TIERHALTUNG Futterverzehr optimieren statt maximieren Viele Milchviehherden haben beim Futterverzehr noch Potenzial. Wo Sie nachsteuern könn en, zeigen Luka s Rediger und Chri stoph Thalmann vom Stri ckhof, D cr Trockenmasseverzeh r ist «der» Indikator für eine pro dukti ve Kuh schlechthin. Viele Betriebsle iter d en ken jedoch, es reiche a us, die gefressenen Mengen zu maximieren. Diese Einste llung ist zwar grw1Cl sätzlich nicht falsch, vorrangiges Ziel sollte jedoch sein. den Verze hr innerhalb seine r Herde zu optimier en. Wieviel die Tiere tatsächlich aufnehmen , ist stark von Futter und Stall sowie vo rn Einzeltier und vom Ilerdenmanagement abhängig. Je nach Laktationsphase gelten dabei andere «Regeln». 1m Folge nd en haben wir Faktoren zusammengestellt, die in den einzelnen Laktationsabschnitten für d en Futte rv erzeh r eine wesentliche Rolle s pielen. Grundsätzlich soll te allerdings jede der genannten Massnahmen immer wieder auf ihren wirtschaftlichen Effekt überprüft werden. lukas Rediger 1. Regelmässig die Futtereffizienz bestimmen Ch risloph Thaimann, beide Fachbereich Mikhprodukti on, Strickhof Der Futtervel'zehr sollte regelmäss ig kontrolliert und mit der produzierten Milchmenge in Zusam menhang gebracht wer den. Die Kennzahl «Futtereffizienv) ist dabei ein gutes Hilfsmittel. Sie wird berechnet, indr,m man die Milchleistung in Kilogramm durch die gesamte Trockenmasseaurnahme inklusive Kraftfutter teilt. Vor allem Veränd erungen in der Futtere fTI zienz si nd eine wertvolle Unterstützung des Managements - unabhängig davon, ob Sie die Kennwerte nun errei chen oder nicht. Übe rsi cht 1 zeigt, wekh e Kennwe rte in den einzel nen Laktationsabschnitten anzustreben sind. Sie WUf- Übersicht 1: Kennwerte für die Futtereffizienz Zie lwerl kg Mich I kg TS Ti ergruppe laktation sstadium Frühlakt ation < 21. Lakt ationst ag 1,2 - 1,6- Kü he <90. Lakt ationst ag 1,5-1,8- Kü he >200. laktat ionst ag 1,2 -1 ,5* Gesamte Herde 150 -22 5. l aktationstag 1,3 - 1,6* Quelle: Hut jens, University of Illinois, modif . durch Rediger; *= Werte basierend au f kg energiekorrig ierter Milch. In den einzelnen Laktationsabschnitten sollten diese Futtereffizienz-Werte erreicht we rden . Sie sind an den hohen Grundfuttereinsatz in der Schweiz angepasst. den aufgrund des relativ h ohe n Grundfuttereinsatzes in der Schweiz leicht angepasst. Noch aussagekräfti- ger als di e Futtereffizienz wären die efTektiven Futterkosten (Grwldfutter), falls diese Zahle n bekannt sind . 2. Eine Galtration einführen Dass der Verzehr bis zum Abkalben sinkt. lässt sich nicht vermeid en. Oie Herausforderung ist all erdings, ihn Übersicht 2: Beispiel f ür eine Galtration Mischration für Galtkühe Anteile Futterkomponenten 25% Ökoheu 25% Ma issilage 50% Grassi lage G4 0,5 kg .Sojaschrot Gem, Empfehlung Galtminera lstoff Eine solche Galtration ist die w irksa mst e Method e, um eine Verfettung der Tiere zu vermeiden. 38 LANDfreund . 