Patienteninformation 2 3 Deutsch Nierenkrebs - Diagnose und Klassifikation Die unterstrichenen Begriffe sind im Glossar aufgeführt. In den meisten Fällen ist ein Nierenkrebs asymptomatisch. Das heißt, es gibt keine typischen Beschwerden, die klar auf ihn hinweisen. Die meisten Nierentumoren werden zufällig bei einer Ultraschall-, MRT- oder Röntgenuntersuchung gefunden, die aus ganz anderem Anlass durchgeführt wird, zum Beispiel bei unklaren Rückenschmerzen. Da es verschiedene Arten von Nierentumoren gibt, führt der Arzt eine Reihe von Tests durch, um Ihre persönliche Situation besser einordnen zu können. Dazu gehören Ihre medizinische Vorgeschichte und Bildaufnahmen, mitunter auch die Frage nach Vorerkrankungen innerhalb der Familie. Eine Computertomografie (CT) oder eine Kernspintomografie (MRT) zeigt die Ausdehnung des Tumors und ob er bereits in Venen, Lymphknoten oder andere Organe in der Umgebung eingedrungen ist. Dies ist wichtig für die weitere Therapieplanung. Ihr Arzt wird auch eine körperliche Untersuchung durchführen und für die weiteren Tests im Labor Blut- und Urinproben abnehmen. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen kann der Urologe das Stadium Ihrer Erkrankung bestimmen. Bei der feingeweblichen Analyse des Tumorge- webes, das entweder per Biopsie oder während eines chirurgischen Eingriffs gewonnen wird, bestimmt der Pathologe die Unterform (Subtyp) des Tumors und wie aggressiv er ist. Das Stadium, der Subtyp und die Aggressivität des Tumors ergeben seine Klassifikation. Die Klassifikation des Nierentumors wird verwendet, um Ihre individuelle Prognose einzuschätzen. Darauf basierend wird Ihr Arzt die für Sie beste Behandlungsstrategie mit Ihnen besprechen. In einigen Fällen können zusätzliche Tests notwendig sein, um Ihre Nierenfunktion zu prüfen. Das ist wichtig, wenn Sie nur eine funktionsfähige Niere haben oder ein erhöhtes Risiko eines Nierenversagens z.B. aufgrund einer Begleiterkrankung wie Diabetes, Bluthochdruck, chronischer Infektionen oder einer Nierenerkrankung. Symptome bei Diagnosestellung Auch wenn ein Nierenkrebs in der Regel asymptomatisch ist, berichtet doch einer von zehn Betroffenen über Beschwerden wie Flankenschmerzen oder Blut im Urin. Dies kann bedeuten, dass die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Einige Patienten leiden auch Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Seite 1 / 6 an sogenannten paraneoplastischen Syndromen. Dabei reagiert der Körper auf jegliche Art von Krebserkrankungen mit Symptomen wie Bluthochdruck, Gewichtsverlust, Fieber, Blutarmut, Verlust an Muskelmasse oder Appetitlosigkeit. Häufiger zeigen sich bei Nierenkrebs Veränderungen der Leberenzyme und Blutplättchen, die meist bei Laboruntersuchungen auffallen und keinerlei Beschwerden verursachen. Knochenschmerzen oder anhaltender Husten können Zeichen einer Ausbreitung der Krebszellen im Körper sein, einer sogenannten Metastasierung. Diagnostikverfahren Bildgebende Verfahren sind für die Diagnose und Klassifikation von Nierentumoren unverzichtbar. Die gebräuchlichsten Techniken sind Ultraschall, Computertomografie (CT) und Kernspintomographie (MRT). In einigen Fällen wird eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen, um mehr über die spezifischen Eigenschaften des Tumors zu gewinnen. Kontrastmittelaufnahmen Wenn ein Tumor gefunden wurde, muss der Arzt zunächst herausfinden, ob er bösartig ist. Ein Kontrastmittel-Ultraschall, -CT oder -MRT des Bauch- und Beckenbereichs liefert dafür wichtige Informationen. CT und MRT zeigen darüber hinaus: • die Position und Größe des Tumors, • ob