Religion Plan International Deutschland e. V. Bramfelder Straße 70 • 22305 Hamburg Telefon 040 - 611 400 • Fax 040 - 611 40 140 www.plan-deutschland.de Hinduismus „Es gibt nur eine Wahrheit, obwohl ihr Seher viele Namen geben" Diese Worte stammen aus dem Rig Veda, einer der ältesten Schriften des Hinduismus. Sie beschreiben eine wichtige Glaubensgrundlage dieser vielschichtigen und komplexen Religion. Das Wort Hindu stammt aus dem Persischen und meint die Bewohner des Industales. Der Sammelbegriff „Hinduismus" wurde erst im 19. Jahrhundert von den Europäern geprägt und von den Indern übernommen. Der Hinduismus ist die drittgrößte und älteste Religion der Welt mit über 800 Millionen Anhängern. Seine Spuren können mehrere tausend Jahre zurückverfolgt werden. Auch wenn der Hinduismus nie einen missionarischen Auftrag hatte, spürt man seinen Einfluss heute in ganz Asien. Buddhismus, Sikhismus und Jainismus sind Ableger des Hinduismus. Der Hinduismus wird in vielen Ländern praktiziert, zwei Drittel seiner Anhänger leben jedoch in Indien, wo sie 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Weitere Länder, in denen vorwiegend Hindus leben, sind Nepal sowie die Insel Bali in Indonesien. Auch die tamilische Minderheit in Sri Lanka gehört dem Hinduismus an. Viele Hindus leben auch in Europa, den USA, Kanada, Afrika und auf den Westindischen Inseln (Karibik). Der Hinduismus Im Gegensatz zu anderen größeren Glaubensrichtungen, hat der Hinduismus keinen Religionsstifter wie Jesus, Mohammed oder Buddha. Er hat keine verbindliche heilige Schrift wie die Bibel oder den Koran. Er ist eine Religion, die sich über einen langen Zeitraum entwickelt hat, und zwar aus dem Glauben und den religiösen Anschauungen vieler verschiedener Volksgruppen. Der Eine und die Vielen Der Hinduismus hat beides: einen einzigen Gott und 33.000 Gottheiten. Im Mittelpunkt der Religion steht Brahman, die Weltseele, die Quelle allen Lebens, allgegenwärtig, gestaltlos und mit Gestalt zugleich. Aus ihm kommt das Pantheon der Götter und Göttinnen in verschiedenen Erscheinungsformen und Inkarnationen sowie ihre Begleiter und Kinder. Sie haben Partner bzw. Partnerinnen und „Fahrzeuge" oder reiten auf einem Tier. Jeder Gott, jede Göttin hält einen Gegenstand als Zeichen der Macht in der Hand. Indien: Vorbereitung von Opfergaben zu Ehren der Tiere. Die drei Hauptgötter sind: - Brahma, der Weltschöpfer. Er wird mit vier Gesichtern dargestellt und reitet auf einem Schwan. Seine Gattin ist Sarasvati, Göttin der Gelehrsamkeit. - Vishnu, der Erhalter des Lebens, der ein Muschel gehäuse trägt und auf dem mythischen Vogel Garuda rei tet. Seine Partnerin ist Lakshmi, Göttin der Schönheit und des Glücks. - Shiva, Gott der Zerstörung, des Todes und der Fruchtbarkeit, der einen Dreizack und eine Schlange trägt und auf Nandi, dem Bullen, reitet. Seine Gattin ist Parvati, die Gütige. •o: Plan Diese Dreifaltigkeit (Trimurti) symbolisiert die drei Zustände der Welt: Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung, wobei Vishnu und Shiva am meisten verehrt werden. Göttinnen gibt es nur im Hinduismus. In vielen ländlichen Gebieten sind sie die im Mittelpunkt stehenden Gottheiten. Geographische Lage, Kaste, Beruf, Familie oder individuelle Neigung bestimmen den Gott oder die Göttin, die von dem einzelnen Menschen verehrt wird. Die meisten Dörfer und Städte haben einen Schutzgott. Ganesh, zum Beispiel, der elefantenköpfige Gott des Erfolges, ist Beschützer von Bombay. Gleichzeitig verehren ihn aber auch Lkw- und Busfahrer, da er auch Gott der Reisenden ist. zelnen Götter sowie zwei große epische Dichtungen. Da der Hinduismus keine offiziell vorgeschriebene Doktrin hat, sind diese Geschichten das Instrument, durch das die Hindus ihre Religion kennen lernen. Der Hinduismus im