1 PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN Kugelfallviskosimeter durchgeführt am 17.05.2010 von Matthias Dräger und Alexander Narweleit 1 1.1 Physikalische Grundlagen Innere Reibung und Viskosität In Körpern herrschen atomare und molekulare Bindungskräfte (Bindungsenergien), die die Materie zusammenhalten. Den Bindungskräften wirkt die thermische Energie entgegen. Aus dem unterschiedlichen Verhältnis der beiden Energien, ergeben sich die unterschiedlichen Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig. In Flüssigkeiten sorgen große Bindungskräfte für die Volumenbeständigkeit und Nahordnung. Moleküle können jedoch unter Einwirkung von thermischen Energie ihre Plätze tauschen und bleiben so in Bewegung. Für diese Bewegung muss Arbeit aufgewendet werden, um die innere Reibung zu überwinden. Die Reibungskraft kann wie folgt berechnet werden: Fr = −η · A · dv dr (1) Hierbei stellt η (Materialkonstante) den Koeffizienten der inneren Reibung bzw. Viskosität dar und A die Fläche, an der sich der betrachtete Körper parallel entlang bewegt. dv dr beschreibt das Geschwindigkeitsgefälle. 1.2 Temperaturabhängigkeit der Viskosität Durch den Einfluss der temperaturabhängigen thermischen Energie auf die innere Reibung, ist die Viskosität ebenfalls von der Temperatur anhängig und es entsteht folgende Anhängigkeit: B η = A · eT (2) Die Formel setzt sich aus der dynamischen Viskosität η, der Eulerschen Zahl e, der Temperatur T und den Materialkonstanten A und B zusammen. 1.3 Messmethode Die Reibungskraft kugelförmiger Körper, die sich durch ein kontinuierliches Medium, wie Flüssigkeiten oder Gase, bewegen, verhält sich proportional zu ihrem Radius und ihrer Viskosität. Durch die Abhängigkeiten der verschiedenen Größen, lässt sich die Viskosität bestimmen. Werden kleine Stahlkugeln (r = 1mm) in eine zähe Flüssigkeit fallen gelassen, so stellt man fest, dass sich die Kugeln innerhalb kürzester Zeit nur noch mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen, d.h. die Beschleunigung a = 0 ist. Auf die Kugel wirkt die Schwerkraft FG , der Auftrieb FA und die Reibungskraft FR , die durch die oben beschriebene Beobachtung verschwinden müssen: FG + FA + FR = 0 (3) Die Schwerkraft der Kugel lässt sich über deren Masse mK und der Fallbeschleunigung g ≈ 9, 81 sm2 wie folgt berechnen: FG = mK · g (4) 1 1.3 Messmethode 1 PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN Die Masse der Kugel lässt sich über den Radius r und der Dichte der Kugel (z.B. Stahl) ρK berechnen: mK = 4 · π · r3 · ρK 3 (5) Wir erhalten also nach Einsetzung für FG die Formel: FG = mK · g = 4 · π · r3 · ρK · g 3 (6) Der Auftrieb FA entspricht der Gewichtskraft der von dem Körper verdrängten Flüssigkeit oder Gases: FA = V · ρFl · g (7) Hierbei ist V das verdrängte Volumen, ρFl die Dichte der Flüssigkeit (oder des Gases) und g die Fallbeschleunigung. Für die Auftriebskraft einer Kugel erhalten wir nun folgende Gleichung: 4 FA = − · π · r3 · ρFl · g 3 (8) Da die Auftriebskraft der Geschwindigkeit entgegen gerichtet ist, setzen wir ein negatives Vorzeichen. Auch die Reibungskraft FR ist der Geschwindigkeit