24.01.2015' 24.01.2015' Ethik in der Psychiatrie – Grundlagen Hinführung Ethik in der Psychiatrie und Psychotherapie 15. Vierwaldstätter-Psychiatrietag 22. Januar 2015 Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle Interdisziplinäres Institut für Ethik im Gesundheitswesen Stiftung Dialog Ethik 1 24.01.2015 Übersich Der Mensch Ethik – Sitte – Moral Ethik – Recht Ethik in der Psychiatrie Doppelnatur des Menschen 24.01.2015 3 Naturwesen Vernunftwesen Verhältnis von Natur und Vernunft? Als reines Naturwesen wäre der Mensch nur instinktgesteuert Als reines Vernunftwesen wäre der Mensch absolut entscheidungsfähig Freiheit und Zwänge 2 24.01.2015 1' 4 2' 24.01.2015' 24.01.2015' Wer'bin'ich?' Was'will'ich?' Was'kann'ich?' Was'muss'ich'tun?'' Was'soll'ich'tun?' Moral' Persönlicher' Lebensentwurf' 24.01.2015 5 24.01.2015 7 6 24.01.2015 8 Si@e' Moral' Ethik' 24.01.2015 3' 4' 24.01.2015' 24.01.2015' ETHIK' ETHIK'' WISSENSCHAFT'VON'DER'MORAL' als'' Ethik' WISSENSCHAFT'VON'DER'MORAL' Moral' 24.01.2015 Moral' Moral' GruppenS' moral' Individueller' Lebensentwurf' GruppenS' moral' Individueller' Lebensentwurf' GruppenS' moral' Individueller' Lebensentwurf' 9 Sitte – Moral – Ethik Sitte: Unreflektiertes Set an Werten, Normen und Prinzipien, generiert selbstverständliches Handeln Gemeinsames Verständnis einer Gruppe Freiheit!' Moral: Reflektiertes Set an Werten, Normen und Prinzipien, generiert selbstverständliches Handeln Verständnis einer Person (Lebensentwurf) und/oder gemeinsames Verständnis einer Gruppe (Gruppenmoral) Ethik: Reflexion über Sitte und Moral 24.01.2015 10 12 5' 6' 24.01.2015' Ethik 24.01.2015' Entscheidungen sind geprägt von Reflektiert Werte, Normen und Prinzipien Befasst sich mit ethischen Problemen Wertespannungen, neuen Handlungsmöglichkeiten Orientiert sich am Guten Leben und Guten Sterben für alle Kommt dann ins Spiel, wenn moralische Selbstverständlichkeiten zerbrechen Struktur' Kultur' Implizit'und'explizit' Implizit'und'explizit' Allgemein'und'spezifisch' für'ethische'Dilemmata' 13 Ich'habe'ein'Recht,' über''mein'Leben' zu'bes[mmen!' Ich'wähle!' Ich'entscheide!' Der ethische Blick Ich'will'nicht'leiden!' In'was'für'einer'Gesellscha\' wollen'wir'leben?' Herausforderung''Pflege' Menschenbild?' Finanzielle'Interessen?' Lebensunwertes'Leben?' Gesellscha\liche' Solidarität?' Hinschauen auf Wertehintergründe Gesellscha\liche'Zwänge' In Entscheidungen und Handlungen In Strukturen und Organisationen 14 7' 8' 24.01.2015' Normative Ebenen der Entscheidungsfindung Ethische Verantwortung Vier Beziehungsdimensionen IchSBeziehung' DuSBeziehung' Soziale'WirS Beziehung'in' der' Gesellscha\' Funk[onale' WirSBeziehung' in'' Organisa[onen' 24.01.2015' Persönlicher,Verantwortungsraum:,Individuelle' Moral,'Lebensentwurf,'innere'S[mmigkeit,'Gewissen' Organisa(onale,Bereichsverantwortung:,, Richtlinien,'Vorgehensweisen'' Organisa(onale,Gesamtverantwortung:,, Leitbild,'Charta,'Richtlinien,'Vorgehensweisen,'etc' Gesellscha::' Menschenwürde,'Menschenrechte,'Gesellscha\sklima,'Si@en,'Gesetze,'KindesS'und' Erwachsenenschutzrecht,'Respekt'gegenüber'dem'Abwehrrecht'–'Pflichten'gegenüber' dem'Lebensschutz'S'Fürsorgeverpflichtungen' 19 Verantwortungsdimensionen Ethik in der Psychiatrie Individuum' Organisa[on' Gesellscha\' 24.01.2015 20 18 9' 10' 24.01.2015' Ethik... 