M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT Thomas Kamradt1,2 Andreas Krause1 Susanne Priem1 Gerd-Rüdiger Burmester1 Die Lyme-Arthritis Klinik, Diagnose und Therapie ZUSAMMENFASSUNG Stichwörter: Lyme-Borreliose, Borrelia burgdorferi, Arthritis, Multi-Systemerkrankung, Antibiotika-Therapie Die Lyme-Borreliose wird durch eine Infektion mit der von Zecken übertragenen Spirochäte Borrelia burgdorferi verursacht. Es handelt sich um eine Multi-Systemerkrankung, die vor allem an Haut, Nervensystem, Muskeln und Gelenken Symptome verursacht. Die Lyme-Arthritis ist eine häufige Manifestation der Lyme-Borreliose. Durch adäquate antibiotische Therapie werden etwa 90 Prozent der Patienten geheilt. Dia- gnostische Probleme ergeben sich aus der teilweise unspezifischen klinischen Symptomatik und der oftmals schwierigen Interpretation serologischer Befunde. Dies hat zu einer erheblichen Verunsicherung bezüglich der Häufigkeit chronischer Verläufe der LymeBorreliose geführt. In der vorliegenden Übersicht werden die gesicherten Erkenntnisse zur Diagnose, Klinik und Therapie der Lyme-Arthritis dargestellt und Richtlinien für eine rationelle Diagnostik und Therapie gegeben. Key words: Lyme disease, Borrelia burgdorferi, arthritis, multisystemic disease, antibiotic therapy Lyme disease is a multisystem disorder caused by the tick-borne spirochetes Borrelia burgdorferi, B. garinii and B. afzelli. The disease affects primarily the skin, nervous system, heart, and joints and is the most common vector transmitted disease in the Northern hemisphere. Most patients with Lyme disease are cured by antibiotic therapy. However, the clinical spectrum of Lyme arthritis ranges from self-limiting disease to antibiotic-resistant chronic arthritis. Diagnosis can be difficult due to the sometimes non-specific clinical symptoms and the complicated interpretation of serological test-results. Here we review the current knowledge and make recommendations for the diagnosis and treatment of Lyme arthritis. E in gehäuftes Vorkommen von Arthritiden bei Kindern wurde 1975 im Bezirk Lyme, im USBundesstaat Connecticut, beschrieben und als Lyme-Arthritis bezeichnet (51). Wenig später stellte sich heraus, daß die Lyme-Arthritis nur eine Manifestation dieser komplexen Erkrankung darstellt, die auch dermatologische, neurologische, kardiologische und ophthalmologische Symptome verursachen kann (52). Borrelia burgdoferi, eine von Zecken übertragene Spirochäte, wurde als Erreger identifiziert (5). Die vorliegende Übersicht wird ausschließlich die Lyme-Arthritis behandeln. Bezüglich anderer klinischer Manifestationen der Lyme-Borreliose wird auf andere Übersichten verwiesen (16, 17, 36, 44). Mikrobiologie, Übertragung und Epidemiologie B. burgdorferi sensu lato, der Erreger der Lyme-Borreliose, wird heute in verschiedene Spezies eingeteilt, von denen B. burgdorferi sensu stricto, B. garinii und B. afzelii eine Lyme-Borreliose beim Menschen verursachen können (3, 4, 57). Es bestehen Anhaltspunkte dafür, daß verschiedene Spezies bevorzugt verschiedene ManiA-214 festationen der Lyme-Borreliose hervorrufen (2, 8, 55). B. burgdorferi wird von Schildzecken (in Europa Ixodes ricinus) übertragen. Die meisten Patienten werden von Ende Mai bis Ende Juli von Ixodes-Nymphen infiziert. Seltener erfolgen Infektionen im Herbst oder sogar an warmen Wintertagen, wenn adulte Zecken ihre Blutmahlzeiten nehmen. In Europa und Nordamerika ist die Lyme-Borreliose die häufigste durch Arthopoden übertragene Infektionskrankheit. In Deutschland wird die Inzidenz des Erythema migrans auf 2 bis 32 pro 100 000 und die Prävalenz aller Stadien auf etwa 50 bis 100 pro 100 000 Einwohner geschätzt (19), neuere Studien gehen sogar von einer Inzidenz von über 100/100 000 aus (24a). Klinik Zur Beschreibung des klinischen Verlaufes wird häufig eine Klassifikation der Lyme-Borreliose in drei Stadien verwandt (Textkasten: Klinische 1 Universitätsklinikum Charité, Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik III, Rheumatologie und Klinische Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester), Berlin 2 Deutsches Rheumaforschungszentrum (Direktor: Prof. Dr. rer. nat. A. Radbruch), Berlin (42) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 SUMMARY Stadien) (46). Eine solche Einteilung ist notwendigerweise künstlich: Bei einzelnen Patienten können sich erhebliche Überschneidungen zwischen den einzelnen Stadien ergeben. Außerdem kann ein Patient eines oder mehrere dieser Stadien symptomlos durchlaufen, so daß sich die Erkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium erstmals klinisch manifestiert. So erinnern sich nur etwa ein Drittel aller Patienten mit Lyme-Arthritis an einen Zeckenstich oder ein vorangegangenes Erythema migrans. 1 Die lokale Infektion (Stadium I) zeigt sich in Form des Erythema migrans (EM), ein sich zentrifugal ausbreitendes, ringförmiges Erythem mit zentraler Abblassung, das meist etwa eine bis vier Wochen nach dem Zeckenstich auftritt. Unter antibiotischer Therapie verschwindet das EM innerhalb weniger Tage, aber auch unbehandelt bildet es sich im Verlaufe einiger Tage bis Wochen zurück. Ausgehend von dieser Hautläsion kommt es zur meist hämatogenen Dissemination der Erreger mit konsekutivem Befall verschiedener Organe. 1 Die rheumatologischen Frühsymptome (Stadium II) von seiten des Bewegungsapparates sind in dieser Phase typischerweise flüchtig und äußern sich durch „wandernde“, zum Teil heftige Arthralgien und Myalgi- M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT en, die jeweils wenige Stunden bis eiworfen (42). Ein positiver serologiDiagnose nige Tage lang anhalten. Gelenkscher Befund allein kann die DiagnoZur Diagnose der Lyme-Arthri- se einer Lyme-Borreliose nicht sischwellungen werden in diesem Staditis gehören eine Expositionsanamne- chern. um nur selten beobachtet. 1 Lyme-Arthritis (Stadium III): se sowie das oben beschriebene kliniSerologie Etwa 60 Prozent der unbehandelten sche Bild und der Nachweis von IgGPatienten mit Erythema migrans er- Antikörpern gegen B. burgdorferi. Etwa zwei bis vier Wochen nach kranken im weiteren Verlauf an einer Auffällig ist, daß die humoralen EntArthritis, wie Beobachtungen des zündungsparameter wie Blutsen- dem EM können IgM-Antikörper Spontanverlaufes der Lyme-Borrelio- kungsgeschwindigkeit und C-reakti- und nach etwa vier bis acht Wochen auch IgG-Antikörper gegen se vor Entdeckung des ErreB. burgdorferi nachgewiegers zeigten (53). Die ArthriKlinische Stadien sen werden. Die IgM-Anttis trat bei diesen Patienten im der Lyme-Borreliose wort wird normalerweise Mittel sechs Monate nach der im Verlauf einiger Monate Infektion auf (Extremwerte: Stadium I: frühe lokalisierte Infektion schwächer; bei manchen Pativier Tage, zwei Jahre). TypiErythema migrans (EM) enten bleibt sie jedoch bestescherweise handelte es sich Konstitutionelle Symptome hen oder erscheint, nach bei der Lyme-Arthritis um ei(„Sommergrippe“) vorübergehender Rückbilne rezidivierende Mono- oder dung, erneut. Bei Patienten Oligoarthritis, hauptsächlich Stadium II: frühe disseminierte Infektion Hautmanifestationen mit chronischer Lyme-Borreder großen Gelenke im Bel sekundäre EM Läsionen (selten) liose, insbesondere Patienten reich der unteren Extremitäl Lymphadenosis cutis benigna mit Lyme-Arthritis, finden ten. Bei fast allen Patienten (Lymphozytom) sich normalerweise hochtitrig wird im Verlaufe der ErkranIgG-Antikörper gegen zahlkung ein Kniegelenk befallen. Neurologische Manifestationen reiche B.