14 Basics Systeme für die optische Messtechnik ik Hyperchromate mit Brennweite f100 und f25. Hyperchromate Chromatische Aberrationen in optischen Systemen sind im Allgemeinen unerwünschte Bildfehler und werden durch eine geeignete Kombination optischer Medien so weit wie möglich unterdrückt. Hyperchromatische Optiken zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass eine chromatische Aberration – nämlich der Farblängsfehler – bewusst vergrößert wird. Dadurch ergeben sich besondere Eigenschaften dieser Systeme, die insbesondere in der konfokal-chromatischen Messtechnik eine wichtige Anwendung finden. Im LINOS Katalog werden eine Reihe hyperchromatischer Optiken angeboten, die in vier Varianten mit verschiedenen Brennweiten und Öffnungen verfügbar sind. Hyperchromasie ist eine besondere Eigenschaft optischer Systeme und beschreibt die Fähigkeit zur chromatischen Aufspaltung der Bildorte. Achromatische Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie für zwei Wellenlängen die gleichen Bildorte besitzen. Der Farblängsfehler wird für dieses achromatische Wellenlängenpaar minimiert. Bei hyperchromatischen Systemen wird dagegen der Farblängsfehler maximiert. Die chromatische Längsaberration ist also bei diesen Systemen kein unerwünschter Abbildungsfehler, sondern gibt den Hyperchromaten ihre besonderen Eigenschaften und eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sind hyperchromatische Linsengruppen bekannt und wurden vor allem als Teilsysteme zur chromatischen Korrektion in photographischen und mikroskopischen Systemen verwendet. Neue Anwendungsmöglichkeiten finden hyperchromatische Optiken in der Messtechnik, insbesondere in der konfokalchromatischen Abstandsmessung, die in den letzten Jahren eine weite Verbreitung in allen Bereichen der industriellen Messtechnik gefunden hat. Farblängsfehler Der Farblängsfehler als zentrale Eigenschaft der Hyperchromate ist die Bildwei- tendifferenz für zwei Wellenlängen. Eine Sammellinse besitzt für blaues Licht eine kürzere Bildweite als für rotes Licht und ist somit chromatisch unterkorrigiert. dal = alm - alm mit m1 1 m2 1 2 Der Ausdruck dn/(n-1) beschreibt die wellenlängenabhängige relative Dispersion des Glases. Der Kehrwert der relativen Dispersion ist die bekannte Abbesche Zahl o: (1) d{ = Mit Hilfe von wenigen optischen Grundgleichungen [1] [2] lässt sich beschreiben, wie der Farblängsfehler mit den Grundparametern Brechkraft und Dispersion zusammenhängt und wie er damit für hyperchromatische Systeme gezielt vergrößert werden kann. Die Brechkraft { einer einzelnen dünnen Linse in Luft mit den Radien r und r‘ sowie der Brechzahl n ist gegeben durch: { = ]n - 1 g b 1 1 rl r l (2) Die Brechkraft einer Linse wird unter anderem durch die Brechzahl des Glasmaterials bestimmt, die wiederum von der Wellenlänge abhängig ist. Durch Differenzieren von Gleichung (2) lässt sich die Abhängigkeit der Brechkraft von der Brechzahl – und damit von der Wellenlänge – darstellen: d{ dn =b 1 1 rl r d{ = { l= { n-1 dn n-1 (3) (4) { (5) o In der Praxis werden die Brechzahlen bei ausgewählten Fraunhoferschen Linien als Bezugsgrößen für o gewählt. Für die Bezugswellenlängen e (546,0740nm), F’ (479,9914nm) und C’ (643,8469nm) ist die Abbesche Zahl oe definiert als: oe = ne - 1 n F l - n Cl (6) Die paraxialen Abbildungseigenschaften einer dünnen Linse lassen sich durch die Beziehung {= 1 -1 al a (7) beschreiben. Dabei ist a die Objektweite und a‘ die Bildweite. Aus dieser Beziehung lässt sich ableiten, wie sich die Bildweite einer dünnen Linse in Abhängigkeit ihrer Brechkraft verändert. Durch Differenzieren von Gleichung (7) und Einsetzten von Gleichung (5) erhält man für den Farblängsfehler da’: dal = - al 2 d{ = - al 2 { o (8) No 23 | 2010 optolines Basics Abb. 1: Chromatische Aufspaltung der Bildorte durch ein hyperchromatisches System. Durch Umformen