3.1 Die Einführung endlicher Dezimalbrüche 3.1.1 Vorbemerkungen (1) Dezimalbruchrechnung in Schulbüchern Standard bisher: Brüche und Dezimalbrüche wurden als getrennte Blöcke thematisiert. Tendenz: Verquickung der beiden Unterrichtsinhalte. Grund: Verdeutlichung, dass Bruchschreibweise und Dezimalbruchschreibweise nur zwei unterschiedliche Schreibweisen für dieselbe Zahl sind. (2) Dezimalbrüche – überzeugende Vorteile gegenüber der Bruchschreibweise Folgende Vorteile gelten für endliche Dezimalbrüche (DB): ‐ Im Alltag: Fast nur DB. ‐ Dezimalbruchschreibweise = natürliche Erweiterung der Stellenwert‐ schreibweise. ‐ Für die Rechenverfahren bei allen vier Rechenoperationen mit DB´s und für Größenvergleiche von DB´s gilt: Es gibt volle Übereinstimmung mit den entsprechenden Verfahren in . ‐ Rechenaufwand deutlich geringer bei Erweitern/Kürzen, Größenvergleich, Addition und Subtraktion. ‐ Dezimalbruchschreibweise ist eindeutig [im Gegensatz zur Bruchschreibweise!] (3) Eine der gravierendsten Fehlerstrategien: KT‐Strategie (Komma‐trennt‐Strategie) Vorstellung bei dieser Fehlerstrategie: Die Zahlen vor und nach dem Komma wer‐ den als natürliche Zahlen aufgefasst, die durch ein Komma getrennt sind. [Beispiel: 19, 853. Die natürliche Zahl 19 ist getrennt von der natürlichen Zahl 853.] →Was bedeutet das? Für die Zahl nach dem Komma gilt bei diesem Fehler: Erste Stelle von rechts: „Eintel“ (im Beispiel die 3), zweite Stelle von rechts: Zehntel (im Beispiel die 5), dritte Stelle von rechts: Hundertstel (im Beispiel die 8), … (4) Grundvorstellungsumbrüche in der Dezimalbruchrechnung ‐ Dezimalbrüche haben keinen unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger! ‐ Multiplizieren muss nicht immer vergrößern. ‐ Dividieren muss nicht immer verkleinern. ‐ Beim Dividieren gibt es keine Einschränkungen mehr (außer bei der Division durch 0). Weitere Umbrüche folgen mit der Erweiterung des Stellenwertsystems zu ℚ: (a) Bezugspunkt für die Stellenwerte Vorher: Bezugspunkt ist die letzte Stelle, Blickrichtung nach links Nachher: Bezugspunkt ist das Komma, Blickrichtung in beide Richtungen (b) Abfolge der Stellenwerte Vorher: Von der Einerstelle nach links: Abfolge E, Z, H, T, … . Nachher: Vom Komma nach links: Abfolge E, Z, H, T, … ; vom Komma nach rechts: Abfolge z, h, t, … . (c) Zusammenhang zwischen ähnlich klingenden Stellenwerten: 10 Hunderter = 1 Tausender, aber 10 Hundertstel ≠ 1 Tausendstel, sondern 1 Zehntel 3.1.2 Einführung endlicher Dezimalbrüche (1) Sprechweise Es ist wichtig, eine einheitliche Sprechweise im Unterricht zu haben: Beispiel: Mögliche Sprechweisen für die Zahl 3,25 ‐ Inhaltliche Sprechweise: Drei‐Fünfundzwanzig‐Hundertstel oder Dreihundertfünfundzwanzig Hundertstel ‐ Formale Sprechweise: Drei‐Komma‐Zwei‐Fünf ‐ Problematische Sprechweise: Drei‐Komma‐Fünfundzwanzig Inhaltliche Sprechweise ist zu umständlich. Im Unterricht wird die formale Sprechweise benutzt. Die problematische Sprechweise verursacht viele Fehler! Beispiele: ‐ beim Kürzen/Erweitern: 0,30 ≠ 0,3 [Argument: Es ist ja j 30 ≠ 3.] ‐ beim Größenvergleich: 0,5 < 0,13 [Argument: Es ist ja 5 < 13.] ‐ beim Addieren: 0,57 + 0,8 = 0,65 [Argument: Es gilt ja 57 + 8 = 65.] 