Alltag Der Hinduismus ist in jedem Aspekt des Lebens eines Gläubigen gegenwärtig. Neben den Tempeln in ihrer Umgebung, haben die meisten Familien einen kleinen Schrein oder Altar in ihrem Haus. Der Schrein kann einfach nur aus einem Bild ihres Gottes bestehen. Der Glaube Unabhängig davon, welcher Gott verehrt wird, gibt es allgemeine Glaubensgrundlagen, die das äußere Erscheinungsbild und die tägliche Beschäftigung der Hindus bestimmen: Der Glaube an Samsara besagt, dass die Seele mehrmals auf Erden geboren wird. Sie durchläuft einen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt, bis sie Erlösung (Moksha) findet. Das geschieht, wenn die Seele absolute Reinheit und damit die Einheit mit dem Universum erreicht. Die Seele kann auch in Gestalt eines Tieres wiedergeboren werden. Deshalb sind Hindus meist Vegetarier. Kühe gelten als heilig, in vielen Tempeln werden auch Ratten verehrt. Brahman ist die Weltseele, die als Atman (Einzelseele) in allem Leben ist. Sie ist die Kraft, die allen Wesen innewohnt, ohne Anfang und ohne Ende. Dieser Glaube ist die Ursache für den Respekt, den die Hindus allen Lebewesen entgegenbringen. Ahimsa ist das Prinzip der Gewaltlosigkeit, für das Gandhi eintrat, der geistige und politische Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Seine Philosophie und die Anwendung von gewaltlosem Widerstand hatten einen bedeutenden moralischen und politischen Einfluss auf die ganze Welt. Dharma ist die Erfüllung der Pflichten. Sie werden durch Kaste, Geschlecht und Lebensalter für jeden Einzelnen bestimmt. Nur durch Dharma wird Frieden und Harmonie in der Welt sein. Karma ist das Gesetz des Handelns im Hinduismus und besagt, dass jede Tat Folgen hat. Gute Taten haben gute, schlechte Taten jedoch schlechte Folgen „entweder in diesem Leben im vorigen oder im nächsten". Heilige Schriften und Epen Im Hinduismus gibt es viele heilige Schriften. Die wichtigsten sind die Veden und Upanischaden. Sie enthalten Götterhymnen, philosophische Texte und Informationen über Rituale. Es gibt auch viele Geschichten über die ein- Eine indische Familie beim gemeinsamen Gebet vor dem Hausaltar. In den meisten Familien beginnt der Tag mit der „Puja", einem Gebet. Die Puja wird meistens bei Sonnenauf- und Untergang gehalten. Es werden den Göttern Blumen und Früchte dargeboten und vor dem Bildnis der Gottheit ein Licht angezündet. Dann meditiert oder betet der Gläubige. Die Puja wird individuell von jedem Familienmitglied nach seinem eigenen Bedürfnis durchgeführt. Es wird jedoch als Pflicht der Frauen betrachtet, für das Wohlergehen ihrer Familie zu beten. Wann immer eine besondere Bitte vorzutragen oder der Tag besonders glückverheißend ist, gehen die Menschen zum Tempel und beten dort zu ihrer Gottheit. Das tägliche Bad hat eine religiöse Bedeutung in Bezug auf Reinheit und Verunreinigung. Dieses Glaubenselement ist auch in dem Brauch wiederzufinden, die Schuhe auszuziehen, bevor ein Haus betreten wird. Der Schmutz von der Straße soll nicht hereingebracht werden. Das Kastensystem Das Kastensystem ist zwar seit der Unabhängigkeit in Indien gesetzlich abgeschafft worden, besteht heute aber noch weiter. Ursprünglich war es eine flexible gesellschaftliche Ordnung - es war möglich, durch die Berufswahl von Kaste zu Kaste auf- bzw. abzusteigen. Mit der Zeit wurde das Kastensystem immer starrer: Man wird in seine Kaste hineingeboren und in der Regel jemanden aus der eigenen Kaste heiraten. Die Kastenzugehörigkeit bestimmt soziales und kulturelles Leben, Wertesystem und Verhaltenskodex. sein oder jemanden kennen, der es war. Reise- und Festberichte sind immer lebendig und interessant. Die vier wichtigsten sind: Wichtige Feiertage - Brahmanen. Priester und Intellektuelle, die den Glauben aufrechterhalten und