entgegen gerichtet, wobei nach dem Gesetz von Stokes folgende Abhängigkeit gilt: FR = −6 · π · η · r · v (9) Die Viskosität η kann nun über die Geschwindigkeit v berechnet werden, indem man (6), (8) und (9) in (3) einsetzt. Die Geschwindigkeit lässt sich über die Fallstrecke s und der Fallzeit t ermitteln. FG + FA + FR = 0 4 4 · π · r3 · ρK · g − · π · r3 · ρFl · g − 6 · π · η · r · v = 0 3 3 4 · π · r3 · (ρK − ρFl ) · g − 6 · π · η · r · v = 0 3 4 · π · r3 · (ρK − ρFl ) · g = 6 · π · η · r · v 3 2 r2 · · (ρK − ρFl ) · g = η 9 v 2 r2 · t · · (ρK − ρFl ) · g = η 9 s (10) Um den Radius einer unbekannten Kugel Kx mithilfe einer zweiten Kugel K0 zu berechnen, setzen wir die Viskositäten aus (10) gleich: η0 = ηx 2 · 9 r20 · t0 2 r2 · tx · (ρK − ρFl ) · g = · x · (ρK − ρFl ) · g s 9 s r20 · t0 = r2x · tx t0 r2x = r20 · t rx t0 rx = r0 · tx 2 (11) 3 2 VERSUCHSAUFBAU Aufgaben 1. (Viskosität): Messung der Viskosität η von Rizinusöl in Abhängigkeit von der Temperatur; Angabe des Viskositätswertes für 20◦ C 2. (Kugelradien): Bestimmung der Radien r kleiner Stahlkugeln 3 Versuchsaufbau Abbildung 1: Versuchsaufbau 3 5 4 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG Geräte und Materialien Für den Versuch verwendeten wir folgende Geräte: • Thermometer • Lineal • Stoppuhr • Messzylinder mit ungefähr 1030ml Rizinusöl • Gerät zum Messen der Kugeldurchmesser Gegeben waren außerdem Stahlkugeln mit verschiedenen Durchmessern. Die Durchmesser der Kugeln sehen wie folgt aus, wobei der Messfehler vom Gerät vorgegeben wurde: c Die Dichte der Stahlkugeln Kugel A B C 0 Durchmesser dA = (0, 95 ± 0, 01)mm dB = (1, 53 ± 0, 01)mm dC = (2, 8 ± 0, 01)mm d0 = (2, 1 ± 0, 01)mm Radius rA = (0, 475 ± 0, 005)mm rB = (0, 765 ± 0, 005)mm rC = (1, 4 ± 0, 005)mm r0 = (1, 05 ± 0, 005)mm Tabelle 1: Durchmesser der Kugeln und des Rizinusöls haben wir dem Platzskript entnommen: kg m3 kg = (0, 975 ± 0, 005) · 103 3 m Stahlkugeln : ρK = (7, 81 ± 0, 02) · 103 Rizinusöl : ρÖl Die Fallstrecke jeder Kugel beläuft sich auf ca. 35,3cm (siehe Versuchsaufbau): Fallstrecke : s = (35, 3 ± 0, 1)cm = (0, 353 ± 0, 001)m 5 Versuchsdurchführung Bevor wir den Versuch starteten, haben wir zunächst alle Kugeln gereinigt. Wir haben nun die erste Kugel (mit dem größten Durchmesser) in den Messzylinder fallen gelassen und die Zeit zwischen Eintritt im Rizinusöl bis zur Berührung des Bodens gestoppt. Hierbei entsteht bereits ein Fehler (aufgrund der Reaktionsgeschwindigkeit), den wir mit je 0,1s festgelegt haben, d.h. der Gesamtfehler ist 0,2s, da wir zweimal die Zeit stoppen. Beim Eintritt der Kugel ins Rizinusöl haben wir außerdem die aktuelle Temperatur bestimmt. Aufgrund der schlechten Sicht räumen wir hier einen Fehler von 0,2◦ C ein. Fallzeit Temperatur ∆t = ±0, 2s ∆T = ±0, 2◦ C Tabelle 2: Messfehler im Überblick Wir haben jede Versuchsreihe zehnmal durchgeführt in einem Zeitraum von ungefähr 1,5 Stunden. Die nachfolgende Tabelle ist nach dem Durchmesser der Kugeln (die Kleinste steht links) geordnet, die tatsächliche Reihenfolge war jedoch Kugel C, Kugel 0, Kugel B und Kugel A. Die Messwerte, die mit 4 6 AUSWERTUNG einem