community bestehen müssen. Reziprozität zielt darauf ab, dass Studierende bzw. SchülerInnen und unterstützte Personen oder Organisationen wechselseitig verlässlich sind, voneinander lernen und auf ihre gegenseitigen Bedürfnisse eingehen. Reflexion bedeutet, dass Lernende ausreichend Zeit und didaktische Anleitung zum Nachdenken über das Verhältnis von akademischer Theorie und der tatsächlichen Lebenspraxis erhalten. 28 Reflexion und individuelle Wertebildung o Allgemeine Reflexionsentwicklung Service Learning-Kurse mit integrierter Reflexion erhöhen die moralische Urteilsfähigkeit (Eyler et al., 1997, Eyler, 2002) o Bessere Verknüpfung von Wissen und vertieftes Verständnis durch Reflexion (Boud et al., 1994; Reinders & Hillesheim, einger.) o o Reflexion von Intergruppen-Unterschieden Erhöhte moralische Sensitivität bei Konflikten (Leming, 2001) o Erhöhte kulturelle Sensitivität durch Reflexion (Crossmann & Kite, 2007) o 29 Reflexion und individuelle Wertebildung o Unterschiede bei der Dilemma-Bewertung durch Jugendliche nach Art des Service Learning (Angaben in Mittelwerten; Leming, 2001) Ethische Reflexion (n=110) Reflexion (n=193) Kontrollgruppe (n=173) 1 Moralische Bewusstheit 2 Verantwortungsübernahme 3 4 Curriculum-Verknüpfung 30 Reflexion Was habe ich erlebt? Reflexionszirkel nach Reinders & Hillesheim (2011) Erinnerung an die Erfahrung Was kann ich in neuen Situation verändern? Eröffnung von Handlungsoptionen Wie bewerte ich die Situation theoretisch? Theoriegeleitete Bewertung der Situation Bewusst werden von Gedanken und Emotionen Theoretische Kontextualisierung Was habe ich gedacht und gefühlt? Wie lässt sich die Situation theoretisch erklären? 31 Reflexion o Beispiel für ein ReflexionsTagebuch bei Studierenden 32 Fazit o o o o o Service Learning ermöglicht SchülerInnen die Auseinandersetzung mit Werten außerhalb ihres üblichen sozialen Kontexts. Wertebildung ist kein Automatismus, der durch ein Setting initiiert wird. Die Wirkweise von Service Learning als Wertebildung ist je nach Wertebereich unterschiedlich. Wertebildung ist ein längerfristiger Prozess, zu dem Service Learning bei Heranwachsenden Impulse setzen kann. Die Reflexion über wertebezogene Inhalte aus Curriculum und Praxistätigkeit ist ein wichtiger Impuls. 33 Service Learning und Wertebildung Theoretische Überlegungen und empirische Hinweise Prof. Dr. Heinz Reinders