Lymphknoten vergrößert sind, • ob der Tumor sich in benachbarte Organe wie die • Nebennieren, die Leber, die Milz oder die Bauchspeicheldrüse ausgedehnt hat, und ob die Harnwege durch den Tumor beeinträchtigt werden. Das Kontrastmittel hebt auf den Bildern Ihre Venen und Arterien deutlich hervor, indem es sie in einer anderen Farbe auf dem Bildschirm erscheinen lässt. Diese Art der Bildgebung erlaubt dem Radiologen, den Tumor zu analysieren. Die in den Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse sind entscheidend für die Behandlung, die Sie erhalten werden. Fachbegriffe, die Ihr Arzt verwenden könnte • Gutartiger Tumor: Der Tumor breitet sich nicht auf andere Organe aus. • Bösartiger Tumor: Krebsartiges Wachstum, das entweder stetig oder in Schüben voranschreitet. Bösartige Tumoren: können sich im ganzen Körper ausbreiten (metastasieren). • Metastasierung: Ein Tumor hat sich in andere Organe oder Lymphknoten ausgebreitet. • Renal: Die Niere betreffend. Wenn Sie allergisch auf Kontrastmittel reagieren, wird man eine Kernspin- oder CT-Untersuchung ohne Kontrastmittel durchführen. Hat Ihr Arzt den Verdacht, der Krebs könnte sich auf die Lungen ausgebreitet haben, werden weitere Untersuchungen durchgeführt, zum Beispiel eine CT des Brustkorbs. Bei Symptomen wie Knochenschmerzen oder Krampfanfällen werden auch Knochen- oder Kopfaufnahmen angefertigt. Diese Aufnahmen zeigen, ob sich der Krebs auf die Knochen oder das Gehirn ausgebreitet hat. Renale Tumorbiopsie Bei einer renalen Tumorbiopsie werden eine oder mehr Gewebeproben aus dem Nierentumor entnommen. Unter örtlicher Betäubung sticht der Arzt eine Hohlnadel durch Ihre Haut und schiebt sie unter Ultraschall- oder CT-Kontrolle in den Tumor vor. Der Pathologe analysiert die mit der Nadel gewonnene Gewebeprobe, um bei der Auswahl des passenden Therapieverfahrens zu helfen. Die renale Tumorbiopsie gehört nicht zu den Standardverfahren der Nierenkrebs-Diagnostik. Sie wird aber durchgeführt wenn: Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Seite 2 / 6 • die Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen nicht eindeutig genug waren, • Ihr Tumor so klein ist, dass eine weitere Beob• achtung anstelle einer Therapie genügen könnte, Ihr Tumor so klein ist, dass er mit einer Radiofrequenzablation oder einer Kryotherapie behandelt werden könnte. Nach der Gewebebiopsie kann Blut im Urin auftreten. In seltenen Fällen kommt es zu stärkeren Blutungen, eine renale Tumorbiopsie ist aber im Allgemeinen ein harmloser Eingriff. Klassifikation Nierentumoren werden eingeteilt nach Stadium, Subtyp und der Aggressivität der Krebszellen. Diese drei Faktoren sind die Basis Ihrer möglichen Behandlung. Staging-System Das Tumorstadium gibt Auskunft, wie weit der Tumor fortgeschritten ist und ob er bereits Metastasen in Lymphknoten oder anderen Organen gestreut hat. Nierentumore werden nach der sogenannten TNMKlassifikation eingeteilt. Dabei beurteilt der Urologe die Größe und Invasivität des Tumors (T) und bestimmt, wie weit er bereits fortgeschritten ist – basierend auf vier Stadien. Ob Lymphknoten betroffen sind (N) oder der Krebs bereits Metastasen (M) in andere Organe gestreut hat, wird ebenfalls untersucht. Wenn Nierentumoren metastasieren, breiten sie sich im Allgemeinen in die Lungen, die Knochen oder ins Gehirn aus. Die Abbildungen 1-5 zeigen die verschiedenen Stadien. Tumor-Subtyp Gleich nach der Stadieneinteilung, dem Staging, ist der Subtyp des Tumors entscheidend. Der Subtyp wird vom Pathologen bei der feingeweblichen Untersuchung bestimmt, der „histopathologischen Analyse“. Dabei untersucht