09/2015 nicht zu stark sinken zu lasseil. Ausgeprägt ist ein Verzehrseinbruch, vor allem boi zu wenig Fressplätzen, fetten Tieren oder wenn Kühen zu wen ig oder schlechtes Futter vorgelegt wird. Der Verfettung ist bereits End e der letzten Laktation vorzubeugen. Am 200. Laktationstag ist die Kondition der Kühe zu beurteilen (ßCS. sie he Übersich t 3) und das Kraftfutter entsprechend zuzuteilen. Bei Mischrationen für hohe Milchleistungen benötigen die Kühe ab diesem Zeitpunkt meist üb erhaupt kein Kraftfutter mehr. Küh e am Melkroboter sollten " nicht mehr als 1,5 kg Ergänzungsfutter b ekommen. Werden tragende Kühe zu dick (8eS > 3,5) sollte man sie eventuell früher trockenstellen. Galtkühe müssen wie Laktierende ad WJitum gerüUert werden. Grundsätzlich ist eine Galtration sehr zu emprehlen (Übe rsicht 2). >. Ist dies nicht lUllsetzbar. sind Krippcnreste der laktierenden Herde un ter Umstünden eine Alternati ve. Grö ssore Betr iebe arbeiten nach Möglichk eit mit ein er energieärmeren Ration in der ersten und einer Anfüttcrungsration im zweiten Teil der Galtphase (Close-Up). Futterreste sollten 20% der Galtration nicht übersteigen. weil s ie oft ni cht mehr sclunack haft und zu nährstoflreich (zu viel KalZilUll!) sind. Ziel ist ein Verzehr von 2,1 kg TS pro 100 kg Körpermasse, 3. Gesundheit sicherstellen In der Startp hase besteht die gr ässte Wahrschoinlichkeit, dass die K(U1e erkran ken - selbst beim besten Management. Wichtig ist aber, kranke Tiere 50 schn ell wie möglich zu entdecken, damit VCl'z ehrs cinbrü che verhindert werden können. Folgende Massnahmcn helfen dabei: • Tiere mit erh öh ten Zellzahlen vor dem 'l'rocko nstcllcn gezielt behandel n und mit ein em antibiotischen Trockenstelle r plus ggf. mi t ei nem inter- nen Zitzenversiegler schützen. • Alle Klauen zum Trockenstellen schn eiden. • Temperatur d er Kühe in den ersten zeh n 'r..l gcn messen. • Tiere, die z u we ni g rressen, z um Futtertisch füh ren. • Ein Konzept für Ketose und Milchfie ber-Prävention umsetzen. • Kühe mit schmcrzhflJtcn Krankhei ten mit Schmerzmitteln behandeln. In den ersten zehn Tagen nach der Kalbung sollte man die Temperatur der Tiere messen. So lassen sich Probleme und ein Einbruch des Verzehrs früh erkennen. ....... .. . ... ... .... ........ ........................................... .................................... . 4. Langsam an Kraftfutter gewöhnen Mit gezielten Massna hm on ge lingt es, dass die Kuh auch im Abkalbezeitraum genüge nd Futte r aufnimmt. Falls d ie GaJtration nicht diesel ben Kompon e nten enth ält wie die Ration der laktierenden Kühe, so li to n die Kühe sieb en bis 14 Tage vor dem Kalben in die He rde integriert werden. Dann haben die Mikroorganismen und Pa nsen zotten genügend Zeit, sich an das Kraftfutter zu gewö hn e n . Dafür sind folgende Punkte wichtig: • Das Kraftfutter höchstens in 200 g-Schritten bis maximal 1,5 bis 2 kg beim Abkalben erhö hen . • Nach dem Kalben über 20 Tage lang das Kraftfutter langsam au f die maximale Menge steigern. Bei Dürrrutte r-Botrioben kann die Kuh un mittelbar vor oder nach dem Kalbe n um gestallt werden. Auch in der Abkalhebucht ist genügend Futter zur Verfü g ung z u stellen. Vor allmn sollte der Kuh unmittelba r nach dom Kalben ein Abkalbetrank angeboten werdon. Nac h der Geburt können Kühe problemlos 50 Lite r un d mehr trinken. Beurteilen Sio in sbesondore in der Transitphase mgehniissig dio'Hungergr ube dm·Tiore. Ziolwe rte dafür sowie für den Body-Condition-Score 11nden