lehren; - Kshatriyas. Krieger, Adelige und Könige; - Vaishyas. Händler und Kaufleute; Aufgrund der großen Zahl an Gottheiten gibt es viele Feiertage im hinduistischen Jahr. Die Bedeutung, die die Menschen diesen Feiertagen beimessen, hängt davon ab, welche Gottheit sie verehren und in welchem Gebiet sie leben. Schreiben und fragen Sie doch Ihr Patenkind nach den wichtigen Feiertagen und wie sie gefeiert werden. - Shudras. Künstler, Bauern und Handwerker. Einige interessante Feiertage sind: Es gibt auch Gruppen, die keiner Kaste zugehören. Sie werden Dalits „Unberührbare" genannt und führen traditionellerweise Arbeiten aus, die als sehr schmutzig angesehen werden (wie Kadaver von der Straße entfernen oder Latrinen reinigen). Wegen ihrer Unreinheit werden sie gesellschaftlich separiert. Früher war es ihnen weder erlaubt in Schulen und Tempel einzutreten, noch aus denselben Brunnen wie Kastenangehörige zu trinken. Die indische Regierung hat ihre Diskriminierung offiziell verboten. Es werden gezielte Programme zur Verbesserung ihrer Lebenssituation durchgeführt. Häufig konvertieren die Dalits zum Buddhismus, Christentum und Islam, weil sie sich ein Leben mit weniger Diskriminierung erhoffen. Interkultureller Austausch Ein Ansatz von Plan ist, Menschen verschiedener Kulturen die Möglichkeit zu bieten, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Es gibt viele Dinge, die Sie in Ihren Briefen mitteilen können. Hier einige Ideen: - Erzählen Sie über Ihre Familie, und fragen Sie nach der Familie Ihres Patenkindes. Die Familie spielt im Leben der Hindus eine sehr wichtige Rolle. Besonders den Kindern wird sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Interesse an den anderen Familienmitgliedern wird Ihnen helfen, eine Freundschaft mit der gesamten Familie aufzubauen. - Diwali / Deepavali (Mitte November) Diwali ist bekannt als das Fest der Lichter, wenn Lakshmi, die Göttin des Wohlstandes, verehrt wird. Wie auf den meisten hinduistischen Festen werden Süßigkeiten vorbereitet und verteilt. Nachts wird ein Feuerwerk angezündet und gefeiert. - Hol! (Ende Februar oder März) Holi ist ein Gedenktag an den Gott Krishna. Die Verspieltheit von Krishna wird symbolisch durch das Verspritzen von gefärbtem Wasser gezeigt. An diesem Tag können Kinder das bunte Wasser auf ihre Lehrer und Verwandte spritzen, Ehefrauen können Wasser über ihre Ehemänner gießen. Die Straßen sind den ganzen Tag voll von Menschen, die diesen Spaß genießen. - Pongal / Sankranti (Mitte Januar) Dieses Erntefest, mit dem der Sonnengott geehrt wird, ist hauptsächlich ein südindisches Fest. Die Menschen streichen ihre Häuser weiß an, kaufen sich neue Kleidung und veranstalten ein großes Fest. Feiertagstermine werden nach dem Mondkalendar berechnet. Sie variieren von Jahr zu Jahr. - Fragen Sie Ihr Patenkind nach seinem Namen. Der Name Ihres Patenkindes hat eine wichtige Bedeutung. Die meisten Namen kommen aus der Mythologie oder von Gottheiten. Können Sie Ihrem Patenkind etwas über die Herkunft oder die Bedeutung Ihres Namens sagen? - Geschichtenerzählen ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation. Es könnte sein, dass Ihr Patenkind einen Lieblingsmythos oder eine Lieblingsgottheit hat, über die es Ihnen gerne berichten möchte. Vielleicht erinnern Sie sich an eine Ihrer Lieblingsgeschichten aus Ihrer Kindheit. - Teilen Sie Ihre Reise- und Festerlebnisse miteinander. Sowohl kleine als auch große Pilgerwanderungen sind in hinduistischen Gemeinschaften üblich. Ihr Patenkind könn te selbst schon einmal auf einer Pilgerwanderung gewesen Quellen: Plan Kanada The Hindu World, Patricia Bahree, Macdonald & Co., 1982 Sources of Indian Tradition, Wm. Theodore De Barry (Columbia University Press, 1958) Stichwort: Hinduismus, Schweer, Thomas, Heyne Verlag 1994 Stand: 2002