-burgdorferi-AntiÄhnlich dem Stadium II könl Meningitis gene (10). Ein negativer seronen aber auch nur heftige Arl Enzephalitis logischer Befund bei einem thralgien ohne erkennbare Syl Hirnnervenlähmung Patienten mit einer Arthritis novitiden bestehen. Ein sym(vor allem Nervus VII) hat somit eine ganz anmetrischer Befall kleiner Gel Radikuloneuropathie dere Aussagekraft als bei eilenke wie bei der rheumatoiKardiale Manifestationen nem Patienten mit einem den Arthritis ist selten. Durch l Karditis mit AV-Block Erythem. Nach erfolgreicher adäquate antibiotische TheraRheumatologische Manifestationen Therapie fallen die IgG-Titer pie werden etwa 90 Prozent l Myalgien sehr langsam, über Monate der Patienten geheilt. Bei etl Arthralgien und Jahre, ab, um dann niedwa 10 Prozent der Patienten l Arthritis rigtitrig zu persistieren. Abdauert die Arthritis trotz Beweichungen von diesem typihandlung jedoch ein Jahr oder Stadium III: persistierende Infektion schen Verlauf werden jedoch länger. Dieses Krankheitsbild Rheumatologische Manifestationen beobachtet, so daß eine kritiwird als chronische Lyme-Arl Arthritis sche Beurteilung aller erhothritis bezeichnet. Aber auch l Myositis benen Befunde bei jedem Padie chronische Lyme-Arthritis Neurologische Spätmanifestationen tienten notwendig ist. Zum heilt meist im Laufe mehrel periphere Neuropathie Antikörpernachweis werden rer Jahre spontan aus. Bei eil subakute Enzephalopathie heute im allgemeinen sensitinigen dieser Patienten könl progressive Enzephalomyelitis ve ELISA als Suchtest eingenen jedoch Erosionen rasetzt und die positiven Befundiologisch nachweisbar werDermatologische Spätmanifestation den, die in seltenen Fällen zu l Acrodermatitis chronica atrophicans de mit dem Immunoblot überprüft (Grafik) (9). dauerhaften Gelenkschäden 1 ELISA: ELISA sind führen (53). 1 Sonstige rheumatologische ves Protein oft nur gering oder über- die am häufigsten eingesetzten serologischen Tests zur Diagnose der LyManifestationen der Lyme-Borrelio- haupt nicht erhöht sind. Keine der im folgenden disku- me-Borreliose. Leider gibt es bislang se: B. burgdorferi kann gelegentlich eine Daktylitis, Bursitis oder Myositis tierten Labormethoden hat sich bis- noch keine allgemeinverbindlichen verursachen (32, 35, 41). Darüber hin- lang als Goldstandard etablieren Standards. Die Sensitivität und Speziaus gibt es Fallbeschreibungen über können; alle Labormethoden sind fität der ELISA schwanken erheblich, Tenosynovitis (20), Fasziitis (25), mit erheblichen Unsicherheiten be- abhängig unter anderem von dem Stadermatomyositisartige Verläufe (22, haftet und daher starken Schwankun- dium der Erkrankung, dem eingesetz23), Osteomyelitis (26, 38) und Panni- gen in der Qualität ihrer Durch- ten Testverfahren, dem Labor, in dem führung von Labor zu Labor unter- die Untersuchung durchgeführt wird culitis (31). Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 (43) A-215 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT und der seroepidemiologischen Situation. Testergebnisse verschiedener Labors sind somit meist nicht vergleichbar. Im Stadium II der LymeBorreliose sollten sowohl die Spezifität als auch die Sensitivität der IgGELISA bei über 90 Prozent liegen. 