Mikrowellen in der Organischen Synthese

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DOI: 10.1002/ciuz.201300610
Manche mögens heiß
Mikrowellen in der
Organischen Synthese
D ORIS D ALLINGER
ie meisten chemischen Reaktionen verlaufen bei Umgebungstemperatur (25 °C) nur sehr langsam, sodass
in der organischen Synthesechemie Reaktionsgemische oft
auf Temperaturen um 60-150 °C erwärmt werden müssen,
um praktikable Reaktionszeiten zu erzielen. In der Praxis
werden organische Synthesen im Labormaßstab meist in einem Lösungsmittel unter Rückflussbedingungen durchgeführt. Reaktionsmischungen werden dafür oft im Ölbad
oder mittels Heizpilz erhitzt.
Über den an sich naheliegenden Einsatz von Mikrowellenenergie zum Erhitzen organisch-chemischer Reaktionsgemische wurde erstmals 1986 von den Gruppen von
Gedye und Giguere/Majetich berichtet [1]. Bei diesen Experimenten kamen zunächst herkömmliche Haushaltsmikrowellengeräte zum Einsatz, was zu Problemen bezüglich
Sicherheit und Reproduzierbarkeit, bedingt durch das Fehlen geeigneter Systeme zur Temperatur- und Druckkontrolle, führte.
Vor ungefähr 10 Jahren wurde mit dem Vertrieb wissenschaftlicher Labormikrowellengeräte begonnen, die speziell für die organische Synthesechemie entwickelt wurden.
Damit einhergehend hat auch die Zahl der Publikationen
zur Mikrowellen-unterstützten organischen Synthese (microwave-assisted organic synthesis, MAOS) seit den späten
90er Jahren drastisch zugenommen – mehr als 7000 Arbeiten auf dem Gebiet der organischen Synthese wurden bis
jetzt veröffentlicht [2]. Als wesentliche Fortschritte gegenüber den Haushaltsmikrowellengeräten zählen eingebaute
Magnetrührer, die direkte Temperaturkontrolle mithilfe faseroptischer Sonden oder IR-Sensoren und Software, die
die Online-Steuerung von Temperatur und Druck durch Regulierung der Mikrowellenleistung ermöglicht.
In mehr als 90 % der gegenwärtig publizierten Synthesen unter Einsatz von wissenschaftlichen Labormikrowellengeräten werden sogenannte „Single-mode“-Mikrowellenreaktoren in Kombination mit druckfest verschlossenen
Reaktionsgefäßen verwendet (Abbildung 1). Ein typisches
Heizprofil für ein Experiment unter geschlossen Gefäßbedingungen zeigt Abbildung 2: in diesem Fall wird Methanol
außerordentlich schnell (in weniger als 50 Sekunden) bis
130 °C über den Siedepunkt auf 195 °C erhitzt. In diesem
„Temperatur-kontrollierten“ Modus ist die Magnetronleistung an den Temperatursensor gekoppelt. Das heißt, das
D
Abb. 1 Beispiel eines „Single-mode“-Mikrowellenreaktors mit Autosampler und
dazugehörigem verschlossenem 10 mL Glas-Reaktionsgefäß (Monowave 300,
Anton Paar).
Das Erhitzen mittels Mikrowellenenergie hat sich von einer
Laborkuriosität zu einer etablierten Methode entwickelt und
erfreut sich in den letzten 10 Jahren steigender Beliebtheit.
Die drastische Verringerung der Reaktionszeiten ermöglicht,
dass in vielen Fällen Ergebnisse innerhalb weniger Minuten
vorliegen. Daher überrascht es nicht, dass viele akademische
und industrielle Forschungsgruppen die Mikrowelle als fortschrittliche Technologie zur schnellen Reaktionsoptimierung,
effizienten Synthese neuer Verbindungen oder Entdeckung
und Untersuchung neuartiger chemischer Reaktionen
nutzen.
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Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 356 – 366
MIKROWELLEN
Gerät versucht so schnell wie möglich die eingestellte Temperatur bei hoher Leistung zu erreichen. Dann wird die
Leistung soweit reduziert, um diese Temperatur konstant zu
halten.
ABB. 2
O RG A N I S C H E S Y N T H E S E
T E M PE R AT U R , D R U C K U N D M I K ROW E L L E N L E I S T U N G …
Mikrowellentheorie
Wie funktioniert nun das Heizen mit Mikrowellenenergie?
Konventionelles Heizen erfolgt unter Rückflussbedingungen (z.B. im Ölbad) durch den Wärmetransport über die
Gefäßwand durch die klassischen Prinzipien der Wärmeübertragung: Wärmeleitung und Konvektion. Diese Methode der Energieübertragung ist relativ langsam und ineffizient; nachteilig kommt hinzu, dass die Temperatur des
Reaktionsgefäßes meist höher ist als die des Reaktionsgemisches.
Im Unterschied dazu wird unter Mikrowellenbestrahlung effizient von innen erhitzt („dielektrisches Erhitzen
mit Mikrowellen“). Diesem Phänomen liegt die Fähigkeit eines bestimmten Stoffes (Solvens oder Reagens) zugrunde,
Mikrowellenenergie zu absorbieren und in Wärme umzuwandeln. Da die verwendeten Reaktionsgefäße im Allgemeinen aus für Mikrowellen (nahezu) durchlässigem Material wie Glas oder Teflon bestehen, wird nur das Reaktionsgemisch – und nicht das Gefäß – erhitzt.
