„Wo liegt die Grenze zwischen Krankenhaushygiene und Sauberkeit?“ Tagung des Bundesverbandes Beschwerdemanagement, 07.10.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp Institut für Hygiene HYGIENE Hygiene ist nach einer Definition der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie die „Lehre von der Verhütung von Krankheiten und der Erhaltung, Förderung und Festigung der Gesundheit“. 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 2 Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? P. Gastmeier, C. Geffers: Institut für Hygiene und Umweltmedizin und Nationales Referenzzentrum für die Surveillance von nosokomialen Infektionen, Charité – Universitätsmedizin Berlin Originalarbeit erschienen in Dtsch med Wochenschr 2008; 133: 1111-1115 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York 400.000 - 600.000 Patienten erkranken jährlich an Krankenhausinfektionen 7.500 – 15.000 sterben daran 20 % bis 30 % wären vermeidbar. Vergleich: Im Straßenverkehr gab es 3290 Tote im Jahr 2013 DGKH: Mehr als 900.000 Infektionen und 30.000 Tote 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 3 1 „Krankenhausinfektionen“ (syn. nosokomiale Infektionen) Definition laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) „eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand..“ Keine Kausalität! KRANKENHAUSHYGIENE 4 Pathogenese • exogen • direkte Aufnahme aus der Umgebung (Hände des Personals, kontaminierte Gegenstände, Luft, Wasser, Infusionen, Injektionen… • endogen • primär: Erreger gehört zur normalen Flora des Patienten • Bsp: hochgradige Immunsuppression – Mucositis – Streptokokkenendocarditis • sekundär • Erreger wird im Krankenhaus akquiriert (Kolonisation) und verursacht im späteren Verlauf eine (endogene) Infektion Übertragungswege direkt: z.B. Enteritis infectiosa, HAV indirekt: z. B. Rota, Adeno-Konjunktivitis auch Vehikel (Instrumente, Gegenstände) und Vektoren (Insekten) Tröpfchen: z.B. Meningokokken-Meningitis, SARS Aerogen: z.B. Windpocken, Masern Kombination: z.B. MRSA, VRE, Zoster, Noro, TB 2 Untersuchung von Oberflächen Material Oberflächen, Geräteteile Hände Erregernachweis • Staphylococcus aureus, besonders MRSA • Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) • Enterobacteriaceae • Pseudomonas spp. Hände als Überträger von Erregern Untersuchung der Fingerkuppen Rechtliche Grundlagen Infektionsschutzgesetz (seit 1.1.2001), neu 09/2011 Krankenhausgesetze der Länder Länderhygieneverordnungen Medizin-Produkte-Gesetz Arzneimittelgesetz …. 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 9 3 10 11 Rechtliche Grundlagen 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 12 4 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 13 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 14 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 15 5 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 16 Fazit Wie oft ein Schalter, ein Türgriff oder eine andere, oft berührte Fläche zu reinigen ist, ist demnach nicht so leicht zu entschieden. Und: Im Zweifel ist jedes Intervall zu lang, wie Prof. Dr. med. Simone Scheithauer, Leiterin der Zentralabteilung Krankenhaushygiene und Infektiologie der Universitätsklinik in Göttingen, unmissverständlich festhält: „Jede Oberfläche ist ohne unmittelbare Vorbehandlung als kontaminiert anzusehen“, das gelte für Schalter und Klinken ebenso wie für öffentliche Verkehrsmittel. „Entscheidend ist, dass der Beschäftigte sich – gemäß den fünf Indikationen zur Händedesinfektion der WHO – unmittelbar vor dem Ausführen einer infektionsrelevanten Tätigkeit die Hände desinfiziert“, betont die Hygieneexpertin. Sie plädiert dafür, diese Frage nicht losgelöst zu betrachten, Infektionsprophylaxe sei ein Gesamtpaket. Dass ein Erreger nicht an vulnerable Stellen gelange, sei da nur einer von mehreren Bausteinen. Für die Reduktion postoperativer Wundinfektionen komme es beispielsweise auf viele Einzelschritte an. Dazu gehöre die korrekte Auswahl der Antibiotika und Vermeidung von intraoperativer Hypothermie ebenso wie die chirurgische Händedesinfektion, die richtige Hautdesinfektion des Patienten, sterile Instrumente und schließlich ein optimaler Verbandswechsel. „Dass es mit bloß sichtbarer Sauberkeit für die Hygiene schon getan sei, ist ein Kurzschluss“, warnt Scheithauer. 16.11.2016 PD Dr. med. Dr. PH Frank Kipp | Institut für Hygiene 17 6