HORNHAUTTRANSPLANTATION Erfolgsrate über 90 Prozent Komplikationen fast immer beherrschbar Ambulante oder kurzstationäre Behandlung möglich PD Dr. Bernd Schimmelpfennig, Facharzt FMH für Ophthalmologie, Klinik Im Park, Zürich Schon vor über 5000 Jahren versuchten die alten Ägypter, die Funktion der erkrankten menschlichen Kornea wiederherzustellen, indem sie sie durch eine gesunde Antilopenhornhaut ersetzten. Routinemässige Korneatransplantationen mit menschlichem Spendermaterial werden jedoch erst seit Mitte der 60er-Jahre unseres Jahrhunderts durchgeführt. Ausschlaggebend für den klinischen Durchbruch und den wachsenden Erfolg des Verfahrens war nicht zuletzt die Verfügbarkeit geeigneten Nahtmaterials (Abb. 1). Die Operation erfolgt als Wahleingriff bei getrübter oder stark deformierter Kornea (Abb. 2 u. 3) oder als Noteingriff nach einer Perforation (Abb. 4). Da diese Zustände unbehandelt zur praktischen Erblindung des betroffenen Auges führen, bietet der Austausch der funktionsgestörten Hornhaut durch ein klares, regulär gekrümmtes Transplantat die einzige Möglichkeit, die anatomische und optische Integrität des Auges Wiederherzustellen. Operationstechnik Die Übertragung des Gewebes erfolgt in Allgemeinnarkose unter einem Operationsmik- Abb. 1 Status nach vollendeter Hornhauttransplantation (Doppelnaht) Abb. 2a Hornhauttrübung und Einwachsen von Blutgefässen nach Kalkverätzung Abb. 4a Akute Perforation (dunkle Stelle mit Fibrinpfropf) in einer durch rezidivierende Herpesinfektionen getrübten Kornea Abb. 4b Gleiches Auge nach notfallmässiger Hornhauttransplantation und teilweiser Exzision der Iris zur Entfernung von Verwachungen Abb. 2b Gleiches Auge nach Hornhauttransplantation Abb. 5 Ausstanzen des Transplantats aus der Spenderkornea roskop. Zunächst wird mittels Trepanation aus der Spenderkornea ein kreisrundes Transplantat mit einem Durchmesser von 7,0–8,5 mm gewonnen (Abb. 5) und am Empfängerauge das pathologische Gewebe in korrespondierender Grösse herausgestanzt (Abb. 6). Danach wird das Transplantat mit einem monofilen 10-0-Nylonfaden möglichst wasserdicht fixiert . Die Trepanations- und Nahttechniken unterliegen individuellen Variationen. Am Ende der Operation wird die Naht gespannt und der Knopf im Gewebe versenkt. Die monofile Naht wird vom Korneaepithel überwachsen und somit nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen. Die Hornhauttransplantation lässt sich auch in Kombination mit anderen Eingriffen am Auge, zum Beispiel einer Kataraktextraktion oder Implantation einer Kunststofflinse, durchführen. Nachbehandlung Der Patient kann das Spital oft schon nach 24 Stunden, spätestens aber nach 72 Stunden verlassen. Die gesamte postoperative Phase erstreckt sich über 12 bis 14 Monate; während der ersten Monate tropft der Pa- Abb. 3 Links: Deformierte Kornea (Keratokonus) Rechts: Normale Hornhautkrümmung nach Transplantation (Spaltlampenfotografie) Abb. 6 Trepanierte Öffnung am Empfängerauge Abb. 7 Stabile Naht 12 Monate nach Hornhauttransplantation tient Kortison, um entzündliche und immunologische Prozesse zu hemmen. In dieser Zeitspanne sollte es bei liegender Naht zur Ausbildung einer stabilen narbigen Verbindung zwischen Transplantat und Wirtskornea kommen (Abb. 7). Besteht bei stark vaskularisierter Hornhaut eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Abstossungsreaktion, erfolgt eine Systemtherapie mit Cyclosporin A (Neoral®) während ca. sechs Monaten. Nach der Operation sind die Patienten je nach Beruf und Zustand des zweiten Auges während vier Wochen bis zu sechs Monaten arbeitsunfähig. In der postoperativen Phase entwickelt sich die Sehschärfe sehr unterschiedlich. Während dieser Zeit ist eine exakte Brillen- oder Kontaktlinsenkorrektur wegen der liegenden Naht meistens nicht möglich. Der Patient ist