Zwei Hauptmechanismen sind für die Wärmeerzeugung
durch Mikrowellenbestrahlung verantwortlich: dipolare Polarisierung und Ionenleitung. Beim Bestrahlen mit Mikrowellenfrequenzen richten sich die Dipole oder Ionen der
Probe im angelegten Feld aus. Dieses Feld oszilliert, und da
das Dipol- oder Ionenfeld versucht, sich mit dem wechselnden elektrischen Feld neu auszurichten, wird durch Mo-
… für das effiziente Mikrowellenheizen von Methanol (Kp 65 °C) auf 195 °C (31 bar)
im geschlossenen Gefäß.
lekularreibung und Dielektrizitätsverlust Energie in Form
von Wärme frei.
Die Fähigkeit einer bestimmten Verbindung, elektromagnetische Energie bei gegebener Frequenz und Temperatur in Wärme umzuwandeln, wird vom Verlustfaktor
tan δ bestimmt. Eine effiziente Absorption und demzufolge
ein rasches Aufheizen setzt voraus, dass tan δ bei der Standardfrequenz von Mikrowellenreaktoren (2,45 GHz) für das
Reaktionsmedium groß ist. Die tan δ-Werte für einige gebräuchliche organische Lösungsmittel sind in Abbildung 3
M U LT I - V E R S U S S I N G L E- M O D E
In Multimode-Geräten wird das Mikrowellenfeld chaotisch
verteilt: Mikrowellen werden von den Wänden reflektiert
und die so entstehenden Multimoden wechselwirken mit der
Beschickung. Dieses Prinzip hat eine inhomogene Energieverteilung zur Folge. Aufgrund des normalerweise großen
Innenraums ist die Felddichte gering, und um vernünftige
Aufheizraten zu erzielen, ist deshalb eine hohe Mikrowellenleistung erforderlich. In den viel kleineren Innenräumen der
Monomode-Reaktoren werden die Mikrowellen auf das in
einem festen Abstand zur Strahlungsquelle montierte Reaktionsgefäß gerichtet, sodass eine stehende Welle entsteht
(Wellen einer Mode wechselwirken mit dem Reaktionsgemisch). In diesen Geräten ist die Energieverteilung daher
relativ homogen und die Felddichte hoch, weshalb eine
geringere Mikrowellenleistung nötig ist.
Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Reaktorsystemen besteht nun darin, dass in Multimode-Geräten
mehrere Reaktionsgefäße gleichzeitig in Rotorsystemen
bestrahlt werden können (Parallelsynthese), während in
Monomode-Reaktoren immer nur ein Reaktionsgefäß
bestrahlt werden kann.
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Single-mode
Multimode
Antenne
Magnetron
Gefäß
Feldrühre
Wellenleiter
Magnetron
Gefäß
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Antenne
Multimode
Single-mode
Anzahl Magnetrons
1-2
1
Leistung
1000-1600 W
300-850 W
Felddichte
niedrig
hoch
Energieverteilung
inhomogen
(Hot- und Coldspots)
relativ homogen
Mikrowellenfeld
chaotisch
(Reflexionen an Wand)
stehende Welle
(Wellen einer Mode)
Reaktionsvolumina
0.3 mL - 2.5 L
60 µL - 50 mL
Synthesemethode
parallel (Rotorsysteme)
sequenziell
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Verwendung in einer Mikrowellen-beheizten Reaktion aus.
Da oft entweder die Substrate oder einige der Reagentien/Katalysatoren polar sind, reichen somit die dielektrischen Eigenschaften des Reaktionsgemisches in den meisten Fällen für das Heizen durch Mikrowellen aus.
Im Folgenden werden die wesentlichsten Vorteile, Konzepte und Prozesstechniken der Mikrowellen-assistierten
organischen Synthese vorgestellt.
Verkürzung der Reaktionszeit
Abb. 3 Dielektrische Verlustfaktoren (tan δ) verschiedener Lösungsmittel
(2,45 GHz, 20 °C). Daten aus Ref. [2a].
Üblicherweise wird bei organischen Synthesen unter Rückflussbedingungen die Reaktionstemperatur durch den Siedepunkt des Lösungsmittels bestimmt. Sind jedoch hohe
Temperaturen notwendig, muss ein Lösungsmittel mit hohem Siedepunkt verwendet werden. Ungünstig dabei ist,
dass dieses hochsiedende Lösungsmittel bei der Aufarbeitung wieder entfernt werden muss, was sich mitunter als
schwierig erweist.
zusammengestellt. Die Lösungsmittel werden allgemein als
stark (tan δ > 0,5), mittel (tan δ = 0,1–0,5) und schwach Mikrowellen-absorbierend (tan δ < 0,1) eingestuft. Allerdings
schließt ein niedriger tan δ-Wert ein Solvens nicht von der
ABB. 4
R E A K T I O N S B E S C H L EU N I G U N G I N D E R S Y N T H E S E VO N 2 - M E T H Y L B E N Z I M I DA ZO L
Bedingungen (T/p)
ABB. 5
NH2
AcOH (1 M)
N
NH2
Bedingungen
N
H
CONV
CONV
CONV
MW
MW
MW
MW
Me
Zeit
25 °C / 9 Wochen
60 °C / 3d
100 °C / 5h
130 °C / 2 bar
1h
160 °C / 4 bar
10 min
200 °C / 9 bar
3 min
270 °C / 29 bar
1s
R E A K T I O N S B E S C H L E U N I G U N G VO N PA L L A D I U M - K ATA LYS I E R T E N K R E U Z KU PPLU N G E N
Heck Reaktion
OBu
+
NC
O
Pd/C, Et3N
MeCN
I
Ölbad: 80 °C, 3 h
MW: 155 °C, 2 min
O
OBu
NC
Suzuki Kreuzkupplung
NO2
Cl
+
(HO)2B
Pd, (PPh3), NaOH
THF, H2O
Cl
NO2
Cl
Ölbad: 66 °C, 18 h
MW: 160 °C, 15 min
Negishi Kreuzkupplung
CN
Cl
+
ClZn
Me
Pd/Bu3P.HBF4
THF, NMP
CN
Me
Ölbad: 100 °C, 24 h
MW: 175 °C, 10 min
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MIKROWELLEN
Im Gegensatz dazu ist die Reaktionstemperatur unter
Mikrowellenbedingungen nicht auf den Siedepunkt des Lösungsmittels limitiert, wichtiger sind dessen dielektrische Eigenschaften. Die Verwendung von geschlossenen Gefäßen
in Mikrowellenreaktoren erlaubt daher ein sehr rasches Aufheizen von Reaktionsmischungen auf Temperaturen weit
über den Siedepunkt des Lösungsmittels unter atmosphärischen Bedingungen (Abbildung 2). Wendet man die Arrhenius-Gleichung [k = A exp(-Ea/RT)] an, wird deutlich,
dass Synthesen, die unter Rückflussheizen mehrere Stunden
erfordern, in wenigen Minuten oder gar Sekunden vollständigen Umsatz erreichen können [2]. Dazu gilt allgemein
die Näherung: Eine Erhöhung der Temperatur um 10 °C
führt zu einer Halbierung der Reaktionszeit.