24.01.2015' Organisationale Analyse Wie kommt es, dass diese Patientensituation thematisiert wird? Wer darf sie wie thematisieren? Wo findet das Problem statt? Wer ist daran beteiligt? Welche Kompetenzen haben die Personen? ...unterstützt'den'Umgang'mit' ethischen'Spannungsfeldern'und' Dilemmasitua[onen'' ...ist'Öl'im'Getriebe' ...unterstützt'bei' Entscheidungen' ...ist'Sand'im'Getriebe' ...hinterfragt'die'gängige'Praxis' und'gesellscha\lichen' Rahmenbedingungen' ...verlangt'Veränderungen'beim' Entscheiden''und'Handeln' 21 24.01.2015 Patientensituation 23 Verantwortungsdimensionen Patient, 49 jährig, mit einer paranoiden Schizophrenie und einem Vergiftungswahn verweigert jegliche Medikamentation und Ernährung. Aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes müsste er dringend auch Medikamente zur Verbesserung seines somatischen Zustandes einnehmen. Patient ist sich bewusst, dass er mit der Medikamenten- und Nahrungsverweigerung sein Leben auf‘s Spiel setzt. Was würden Sie tun? Individuum' Organisa[on' Gesellscha\' 22 24 11' 12' 24.01.2015' 24.01.2015' Konkreter Ethischer Entscheidungsfindungsprozess Organisationsethik Faktenanalyse: Organisationale Voraussetzungen Patientensituation Ethisch' reflek[ert' entscheiden' und' handeln' Ethik' betreiben:' Werte'und' Normen' reflek[eren' Ethik' organisieren' 25 Analyse der ethischen Güter Formulierung des ethischen Dilemmas Ethische Güterabwägung Entscheid Handlung Evaluation 24.01.2015 27 Organisationsethik Entscheidungssituationen Ethik organisieren: Diskursorte definieren; bestehende und neue Ethik betreiben: Werte- und Normen reflektieren Ethisch reflektiert entscheiden und handeln Mit dem urteilsfähigen Patienten Stellvertretend für den urteilsunfähigen Patienten 26 24.01.2015 13' 28 14' 24.01.2015' 24.01.2015' Die Selbstbestimmung des Patienten Arzt – Patienten – Beziehung in der somatischen Medizin mit einem urteilsfähigen Patienten niedrig hoch Partizipative Entscheidungsfindung 24.01.2015 31 29 Recht'auf'sorgfäl[ge' Behandlung' Recht'auf'Würde'' und'Selbstbes[mmung' Recht'auf'Behandlung' Recht auf Information Pflicht,'den'Arzt'zu'' informieren' Recht'auf'Nichtwissen' Recht'auf'Vertraulichkeit' Recht'auf'eine' Zweitmeinung' Recht'auf'Einsicht' in'die'Krankengeschichte' gleichberechtigte Partner gleichfähige Partner? aktive Beteiligung von Patient und Arzt geteilte Information gemeinsam verantwortete Entscheidung? ,par[zipa[ve'Entscheidungsfindung' 32 30 www.dialog-ethik.ch 15' 16' 24.01.2015' 24.01.2015' Beide Seite tragen dazu bei Kommunikation Patient «Gesagt ist noch nicht gehört. Gehört ist noch nicht verstanden. Verstanden ist noch nicht einverstanden. Einverstanden ist noch nicht beherzigt. Beherzigt ist noch nicht angewendet. Angewendet ist noch nicht beibehalten.» dialogischer Austausch Arzt, - medizinische Daten - Gestaltung der Beziehung - Beschwerden - Gefühle und Werte Selbstbestimmung Fürsorge Entscheidung für welche beide Verantwortung übernehmen Volksmund 35 33 www.dialog-ethik.ch Informationspflicht des Patienten Drei wirkungsvolle Regeln für ein gelingendes Gespräch zwischen Arzt und Patient: Fragen Fragen Fragen Der Patient ist verpflichtet, dem Arzt alle Informationen zu geben, die für die Behandlung von