Aidskranke in Simbabwe Medikamente zu Selbstkosten U. BAUMGARTEN / VARIO-PRESS tur fehlt. Das gilt eben nicht nur für Aids, sondern auch für Malaria und andere Tropenkrankheiten. SPIEGEL: Dafür stellen Sie ebenfalls billige Medikamente bereit? Krebs: Die Patente von 95 Prozent der Wirkstoffe gegen diese Krankheiten sind längst abgelaufen. Da sind die Generikahersteller am Zuge. Aber noch einmal: Es ist nicht allein der Preis. Wir haben unser Aidsmittel Viramune, mit dem sicher und einfach die Übertragung der Krankheit von einer infizierten Mutter auf ihr Kind verKONZERN E hindert wird, unentgeltlich in Afrika angeboten. Ich dachte, die würden uns die Bude einrennen. Leider ist die Nachfrage sehr zögerlich. Das ist schon frustrierend. SPIEGEL: Die Pharma-Industrie war nicht immer so mildtätig. Rolf Krebs, 61, Chef von Boehringer Ingelheim und Krebs: Sie haben Recht. Vor 20 Jahren hätPräsident des Pharma-Weltverbandes, über den Kampf gegen Aids te die Industrie sicherlich überlegt, ob es lohnt, Milliarden in die Aidsforschung zu SPIEGEL: Herr Krebs, die Pharma-Industrie SPIEGEL: Lassen sich Preisdifferenzen dieses stecken, wenn ein großer Teil der Produktion zu Selbstkosten abgegeben werden hat ihre Klage gegen die südafrikanische Ausmaßes auf Dauer durchhalten? Regierung, die Einfuhr und Produktion Krebs: Wir alle leben damit, wenn auch un- muss. Aber da hat ein Paradigmenwechsel billiger Nachahmermedikamente – zum gern. Denn nach einer Studie der Weltge- stattgefunden. Die junge ManagergeneraBeispiel gegen Aids – erlaubt hat, vorige sundheitsorganisation erreichen nur zwölf tion, zu der ich mich in diesem Sinn auch Woche zurückgezogen. Warum? Prozent unserer Billigangebote tatsächlich zähle, sieht das ganz anders. Krebs: Wir haben zu spät die politische die Patienten in Afrika. 88 Prozent tau- SPIEGEL: Unter dem Druck der ÖffentLawine bemerkt, die wir mit diesem Pro- chen über unsere Märkte wieder auf und lichkeit. zess losgetreten haben. In der Sache ist füllen Konten auf schönen Schweizer Ban- Krebs: Auch. Aber dieser Aktionismus, in ken. Das wissen wir. Daran lässt sich, den wir jetzt getrieben werden, kann sich die Klage gerechtfertigt. SPIEGEL: Was werfen Sie Pretoria vor? letztlich auch als schädlich Krebs: Südafrika muss sich an die Spielreerweisen. Meine größte Sorgeln halten, die von der Welthandelsorgage ist, dass wir in drei Jahren nisation vorgegeben worden sind. Bevor gefragt werden: Ja, was habt ein Entwicklungsland die Schleusen für ihr denn da gemacht, ihr Generika, also Nachahmermedikamente, habt hunderttausend preisöffnet, muss es mit den Patentinhabern wert behandelt und Milliodarüber verhandeln, zu welchem Preis dienen sterben lassen. Das aber se liefern wollen. Erst wenn die Regierung ist dann nicht der Pharmaeinen Generikahersteller findet, der noch Industrie anzulasten. billiger anbietet, kann sie eine SPIEGEL: Sondern? Zwangslizenz vergeben. Diesen Krebs: Die Weltbank muss Dialog hat Südafrika bisher vereinsteigen und die G-7weigert. Staaten. Wir brauchen dringend die Infrastruktur, über SPIEGEL: Und das wird jetzt nachdie nicht nur Medikamengeholt? te verteilt, sondern auch Krebs: Genau. Im Übrigen ist in dem Getöüber deren Anwendung gese völlig untergegangen, dass die sechs wacht wird, über die aufgroßen Aidsmittelhersteller – darunter Pharma-Manager Krebs: „Schädlicher Aktionismus“ geklärt wird. Uganda hat Boehringer Ingelheim – ihre Produkte in der Dritten Welt zum Teil bereits zu Her- fürchte ich, auch nicht viel ändern. Aller- es vorgemacht. Dort sinkt die Zahl der stellungskosten abgeben. In Afrika verlan- dings ist das Aidsproblem über den Preis Neuerkrankungen. Das sieht auch UnoGeneralsekretär Kofi Annan, mit dem gen wir 80 Cent, in der westlichen Welt allein ohnehin nicht zu lösen. 8 Dollar für unser Aidsmedikament. SPIEGEL: Aber es hilft, wenn Kranke sich wir über Südafrika gesprochen haben, SPIEGEL: Muss sich da nicht die deutsche auch in armen Ländern wirksame Medi- genauso. Ortskrankenkasse fragen, warum sie für kamente leisten können. SPIEGEL: Was haben Sie mit ihm verabihr Mitglied das Zehnfache zahlt? Krebs: Die Frage ist, ob die Medikamente redet? Krebs: Auch für die Pharma-Industrie gel- sie überhaupt erreichen. Kürzlich hat die Krebs: Eine Arbeitsteilung. Wir sorgen daten die Regeln der Betriebswirtschaft. Das südafrikanische Gesundheitsministerin, als für, dass die Preise runterkommen. Er sorgt System der Billigmedikamente für die Drit- Pfizer ihr Medikamente gegen Meningitis dafür, dass die Medikamente auch beim te Welt funktioniert nur, solange die Men- schenken wollte, eingestanden, dass sie die Patienten ankommen und ihre Einnahme schen in der Ersten Welt bereit sind, die Kranken im Lande selbst mit kostenlos kontrolliert abläuft, weil sonst resistente Armen mit einem Preiszuschlag zu sub- zur Verfügung gestellten Medikamenten Viren entstehen, gegen die wir keine Wafnicht versorgen kann, weil die Infrastruk- fen haben. ventionieren. Interview: Heiko Martens FOTOS:B. BOSTELMANN / ARGUMT „Die Armen subventionieren“ 102 d e r s p i e g e l 17 / 2 0 0 1