der Spezialist eine Probe des Tumorgewebes, die entweder bei einer Biopsie oder bei einem chirurgischen Eingriff gewonnen wurde. Da die Nierenbiopsie aber kein Standardverfahren der Nierenkrebsdiagnostik ist, bleibt der Subtyp des Tumors in den meisten Fällen bis zur Operation unbekannt. Es gibt verschiedene Subtypen von Nierentumoren. Die meisten Nierentumoren, etwa 80-85 Prozent, sind Nierenzellkarzinome. Von diesen gehören 80 Prozent zum häufigsten Subtyp, den klarzelligen Nierenzellkarzinomen, zehn Prozent sind papilläre Nierenzellkarzinome, fünf Prozent chromophobe Nierenzellkarzinome. Zu den restlichen fünf Prozent der Nierenzellkarzinome gehören Sammelrohr-Nierenzellkarzinome (Ductus-Bellini-Karzinom) und eine Reihe seltener und erblich bedingter Karzinome. Wenn bei Ihnen ein seltener Nierentumor gefunden wird, wird Ihr Arzt Ihnen detaillierte Informationen über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten geben. Diese können sich stark von den bei häufigeren Subtypen eingesetzten Therapieverfahren unterscheiden. Die Behandlungsoptionen werden von einem fachübergreifenden Ärzteteam (interdisziplinäre Tumorkonferenz) diskutiert, um den in Ihrem Fall besten Therapieansatz zu finden. (Siehe auch: Das Ärzteteam) Gutartige Tumoren Einige Tumoren in den Nieren sind kein Krebs. Man bezeichnet sie als gutartige oder benigne Nierentumore. Die häufigsten gutartigen Nierentumore sind das Onkozytom und das Angiomyolipom. Onkozytome werden in der Regel erst bei der feingeweblichen Untersuchung erkannt, da sie sich mit bildgebenden Verfahren nicht immer sicher diagnostizieren lassen. Meist werden diese Tumoren durch eine Teilentfernung der Niere (partielle Nephrektomie) und anschließende regelmäßige Kontrolluntersuchungen behandelt. Mehr über diese Methoden erfahren Sie im Abschnitt über den örtlich begrenzten Nierenkrebs. Ein Angiomyolipom (AML) ist ein gutartiger Tumor, der vier Mal häufiger bei Frauen auftritt, als bei Männern. Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Seite 3 / 6 Nebenniere Hohlvene Tumor kleiner als 7 cm Tumor größer als 7 cm Hauptschlagader Niere Lymphknoten Nierenfaszie Nierenvene Harnleiter Abb. 1: Ein Nierentumor im Stadium I ist bis zu 7 cm groß und auf die Niere beschränkt. Abb. 2: Tumoren im Stadium II sind ebenfalls auf die Niere beschränkt, aber größer als 7 cm. Nebenniere vergrößerte Lymphknoten Hohlvene Tumor Hauptschlagader Niere Lymphknoten Nierenfaszie Tumorwachstum außerhalb der Niere Tumorwachstum außerhalb der Nierenfaszie Nierenvene Harnleiter Abb. 3: Tumoren im Stadium III haben sich in die Nierenvene ausgebreitet, in das die Niere umgebende Fettgewebe (Perirenales Fett) oder in die Hohlvene. Abb. 4: Im Stadium IV hat sich der Tumor weiter außerhalb der Niere, über die Nierenfaszie hinaus und in die Nebenniere ausgebreitet. Manchmal sind in diesem Stadium einer oder mehrere Lymphknoten vergrößert. Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Seite 4 / 6 Hirnmetastase Lungenmetastase Nierentumor Knochenmetastase Abb. 5: Ein metastasierender Nierenkrebs kann sich in Lungen, Knochen oder Gehirn ausbreiten. In der Regel wird ein AML bei einer Ultraschall-, CToder MRT-Untersuchung gefunden, oder der Tumor blutet und verursacht Beschwerden. Auch wenn AML ein gutartiger Tumor ist, nimmt das Risiko einer spontanen Blutung in der Niere mit weiterem Wachstum zu. Eine chirurgische Entfernung eines AML wird empfohlen wenn: • • • • das AML größer als vier Zentimeter ist, eine Frau unter 45 Jahren betroffen ist, der Tumor Beschwerden macht, oder es im Notfall schwierig ist, einen Arzt