Bedeutung sind: Schmerzen Beschwerden Medikamente 36 34 www.dialog-ethik.ch www.dialog-ethik.ch 17' 18' 24.01.2015' Arzt-Patienten-Beziehung 24.01.2015' Arzt – Patienten - Beziehung Für den urteilsfähigen psychisch kranken Patienten gelten die gleichen Ansprüche an die Arzt – Patienten – Beziehung wie in der Somatik aber: In der Psychiatrie ist das Abwehrrecht des Patienten beschränkt. Im Gegensatz zur Somatik muss mit dem Patienten stets ein Behandlungsplan erstellt werden, dem der urteilsfähige Patient zustimmen können muss. Machtgefälle Verantwortung zur Beziehungsgestaltung Der urteilsfähige somatisch kranke Patient hat das Recht, lebenserhaltende Massnahmen zu verweigern. Tod wird dabei in Kauf genommen. Freiheit zur Selbstschädigung 37 24.01.2015 39 Psychisch kranker Patient Bei Urteilsfähigkeit: Behandlungsplan muss unter Einbezug des Patienten und seiner Vertrauensperson erstellt werden. Zustimmung ohne Hinweis auf Zwangsbehandlung Anspruch auf Information über Gründe, Zweck, Art und Modalitäten der Behandlungen als auch über mögliche Risiken und Nebenwirkungen, über Behandlungsalternativen und potenzielle Folgen des Unterlassens einer Behandlung zu informieren (Art. 433. Abs. 2 ZGB) Arzt – Patientenbeziehung in der Psychiatrie mit dem urteilsfähigen Patienten Andrea Büchler & Margot Michel 2015, S. 141 24.01.2015 38 24.01.2015 19' 40 20' 24.01.2015' 24.01.2015' Behandlungsvereinbarung Ausdruck einer Arzt-Patienten-Beziehung auf Augenhöhe! 41 24.01.2015 Abwehrrecht des Psychischkranken Artikel 7 der BV Beschränkt sich auf somatisch medizinische Massnahmen Gegenüber psychiatrischen Behandlungen hingegen kann sich der Psychischkranke nur solange wehren, als die Schädigung gering sind. Zwangsmassnahmen sind möglich. Dies aber sind Handlungen mit grösster ethischer Eingriffstiefe in einem demokratisch verbrieften Rechtsstaat. 24.01.2015 43 „Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen“ Der Menschenwürdeanspruch gilt grundsätzlich 42 44 21' 22' 24.01.2015' Existentieller Würde- und Autonomieanspruch 24.01.2015' Schweizerische Bundesverfassung Grundrechte Ethischer'Orien[erungspunkt' einer'humanen'Gesellscha\' Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit 1. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. 2. Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. 3. Folter und jede Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind Verboten. '''''Wesenha\er'WürdeS'u.'' Autonomieanspruch'des'Menschen' 'absolut' 'unverlierbar' 'unbedingt'zu'achten'u.'zu'schützen' 'unabhängig'von'den'konkreten' 'Eigenscha\en'und'Fähigkeiten' Tatsächliche'' Autonomiefähigkeiten' 'GegenstandsS'u.'situa[onsbezogen' 'Graduell'variabel' '(Teilweise)'verlierbar' 47 45 Menschenwürde und Menschenrechte Körperverletzung Menschenwürde: Jede medizinische und pflegerische Handlung gilt in der Schweiz juristisch als Körperverletzung Die Einwilligung des Patienten/der Patientin hebt diesen Tatbestand nicht auf, sondern nur die Widerrechtlichkeit der Handlung Diese Abwehrrecht hat zur Folge, dass die Freiheit zur Selbstschädigung besteht. Der Mensch hat eine Würde und keinen Preis Der Mensch darf nicht für fremde Zwecke instrumentalisiert werden. Der Mensch hat grundsätzlich Anspruch auf Selbstbestimmung im Sinne von Autonomie