1 Western Blot: Der Immunoblot wird meist zur Bestätigung positiver ELISA-Befunde durchgeführt. Mit Immunoblots können Spezifitäten von 95 bis 100 Prozent erreicht werden. Ebenso wie beim ELISA besteht jedoch das große Problem der kombinanten Antigenen von B. burgdorferi, der in einigen Labors verwendet wird und dessen Stellenwert im Vergleich zum Vollantigen-ELISA noch ermittelt werden muß. 1 Seronegative Lyme-Arthritis: Nur in sehr seltenen Fällen, meist wenn Patienten unmittelbar nach der Infektion mit B. burgdorferi antibiotisch oder immunsuppressiv behandelt werden, sind keine Antikörper gegen B. burgdorferi nachweisbar (33, 48). Die klinischen Beschwerden dieser Patienten sind häufig untypisch Grafik Stufenschema zur Durchführung der Lyme-Borreliose-Serologie Suchtest ELISA (hohe Sensitivität) logische Untersuchungen sollten nur bei begründetem klinisch/anamnestischen Verdacht auf Lyme-Borreliose und nicht im Rahmen eines Screening-Programms ungezielt durchgeführt werden. In der Praxis ergeben sich häufig Probleme, wenn Patienten, die überzeugt davon sind, an Lyme-Borreliose zu leiden, sich wieder und wieder in verschiedenen Labors testen lassen. Wenn genügend viele Tests durchgeführt werden, ist es wahrscheinlich, daß irgendwann ein meist niedrigtitriger positiver Befund erhoben wird. Besondere Vorsicht ist daher bei der Beurteilung eines einzelnen positiven Testes in einer langen Reihe negativer Testresultate geboten. Eine Interpretation der serologischen Befunde ist nur in Zusammenhang mit dem klinischen Bild möglich. Polymerase-Kettenreaktion negativ positiv Bei Frage nach dem Frühstadium einer Lyme-Borreliose Bei Frage nach dem Spätstadium einer Lyme-Borreliose Bestätigungstest (Immunoblot) eventuell Lues-Serologie Kontrolle in 4 Wochen bei anhaltendem klinischen Verdacht Keine Lyme-Borreliose* Diagnose in Zusammenschau mit klinischer Symptomatik * bezüglich seltener Ausnahmen siehe Text fehlenden Standardisierung. In einer erst kürzlich publizierten Studie wurden Sera europäischer Patienten mit Lyme-Borreliose unter Verwendung von Immunoblots mit verschiedenen Stämmen von B. burgdorferi untersucht und neue Interpretationskriterien für die europäische Situation vorgeschlagen (Tabelle 1) (21). Inwieweit sich diese Kriterien in der Serodiagnostik der Lyme-Arthritis bewähren werden, bleibt abzuwarten. Ähnliches gilt auch für den Western Blot mit reA-216 und geringer ausgeprägt als bei Patienten mit klassischer Lyme-Arthritis. Eine seronegative (chronische) Lyme-Arthritis ist somit eine äußerst selten zu stellende Ausschlußdiagnose, die letztlich nur in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum gestellt werden sollte (10, 12). 1 Kritische Beurteilung serologischer Befunde: Ein Problem serologischer Untersuchungen ist, daß sie nicht zwischen aktiver Infektion und „Seronarbe“ unterscheiden. Sero- (44) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 Der Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi ist nicht mit dem Nachweis einer aktiven Infektion gleichzusetzen. Durch die Möglichkeit des direkten, sensitiven Nachweises von B. burgdorferi hat sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in den letzten Jahren als sensitives und spezifisches diagnostisches Instrument erwiesen (39). Diese Methode ist jedoch aufwendig und durch die hohe Sensitivität äußerst anfällig für falsch-positive Resultate. Die PCR kann in Nukleinsäure-Präparationen von Synovialflüssigkeit, Urin, Liquor oder Gewebeproben durchgeführt werden. Sofern die Proben sachgemäß gewonnen und transportiert werden und die Analyse in einem erfahrenen Labor durchgeführt wird, kann ein positives PCR-Ergebnis als sehr gute Evidenz für das Vorliegen einer Lyme-Borreliose angesehen werden. Obwohl die Methode nur die DNA und nicht vitale Erreger nachweist, wird ein positiver Befund derzeit bei entsprechender klinischer Symptomatik als Behandlungsindikation gewertet. Einschränkend muß jedoch gesagt werden, daß auch ein positiver PCR-Befund allein