Katholisch, konservativ, CDU? Konfession und Wahlverhalten Der Bauer in Oberschwaben wählt die CDU, genauso wie die Angestellte in Altwürttemberg und der Winzer in Baden. Sieht so die Wählerschaft in BadenWürttemberg wirklich aus? Die Dominanz der CDU im Land hängt jedenfalls eng mit der konfessionellen Tradition zusammen, aber auch die Konfession steht in einem größeren Zusammenhang. Ein hoher Katholikenanteil begründet allgemein – so die Wahlforschung – ein sehr gutes Ergebnis für die CDU. Im Hinblick auf die weitgehend katholischen Gebiete im Land, wie Baden und vor allem Oberschwaben, ist dies auch ein plausibler Ansatz. Doch die Weiterführung dieser Argumentation schlägt fehl. Denn wenn der katholische Bürger eher christlichkonservativ wählt, so wird dem protestantischen Milieu die SPD und auch die FDP zugeordnet. In BadenWürttemberg konnte sich die CDU jedoch als traditionelle „Baden-Württemberg“ Partei etablieren und so die Wähler beider Konfession gewinnen. Der SPD verbleibt nur eine vergleichsweise geringe Stammwählerschaft. Diese Entwicklung hängt eng mit der Geschichte des Landes und den der Konfessionsverteilung zusammen. So sind im Land viele ehemalige Herzogtümer vereinigt. Und aus diesen konfessionell unterschiedlichen Regionen leitet sich bis heute die politische Kultur des Landes ab. Württemberg entstand aus dem Herzogtum Altwürttemberg und den Neuerwerbungen Oberschwaben und Hohenlohe. Altwürttemberg war ein geschlossen protestantischer Landstrich. Die Armut an Bodenschätzen, die Realteilung des Erbes und das ländliche Milieu sind Gründe für einen fleißigen, disziplinierten Menschenschlag. Die Industrialisierung setzte erst spät ein, so dass sich kein echtes Arbeitermilieu bilden konnte. Bis heute ist für diese Gegend der „Arbeiterbauer“ ein typisches Phänomen. Konfessionell ist in Altwürttemberg der Pietismus sehr stark ausgeprägt. Diese konservativ-fromme Richtung des Protestantismus fördert Disziplinierung und Fleiß. So kommt man auf das Bild des sparsamen, aber innovativen Schwaben. Diese Faktoren begünstigen bis heute christliche und liberal-konservative Parteien in der Region um Altwürttemberg. Vor allem die FDP kann bei pietistischen Wählern nach wie vor mit hoher Unterstützung rechnen. Aber auch die CDU als christliche Partei passt besser zur politischen Kultur des Landes als die SPD, die im Arbeiterbauern keinen treuen Anhänger finden konnte. Oberschwaben hingegen war überwiegend katholisch, weshalb es Spannungen mit dem protestantischen Herrschaftshaus in Württemberg gab. Hier kam es wegen der geographischen, aber auch ideologischen Distanz zur Regierung zu einem Kulturkampf, und damit zu einer ausgeprägten oberschwäbischen Identitätsbildung. Bis heute gilt Oberschwaben als die katholische CDUHochburg. In der Region Hohenlohe blieben solche Spannungen aus, weil dort eine protestantische Tradition vorherrschte. In Baden kam es auch zu Spannungen, denn sowohl in Württemberg, als auch in Baden regierten protestantische Herrscher. Der Kulturkampf konnte hier an besonderer Schärfe gewinnen, weil das katholische Lager eine hohe Geschlossenheit aufwies. Die CDU etablierte sich in Baden vor allem als Nachfolgerin der Zentrumspartei und Erbin des Kulturkampfes. Sie ist also im badischen Teil des Landes viel stärker eine katholische Partei, während sie in Württemberg auch pietistische, beziehungsweise protestantische Wurzeln hat. Baden ist konfessionell also durch ein homogeneres katholisches Lager geprägt, während in Württemberg die Konfessionen zwar stark verfestigt sind, aber durch verschiedene protestantische Strömungen geprägt wurden. Baden-Württemberg hat eine besondere politische Kultur, die stark geprägt ist von der konfessionellen Tradition des Landes. Das ist wichtig, um die starken Ergebnisse der CDU und die vergleichsweise schwachen Ergebnissen der SPD im Land zu verstehen. Außerdem gilt BadenWürttemberg als das Stammland der FDP, was auch konfessionell auf liberalkonservative Strömungen zurückzuführen ist. Von einem Bedeutungsverlust der Konfession bei der Wahl kann also nur oberflächlich die Rede sein, denn die Wahlergebnisse und Parteipräferenzen sind verknüpft mit der Tradition des Landes – und die lässt sich nicht so leicht untergraben. Der Verlust der religiösen Identität bei den Wählern muss nicht unbedingt einen Identifikationsverlust mit den Landestraditionen zur Folge haben. Ob diese Verbindung stabil bleiben soll oder neue Prägungen geschaffen werden können, sind unterschiedliche Ziele der jeweiligen Parteien zur Landtagswahl Regine Egeler, Oliver Rebstock