als einem existentiellen Grundanspruch (autonomos = Selbstgesetzgebung) Dieser Grundanspruch ist ein Abwehrrecht, aber kein Einforderungsrecht. Dieser Grundanspruch geht mit dem Menschen als Menschen einher und ist gerade nicht abhängig von bestimmten Eigenschaften oder Fähigkeiten Menschenrechte: Schutz des Menschen vor Instrumentalisierung 48 46 23' 24' 24.01.2015' Autonomieanspruch 24.01.2015' Informed consent Auto-nomos = Selbstgesetzgebung der vernünftigen Wesen (I. Kant) Anspruch auf Willensfreiheit Anspruch auf Würde = Instrumentalisierungsverbot Anspruch als Subjekt behandelt zu werden Autonomieanspruch ist v. a. ein Abwehrrecht Gilt unabhängig von konkreten Eigenschaften und Fähigkeiten! Einwilligungsfähigkeit („competence“) Informationsvermittlung („disclosure“) Informationsverständnis („comprehension“) Freiheit der Entscheidung („voluntariness“) Einwilligung in eine konkrete medizinische Massnahme („consent“) Personen müssen gefragt werden, wenn etwas mit ihnen geschehen soll (informed consent) Urteilsunfähige Personen haben Anspruch auf Autonomie und Würde – es muss nach ihrem mutmasslichen Willen gehandelt werden und sie dürfen nicht instrumentalisiert werden. 'Belmont'report'1979' 49 51' Paradigmenwechsel in der medizinischen Entscheidungsfindung Urteilsfähigkeit Von der Orientierung an der „Heiligkeit des Lebens“ und dem Arzt/der Ärztin als gute Mutter/ guter Vater zum autonomen Entscheid des urteilsfähigen Patienten/der urteilsfähigen Patientin Anspruch auf informierte Zustimmung (informed consent) Normativ gilt das Abwehrrecht gilt auch für die urteilsunfähige Person (Instrumentalisierungsverbot) Dreh und Angelpunkt bei der praktischen Umsetzung der demokratisch verbrieften Werteordnung Doch sobald die Urteilsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, tritt die Verpflichtung zur Lebenserhaltung an die erste Stelle 50 24.01.2015 25' 52 26' 24.01.2015' Urteilsfähigkeit Autonomieorientierung Urteilfähigkeit ist ein Rechtsbegriff (Büchler/Michel, S. 65) Urteilsfähigkeit bezieht sich immer auf den zu entscheidenden Gegenstand –ist immer relativ Die fachliche Bestimmung der Urteilsfähigkeit obliegt der Psychiatrie. KESB entscheidet in strittigen Fällen aufgrund von psychiatrischen Gutachten 24.01.2015 Suche'nach'dem'angemessenen'Handeln' Entscheidungshoheit'des'Pa[enten/der' Pa[en[n'und'der'Stellvertretung' Orien[erung'an'der' Machbarkeit' Orien[erung'Pa[entenwillen' und'dem'Angemessenen' 53 55 Definitionsmacht Ethisches Spannungsfeld Definitionsmacht bei der Bestimmung der Urteilsfähigkeit hat eigentlich der Rechtsstaat Faktisch aber hat entscheidet die Psychiatrie mit ihren Gutachten Psychiatrie entscheidet bei Bestimmungen über die Urteilsfähigkeit über Handlungen mit der grössten staatrechtlichen Eingriffstiefe 24.01.2015 24.01.2015' Schutzverpflichtung'des'Staates'des' Lebensschutzes' Autonomieanspruch'des'urteilsfähigenIndividuums'als'Abwehrrecht' 54 56 27' 28' 24.01.2015' 24.01.2015' Ethisches Spannungsfeld BESTIMMUNG DER URTEILSFÄHIGKEIT Autonomieanspruch'des' urteilsunfähigen-Individuums'als' Abwehrrecht' Schutzverpflichtung'des'Staates'des' Lebensschutzes' 57 59 Ethische Ambivalenz/ Dilemma Art. 16 Neues ZGB Urteilsfähigkeit Achtung'der' Selbstbes[mmung' Hilfeleistungspflicht' Individualethische' Perspek[ve' Sozialethische'Perspek[ve' Freiheitsraum'des' Individuums' Schutz'Unversehrtheit'durch' Staat' Individueller' Freiheitsanspruch' Schutz'vor'gesellscha\lichen' Zwängen' Urteilsfähig'im'Sinne'des'Gesetzes'ist'jede' Person,'der'nicht'wegen'ihres' Kindesalters,'infolge'geis[ger' Behinderung,'psychischer'Störung,'Rausch' oder'ähnlicher'Zustände'die'Fähigkeit' mangelt,'vernun\gemäss'zu'handeln.' 