von Gleichung (8) kann man den Farblängsfehler in Abhängigkeit von der Brennweite f’ und dem Abbildungsmaßstab b’ darstellen: erfüllt ist. Da die Abbesche Zahl für alle optischen Gläser positiv ist, muss dazu ein Element eine negative Brechkraft erhalten. l dal = - f ^1 - blh2 o Äquivalente Abbesche Zahl Die äquivalente Abbesche Zahl ist eine Größe, die gut geeignet ist, um die besonderen Eigenschaften hyperchromatischer Systeme zu charakterisieren. Normiert man in Gleichung (13) den Farblängsfehler auf 1/{, ergibt sich: (9) Ein optisches System aus k dünnen Linsen in direktem Kontakt (Abstand zwischen den Linsen gleich Null) hat eine Gesamtbrechkraft, die sich aus der Summe der Einzelbrechkräfte zusammensetzt. k k {= / { = / ]n - 1g b 1rl - 1r l i i i=1 i i=1 (10) i Differenziert man diesen Ausdruck nach der Brechzahl n, erhält man die Brechkraftänderung in Abhängigkeit der Abbeschen Zahl: / {n d- n1 k d{ = i i=1 / {o {1 {2 m da l { = - 1 c + { o1 o2 (15) Der negative Kehrwert dieses Ausdruckes wird als äquivalente Abbesche u bezeichnet [2]. Zahl o 1 = - da l { = - da l fl ou (16) k i = i i i=1 (11) i Damit berechnet sich der Farblängsfehler eines solchen Systems aus: k da l = - a l 2 / i=1 {i oi (12) Für ein zweilinsiges System mit unendlicher Objektweite (a=- ; a’=f’=1/{) beträgt der Farblängsfehler: {1 {2 m dal = - 12 c + { o1 o2 (13) Aus dieser Beziehung lässt sich erkennen, dass es bei einem optischen System aus zwei Elementen in direktem Kontakt möglich ist, den Farblängsfehler für zwei Wellenlängen vollständig zu korrigieren, wenn die Achromasiebedingung {1 {2 + =0 o1 o2 No 23 | 2010 optolines (14) Sie entspricht der Abbeschen Zahl, die das Glas einer dünnen Einzellinse haben müsste, um denselben Farblängsfehler wie das optische System zu erzeugen [3]. Mit der äquivalenten Abbeschen Zahl lässt sich für den Farblängsfehler vereinfacht schreiben: l dal = - 1u = - fu {o o (17) Ein optisches System mit positiver Gesamtbrechkraft ist hinsichtlich des Farbu 2 0 unterkorrigiert längsfehlers bei o u 1 0 überkorri( dal 1 0 ) und bei o u = 3 ist die giert ( dal 2 0 ) [3]. Bei o Achromasiebedingung erfüllt. Ist die äquivalente Abbesche Zahl kleiner als die Abbesche Zahl aller Einzelelemente u 1 oi ) – und ist damit das Farbzer(o legungsvermögen des Gesamtsystems größer als das der Einzelkomponenten – spricht man von Hyperchromasie [4]. In der Praxis lassen sich mit Standardgläsern zweilinsige Systeme mit äquivalenten Abbezahlen unter 20 realisieren, also Werte, die deutlich niedriger sind als bei den stärksten Schwerflintgläsern. Abb. 2 zeigt für ein optisches System aus zwei dünnen Linsen in direktem Kontakt, wie sich die äquivalente Abbesche Zahl des Systems in Abhängigkeit der Abbeschen Zahl der beiden Einzelelemente verändert. Für das gesamte optische System wird die Brennweite f’=100 angenommen, die sich aus den Einzelbrennweiten f’1=50 und f’2=-100 zusammensetzt. Für die hyperchromatischen Systeme gilt o1 < o2, d.h. die positive Brechkraft wird mit einem hohen Farbzerlegungsvermögen und die negative Brechkraft mit einem niedrigen Farbzerlegungsvermögen kombiniert. Können die Abbeschen Zahlen der Einzelelemente im Bereich von 20 bis 80 liegen, lässt sich in diesem Beispiel eine minimale positive äquivalente Abbesche Zahl von 11,4 erreichen. Die diagonal verlaufende weiße Linie zeigt die Materialkombinationen, bei denen die Achromasiebedingung erfüllt ist. Abb. 2: Äquivalente Abbesche Zahl eines optischen Systems aus zwei dünnen Linsen (f’1=50 mm; f’2=-100 mm) in Abhängigkeit von den Abbeschen Zahlen der Einzellinsen. 