Sie in Übersich t 3. seit mehreren Tagen nicht genügend gefressen. Bei der Bewertung der Hungergrube erhält es die Note 1 bis 2. Übersicht 3: Zielwerte tür einen optimalen TS-Verzehr Ziel werte 200. Tag beim Trockenstellen Abkalben Startphase BC5 3 -3, 5 3,25 -3,75 3,25 - 3,7 5 2,5 - 3 Hu ngergrube 4-5 4- 5 3-4 3-4 Trockensubst anz-Verze hr 100%, 20 - 24 kg 85 %, 17- 20 kg 65%, 13- 16 kg 80 - 95 %, 16 -2 0 kg Energi e MJ NEL I kg T5 6,0-6,4 5,3 - 5,5 6, 0- 6,4 6,4 -6,7 Rohprotein. 9 130 - 150 100-1 25 130 130- 160 Ratio n ~ In jedem Laktationsa bschnitt sollten Sie Ihre Tiere mög lichst nach ihrem Bod y- Condition -Score (BCS) und nach ihrer Hungergrube bewerten. LANDfreund . 09n015 39 TIERHALTUNG 5. Ausreichend Struktur bieten Das Ausschütteln einer Ration mittels Schüttelbox zeigt, ob die Ration zu viel (I.), ausreichend (Mitte) oder zu wenig Struktur (r.) enthält. Küho brauchen eine «optimale» und keine «maximale» Strukturversorgung. Denn Studien zeigen: Zuviel Struktur kann auch auf den Futterverzehr drücken. Zudem sortieren die Kühe grobe Bestandteile aus - was zu Schwankungen des pH-Wertes im Pansen und folglich des Milchf'ettgchaltes führt. In der Regel kann eine Kuh 1,2 bis 1,3% NOF ihres Körpergewichtes aufnehmen. Ein höherer Verzehr kann nur über eine verbesserte Passagerate erreicht werden. Das ist die Zeitdauer, die der Futterbrei benötigt, um durch den Verdauungstrakt zu gela ngen. Da wir in der Schweiz sehr hohe Anteile an Raufutter verfüttern, müssen wir be· sanderes Augen merk auf diesen As· pekt legen. Die Passagerate können Sie durch die Menge des Raufutters, seine Verdaulichkeit und durch die physikalischen Eigenschaften (z.B. Futterlänge) ve rändern. Wer die Ra· tion mittels Schüttelbox überprüfen kann, stellt fest: Die Grenzen der Struktur fütterung liegen meist deut· lieh tiefer, als wir annehmen. Möchten Sie den Verzehr über den optimalen Strukturgehalt erhöhen, so tasten Sie sich an die Minimalwerte f'ür Rationen horan: > 16 % Hohl'aser oder >32% NDF bzw. ca. 30 % peNDF. PeNDF ist eine noue Kennzahl und steht für die physikalisch wirksamen Zellwand bestandteile. Denken Sie da· ran: Faser· und Kohl enhydratgehalte müssen immer zusammen berück· sichtigt werden. Eine schnellere Passagerate !'ührt bo i gestulden Tieren zu mehr Futterverzohr. Deshalb soliton Sie Grassilage auf eine Länge von 30 bis 40mm w1d Maissilage auf 5 bis 8111m häckseln. Bei Rationon mit sehr hohem Maisanteil sind die Futtermittel, insbesondere der Ma is, auf 8 mm odor länger zu häckseln. Messen Sie nach! Die Feuchtigkeit der Ration spielt nicht nur im Sommer eine Rolle. Der TS-Gehalt sollte zwischen 40und 50% liegen, dallIl fressen die Tiere nachweislich am meisten. Energie- und Proteingehalt der Futtermittel und der Ration sind ebenfalls wichtige Verzehrstreiber: Streben Sie pro kg TS > 6.0 MJ NEL und einen Rohproteingehalt vo n mind. 14 % an (Übersichl3, S. 39). Verzichten Sie aur HarnstofI und verwen den Sie reguläre Futter mittel, denn diese enthalten Aminosäuren, die wiederum einen positiven Einfluss auf den Verzehr haben. 