60' 29' 30' 24.01.2015' Vernunftgemässes und vernünftiges Handeln 24.01.2015' Urteilsfähigkeit Vernun\gemässes'Handeln'ist'nicht'gleich'vernün\iges' Handeln' • Erkenntnisfähigkeit' • Wertungsfähigkeit' Urteilsfähigkeit' • Fähigkeit'zur' Willensbildung' • Fähigkeit,'gemäss'eigenem' Willen'zu'handeln '' Urteilsfähig'ist,'wer'eine'konkrete'Situa[on'logisch' durchdringen'und'einen'Entscheid'fällen'kann.'Diesen' Willen'muss'der'Betroffene'ausserdem'mi@eilen'können.'' Ohne'Anzeichen'für'das'Gegenteil'wird'bei'mündigen' Personen'ohne'Weiteres'vermutet,'dass'sie'urteilsfähig' sind.'' (Naef,'BaumannSHölzle,'Ritzenthaler)' 'V.DITTMANN' 61 63' Feststellung der Urteilsfähigkeit Urteilsfähigkeit Kriterien: Fähigkeit, Informationen zu verstehen Fähigkeit, Situation und Konsequenzen abzuwägen Fähigkeit, Informationen zu gewichten Fähigkeit, eigene Wahl zu äussern • Fähigkeit,'vernun\gemäss' zu'handeln' Urteilsfähigkeit' • Komponenten:' • Einsichtsfähigkeit' • Steuerungsfähigkeit' SAMW-Richtlinien Betreuung von Pat. am Lebensende 62' 64' 31' 32' 24.01.2015' Urteilsfähigkeit 24.01.2015' Urteilsfähigkeit Vermutung der Urteilsfähigkeit Beweislast der Urteilsunfähigkeit Feststellung erfordert häufig psychiatrische Einschätzung bzw. Gutachten Verstandesdefekt' Beeinträch[gung' Willensdefekt' 67' Relativität der Urteilsfähigkeit Urteilsunfähiger Patient Urteilsfähig' S'wozu' hinsichtlich' einer' bes[mmten' Handlung'' konkrete' Umstände' zum' gegebenen' Zeitpunkt' 24.01.2015 66' 33' 68 34' 24.01.2015' 24.01.2015' Freiheit Somatisch kranker Patient Somatisch Kranke: Freiheit zu selbstschädigendem Verhalten Psychisch Kranke: Freiheit zu selbstschädigendem Verhalten im somatischen Bereich, sofern sie in Bezug auf die somatisch medizinische Behandlung urteilsfähig sind. 24.01.2015 Bei Urteilsfähigkeit: Muss in eine Behandlung einwilligen können Jedoch keine Verpflichtung für einen Behandlungsplan Kann jede medizinische Behandlung und Betreuung ablehnen: Freiheit zur Selbstschädigung Bei Urteilsunfähigkeit: Umsetzung der Patientenverfügung Stellvertretung muss ihre Zustimmung zum Behandlungsplan geben können Im Notfall: Im Zweifel für das Leben, wenn Urteilsfähigkeit fraglich 69 71 Stellvertretung 1. die in einer PV ernannte Vertretung 2. die behördlich bestimmte Vertretung (Beistand) 3. der Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin mit der die urteilsunfähige Person einen Haushalt führt oder ihr Beistand leistet 4. die Person mit der die urteilsunfähige Person und einen gemeinsamen Haushalt führt * 5. die Nachkommen * 6. die Eltern * 7. die Geschwister * * … sofern sie der urteilsunfähigen Person Beistand leisten. Urteilsunfähiger Patient 24.01.2015 70 24.01.2015 35' 72 36' 24.01.2015' 24.01.2015' Psychisch kranker Patient Urteilsunfähige Patienten Bei Urteilsunfähigkeit: • Patientenverfügung nur zu berücksichtigen • Keine