15 16 Basics Abb. 3: Konfokalchromatischer Abstandssensor im schematischen Aufbau. Konfokal-chromatische Sensoren Die wichtigste messtechnische Anwendung für hyperchromatische Optiken ist der Einsatz in optischen Wegsensoren, die nach dem konfokal-chromatischen Prinzip arbeiten [5], [6] und [7]. Bei diesem Messverfahren wird polychromatisches Licht aus einer Punktlichtquelle (z.B. einer Lichtleitfaser) durch eine hyperchromatische Optik auf die Oberfläche des Messobjektes projiziert. Durch die axiale chromatische Aufspaltung des Lichtes wird in einer bestimmten Entfernung der Objektoberfläche zur Optik nur das Licht eines sehr schmalen Wellenlängenbereiches m0 scharf und mit hoher Intensität fokussiert. Das von der Oberfläche reflektierte und gestreute Licht dieses Fokusfleckes wird wieder durch das hyperchromatische Objektiv auf eine konfokal angeordnete Blende oder auf ein Faserende abgebildet. Durch die erneute longitudinale spektrale Zerlegung des reflektierten Lichtes wird nur das Licht der Wellenlänge m0 scharf auf die Detektorblende abgebildet. Hinter der Blende oder am Ausgang der Lichtleitfaser befindet sich ein wellenlängenselektiver Detektor (Spektrometer). Abhängig von der axialen Position der Objektoberfläche wird dieser Detektor ein Intensitätsmaximum bei einer bestimmten Wellenlänge messen. Durch eine Kalibrierung lässt sich damit die gemessene Wellenlänge direkt in einen absoluten Abstand des Sensors zum Messobjekt überführen. Abb. 3 zeigt den schematischen Aufbau eines konfokal-chromatischen Sensors. Das Licht einer punktförmigen Lichtquelle läuft zunächst gerade durch einen Strahlteilerwürfel. Das hyperchromatische Objektiv besteht hier aus zwei identischen Linsengruppen mit jeweils zwei Elementen. Die Einzelgruppen sind für eine Abbildung nach Unendlich korrigiert und hier so angeordnet, dass die Punktlichtquelle mit dem Abbildungsmaßstab 1:1 auf die Oberfläche des Messobjektes abgebildet wird. Das reflektierte Licht wird nach dem erneuten Durchgang durch das hyperchromatische Objektiv im Strahlteilerwürfel umgelenkt und auf die Detektorblende fokussiert. Diverse Messanwendungen Chromatisch-konfokale Sensoren können je nach Dimensionierung für Abstandsmessungen im Millimeter-Bereich oder für Topografieuntersuchungen im Sub-Mikrometerbereich eingesetzt werden. Besteht das Messobjekt aus einem transparenten Medium, ist die gleichzeitige Detektion mehrerer Oberflächen möglich, was beispielsweise in der Mittendickenbestimmung von Linsen [8] oder in der Dickenmessung von Folien wichtige industrielle Anwendungen findet. Die entscheidenden Kenngrößen eines konfokal-chromatischen Sensors sind der Messbereich und die Auflösung. Sie werden durch den Farblängsfehler des hyperchromatischen Objektives bestimmt. Durch das Spektrum der Lichtquelle und den Arbeitsbereich des Detektors gibt es eine minimale und eine maximale Wellenlänge, die das System detektieren kann. Der Messbereich des Sensors entspricht der Schnittweitendifferenz der hyperchromatischen Optik bei diesen Wellenlängen. Die Auflösung eines konfokal-chroma- tischen Sensors wird durch die spektrale Breite des Intensitätssignals hinter der Detektorblende bestimmt. Diese ist ebenfalls vom Farblängsfehler und von der numerischen Apertur des hyperchromatischen Objektives abhängig. Abbildungsqualität Hyperchromatische Systeme, die in messtechnischen Anwendungen für eine wellenlängenabhängige Ortsfilterung eingesetzt werden, stellen hohe Anforderungen an die Qualität der optischen Abbildung. So muss die Abbildungsleistung in der Ebene der Detektorblende für alle Wellenlängen gleichermaßen hoch sein. Analog zum Korrektionsprozess eines Achromaten werden auch bei dem Hyperchromaten die beiden Korrektionsziele Öffnungsfehlerkorrektion und Erfüllung der Isoplanasiebedingung verfolgt. Die Korrektion des Öffnungsfehlers (sphärische Aberration) bedeutet, dass die Schnittweite für den paraxialen und den Öffnungsstrahl für die Hauptwellenlänge gleich sind. Durch die Einhaltung der Isoplanasiebedingung wird erreicht, dass in der Nähe der Achse die Koma (Asymmetriefehler) korrigiert ist. In Abb. 