eine LymeBorreliose nicht nachweist. Auch bei seropositiven Gesunden kann die Borrelien-PCR positiv als Hinweis auf eine asymptomatische Infektion M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT ausfallen (29). Andererseits erreicht die Sensitivität je nach Material etwa 60 bis 85 Prozent, so daß eine negative PCR eine B. burgdorferi-Infektion nicht ausschließen kann (37). Andere diagnostische Methoden Weitere Verfahren wie direkter kultureller Erregernachweis, Antigennachweis im Urin oder T-Lymphozytenproliferationsassay mit Zellen aus Blut oder Synovialflüssigkeit sind für die Routine-Diagnostik der LymeBorreliose derzeit nicht zu empfehlen. Differentialdiagnose Patienten mit unspezifischen Myalgien oder Arthralgien werden häufig einem Rheumatologen mit der Frage nach dem Vorliegen einer Lyme-Arthritis vorgestellt. Hier ist das ganze Spektrum der möglichen Differentialdiagnosen zu beachten. Die Diagnose Lyme-Arthritis wird oftmals bei Vorliegen unspezifischer Symptome, die auch durch eine Borrelien-Infektion verursacht sein könnten, fehlerhaft gestellt. Verschiedene Zentren haben festgestellt, daß nur etwa ein Drittel der Patienten, die ihnen mit der Diagnose Lyme-Borreliose zugewiesen worden waren, tatsächlich an dieser Krankheit litten (40, 43, 54). Besonders häufige Ursachen einer Fehldiagnose sind das Fibromyalgie-Syndrom und das chronische Müdigkeitssyndrom (11, 24). Therapie Die gegenwärtigen Therapieempfehlungen für EM und für LymeArthritis sind in Tabelle 2 zusammengefaßt. Zur Therapie neurologischer, dermatologischer oder kardiologischer Manifestationen der Lyme-Borreliose sei auf andere Übersichten verwiesen (16, 36, 44). Während das EM gut oral mit Doxyzyklin oder Amoxicillin therapierbar ist, gibt es keine vergleichenden Studien oder einheitlichen Richtlinien zur Frage der oralen oder parenteralen antibiotischen Therapie der Lyme-Arthritis. Die Mehrzahl der Pa- tienten spricht auf eine vierwöchige orale Therapie mit 200 mg Doxyzyklin/die an. Ob parenteral zu applizierende Cephalosporine der dritten Generation den oralen Antibiotika primär überlegen sind, ist nicht belegt. Es konnte aber gezeigt werden, daß Lyme-Arthritiden, die trotz Doxyzyklin-Therapie persistieren, erfolgreich mit Cephalosporinen behandelt werden können, obwohl Studien belegen, daß der Anteil an Behandlungserfolgen mit zunehmender Erkrankungsdauer abnimmt. Zudem den oder mit weiteren Organmanifestationen und Patienten, die zuvor mit Steroiden, Immunsuppressiva oder erfolglos antibiotisch behandelt wurden, sollten mit Ceftriaxon oder Cefotaxim therapiert werden (6). Der Therapieerfolg ist klinisch häufig erst zwei bis drei Monate nach Therapiebeginn beurteilbar. Wie schon erwähnt, sinken die Antikörpertiter auch nach erfolgreicher Behandlung nur langsam ab, so daß sie zur Verlaufskontrolle ungeeignet sind. Falls drei Monate nach Beginn der an- Tabelle 1 Definitionskriterien für positiven Western Blot (modifiziert nach Hauser et al. 1997)1 Spezies IgM-Antikörper IgG-Antikörper B. burgdorferi sensu stricto (Stamm PKa2)1 > 1 der folgenden Banden: > 1 der folgenden Banden: p412, p393, OspC2, 18 kDa2, 17,3 kDa p934, 58 kDa, 56 kDa, OspC, 21 kDa5, 18 kDa, 17,3 kDa > 1 der folgenden Banden: > 1 der folgenden Banden: p413, p39, OspC p934, p39, OspC, 21 kDa5, 17 kDa > 1 der folgenden Banden: > 2 der folgenden Banden: p413, p39, OspC, p17 p934, 58 kDa, 43 kDa, p39, p30, OspC, 21 kDa5, 17 kDa, 14 kDa B. garinii (Stamm PBi)1 B. afzelii (Stamm Pko)1 1 Die hier dargestellten Kriterien sind unter Verwendung der genannten Stämme erarbeitet worden. Derzeit ist nicht sicher, daß diese Daten auch auf andere Stämme der jeweiligen Spezies übertragen werden können, da die Expression der genannten Proteine in verschiedenen Stämmen unterschiedlich sein kann. 2 Proteine, deren kodierende Gensequenz bekannt ist, werden mit der allgemein üblichen Bezeichnung (z. B. OspC) oder dem Präfix „p“ vor dem Molekulargewicht in Kilodalton (kDa) (z. B. p41) bezeichnet. Für Proteine, die noch nicht charakterisiert sind, wird nur das Molekulargewicht (z. B. 18 kDa) angegeben. 