Ein eindrucksvolles Exempel hierfür ist die Synthese
von 2-Methylbenzimidazol [3], dessen Grundkörper in einer
Vielzahl von biologisch aktiven Substanzen zu finden ist
(Abbildung 4). Bei Raumtemperatur (25 °C) benötigt die
Reaktion von o-Phenylendiamin mit Essigsäure 9 Wochen,
um einen vollständigen Umsatz zu erreichen. Unter konventionellen Rückflussbedingungen (~100 °C) dauert die
Synthese noch immer 5 Stunden. Bei Erhitzen in einem Mikrowellenreaktor unter Verwendung von geschlossenen Gefäßen kann die Reaktionszeit bei 200 °C jedoch auf 3 Minuten verkürzt werden. Bei den maximal möglichen 270 °C
(29 bar) des Reaktors beträgt die Reaktionszeit gar nur 1 Sekunde!
Übergangsmetall-katalysierte C-C- oder C-HeteroatomKupplungsreaktionen zählen wohl zu den wichtigsten und
am häufigsten untersuchten Umsetzungen in der Mikrowellen-unterstützten organischen Synthese [2, 4]. Unter
Rückflussbedingungen benötigen diese Synthesen normalerweise Stunden, wenn nicht Tage, für einen vollständigen
Umsatz. In Abbildung 5 sind drei Beispiele für Palladium-kataylsierte Kreuzkupplungen gezeigt. Sowohl für die Heck-,
Negishi- als auch die Suzuki-Reaktion konnten die Reaktionszeiten von bis zu 24 Stunden unter Rückflussheizen im
Ölbad auf wenige Minuten verkürzt werden, wenn die Synthesen mittels Mikrowellen beheizt wurden [5]. Die Mikrowellen-unterstützte Synthese bringt allerdings noch zusätzliche Vorteile: Häufig ist das unter herkömmlichen Bedingungen übliche Arbeiten unter Inertatmosphäre nicht
notwendig. Entscheidende Beiträge in der Durchführung
von Heck- und Suzuki-Reaktionen mit „homöopathischen“
Mengen (<10 ppm) an Pd-Katalysator wurden von der Arbeitsgruppe um Leadbeater geleistet [6].
ABB. 7
ABB. 6
VERBESSERUNG DER SYNTHESE …
O
2
H
Cl +
R1
HO
O RG A N I S C H E S Y N T H E S E
R
+
R3
N
HO
N
R3
Cl
, Et3N
2
R1
R3
O
O
R3
R2
1
Cl
Base
N
R1
MW, 90 °C
30 min
N
R3
Cl
3
O
rt, 1 h
HO
N
PdCl2(PPh3)2, CuI
Et3N, THF
O
N
O
N
3
R
O
R3
R3
3
R2
O
4
N
24 Beispiele
(12-74%)
5
… von 3,4,5-substituierten Isoxazolen durch verkürzte Reaktionszeit und erhöhte
Ausbeuten.
Verbesserte Ausbeuten
Durch die exakte Temperaturmessung in Mikrowellenreaktoren und die generell viel höheren Reaktionstemperaturen werden gegenüber konventionell beheizten Reaktionen
in vielen Fällen auch höhere Produktausbeuten und Reinheiten erzielt – aufgrund der Bildung von geringeren Mengen an Nebenprodukten [2]. Zusätzlich spielt das schnelle
Aufheizen/Abkühlen und die Durchführung der Reaktionen
bei optimierten Reaktionstemperaturen eine bedeutende
Rolle.
Ein Beispiel hierfür ist die von der Arbeitsgruppe Müller publizierte 3-Komponenten-Eintopf-Synthese von 3,4,5substituierten Isoxazolen (Abbildung 6) [7]. Im ersten
Schritt wurden Alkynone 1 durch eine Sonogashira-Kupplung bei Raumtemperatur erhalten. Diese Reaktionssequenz
wurde bereits im geschlossenen Mikrowellengefäß durchgeführt. Nach Zugabe von Hydroxyiminoylchloriden 2 und
Triethylamin in dasselbe Gefäß reagierten die Alkynone mit
den von 2 in situ generierten Nitriloxiden 3 weiter über eine 1,3-dipolare Cycloaddition zu den entsprechenden Isoxazolen 4. Der Cycloadditionsschritt konnte mittels Mikro-
VERBESSERUNG DER SYNTHESE …
NH2
3
O
R1
CONV: AcOH, Rückfluss, 2-12 h
+
R
NH2
N
R1
N
R2
3
O
R2
MW: MeOH/AcOH, 160 °C, 5 min
R
CONV: 32-85%
MW: >90%
6
… von Chinoxalinen durch verkürzte Reaktionszeit und erhöhte Ausbeuten.