4 und Abb. 5 wird der Korrektionszustand eines achromatischen und eines hyperchromatischen Systems verglichen, die jeweils für eine Abbildung mit unendlicher Objektweite optimiert sind. Beide Systeme bestehen aus zwei Elementen und besitzen die gleiche Brennweite und Öffnung. In der Darstellung der longitudinalen Aberrationen des verkitteten Achromaten lassen sich die typischen Korrektionsmerkmale eines solchen, für den sichtbaren Spektralbe- No 23 | 2010 optolines Basics Abb 6: Queraberrationen auf der Achse bei 486 nm; Skala ±20 µm. Links: Achromat; rechts: Hyperchromat. reich ausgelegten Systems erkennen. Der Öffnungsfehler ist für die grüne Hauptfarbe korrigiert und das achromatische Wellenlängenpaar (blau und rot) hat die gleiche Schnittweite bei einer relativen Pupillenhöhe um 0,7. Deutlich sichtbar ist, dass jede Wellenlänge einen eigenen zonalen Aberrationsverlauf aufweist. Die Veränderung im Verlauf der sphärischen Aberration in Abhängigkeit von der Wellenlänge wird „Sphärochromasie“ oder „Gauß-Fehler“ genannt. Der Gauß-Fehler ist eine inhärente Eigenschaft aller verkitteten Achromate mit sphärischen Linsenflächen. In dem oben gezeigten Beispiel ist der GaußFehler bereits minimiert worden, indem der Farblängsfehler nicht auf der Achse sondern in einer mittleren Pupillenhöhe korrigiert wurde. Um einen weitgehend tionsverlauf zu erreichen, wurde das hyperchromatische System in Abb. 5 als Luftspaltsystem ausgeführt. Das Diagramm der longitudinalen Aberrationen veranschaulicht den gezielt maximierten Farblängsfehler. Der Öffnungsfehler und dessen chromatische Variation sind in diesem Beispiel nahezu vollständig kompensiert. Damit erfüllt dieses System alle Anforderungen an eine wellenlängenabhängige Ortsfilterung mit hoher Auflösung. Inwieweit der störende zonale Verlauf der sphärischen Aberration beim Hyperchromaten unterdrückt werden kann, zeigt der Vergleich der Queraberrationen in Abb. 6. Fazit Hyperchromate eröffnen durch ihre besonderen chromatischen Eigenschaften interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Messtechnik. Sie müssen dafür einen stark vergrößerten Farblängsfehler besitzen, der die räumliche spektrale Aufspaltung ermöglicht. Gleichzeitig müssen die übrigen Aberrationen, wie Öffnungsfehler und Koma, sehr gut korrigiert sein, um eine von der Wellenlänge unabhängige hohe Abbildungsqualität und damit eine konstante Qualität der Filterung zu gewährleisten. Damit eignen sich diese Systeme ebenfalls hervorragend für Anwendungen, in denen monochromatisches Licht mit hoher Qualität kollimiert oder fokussiert wird. Literatur [1] G. Schröder, Technische Optik, Vogel-Buchverlag, Würzburg, 2007 [2] H. Haferkorn, Optik, Wiley-VCH, Weinheim, 2003 [3] H. Haferkorn, Bewertung optischer Systeme, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1986 [4] H. Paul, Lexikon der Optik, Band 1, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1999 [5] H. Gross, Handbook of Optical Systems, Volume 4, Wiley-VCH, Weinheim, 2008 [6] N. Bauer, Handbuch zur industriellen Bildverarbeitung, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2008 [7] Mikš, J. Novák, P. Novák, „Theory of chromatic sensor for topography measurements“, Proc. SPIE Vol. 6609, SPIE, Washington, 2007 [8] M. Kunkel, J. Schulze, „Mittendickenmessung von Linsen – berührungslos“, Optolines No. 5, 2005 Die Autoren: Witold Hackemer, Matthias Ulrich, LINOS Göttingen Abb. 4: Longitudinale Aberrationen eines verkitteten achromatischen Doublets f‘=50 mm k=3,1 bei den Wellenlängen 436 nm, 486 nm, 546 nm, 588 nm, 656 nm, 707 nm; Skala ±0,25 mm. wellenlängenunabhängigen No 23 | 2010 optolines Aberra- Abb. 5: Longitudinale Aberrationen eines hyperchromatischen Doublets f‘=50 mm k=3,1 bei den Wellenlängen 436 nm, 486 nm, 546 nm, 588 nm, 656 nm, 707 nm; Skala ±3 mm. Kontakt: [email protected] [email protected] 17