3 Für das p41 (Flagellin) werden häufig Kreuzreaktionen beobachtet. Daher zählt eine 41 kDa Bande nur dann als positiv, wenn sie mindestens so stark ausgeprägt ist, wie die 41 kDa Bande mit einem stark positiven Kontrollserum. 4 Auch als p83/100 bezeichnet. 5 Nicht zu verwechseln mit dem etwa in gleicher Höhe laufenden OspC! gibt es Hinweise darauf, daß die oral behandelten Patienten im Verlauf häufiger eine chronische Neuroborreliose entwickeln (50). Unseres Erachtens ist daher ein oraler Therapieversuch nur bei Arthritis im Stadium II, bei blandem Verlauf oder reinen Arthralgien und zudem fehlenden Hinweisen auf eine Neuroborreliose gerechtfertigt (Tabelle 2) (50). Patienten mit sehr floriden, möglicherweise schon länger bestehenden Arthriti- tibiotischen Therapie weiterhin Beschwerden bestehen, sollte eine (zweite) parenterale Antibiotikabehandlung mit Chephalosporinen erfolgen. Dabei kann wieder auf das gleiche Präparat zurückgegriffen werden, da der zunächst mangelnde Therapieerfolg nicht auf einer Resistenzentwicklung, sondern einer Persistenz der Erreger in antibiotisch schwer zugänglichen Regionen beruht. Nur selten ist ein dritter Therapiezyklus erforder- Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 (45) A-217 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT lich beziehungsweise erfolgsversprechend. Der Nachweis von B.-burgdorferi-DNA mittels PCR ist in solchen Fällen bei der Indikationsstellung hilfreich. Zudem ist die Synovektomie zu erwägen, die, begleitet von einer Anti- samkeit verschiedener, teilweise langfristig durchgeführter antibiotischer Therapien (15, 18, 56), aber keine kontrollierten Studien über die Wirksamkeit wiederholter oder langfristiger Therapien mit Antibiotika bei Tabelle 2 Therapieempfehlungen bei Erythema migrans und Lyme-Arthritis Symptom Therapieempfehlung Medikament Dosis Dauer Erythema migrans Tage1 Doxyzyklin 2 (oder 3) x 100 mg/ Tag p.o. 14 (-21) oder Amoxicillin 3 x 500 mg/Tag p.o. 14 (-21) Tage1 oder Erythromycin2 3 x 250 mg/Tag p.o. 14 (-21) Tage1 Doxyzyklin 2 x 100 mg/Tag p.o. 30 Tage oder Ceftriaxon 1 x 2 g/Tag i.v. 14 Tage oder Cefotaxim 3 x 2 g/Tag i.v. 14 Tage Arthritis3 1 2 3 Therapiedauer wird nach klinischem Erfolg bestimmt. Reservemedikament bei Penicillinallergie und Kontraindikationen gegen Doxyzyklin. Zur Differentialindikation siehe Text. biose, zur Ausheilung der Erkrankung führen kann. Bei einer Allergie gegen Penicilline und Chephalosporine können auch Carbapeneme wie Imipenem oder Meropenem (Cave: selten Kreuzallergie mit anderen b-LactamAntibiotika) erfolgreich eingesetzt werden. Gyrasehemmer hingegen sind nicht wirksam. Parallel werden die Patienten physiotherapeutisch und symptomatisch mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt. Kortikosteroide, auch lokal in betroffene Gelenke injiziert, sind zwar momentan wirksam, verzögern jedoch nach unserer Erfahrung die Ausheilung und sind daher bei der Lyme-Arthritis nicht indiziert. Gesicherte Richtlinien für die Behandlung von Patienten mit LymeBorreliose, die auf die konventionelle antibiotische Therapie nicht angesprochen haben, können zur Zeit nicht gegeben werden. Es gibt einzelne Beschreibungen über die WirkA-218 Patienten mit persistierender LymeArthritis. Es darf nicht