6. Frisch vorlegen statt nachschieben Putternachschieben ermöglicht den Tieren den Zugang zu Futter, bringt mehr Aktivität in die Herde und beeinflusst die Aufnahme positiv. lIäufiges Nachschieben ist insbesondere bei einem engen Kuh-liressplatz-Verhältnis wichtig. Generell - aber auch wenn SilageMischrationen länger im Mischwagen liegen - besteht während heissen Sommertagen die Gefahr von Nacherwürmungen. Dies ist zwingend zu untOl'binden. Setzen Sie dazu propionsäurehaltige Produ kte (z.B. Luprosil, Schawnasil ete.) ein. Wir empfehlon ea. drei Liter Säure pro Tonne Futter, mit vier Anteilen Wasser gemischt. Da Kalium negative Effekte mit sich bringt, sollten Sie keine Produkte mit Kali umsorbat-einsetzen. Zur Vorbeugung gegen Nachgärungen hilft der Zusatz von Propionsäure in die Mischration, 40 LANDfreund . 09/2015 TIERHALTUNG .... .......... ................................................................................................... 7. Maximal 5 % Futterreste Für einen optimalen Trockensubstanz-Verzehr sollten maximal 5 % Futtor1'esto angestrebt werden. Dies entspricht in etwa 2,25 bis 2,5 kg Frischsubstanz pro Kuh. Eine gut geladene Aluschaufel fasst circa 10 kg. Die Tiere dürfen in 24 Stunden aber nur einmal das Futter bis auf den genannten Rest «runter fressen», sonst ist das Management anzupassen. Die Reste sollten die gleichen Mischungsverhältnisse aufweisen wie die Ursprungsrat.ion. Das Wägen der Futterreste sollte 1 x im Monat zum Routineprogramm gehören. 8. Genug Tränkestellen einrichten Nicht zu w1tcrschät'l.on ist der lJin !luss von Wasser auf den Futterverzehr. Im Durchschnitt tr inkt eine Kuh vier bis fünf Liter Wasser pro Liter Milch. Dafür sollte sie pro Minute mehr als 20 Liter aufnehmen können. Eine Triinkestelle reicht für max. 15 Tiere. Bei Wannen braucht es mindestens 7, besser 10 cm, Länge pro Tier. Nur mit genügend Träl1kestellen kommen auch Rangniedere zum Zuge. Pro 15 Tiere sollte eine Tränkestell e vorhand en sein. 9. Haltungskomfort garantieren Weidehaltung macht nur Sinn, wenn genug Aufwuchs da ist. Bei hohen Temperaturen sollte man di e Weidezeit auf zwei Stunden begrenzen. 42 LANDfreund . 09/2015 Wiederholt zeigt sich in Praxisbe trieben, dass der Verzehr bei zu langen Weid ezeiten und zu wenig Aufwuchs sinkt. Dies bewirkt einen starken Leistungseinbruch von 1 bis 3 kg Milch . Mit folgenden Ansätzen können Sie gegensteuern: • Da hohe Temperaturen im Sommer den Verzehr einschränken, sollten die Kühe nicht unnötig auf der Weide stehen. Ein gutes Futterangebot ist sicherzustellen und die Weidezeit auf zvvci Stunden zu begrenzen. Dje Praxis zeigt: Kühe, welche die Wahl haben, kommen nach kurzer Zeit in den Stall zurück. • Nachtweide ist nur eineAlternative, wenn genügend Weidefutter da ist. Denn bei frischeren Temperaturen fressen die Kühe tatsäch lieh mehr. Grundsätzlich ist auch eine Zufütterung möglich . • Bei reduziertem Verzehr auf der Weide können Sie durch Anheben der Nährstofikonzentration in der Ration einen Leistungsrückgang abfangen . Möglich ist dies mit mehr Kraftfutter oder durch den Zusatz von Fett. Eventuell macht es dann Sinn, Puffer einzusetzen, damit der Pansen-plI nicht zu stark sinkt. • Wichtig ist ·bei hohen Temperatu'"ren, das Stallklima durch Lüfter zu verbessern. Denn eine erhöhte Luftbewegung ist dem Kühlen der Tir:re mit Wasser vorzuziehen.