0,76 – 0,3 = 0,73 [Argument: Es gilt ja 76 – 3 = 73.] ‐ beim Subtrahieren: ‐ Scheinstellenwerte: 0,5 (Null‐Komma‐Fünf) 0,51 (Null‐Komma‐Einundfünfzig) 0,521 (Null‐Komma‐Fünfhunderteinundzwanzig) Aber: Die Ziffer 5 hat immer den Wert fünf Zehntel! (2) Vorkenntnisse Für das Verständnis von Dezimalbrüchen ist es entscheidend wichtig, das erwei‐ terte dezimale Stellenwertsysteme zu beherrschen (Voraussetzung dabei: Kenntnis über die Stellenwerte der verschiedenen Dezimalen). Vor der Behandlung der Dezimalbrüche sind den Schülern die Stellenwerte weit‐ gehend unbekannt. Beispiele [Untersuchung: Realschule, Klasse 6] dazu: (a) Testaufgabe: „Kreuze die Zehntel in 7,654 an!“ Bei dieser Stellenwertaufgabe antworteten die S wie folgt: Richtige Lösung: 10 % | Falsche Angabe: 50 % | Keine Bearbeitung: 40 % (b) Testaufgabe: „Wie viele Zehntel bilden einen Einer?“ Bei dieser Aufgabe zum Zusammenhang benachbarter Stellenwerte antworteten die S wie folgt: Richtige Lösung: 40 % | Falsche Angabe: 20 % | Keine Bearbeitung: 40 % (c) Testaufgabe: „Wie viele Zehntel bilden einen Zehner?“ Bei dieser Aufgabe zum Zusammenhang nicht benachbarter Stellenwerte antwor‐ teten die S wie folgt: Richtige Lösung: 25 % | Falsche Angabe: 35 % | Keine Bearbeitung: 40 % Fazit zu (2): Man kann beim Einstieg in die Dezimalbruchrechnung nicht auf Vorwissen zu‐ rückgreifen, sondern muss die Grundlagen (das erweiterte dezimale Stellenwert‐ system) sorgfältig erarbeiten. 3.1.3 Erweiterung des Stellenwertsystems ‐ Die Erweiterung des SWS ist nicht selbstverständlich / selbsterklärend. → Viel Zeit in die Erarbeitung investieren (Grundlage für das Kommende) ‐ Nicht die Analogien zu den natürlichen Zahlen betonen, sondern vielmehr die Unterschiede herausstellen! ‐ Veranschaulichungsmittel nutzen! Wichtig: Stellenwerttafel für Dezimalbrüche! Vorteile: ‐ Naheliegende Erweiterung der Stellenwerttafel für natürliche Zahlen ‐ Ansicht als eine Zahl (nicht als zwei Zahlen, getrennt durch ein Komma) ‐ Betonung des Zusammenhangs zwischen gemeinen Brüchen und Dezimal‐ brüchen ‐ Wichtigkeit der (Zwischen‐)Nullen wird erkannt ‐ Große Anschaulichkeit für: Größenvergleich, Addition, Subtraktion, Vervielfachen, Teilen 3.1.4 Lokale und globale Sichtweise von Dezimalbrüchen Schreibweise des Dezimalbruchs 0,234: ‐ Lokale Sichtweise: 0 Einer (+) 2 Zehntel (+) 3 Hundertstel (+) 4 Tausendstel ‐ Globale Sichtweise: 234 bzw. 234 Tausendstel 1000 Vorteile dieser beiden Schreibeisen: Lokale Sichtweise Globale Sichtweise Verdeutlichung: Dezimalbrüche = Verdeutlichung: Dezimalbrüche = andere Schreibweise für Bruchzahlen andere Schreibweise für Bruchzahlen Einführung der Dezimalbrüche mit Einführung der Dezimalbrüche mit Stellenwerttafel Zehnerbrüchen Verständnis von Größenvergleich, Verständnis der Multiplikation Addition, Subtraktion → Volles Verständnis ist nur mit beiden Sichtweisen zu erlangen, also Gleichwer‐ tigkeit beider Sichtweisen im Unterricht zeigen. <Beispiel: F. Padberg: IV.5.4> 3.1.5 Problembereiche (a) Komma (Kommazahlen [Grundschule]<‐‐‐>Dezimalbrüche [S I] ) Das Komma wird in der Grundschule nur als eine Trennmarke zwischen größeren und kleineren Einheiten benutzt. Beispiele: 3,98 € → 3 Euro und 98 Cent 5,48 m → 5 Meter und 48 Zentimeter → Dieser Sachverhalt kann einen charakteristischen Fehler verursachen Komma‐trennt‐Fehler [KT‐Fehler] (b) Dezimalbruch‐Sichtweisen (lokale Sicht<‐‐‐> globale Sicht) Empirische Untersuchung [Details: F. Padberg: IV.5.5.3] ‐ Anfang 6. Klasse: Kein fundiertes Stellenwertverständnis bei Dezimalbrüchen. ‐ Ende 6. Klasse: Situation hat sich kaum geändert. (c) Stellenwertverständnis Erhebliche Defizite, sogar nach der systematischen Behandlung der Dezimal‐ bruchrechnung: <Beispiele: F. Padberg: IV.5.5.4> (1) Fehler auf Basis der KT ‐ Strategie. → Geänderter Bezugspunkt und geänderte Blickrichtung sind nicht klar. (2) Die Blickrichtung ist korrekt; aber es passiert folgender Fehler: Der ersten Nachkommastelle wird die Bezeichnung „Eintel“ gegeben, an zweiter Nachkommastelle stehen Zehntel, an dritter Nachkommastelle ste‐ hen Hundertstel, … (3) Sehr schwer für Schüler: Umbündelungen Beispiele: 25 Hundertstel = 0,025, 97 Tausendstel = =0,0097 345 Tausendstel = 0,00345 Diese S setzen die Hundertstel / Tausendstel als Block an die zweite Stelle / dritte Stelle. → Fehlerhafter Transfer von den natürlichen Zahlen 3.1.6 Erweitern, Kürzen 3.1.7 Größenvergleich 3.1.8 Zusammenhang: Gemeine Brüche und Dezimalbrüche Hinweis: Die Umwandlung von gemeinen Brüchen in Dezimalbrüche und die Umwandlung von Dezimalbrüchen in gemeine Brüche soll in einer eige‐ nen Sitzung besprochen werden! 3.1.9 Runden und Überschlagen Regel für das Runden: Man richtet sich beim Runden auf die nachfolgende Ziffer! Ist diese Ziffer 0, 1,2, 3, 4, so wird abgerundet; ist dieser Ziffer 5, 6, 7, 8, 9, so wird aufgerundet. Runden spielt in unserem täglichen Leben eine große Rolle. Die 5‐4‐Rundungsregel wird von den natürlichen Zahlen auch auf die Dezimalzah‐ len übertragen. Durch diese klaren Regeln wird schrittweises Runden ausgeschlossen! Beispiel dazu: Unterschiede beim Runden auf Hundertstel bei der Zahl 2, 4748: ‐ Direktes Runden: 2,4748 ≈ 2,47 ‐ Schrittweises Runden: 2,4748 ≈ 2,475 ≈ 2,48 Bei Sachaufgaben, bei denen Multiplikation oder Division von Größen erforderlich ist, ist häufig das Runden der erzielten Ergebnisse erforderlich! <Beispiele: Beliebige Sachaufgaben, insbesondere im Größenbereich Geldwerte! > Zusammenhang zum Sachrechnen: Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Dezimalbrüchen als Zahlen und De‐ zimalbrüchen als Maßzahlen: Endliche Dezimalbrüche: Man kann beliebig viele Endnullen anhängen oder strei‐ chen. Maßzahlen: Endnullen geben Aufschluss über die Messgenauigkeit. Etwa: 1,7 m bedeutet eine Länge l mit1,65 m ≤ l < 1,75 m . 1,70 m bedeutet eine Länge l mit 1,695 m ≤ l < 1,705 m . Überschlagen: Rundung der auftretenden Zahlen + Rechnung mit den gerundeten Zahlen im Kopf. Vorteile: ‐ Durch Überschlagsrechnungen lässt sich die Plausibilität von durchgeführten Rechnungen überprüfen. Dadurch werden (vielleicht vorhandene) charakte‐ ristische Schülerfehler leichter erkennbar und lassen sich gegebenenfalls vermeiden. ‐ Hilfreich: Vorheriges Kommaverschieben ! Beispiele: Multiplikation: Gegensinniges Verschieben um die gleiche Anzahl von Stellen [Beispiel: 19,23 0,07 = 0,1923 7] Division: gleichsinniges Verschieben um die gleiche Anzahl von Stellen [Beispiel: 0,42 : 0,03 = 42 : 3]