16.Pflege-Recht-Tag Hygiene, Organisation und Recht Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Referentin: Katrin Sprachta Rechtsanwältin 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Vorbemerkung • Eine verlässliche Statistik über das Vorkommen von Hygienefehlern / Behandlungsfehlern besteht nicht. • Hochrechnungen gehen von ca. 400.000 Behandlungsfehlern pro Jahr aus. • Laut Bundesärztekammer wurden im Jahr 2008 40.000 Fälle von Behandlungsfehlern gemeldet. • Im Vordergrund stehen Ansprüche auf Schadenersatz. • Als Anspruchsteller kommt nicht nur der Patient sondern auch (zunehmend) seine Krankenkasse in Betracht. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Umgang mit Infusionen (LG Gießen / 2004) • Klägerin wurde in der 32. Schwangerschaftswoche entbunden und in der Kinder-Intensivstation eines Krankenhauses behandelt. • Ab der 36. Lebensstunde traten Komplikationen auf, die Folge einer Klebsiella-oxytoca-Sepsis waren. • Das Kind überlebt mit schweren Behinderungen. • Zubereitung der Infusionen in einer sterilen Air-Flow-Box. • Desinfektion der Air-Flow-Box mit einer angesetzten WischDesinfektionslösung. • Hygieneplan sieht die Desinfektion der Verschlussstopfen vor dem Anstechen mittels einer alkoholischen Sprühdesinfektion vor. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Umgang mit Infusionen (LG Gießen / 2004) • Auf der Station besteht eine verbreitete Praxis, die Infusionsflaschen vor dem Anstechen mit der WischDesinfektions-Lösung abzuwischen bzw. die Flasche in die Lösung zu tauchen. • In der Desinfektionslösung (0,25%) befanden sich Klebsiella oxytoca, die sich wider Erwarten in der Lösung vermehren konnten. • Insgesamt wurden auf diesem Wege mindesten 10 Kinder infiziert. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Die Entscheidung (LG Gießen / 2004) • Grundsätzlich trägt der Kläger im Zivilprozess die Beweislast 1. Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung und 2. Für den Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden. • In einigen Fallgruppen hat die Rechtsprechung im Arzthaftungsprozess Beweiserleichterungen für den Patienten anerkannt. • Ist nachgewiesen, dass in einer Einrichtung bestimmte Hygienestandards nicht eingehalten werden, so muss die Einrichtung die Nichtursächlichkeit des festgestellten Fehlers für den eingetretenen Schaden beweisen. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Umgang mit Infusionen (LG Gießen / 2004) • Obwohl die Klägerin nicht (mehr) nachweisen konnte, dass die bei ihr verwendeten Infusions-Flaschen mit der Wisch-TauchMethode desinfiziert worden waren wurde die Klinik zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Der Spritzen „en bloc“-Fall (LG München / 2004) • Patient begibt sich aufgrund von Beschwerden im Sprunggelenk in eine orthopädische Praxis. • Er erhält dort eine intraartikuläre Injektion. • Keine Besserung am darauffolgenden Tag Krankenhaus. • Patient verstirbt im Krankenhaus an den Folgen eines septischen Herz-Kreislauf-Versagens. • Arzthelferin war mit Streptokokken A besiedelt. • Hatte am Morgen (wie üblich) sämtliche an diesem Tag zu verabreichenden Injektionen „en bloc“ gerichtet, diese wurden anschließend ungekühlt im Behandlungsraum aufbewahrt. • In der Arztpraxis gab es keinen schriftlichen Hygieneplan. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Der Spritzen „en bloc“-Fall (LG München / 2004) • Der Arzt wendet ein: 1. Die Besiedlung der Arzthelferin mit Streptokokken A habe er nicht wissen können. 2. Das Aufziehen von Spritzen „en bloc“ sei nicht zu beanstanden und entspreche der weit verbreiteten Praxis. 3. Ein Hygieneplan sei nicht notwendig, er weise sein Personal sorgfältig ein. 4. Eine Infektion sei auch bei Einhaltung aller Sorgfalt nicht immer vermeidbar. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Der Entscheidung (LG München / 2004) • Die Vorbereitung von Spritzen „en bloc“ mag übliche Praxis sein, stellt jedoch trotzdem einen Verstoß gegen die einschlägigen Hygienevorschriften dar. • Die einschlägige RKI-Richtlinie, die auch in Arztpraxen gelte, schreibt die Ampullenöffnung und Injektionsvorbereitung unmittelbar vor dem Verabreichen vor. • Sinn und Zweck der Hygienevorschrift sei das Risiko einer Kontamination der Injektion zu minimieren. • Vor diesem Hintergrund kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass eine Infektion auch bei Einhaltung aller Hygienevorschriften auftreten kann. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Zusammenfassung • Haftungsfälle im Bereich der Hygiene haben einen bedeutenden Anteil unter den Arzthaftungsprozessen. • Die Tendenz ist steigend. • Abweichungen von Hygienestandards können zu Beweiserleichterungen auf der Patientenseite führen. • Die in einer Einrichtung geltenden Hygienestandards 1. sind schriftlich zu fixieren (Hygieneplan) 2. die Umsetzung ist zu überwachen 3. Kontrollmaßnahmen sind zu dokumentieren. 22. Februar 2011 Hygiene im Fokus der Rechtsprechung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 22. Februar 2011