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359
runter auch einige wirksame und selektive Kinase-Inhibitoren [8b].
wellen-Heizen signifikant beschleunigt werden: von bis zu
3 Tagen im Ölbad auf 30 Minuten. Ein Nachteil der langen
Reaktionszeiten war die erhöhte Bildung von Furoxanoxid 5 als Nebenprodukt durch Dimerisierung des Nitriloxids 3. Somit wurden durch Mikrowellen-Heizen auch höhere Produktausbeuten erzielt, da unter konventionellen
Bedingungen ca. 50 % mehr Nebenprodukt gebildet wurde.
Auch in der Cyclokondensation von 1,2-Diaminen mit
1,2-Diketonen konnte unter Mikrowellenbedingungen bei
160 °C im geschlossenen Gefäß die Ausbeute erhöht werden [8]. Während Chinoxaline 6 in isolierten Ausbeuten
von >90 % nach nur 5 Minuten Reaktionszeit erhalten wurden, waren unter Rückflussbedingungen 2-12 Stunden nötig, um die Produkte in nur 32-85 % herzustellen (Abbildung 7). In einem Drug Discovery Projekt wurden einige
Hundert Chinoxaline unter den beschriebenen Mikrowellenbedingungen in exzellenten Ausbeuten synthetisiert, da-
ABB. 8
Produktverteilung und Selektivität
Da Mikrowellen-beheizte Reaktionen oft bei relativ hohen
Temperaturen durchgeführt werden, können, im Vergleich
zu konventionell beheizten Experimenten, veränderte Produktverteilungen und Selektivitäten beobachtet werden.
Bei der Multikomponentenkondensation von 5-Aminopyrazolen 7, aromatischen Aldehyden 8 und cyklischen 1,3Diketonen 9 (Abbildung 8) unter stark basischen Bedingungen kam es zu einer Änderung des Reaktionsmechanismus je nachdem ob die Reaktion unter Rückfluss (80 °C)
oder im geschlossen Gefäß in der Mikrowelle bei 150 °C
durchgeführt wurde [9]. Unter Rückfluss wurden die bekannten trizyklischen Hantzsch-Dihydropyridine 11 generiert, wohingegen im Mikrowellenexperiment Pyrazolo-Chi-
V E R Ä N D E R T E PRO D U K T V E R T E I LU N G I N M U LT I KO M P O N E N T E N R E A K T I O N E N
8
Ar
O
O
H
R1
+
N
N
H
7
NH2
R1
EtOH, NaOEt
R2
O
Ar
R2
N
Hitze
N
H
R2
9
N
H OH R2
10
MW, 150 °C
20 min
R1 Ar
O
Rückfluss, 80 °C
1-5 h
H
OH
N
H
N
R2
N
R2
N
H
12 O
R2
11 Beispiele
(40-75%)
ABB. 9
O
Ar
R1
N
N
H
R2
11
T H E R M O DY N A M I S C H E U N D K I N E T I S C H E KO N T RO L L E I N D E R B RO M I E R U N G VO N C H I N O LO N E N
Ph
Br
Ph
14
0 °C, 17 h
N
Me
NBS, MeCN
N
Me
O
O
Ph
Br
15
13
MW, 100 °C, 20 min
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N
Me
O
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MIKROWELLEN
nolizinone 12 durch eine Basen-vermittelte RingöffnungRezyklisierung des Intermediates 10 gebildet werden.
Manchmal kann es bei hohen Temperaturen – die im Vergleich zu konventionellem Heizen durch Mikrowellenbestrahlung ohne großen Aufwand erzielt werden können –
durchaus zu unerwarteten Produktbildungen kommen, die
unter Standard-Rückflussbedingungen bei geringerer Temperatur nicht stattfinden.
Wie die Temperatur die Selektivitäten beeinflussen
kann, ist anhand der Bromierung von Chinolon 13 mit
N-Bromsuccinimid (NBS) gezeigt (Abbildung 9) [10]. Führt
man die Reaktion bei Raumtemperatur (4 h) durch, wird ein
Gemisch aus 3-Brom- (14) und 6-Brom-Isomer (15) im Verhältnis von 83:17 erhalten. Eine Erhöhung der Temperatur
auf 100 °C (20 min) durch Mikrowellen-Heizen im geschlossenen Gefäß erlaubt die selektive Synthese des
6-Brom-Isomers 15. Wird hingegen bei 0 °C für 17 Stunden
bromiert, bildet sich bevorzugt das 3-Brom-Isomer im Verhältnis von 92:8. Höhere Temperaturen begünstigen in diesem Fall die Bildung des thermodynamisch stabileren Isomers 15. Allerdings muss hier angemerkt werden, dass das
3-Brom-Isomer 14 in dieser Synthese das Zielprodukt war.
Unter Verwendung von Mikrowellenchemie konnte zwar
eine ansonsten langsame Reaktion beschleunigt werden, jedoch führte dies zur Bildung eines unerwünschten Produktes!
Hohe Temperaturen sind also nicht immer förderlich
und obwohl Heizen mit Mikrowellen zwar zum Großteil eine erfolgreiche Methode ist, kann sie zweifellos nicht immer die Lösung aller synthetischer Probleme sein. Was muss
zusätzlich zur thermodynamischen/kinetischen Kontrolle
noch in der Mikrowellen-unterstützten organischen Synthese beachtet werden? Hohe Temperaturen führen meist
ABB. 10
O RG A N I S C H E S Y N T H E S E
nur zum Ziel, wenn die Stabilität der Substrate, Reagentien,
Katalysatoren, Lösungsmittel und auch Produkte bei diesen
Temperaturen gewährleistet ist.