vernachlässigt werden, daß die antibiotische Langzeittherapie, insbesondere mit Cephalosporinen, erhebliche Risiken birgt. So wurden in einem amerikanischen Krankenhaus innerhalb von drei Jah- nöser Ceftriaxon-Therapie aufgrund vermeintlicher chronischer LymeBorreliosen Cholezystitiden oder eine Cholezystolithiasis entwickelt hatten (13). Vor der prolongierten antibiotischen Behandlung von Patienten mit positiver Borrelien-Serologie und unspezifischen Symptomen, die auch beispielsweise mit einer Fibromyalgie vereinbar wären, ist daher dringend zu warnen. Bei Unwirksamkeit der antibiotischen Therapie ist zunächst die initiale Diagnose „Lyme-Arthritis“ kritisch zu überprüfen. Therapieresistente Lyme-Arthritis oder „Post-Lyme-Syndrom“? Bis zu 50 Prozent der Patienten klagen nach abgeschlossener Therapie über unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Myalgien und Arthralgien. Diese Beschwerden sprechen auf weitere antibiotische Therapie nicht an, sind jedoch in der Regel selbstlimitierend (1, 49). Infektionsbedingte Gewebszerstörung, die auch nach antibiotischer Therapie der verursachenden Borrelien nicht zurückgeht, ist auch bei Lyme-Arthritis beschrieben worden (47). Arthralgien bei Zustand nach Lyme-Arthritis sind keine aktive Lyme-Arthritis. Bei einer Minderheit der Patienten persistiert eine objektivierbare Arthritis (nicht bloß Arthralgien) auch nach zwei- oder dreifacher Behandlung mit Antibotika. Es stellt sich die Frage, ob diese therapieresistenten Verläufe durch Persistenz des Erregers, Autoimmunphänomene oder beides bedingt sind. Neuere Befunde deuten Mögliche Gründe für persistierende Beschwerden bei Lyme-Arthritis ! ! ! ! ! Langsame Rückbildung der Beschwerden über viele Monate Insuffiziente Primärtherapie Andere Ursache der Beschwerden (beispielsweise Fibromyalgie) Immunpathologie Infektionsbedingte permanente Gewebeschädigung, die auf Antibiotika nicht reagiert ren 14 Cholezystektomien, 12 davon an Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, durchgeführt, weil die Patienten nach monatelanger intrave- (46) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 darauf hin, daß die antibiotikaresistente Lyme-Arthritis bei einigen Patienten durch immunpathologische Vorgänge hervorgerufen sein könn- M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT ten (7, 27, 34). Der Textkasten: Beschwerden bei Lyme-Arthritis faßt die möglichen Gründe persistierender Beschwerden nach antibiotischer Therapie bei Lyme-Arthritis zusammen. Prophylaxe Die wirksamste Prophylaxe ist die Expositionsprophylaxe. Ein Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose ist für Europa derzeit noch nicht in Sicht. Tierexperimentelle Untersuchungen haben zwar gezeigt, daß Antikörper gegen OspA, ein Oberflächenprotein von B. burgdorferi, vor experimentellen Infektionen mit B. burgdorferi schützen (14, 45), und derzeit wird rekombinantes OspA in zwei großen Phase-II-Studien in den USA als Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose getestet (30). Mit der baldigen Erprobung eines solchen Impfstoffes in Europa ist jedoch nicht zu rechnen, aufgrund der erheblichen antigenen Variationen zwischen den drei in Europa vorkommenden B. burgdorferi sensu lato Spezies. Das als Impfstoff erprobte Antigen stammt von B. burgdorferi sensu stricto, der einzigen bislang in Nordamerika nachgewiesenen Spezies von B. burgdorferi sensu lato. Es ist daher sehr fraglich, ob ein rekombinantes Antigen, das von einer Spezies stammt, gegen die anderen Spezies Schutz gewähren kann. Darüber hinaus gibt es Hinweise, daß die T-Zell-Erkennung von OspA möglicherweise zur Immunpathologie der chronischen Lyme-Arthritis beiträgt (7, 27, 28, 