Stellvertretungskaskade Behandlung ohne Zustimmung mit schriftlicher Anordnung des Chefarztes oder der Chefärztin der Abteilung möglich. Zwangsbehandlung möglich Grundrechtbindung berücksichtigen Somatisch Kranke: Stellvertreterentscheide gemäss Entscheidungskaskade: Behandlungszustimmu ng durch Personen mit der grössten Beziehungsnähe Ärztliche Garantenstellung: Anrufung der KESB Andrea Büchler & Margot Michel 2015, S. 141f 24.01.2015 Psychisch Kranke: Stellvertreterentscheide durch den behandelnden Arzt/ Ärztin Garantenstellung der Vertrauenspersonen: Anrufung der KESB 73 75 Stellvertretungskaskade Zwangsbehandlung – Definition Gilt auch für somatische Therapieentscheide für Psychischkranke „Die Behandlung somatischer Erkrankungen bei urteilsunfähigen, psychisch kranken Personen fällt hingegen, auch wenn sie in einer psychiatrischen Klinik erfolgt, nach überwiegender Auffassung in den Anwendungsbereich von Art. 377 ff.“ „Als Zwangsbehandlung gilt in erster Linie der Fall, in dem einem Betroffenen gegen seinen Willen unter Anwendung von physischer Gewalt Medikamente verabreicht werden. Von einer Zwangsbehandlung ist ferner auszugehen, wenn der Patient unter dem Druck bevorstehenden unmittelbaren Zwangs in die ärztliche Behandlung einwilligt (...) oder nach einer tatsächlich vorgenommenen zwangsweisen Verabreichung von Medikamenten diese im weiteren Verlauf des Aufenthalts „ohne Druck“ bzw. „freiwillig“ einnimmt (...).“ (BGer, Urteil vom 7. Oktober 2013, 5A_666/2013E.3.2. ) Andrea Büchler & Margot Michel (2015) in Büchler A. &Michel M. Medizin – Mensch – Recht, S. 142 74 24.01.2015 37' 76 38' 24.01.2015' 24.01.2015' Patientensituation Patientensituation - Fragen Patient lehnt die medizinisch somatische Behandlung nicht mit der Begründung der schädlichen Wirkung der Medikation ab, sondern weil er befürchtet, dass ihn der Arzt vergiften möchte. Dies obwohl er explizit am Leben bleiben möchte. Darf der Patient in dieser Situation aus psychiatrischen Gründen gegen seine Willensäusserungen nicht nur psychiatrisch sondern auch somatisch zwangsbehandelt werden? Inwiefern ist der Patient urteilsfähig im Hinblick auf die somatische Behandlung? Dürfte in dieser Situation die Stellvertretung den Behandlungsplan ablehnen? Worin besteht die rechtliche Verpflichtung des Behandlungsteams dem Patienten gegenüber? 24.01.2015 24.01.2015 77 79 Psychisch kranke Patienten Patientensituation Im medizinischen Notfall, darf der psychisch kranke Patient auch somatisch behandelt werden, wenn seine Zweifel an seiner Urteilsfähigkeit bestehen. Ausserhalb des medizinischen Notfalls muss die Einwilligung für die somatische Behandlung durch die Stellvertretung, respektive durch die KESB erfolgen. Trifft diese Schlussfolgerung auf den Patienten zu? Dringliche Situation: Somatische Lebenserhaltung vor Abwehrrecht, da Ablehnung der Ernährung Ausdruck der psychischen Erkrankung ist. Aber: Nur ultima ratio nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten, den Mann zur Zustimmung des Behandlungsplanes zu bringen. 24.01.2015 24.01.2015 78 39' 80 40' 24.01.2015' 24.01.2015' Vielen Dank für die Aufmerksamkeit 24.01.2015 81 83 Einwilligung'des'Pa[enten'und' S[mmigkeit'für'alle'Beteiligten'als'Ziel' ethischer'Entscheidungsfindung'' 24.01.2015 82 41' 42'