Höherer Durchsatz durch Automatisierung
Geschwindigkeit ist ein entscheidender Faktor im Bereich
der Arzneimittelforschung und Medizinalchemie. Der Einsatz von Mikrowellenreaktoren hat sich hier als sehr wertvolles Instrument – vorzugsweise zur Optimierung von
Wirkstoffsynthesen und Herstellung von Produktbibliotheken – erwiesen. „Die erste Synthese nahezu aller neuen Verbindungen findet in einem Mikrowellenreaktor statt“ hat
Jonathan Moseley von AstraZeneca UK schon 2008 postuliert [11].
Zur Automatisierung können in der Mikrowellentechnologie zwei Methoden angewandt werden: automatisiert
sequenziell oder parallel. Von der sequenziellen Technik
spricht man, wenn „Single-mode“-Reaktoren mit einem Autosampler ausgestattet sind, und die Gefäße Roboter-gesteuert transferiert werden (Abbildung 1). Die parallele Synthese wird in „Multimode“-Geräten in unterschiedlichen
Rotorsystemen durchgeführt [2a]. Zusätzliche Automatisierung kann z. B. durch Roboter-gesteuertes Einwiegen, Pipettieren oder Verschließen und Öffnen des Reaktionsgefäßes eingeführt werden.
Die sequenzielle Technik kam für die Optimierung der
Biginelli-Multikomponentenreaktion (MCR) und darauffolgender Synthese einer kleinen Bibliothek von Dihydropyrimidinen 16 (Abbildung 10) zum Einsatz [12]. Da sich
die Reaktionszeit von einigen Stunden unter Rückflussbedingungen auf nur 10 Minuten bei 120 °C unter Mikrowellen-Heizen reduziert, konnten mehr Parameter wie
unterschiedliche Lösungsmittel und Katalysatoren, Molver-
S Y N T H E S E VO N D I H Y D RO PY R I M I D I N - B I B L I OT H E K E N
R1
O
Biginelli MCR
H
EtS
O
NH2
+
Me
O
HN
R2
O
Me3SiCl, MeCN
MW, 120 °C, 10 min
MW, 130 °C, 1 h
N
Me
N
R2
H
+ R3-B(OH)2
O
6 Beispiele
(53-90%)
O
R3
N
Me
5 Boronsäuren
R1
N
R2
H
17
O
30 Beispiele
(57-88%)
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EtS
16
Liebeskind-Srogl
Pd(OAc)2, PPh3
CuTC, Dioxan
R1
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Synthese von Dihydropyrimidin-Bibliotheken auf
automatisiert-sequenzielle und parallele Weise.
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ABB. 11
S Y N T H E S E E I N E R B E N Z Y L I D E N - OX I N D O L- B I B L I OT H E K …
R2
O
H
Piperidin, EtOH
R1
R1
R2
O +
O
MW, 140 °C, 10 min
N
H
18
20
19
N
H
24 Beispiele
(50-98%)
a)
b)
… in einer 6 x 4 SiC-Mikrotiterplatte in einem 96-Positions-Rotorsystem (a). Die ausgezeichnete Temperaturhomogenität innerhalb der SiC-Platte wurde mit einer Wärmebildkamera bestätigt (b).
ABB. 12
M E H R S T U F E N S Y N T H E S E VO N T R I A RY LC H I N O L I N E N …
Cl
I
Br
+
Cl
Me
Me
Me
N
Cl2Pd(dppf), THF
aq. Cs2CO3
N
Me
Br +
MW, 90 °C, 15 min
N
B(OH)2
21
Me
Cl
Cl
Cl2Pd(dppf), THF
aq. Cs2CO3
MW, 160 °C, 15 min
(HO)2B
N
78%
Me
N
Me
Me
Cl
Me
O
+
B
O
Cl
Me
Cl2Pd(dppf), THF
aq. Cs2CO3
Me
MW, 160 °C, 30 min
N
N
Me
Me
Cl
N
73%
66%
22
… durch sequentielle Suzuki-Kreuzkupplungen mit nur einem Katalysator-Liganden-System.
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MIKROWELLEN
hältnisse der Substrate, Reagenskonzentration sowie Reaktionszeit und -temperatur im gleichen Zeitraum getestet
werden. Die so erhaltenen sechs Dihydropyrimidine 14 mit
einer Thioesterfunktionalität wurden im nächsten Schritt
mit fünf unterschiedlichen Boronsäuren ein einer Palladiumkatalysierten C-C-bindungsknüpfenden Liebeskind-Srogl Reaktion zu 30 diversen Aroyl-dihydropyrimidinen 17 umgesetzt. Bei einer Reaktionszeit von 1 Stunde würde die Synthese einer 30-teiligen Substanzbibliothek 30 Stunden
dauern, wenn automatisiert sequenziell gearbeitet würde.
Werden die Produkte allerdings parallel in einem Rotorsystem hergestellt, ist nur ein einziges Mikrowellenexperiment
von 1 Stunde Reaktionszeit von Nöten, was eine erhebliche
Zeitersparnis mit sich bringt.
Parallele Mikrowellensynthese kann in unterschiedlichen Formaten durchgeführt werden. Dafür sind unterschiedliche Rotorsysteme mit einer Vielzahl an Positionen
(von 6–96) kommerziell erhältlich [2a]. Bei Verwendung
von Mikrotiterplatten können sogar bis zu knapp 200 Reaktionen simultan ausgeführt werden.