aufzusuchen, weil Sie weit entfernt von einem Krankenhaus wohnen oder nur eingeschränkt mobil sind. Im Allgemeinen wird ein AML mit einem Teil der Niere entfernt. Allerdings muss in einigen Fällen die betroffene Niere vollständig entfernt (Radikale Nephrektomie) werden, z.B. wenn der Tumor massiv blutet. Nierenzysten Einige Raumforderungen in der Niere sind keine Tumoren, sondern Nierenzysten. Dabei handelt es sich um mit Flüssigkeit gefüllte Säcke auf der Niere, die bei einer Computertomografie leicht zu erkennen sind. Zysten können selten auch bösartig sein und müssen dann chirurgisch entfernt werden. Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Seite 5 / 6 Das Ärzteteam Urologe: Der Urologe befasst sich mit der Vorsorge, Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. Onkologe: Ein Onkologe ist ein Facharzt für Krebserkrankungen jeglicher Art. Onko-Urologe: Ein Onko-Urologe hat sich auf die Behandlung von urologischen Krebserkrankungen spezialisiert, wie zum Beispiel Blasen-, Nieren-, Prostata- und Hodenkrebs. Pathologe: Ein Pathologe untersucht Gewebe, Blut oder Urin, um die spezifischen Eigenschaften der Erkrankung zu verstehen. In der Krebstherapie hilft der Pathologe bei der Klassifikation der Tumoren. Radiologe: Der Radiologe ist ein Spezialist für bildgebende Techniken und Analysen wie Ultraschall, Röntgen, CT, MRT und andere Aufnahmeverfahren, die bei der Suche und Beobachtung von Tumoren eingesetzt werden. Das Grading-System Die dritte Komponente der Tumorklassifikation ist die Einschätzung der Aggressivität der Tumorzellen. Die Graduierung nach Fuhrman ist die weltweit gebräuchlichste Einteilung: Der Pathologe klassifiziert Ihren Tumor in einen von vier Graden (G1-G4). Individuelle Prognose Nachsorgeoptionen mit Ihnen besprechen. Die empfohlene Behandlungsstrategie basiert auf der TNM-Klassifikation, dem Fuhrman-Grad und dem Subtyp des Tumors. Ihre persönliche Prognose kann anhand der Klassifikation abgeschätzt werden. Bitte denken Sie aber immer daran, dass es sich dabei nur um eine Vorhersage handelt, die keinerlei unerwartete Entwicklungen mit einbeziehen kann. Sobald Diagnostik und Klassifikation abgeschlossen sind, wird Ihr Arzt verschiedene Therapie- und Diese Informationen wurden zuletzt im Mai 2014 aktualisiert. Sie können diese und weitere Informationen zu urologischen Krankheitsbildern auf unserer Internetseite abrufen: http://patients.uroweb.org. Diese Broschüre ist Teil der EAU-Patienteninformationen zum Thema Nierenkrebs. Sie enthält allgemeine Informationen über dieses Krankheitsbild. Wenn Sie spezielle Fragen zu Ihrer eigenen medizinischen Situation haben, sollten Sie Ihren Arzt oder andere professionelle Gesundheitsdienstleister ansprechen. Keine Broschüre kann ein persönliches Gespräch mit Ihrem Arzt ersetzen. Mitwirkende Autoren: Diese Informationsbroschüre wurde von der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) in Zusammenarbeit mit der EAU-Sektion für UroOnkologie (ESOU), der Arbeitsgruppe Nierenzellkarzinom der Jungen Akademischen Urologen (YAU) und der Europäischen Gesellschaft für Urologiepflege (EAUN) erstellt. Dr. Bülent Akdoǧan Dr. Sabine D. Brookman-May Prof.Dr. Martin Marszalek Dr. Andrea Minervini Prof. Haluk Özen Dr. Alessandro Volpe Ms. Bodil Westman Die Inhalte dieser Broschüre stimmen mit den Leitlinien der EAU überein. Patienteninformation - Diagnose und Klassifikation Ankara, Türkei München, Deutschland Wien, Österreich Florenz, Italien Ankara, Türkei Novara, Italien Stockholm, Schweden Die Übersetzung dieser Broschüre wurde unterstützt durch die Asklepios Kliniken. Seite 6 / 6