34). Resümee Die Lyme-Borreliose ist eine komplexe Systemerkankung. Erreger ist die durch Zecken übertragbare Spirochäte B. burgdorferi sensu lato. Etwa 60 Prozent der unbehandelten Patienten entwickeln als Folge der Infektion mit B. burgdorferi sensu lato eine Lyme-Arthritis. Die Diagnose erfolgt primär anhand klinischer Kriterien, charakteristisch ist eine Monoarthritis oder eine asymmetrische Oligoarthritis großer Gelenke bei anamnestischen Hinweisen auf einen Zeckenstich oder ein Erythema migrans. Die serologischen Untersuchungen sollten nur in erfahrenen Labors durchgeführt werden, ihre Interpretation darf nur im Zusammenhang mit dem klinischen Befund erfolgen. Positive ELISA-Ergebnisse bedürfen immer der Bestätigung im Western Blot. Zur Beurteilung der Positivität sollten standardisierte Regeln angewandt werden. Eine seronegative Lyme-Arthritis ist ein extrem seltenes Krankheitsbild. Die PCR-Diagnostik ist eine sinnvolle Ergänzung, wenn sie in besonders qualifizierten Labors durchgeführt und von erfahrenen Untersuchern beurteilt wird. Die Therapie der Lyme-Arthritis erfolgt stadien- und symptomabhängig mit oralen oder parenteralen Antibiotika. Eine klinische Beurteilung des Therapieerfolges ist oft erst nach zirka drei Monaten möglich, da sich die Symptome nur langsam zurückbilden. Serologische Parameter sind zur Beurteilung des Therapieerfolges Refluxösophagitis und Gewichtsreduktion 70 Prozent der Refluxkranken sind übergewichtig. Zu den Allgemeinmaßnahmen gehört deshalb neben der Hochlagerung des Oberkörpers die Empfehlung, einige Kilogramm abzuspecken. Die schwedischen Autoren untersuchten die Hypothese, ob eine Gewichtsreduktion die subjektiven und objektiven Auswirkungen eines gastroösophagealen Refluxes zu verbessern vermag. Dabei wurden zwei Patientengruppen in sechsmonatigem Abstand pH-metrisch untersucht. In der einen Gruppe nahmen die Patienten 10,8 6 1,4 kg ab, in der zweiten Gruppe primär adipöser Patienten kam es zu einer Gewichtszunahme von 0,6 6 0,7 kg während der Beobachtungszeit. Überraschenderweise ließ sich pH-metrisch und bezüglich der geklagten Symptome keine Änderung des Beschwerdebildes nachweisen, nicht geeignet. Etwa 90 Prozent der Patienten mit Lyme-Arthritis werden innerhalb von drei Monaten nach Therapiebeginn geheilt. Bei Persistenz der Beschwerden ist zunächst die Diagnose zu überdenken. Für die Therapie der antibiotikaresistenten Lyme-Arthritis gibt es derzeit keine gesicherten Richtlinien. Nichtsteroidale Antirheumatika und chirurgische Synovektomie haben sich als nützlich erwiesen. Die Autoren danken dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Modellprogramm zur besseren Versorgung chronisch Kranker („LADET-Studie“, Gz. FB243346-8/47) und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), Verbundprojekt Lyme-Borreliose, Fkz. 01 KI 9503, für die freundliche Unterstützung ihrer Arbeit. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1998; 95: A-214–219 [Heft 5] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist. Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik III Universitätsklinikum Charité 10098 Berlin gleichgültig, ob das Gewicht konstant geblieben war oder ob eine nachhaltige Gewichtsreduktion durch eingeschränkte Kalorienzufuhr zu erzielen war. Alle Patienten waren weiterhin auf eine Antirefluxmedikation angewiesen. w Kjellin A, Ramel, S, Rössner S, Thor K: Gastroesophageal Reflux in Obese Patients Is Not Reduced by Weight Reduction. Scan J Gastroenterol 1996; 31: 1047–1051. Dept. of Surgery, Ersta Hospital and Obesity Unit, Karolinska Hospital, 11691 Stockholm, Schweden. Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 5, 30. Januar 1998 (47) A-219