Stern (*) marktiert sind, sind verfälschte Messwerte, da die jeweilige Kugel versehentlich am Thermometer langerutscht ist, womit die Fallgeschwindigkeit verlangsamt wurde. Ein weiteres Manko ist, dass das Fenster im Labor während der 9.Versuchsreihe geöffnet war, wodurch sich die Temperatur des Rezinusöls kaum noch verändert hat. Kugel A Kugel B Kugel 0 ◦ ◦ t in s T in C T in K t in s T in C T in K t in s T in ◦ C 1 237 8,4 281,55 105 8,0 281,15 71 7,8 2 199 10,1 283,25 87,5 9,8 282,95 56,5 9,5 3 182 11,2 284,35 77,5 10,9 284,05 49,8 10,7 4 170 12,3 285,45 72,5 12 285.15 46,5 11,8 5 155 13,1 286,25 87,5* 12,9 286,05 42,5 12,8 6 145 13,9 287,05 88,5* 13,6 286,75 40,5 13,5 7 139 14,8 287,95 58 14,5 287,65 41,5 14,3 8 133 15,8 288,95 55 15,3 288,45 59,0* 15,1 9 125,7 16,2 289,35 52 16,1 289,25 34 16,1 10 121 16,5 289,65 50,8 16,4 289,55 32 16,3 * Messwert verfälscht, da die Kugel das Thermometer gestreift hat. Nr T in K 280,95 282,65 283,85 284,95 285,95 286,65 287,45 288,25 289,25 289,45 t in s 47 39 34 32 28,5 27,7 25,5 27,5* 22,5 21,5 Kugel C T in ◦ C 7,4 9,0 10,5 11,5 12,5 13,3 14,1 14,9 16,1 16,2 T in K 280,55 282,15 283,65 284,65 285,65 286,45 287,25 288,05 289,25 289,35 Tabelle 3: Messwerte aus unserer Versuchsdurchführung 6 Auswertung Aufgabe 1 Wir haben nun die Werte in das einfachlogarithmische Papier eingetragen und daraus die Fallzeit bei 20◦ C bzw. 293,15K für die Kugel mit dem Radius r0 extrapoliert (entspricht 3,41 10−3 K−1 ). Die nun abgelesene Fallzeit bei 20◦ C beträgt t0 = 24, 5 ± 0, 2s. Es folgt ein Überblick über die gegebenen bzw. ermittelten Werte: r0 = 1, 05mm = 0, 00105m t0 = 24, 5s s = 35, 3cm = 0, 353m m g = 9, 81 2 s kg ρK = 7, 81 · 103 3 m kg ρFl = 0, 975 · 103 3 m Um die Viskosität zu bestimmen, setzen wir alle Werte in (10) ein: r2 · t · (ρK − ρFl ) · g s 0, 001052 m2 · 24, 5s kg kg m · · (7, 81 · 103 3 − 0, 975 · 103 3 ) · 9, 81 2 0, 353m m m s kg ≈ 1, 140 m·s 2 9 2 = 9 η20◦ C = η20◦ C η20◦ C · 5 6 AUSWERTUNG Fehlerrechnung Zunächst einen Überblick über die gegebenen Fehlerwerte: ∆r0 = 0, 005mm = 0, 005 · 10−3 m ∆t0 = 0, 2s ∆s = 0, 001m m ∆g = 0 2 s kg ∆ρK = 20 3 m kg ∆ρFl = 5 3 m Wir erhalten folgende Formel zur Berechnung des Fehlers: 2 r2 · t · · (ρK − ρFl ) · g 9 s = 2 · δr + δt + δ(ρK − ρFl ) + δg + δs ∆r ∆t ∆(ρK − ρFl ) ∆g ∆s 2 r2 · t = 2· · · + + + + · (ρK − ρFl ) · g r t ρK − ρFl g s 9 s 2 r2 · t ∆r ∆t ∆ρK + ∆ρFl ∆g ∆s + + + + · (ρK − ρFl ) · g · · = 2· r t ρK − ρFl g s 9 s kg ≈ 0, 028 m·s η20◦ C = δη20◦ C ∆η20◦ C ∆η20◦ C ∆η20◦ C Das Endergebnis lautet: η20◦ C = (1, 14 ± 0, 03) kg m·s Aufgabe 2 Um nun die Radien der anderen Kugeln mithilfe des Radius’ r0 zu bestimmen, lesen wir die Fallzeiten der anderen Kugeln bei 20◦ C ab. Dies ist nötig, damit die Temperatur und somit auch die Viskosität bei allen Kugeln die gleiche ist. Es ergeben sich folgende Zeiten: tA = 96, 0 ± 0, 2s tB = 37, 0 ± 0, 2s t0 = 24, 5 ± 0, 2s tC = 16, 0 ± 0, 2s 6 6 AUSWERTUNG Nun nutzen wir (11), um die Radien der Kugeln A, B und C zu bestimmen. r rx = r0 · t0 tx r 24, 5s 96, 0s = 0, 00053m = 0, 53mm r 24, 5s rB = 0, 00105m · 37, 0s = 0, 00040m = 0, 40mm r 24, 5s rC = 0, 00105m · 16, 0s = 0, 0013m = 1, 3mm rA = 0, 00105m · Fehlerrechnung r t0 tx r r t0 t0 + δt0 + δtx − = δr0 + tx tx r r ! r ∆r0 t0 ∆t0 ∆tx t0 t0 = + + + − · r0 · r0 tx t0 tx tx tx r r r −6 5 · 10 m 24, 5s 0, 2s 0, 2s 24, 5s 24, 5s = + + + − = 7, 8 · 10−6 m · 0, 00105m · 0, 00105m 96, 0s 24, 5s 96, 0s 96, 0s 96, 0s r r r 5 · 10−6 m 24, 5s 0, 2s 0, 2s 24, 5s 24, 5s = + + + − = 12 · 10−6 m · 0, 00105m · 0, 00105m 37, 0s 24, 5s 37, 0s 37, 0s 37, 0s r r r 5 · 10−6 m 24, 5s 0, 2s 0, 2s 24, 5s 24, 5s = + + + − = 17 · 10−6 m · 0, 00105m · 0, 00105m 16, 0s 24, 5s 16, 0s 16, 0s 16, 0s rx = r0 · δrx ∆rx ∆rA ∆rB ∆rC Wir stellen nun die gemessenen Radien den errechneten gegenüber: Kugel A Kugel B Kugel C gemessen (0, 475 ± 0, 005)mm (0, 765 ± 0, 005)mm (1, 05 ± 0, 005)mm errechnet (0, 53 ± 0, 01)mm (0, 40 ± 0, 02)mm (1, 3 ± 0, 02)mm Literaturwerte (0, 50 ± 0, 005)mm (0, 79 ± 0, 005)mm (1, 25 ± 0, 005)mm Tabelle 4: Gegenüberstellung der Kugelradien Man sieht, dass der Wert bei Kugel B stark abweicht. Dies kann in erster Linie zwei Ursachen haben: Zum einen gab es mehrere verfälschte Werte, welche das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Zum anderen, und das ist wahrscheinlicher, besteht die Möglichkeit, dass die manuelle Ausmessung nicht korrekt war. Dies könnte dadurch geschehen sein, dass die Ablesung am Durchmesser-Messgerät etwas schwer fiel. 7 7 7 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION Zusammenfassung und Diskussion In diesem Versuch haben wir die Viskosität von Rizinosöl bestimmt und mithilfe dieser die Durchmesser von kleinen Stahlkugeln ermittelt. Durch Extrapolation einer Geraden haben wir mit der Fallzeit im kg Öl einer Kugel mit bekanntem Radius (r0 ) die Viskosität errechnet, welche η20◦ C = (1, 14 ± 0, 03) m·s beträgt. Durch weitere Extrapolation haben wir nun die Radien der drei anderen Kugeln bestimmt, es ergab sich: ra = (0, 53 ± 0, 01)mm, rb = (0, 40 ± 0, 02)mm, rc = (1, 3 ± 0, 02)mm. Beim Vergleich mit den gemessenen Werten und den Litaraturwerten stellen wir fest, dass Abweichungen vorhanden sind. Dafür gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen: • Das Messgerät zur Ermittlung der Kugelradien war ungewohnt und daher nur sehr fehlerträchtig zu bedienen. • Wir hatten einige verfälschte Werte, welche durch das Entlangrutschen um Thermometer zustande kamen. • Hinzu kam, dass das Fenster gegen Ende des Versuches geöffnet wurde, weswegen die Temperatur des Öls verändert worden ist. • Das Einzeichnen generell ist sehr fehlerträchtig. • Die Messmethode selbst ist ungenau. Es ist nahezu unmöglich, gleichzeitig die Kugel einzutauchen und die Zeitabnahme zu beginnen. • Gleiche Ungenauigkeit gilt für den Endpunkt der Zeitmessung, da sich gegen Ende des Versuchs schon viele Kugeln angesammelt hatten und die weiteren Kugeln sich stapelten, obwohl sie den Boden hätten berühren sollen. Wir sehen also, dass es von Anfang an viele Fehlerquellen gab, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den gesamten Versuch und die Auswertung gezogen haben. Automatisierung beim Zeitnehmen wäre ein guter Schritt, um dem entgegenzuwirken. 8