Um auch in Mikrotiterplatten vergleichbare Reaktionsbedingungen wie im geschlossenen Gefäß in „Single-mode“-Geräten zu schaffen, wurde ein Plattensystem mit einem
Temperatur- und Drucklimit von 200 °C und 20 bar aus
stark Mikrowellen-absorbierenden Silciumcarbid (SiC) entwickelt. Unter Verwendung von 5 mL Glas-Reaktionsgefäßen mit Schraubverschluss in einer Standard 6 × 4-Matrix
wurden 24 Benzyliden-oxindole 20 durch eine Knoevenagel-Kondensation von sechs Oxindolen 18 mit vier Benzaldehyden 19 (Abbildung 11) in 10 Minuten in guten bis exzellenten Ausbeuten synthetisiert [13].
Eine Weiterentwicklung dieses SiC-Rotorsystems beinhaltet die Verwendung von Standard-HPLC/GC-Gefäßen,
wobei der Transferschritt der Reaktionsmischung für die
anschließende Analyse eliminiert wird, was wiederum eine
höhere Zeiteffizienz mit sich bringt [14]. Mit generierten
ABB. 13
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Substanzmengen von ca. 20–150 mg sind MikrotiterplattenRotorsysteme somit bestens geignet für die Hit-to-Lead(Weiterentwicklung eines Kanditatenmoleküls zu einer Leitverbindung) und Wirkstoff-Optimierungsphase bzw. für das
Screening von Katalysatoren, Lösungsmittel und Substrat-Reaktivität.
Mikrowellen: Heizmethode erster Wahl
Im Wesentlichen kann jede Art von chemischer Umsetzung,
die Wärme benötigt, unter Mikrowellen-Bedingungen
durchgeführt werden. Die Einfachheit, mit der die Mikrowellen-Technologie genutzt werden kann, macht dieses
nichtklassische Heizverfahren fast zu einem „Must-have“ in
der modernen Synthesechemie.
In der Vergangenheit wurden Mikrowellen-Bedingungen oft nur angewendet, wenn alle anderen Optionen, um
eine bestimmte Reaktion durchzuführen, versagten, oder
wenn eine Synthese extrem lange Reaktionszeiten oder hohe Temperaturen erforderte. Diese Vorgehensweise hat sich
inzwischen erfreulicherweise geändert und synthetische
Umsetzungen werden mittlerweile routinemäßig unter Verwendung von Mikrowellen-Bestrahlung durchgeführt. Die
folgenden Beispiele zeigen deutlich, dass Mikrowellenchemie nicht mehr als letzter Ausweg gesehen wird, um sinnvolle Ausbeuten in angemessener Zeit zu erreichen.
Wie erwähnt ist die Suzuki-Kreuzkupplung eine sehr
beliebte Methode, um C-C-Bindungen zu knüpfen. Es gibt
daher eine Reihe verschiedener Möglichkeiten um Mikrowellen-beheizte Suzuki-Reaktionen durchzuführen, die auch
in zahlreichen anspruchsvollen Syntheseprojekten integriert
wurden. Ein sehr elegantes Beispiel hierfür ist die von Wolkenberg et al. beschriebene Derivatisierung von tetrahalogenierten Chinolinen 21 durch sequentielle selektive Palladium-katalysierte Suzuki-Reaktionen (Abbildung 12) [15].
Ziel dieses Projektes war es, den Diversifizierungsschritt
am Ende der Synthese durchzuführen. Üblicherweise kann
M E H R S T U F E N - S Y N T H E S E D E S T R P C 3 - I N H I B I TO R S P Y R 3 ( 2 5 )
NHNH2
OEt CF3
O
EtO
+
H2SO4, EtOH
Rückfluss, 12 h,
EtOH
MW, 160 °C, 2 min
O
EtO2C
NO2
EtO2C
HO2C
N
Cl
CF3
BOP, DIEA, DMF
rt, 12 h
+
N
Cl
24
Cyclohexen, Pd/C, EtOH
MW, 160 °C, 2 min
23
CF3
N
N
N
NO2
EtO2C
5% Pd/C, H2, EtOAc
rt, 2 h
CF3
NH2
Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 356 – 366
Cl
N
PCl3, MeCN
MW, 150 °C, 5 min
25
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O
CONV: 25%
MW: 57%
Cl
N
H
Cl
Cl
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363
eine Regio- und Chemoselektivität durch die Zuhilfenahme
unterschiedlicher Katalysatoren und Liganden erreicht werden, in diesem Fall war dies jedoch mit einem einzigen Katalysator-Liganden-System möglich, indem nur die Reaktionstemperatur und -zeit variiert wurden. Dieser Syntheseweg beruht darauf, dass zwischen drei Halogeniden (Cl, Br,
I) unterschieden werden kann und somit die Selektivität
sowohl von der Reaktivität des Halogenids und den elektronischen Effekten als auch von dessen Position im Chinolinring 21 abhängt. Die erste Suzuki-Reaktion fand somit
an der reaktivsten Stelle statt: an der 6-Iod-Position. Hierfür
reichten 90 °C und 15 Minuten. Eine höhere Temperatur
von 160 °C war für die 2. und 3. Kupplung nötig, wobei das
Bromid in 3-Position innerhalb 15 Minuten zuerst reagierte, gefolgt vom Chlorid in 4-Position. Die Synthese von 22
konnte auch in einem Eintopfverfahren durch sequentielle
Erwärmung einer einzigen Reaktionsmischung nach Zugabe der jeweiligen Boronsäure bzw. Boronsäurester und jeweils 10 mol% frischen Katalysators durchgeführt werden.