auf diesen Sachverhalt hinzuweisen, der u.a. mit sich bringen kann, dass er auf das Autofahren vorübergehend verzichten muss. Frühestens ein Jahr nach der Operation kann die Narbenbildung als abgeschlossen betrachtet werden. Die Naht wird dann in Lokalanästhesie ambulant entfernt. Vier Wochen danach kann eine erste Messung der Refraktion (Hornhautkrümmung, Fehlsichtigkeiten) erfolgen. Komplikationen Komplikationen treten entweder in der postoperativen Frühphase auf, oder sie manifestieren sich während oder nach der Nahtentfernung. Als häufigste Frühkomplikationen sind Wundlecks und Nahtinfektionen mit nachfolgender Nahtlockerung zu nennen. Sie werden durch eine Nahtrevision behandelt. Ein akutes Versagen, d.h. eine akute Eintrübung des Transplantats, ist sehr selten. Fast nie kommt es zu generalisierten Transplantatinfekten oder Allgemeininfektionen des Augeninneren (Endophthalmitis). Spätkomplikationen betreffen Narbendehiszenzen oder -rupturen nach Entfernung der Naht. Als Folge dieses Eingriffs verlängert sich für den Patienten die Rekonvaleszenz mit evtl. ungenügender Brillen- oder Kontaktlinsenkorrektur um weitere drei bis vier Monate. Abstossungsreaktionen treten bei Korneatransplantationen im Vergleich zu Transplantationen gut durchbluteter Gewebe oder Organe eher selten auf. Sie sind durch hoch dosierte lokale Kortisongaben fast immer beherrschbar, können aber bei verzögertem Einsetzen der Behandlung eine Trübung des Transplantats nach sich ziehen (Abb. 8). Das Einnähen der instabilen Transplantatscheibe in das noch instabilere offene Auge bedingt einen mehr oder weniger ausgeprägten postoperativen Hornhautastigmatismus (asymmetrische Krümmungsradien). Erreicht dieser einen Grad, der eine akzeptable Brillen- oder Kontaktlinsenkorrektur unmöglich macht, wird ambulant ein korrigierender Zweiteingriff durchgeführt (Abb. 9). Als weitere Komplikation kann vor allem bei älteren Patienten, u.a. als Folge der obligatorischen Nachbehandlung mit Kortison, eine Linsentrübung auftreten, die eine Kataraktoperation mit Linsenimplantation erfordert. Eigene Erfahrungen Von 1988 bis 1999 hat der Autor 546 Hornhauttransplantationen durchgeführt. Als Erfolg darf die Operation dann gelten, wenn am Ende des chirurgischen Aufwandes eine klare Kornea existiert, die – allenfalls mit einer optischen Zusatzkorrektur – dem Patienten ein subjektiv verbessertes Sehen ermöglicht. Gemessen an diesem Kriterium konnte im eigenen Patientengut eine Erfolgsrate von 97 Prozent erzielt werden. Bei den Frühkomplikationen standen Wundlecks im Vordergrund (ca. 7 Prozent), häufigste Spätkomplikationen waren hoher Astigmatismus (ca. 9 Prozent) und Abstossung des Transplantats (ca. 7 Prozent). Während der Astigmatismus einen korrigierenden Zweiteingriff erforderte, liessen sich die Abstossungsreaktionen in der Mehrzahl der Fälle durch hoch dosierte lokale Kortisonbehandlung beherrschen. Über 70 Prozent der operierten Patienten waren grundversichert und konnten dank teilstationärer Behandlung kostensparend transplantiert werden. Die pünktliche Bereitstellung der Transplantate erfordert eine funktionierende Logistik, die mit der Bestellung bei der internationalen Tissue Bank (TBI) in Boston, USA, beginnt und mit der Anlieferung per Flugzeug und Taxi im Spital endet. Die Transplantate sind nach US-Norm zertifiziert und auf Pathogene getestet. Generell darf die Hornhauttransplantation mit einer Erfolgsrate von über 90 Prozent heute als die am besten etablierte und effektivste Transplantation überhaupt angesehen werden. Abb. 8 Getrübtes Transplantat und beginnende Vaskularisation nach wiederholten Abstossungsreaktionen Abb. 9a Ausgeprägter Transplantationsastigmatismus; dargestellt mittels Reflexion (Placidoscheibe) Abb. 9b Optimale Krümmungsverhältnisse nach korrigierendem Eingriff