In der 3-stufigen Synthese von Pyr3 (25), einem auf Pyrazol basierenden Inhibitor von TRPC3-Kanälen (canonical
transient receptor potential), konnte durch MikrowellenHeizen nicht nur die Gesamtzeit der Synthese von zwei Tagen auf nur 40 Minuten verkürzt, sondern auch die Gesamtausbeute von 25 auf 57 % erhöht werden (Abbildung
13) [16]. Die Kondensation zu Pyrazol 23 und Reduktion
der Nitrogruppe zum Amin mittels katalytischer Transferhydrierung gelangen zudem in einer Eintopfsynthese, wobei nach der ersten Reaktion einfach Cyclohexen und der
Palladium-Katalysator in das abgekühlte Reaktionsgemisch
gegeben und ein weiteres Mal erhitzt wurde. Anilin 24
konnte ohne Chromatographie-Aufreinigung durch einen
Amidierungsschritt weiter zu Pyr3 (25) umgesetzt werden.
ABB. 14
Für die Mikrowellensynthese wurden einige der Originalbedingungen durch Mikrowellen-kompatiblere ersetzt: Insbesondere die Vermeidung von gasförmigen Wasserstoff im
Hydrierschritt erhöhte die Sicherheit und auch Praktikabilität.
In der Totalsynthese von Rosiglitazon – ein blutzuckersenkender Wirkstoff für Diabetes Mellitus Typ II – wurde
die Mikrowelle in vier von sechs Syntheseschritten eingesetzt (Abbildung 14), wodurch wiederum die Reaktionszeit
von ca. 2 Tagen auf 1 Stunde verkürzt und auch die Ausbeuten verbessert wurden [17]. Im Vergleich zur konventionell beheizten Synthese benötigten auch hier die durch
Mikrowellen-Heizen erhaltenen Intermediate keine langwierigen Aufreinigungsschritte wie Vakuumdestillation oder
Säulenchromatographie. Ein noch eindrucksvolleres Beispiel ist die asymmetrische Totalsynthese des Pilzmetaboliten (-)-Stephacidin A, wobei von den 17 Reaktionsschritten
6 in der Mikrowelle durchgeführt wurden [18].
Problem der Maßstabsvergrößerung
Die überwiegende Anzahl an publizierten Mikrowellen-unterstützten Reaktionen der letzten 25 Jahre beschreibt Synthesen im Milligramm- oder Gramm-Maßstab. Zum Teil ist
dies auf die Popularität der „Single-mode“ Geräte zurückzuführen, die jedoch nur kleine Reaktionsvolumina (in der
Regel 1–5 mL) im geschlossen Gefäß zulassen. Für die industrielle Verwertbarkeit dieser Technik ist es jedoch essentiell, die Skalierbarkeit dieser Reaktionen auf den Kilogramm-Maßstab und in weiterer Folge auf Produktionsmaßstab (Tonnen) zu gewährleisten.
Durch die vergleichsweise begrenzte Eindringtiefe von
Mikrowellenstrahlung in absorbierende Flüssigkeiten (typischerweise wenige Zentimeter) ist die Maßstabsvergröße-
TOTA L S Y N T H E S E D E S B LU T Z U C K E R S E N K E N D E N W I R K S TO F F E S ROS I G L I TA ZO N
O
S
+
Cl
H2N
OH
NH2
rt, 2 h
H2 O
100 °C, 12 h
S
H2O
HN
N
H
O
S
H2 O
MW, 140 °C, 10 min
O
F
Cl
N
+ Me
H
N
OH
+
MW, 140 °C, 20 min
N
N
Me
CHO
CONV: 82%
MW: 90%
DMF, NaH
80 °C, 8 h
OH
140 °C, 15 h
O
N
H
O
KOH, H2O, Toluen, TBAHS
MW, 85 °C, 20 min
N
N
Me
MW: 92%
CONV: 85%
O
O
O
Mg, MeOH, I2
S
NH
N
364
N
Me
Toluen, Piperidin, AcOH
Rückfluss, 15 h
NH
rt, 3 h
95%
Rosiglitazon
CONV: 80%
MW: 90%
+
O
S
CHO
O
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N
N
Me
O
Toluen, Piperidin, AcOH, SiO2
MW, 130 °C, 10 min
S
O
N
H
O
CONV: 85%
MW: 93%
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Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 356 – 366
MIKROWELLEN
rung (Scale-up) von Mikrowellen-unterstützten Synthesen
eine große technische Herausforderung. Zwei unterschiedliche Ansätze wurden entwickelt: die Batch-Synthese und die kontinuierliche Durchfluss- bzw. Stop-Flow-Technik in größeren „Multimode“-Reaktoren.
In der organischen Synthese kann eine Maßstabsvergrößerung mit kommerziell erhältlichen „Multimode“-Instrumenten in Batch entweder in einem einzelnen Reaktionsgefäß oder in den bereits genannten Rotorsystemen –
mit jeweils bis zu ca. 1 L Gesamtvolumen – erfolgen [19].
Ein Nachteil der Paralleltechnik ist allerdings, dass ohne Automatisierung die Befüllung und Entleerung mehrerer Behälter sehr mühsam ist, insbesondere wenn Feststoffe beteiligt sind.
Als Folge der offensichtlichen Limitierung des BatchVerfahrens gewann die Durchführung von Mikrowellenchemie unter Durchfluss- bzw. Stop-Flow-Bedingungen an
Bedeutung, wobei die Reaktionsmischung z. B. durch eine
Spule, die in der Mikrowellenkammer positioniert ist, gepumpt wird [19]. Jedoch ist auch diese Technik mit einem
wesentlichen Manko behaftet: Heterogene Reaktionsgemische und hochviskose Flüssigkeiten sind generell inkompatibel.
Dessen ungeachtet hat sich in den vergangenen Jahren
eine beträchtliche Anzahl an Mikrowellen-Synthesen bereits
ihren Weg in die Scale-up-Labors gebahnt [2a, 19]. Die Mikrowellen-Technologie wird schließlich zunehmend in der
frühen Scale-up-Phase in einem 0,5 bis 5 kg-Maßstab – speziell für die Herstellung von Zwischenprodukten und Wirkstoffen – benötigt. Wünschenswert hierbei ist eine direkte
Skalierbarkeit der Synthesen vom kleinen Maßstab – typischerweise durchgeführt in einem „Single-mode“-Instrument – auf einen Größeren in „Multimode“-Reaktoren. Bei
Verwendung handelsüblicher Batch-Instrumente können typischerweise Produktmengen im Bereich von 50 bis 500 g
pro Lauf hergestellt werden, was einer Tagesmenge von einigen Kilogramm entspräche [20]. Diese Maßstäbe werden
auch von Mikrowellen-Durchflussreaktoren erreicht [20].
Mikrowelleneffekte:
Mythos oder Wirklichkeit?
Seit Beginn der Mikrowellensynthese führten die gegenüber
Synthesen im Ölbad erhöhten Reaktionsgeschwindigkeiten
und die manchmal abweichenden Produktverteilungen zu
Spekulationen über „spezifische“ oder „nicht-thermische“
Mikrowelleneffekte [21]. Derartige Effekte wurden postuliert, wenn eine Synthese unter Mikrowellenbedingungen
bei scheinbar gleicher Temperatur ein anderes Ergebnis lieferte als die entsprechende konventionell beheizte. Nichtthermischen Effekten wird zugeschrieben, dass sie von einer direkten – oft stabilisierenden – Wechselwirkung des
elektromagnetischen Feldes mit bestimmten Molekülen,
Zwischenprodukten oder sogar Übergangszuständen im Reaktionsmedium herrühren, die nicht mit einer Änderung
der Reaktionstemperatur in Verbindung stehen. Die meisten Wissenschaftler sind sich heute jedoch einig, dass die
Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 356 – 366
O RG A N I S C H E S Y N T H E S E
Energie der Mikrowellenphotonen bei Weitem zu niedrig
ist, um direkt molekulare Bindungen zu spalten. Daher können Mikrowellen keine chemischen Reaktionen durch direkte Absorption von elektromagnetischer Energie „induzieren“.
In vielen Fällen, in denen spezifische/nicht-thermische
Mikrowelleneffekte geltend gemacht wurden, konnte allerdings nach einer erneuten sorgfältigen Untersuchung gezeigt werden, dass vorwiegend experimentelle Artefakte –
die aus fehlerhaften Temperaturmessungen und ineffizientem Rühren der Reaktionsmischung hervorgehen – für die
ursprünglich beobachteten Phänomene verantwortlich waren [22]. Nach erheblichen Debatten stimmt man heute darin überein, dass der Grund für die beobachtete Geschwindigkeitserhöhung zumeist ein rein thermisches/kinetisches Phänomen infolge des schnellen Aufheizens und
der hohen Reaktionstemperaturen (siehe Abb. 2) durch dielektrisches Mikrowellenheizen ist [22].
Zusammenfassung
Das kontrollierte Mikrowellen-Heizen, besonders die Variante in geschlossenen Reaktionsgefäßen, bietet viele Vorzüge
gegenüber traditionell beheizten Synthesen. Schnellere Reaktionszeiten, höhere Ausbeuten und bessere Reproduzierbarkeit
zählen wohl zu den Wichtigsten. Außerdem kann die Mikrowellensynthese leicht an eine parallele oder automatisierte
sequenzielle Arbeitsweise angepasst werden. Aufgrund der
einfachen Handhabung der Mikrowellentechnologie und der
Tatsache, dass man für eine bestimmte chemische Umwandlung binnen 5–10 Minuten ein aussagekräftiges Ergebnis („Ja“
oder „Nein“) erhalten kann, wird diese neuartige Heizmethode bereits an vielen Universitäten und in der Industrie vor allem zur schnellen Reaktionsoptimierung und zur effizienten
Synthese neuer Verbindungen genutzt.
Summary
Controlled microwave heating, in particular using sealed-vessel systems, offers many advantages over traditionally heated syntheses. As most important ones are considered: reduced
reaction times, higher yields and reproducibility. In addition,
it can rapidly be adapted to a parallel or automated sequential processing format. Because of the convenience of microwave technology and the fact that a „yes or no answer“ for
a particular chemical transformation can often be obtained
within 5 to 10 minutes, this heating method is an efficient
tool for many academic and industrial research groups. There
it is primarily used for rapid reaction optimization and efficient synthesis of new chemical entities.
Schlagwörter
Mikrowellenbestrahlung, Hochtemperaturchemie, Reaktionsbeschleunigung, Kreuzkupplung, Mikrowelleneffekte
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Die Autorin
www.chiuz.de
Doris Dallinger, geboren 1976, studierte an der KarlFranzens-Universität Graz Chemie und promovierte
in der Arbeitsgruppe von C. Oliver Kappe zum
Thema der Mikrowellen-assistierten organischen
Synthese und High-Throughput-Synthese. Nach
Forschungsarbeiten als PostDoc im ChristianDoppler-Labor für Mikrowellenchemie trat sie 2011
in das Institut für Chemie an der Universität Graz als
wissenschaftliche Mitarbeiterin (Senior Scientist)
ein.
Korrespondenzadresse:
Dr. Doris Dallinger
Institut für Chemie
Karl-Franzens-Universität Graz
Heinrichstrasse 28
A-8010 Graz
E-Mail: [email protected]
Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 356 – 366
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