I versteh you nicht – Fremdsprachige Slogans sind markenpolitische Fehler?! oder: Sprechen Sie die Sprache Ihrer Kunden! Gerald Fränkl, Januar 2006 Motivation dieses Beitrags In meiner mündlichen Diplomprüfung im Fach Marketing am Lehrstuhl von Prof. Dr. Anton Meyer im Januar 2004 (www.marketing.bwl.uni-muenchen.de) habe ich mich mit der Sprache als Instrument des Marketings beschäftigt. Dabei beziehe ich mich auf die Idee des Offensiven Marketings, also des Marketings, dass absolut kundenzentriert ist. Das Ziel ist es, den Nutzen für den Kunden zu maximieren. Dazu müssen alle Mitarbeiter und alle Aspekte beitragen. Das Ergebnis (und zwar wirklich erst das langfristige Ergebnis) ist Erfolg für das Unternehmen, u.a. in Form von Umsatz, Gewinn, Arbeitsplätzen usw. In diesem Artikel fasse ich die zentralen Punkte meiner Argumentation aus heutiger Sicht zusammen und erläutere dies anhand ausgewählter aktueller Beispiele. Ganz bewusst “spiele” ich in diesem Artikel etwas mit der Sprache. Wenn Sie einige Beispiele oder Kommentare als bissig empfinden, so spüren Sie damit meine Intention. Bei meinem Engagement für eine klare, verständliche Sprache – entweder Deutsch oder Englisch, aber keine Mischung, habe ich festgestellt, dass es zwei Typen von “Tätern” gibt: die Angeber, denen man mit Spott und Häme begnen muss, um überhaupt erst einmal ein Problembewusstsein für die geistige Fehlleistung schaffen zu können. Die zweite Gruppe sind die “Ist-doch-Üblich-war-aber-keine-Absicht”-Täter, die man recht einfach argumentativ überzeugen kann. Theorie Aus theoretischer Sicht habe ich mich “Slogans” (deutsch: Werbesprüche) zunächst aus Sicht der Markentheorie angenähert. Die Aufgabe eines Werbespruchs ist zu beschreiben, zu konkretisieren und zusammenzufassen. Ein Werbespruch soll eine Marke konkretisieren und ist damit sehr stark kundengerichtet. Beispielsweise ist die Marke Larifarius ja vielleicht ganz gut - ein potenzieller Kunde, der die Marke nicht kennt, kann sich darunter jedoch nichts vorstellen. Wenn die Marke Larifarius jetzt um den Werbespruch “Der exkulsive Damenfrisör” ergänzt wird, ist die Marke damit konkretisiert und der Kunde kann sich etwas unter der Marke vorstellen. Bei Werbesprüchen konnte ich vier grundsätzliche Typen identifizieren. Der Typ “Verbindung mit Markenname” “Link zur Kategorie” “'Mix' mit/ohne Produktbezug” und Positionierung/PoD. In der Linguistik sind Werbesprüche ein Phraseologismus, wörtlich übersetzt “Kriegsgeschrei”. Werbesprüche findet man sowohl in der Werbung als auch in der Politik und auch z.B. im Bereich Soziales. In der Rechtswissenschaft ist ein Werbespruch auch als Marke eintragbar. Hier gilt die klare Einschränkung: Fremdsprachen dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie leicht und allgemein verständlich sind. Ansonsten kann der Werbespruch nicht als Marke eingetragen werden. Abbildung 1: Theoretische Annäherung an "Slogans" Auf EU-Ebene sind Werbesprüche im Lebensmittelbereich reglementiert. Ansonsten gelten allgemeine Rechtsvorschriften wie das Verbot von Verleumdung etc. auch für Werbesprüche. Eine weitere wichtige Erkenntnis kommt aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaft. Werbesprüche werden von Unternehmen u.a. als Instrument der Kommunikation verwendet. In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter Kommunikation eine beiderseitige (!) Bedeutungsvermittlung. D.h. also, dass das bloße Aussenden eines Spruchs noch keine Kommunikation darstellt. Erst wenn der Rezipient den Spruch wahrnimmt und versteht (oder verstehen könnte), entsteht Kommunikation. Es überrascht jetzt nicht mehr, dass dies wohl der zentrale Punkt war, weshalb die Lufthansa nun “alles für diesen Moment “unternimmt statt den Kunden auf dem besten weg zu fliegen (“There's no better way to fly”), Douglas das “Leben schöner” macht statt den Kunden den Weg zum Ausgang zu zeigen (“come in and find out”), die Deutsche Bank sich aus Leidenschaft für die Belange der Kunden engagiert (“Leistung aus Leidenschaft”) statt die Kunden zu Produkten zu überreden, die der Deutschen Bank bessere Geschäftsergebnisse liefern (“leading to results”) und die comdirect bank die Kunden nicht mehr im Regen stehen lässt oder unter Strom setzt (“be empowered”), sondern ihnen mehr bietet. Empirie Abbildung 2: Empirische Analyse englischer Slogans Im zweiten Teil habe ich mich dem Thema aus empirischer Sicht genähert. Dazu habe ich die Motivationen für englische Werbesprüche untersucht und die sich ergebenden Probleme. Als Motivation für englische Werbesprüche wird oft angeführt, Englisch würde das Prestige und das Image eines Unternehmens positiv beeinflussen und das Unternehmen größer erscheinen lassen, als es möglicherweise ist. Englische Werbesprüche seien auch trendig, chic und modern, sie können den “American Way of Life” vermitteln. All diese Fakten sind empirsch eher wiederlegt denn bewiesen. Objektiv dagegen kann man feststellen, dass Englisch sowohl eine Welt- als auch eine Fachsprache ist. Englisch ist in Sachen Prägnanz und Kürze dem Deutschen tatsächlich überlegen, jedoch weit geringer als oft behauptet. Auch die Argumente, dass manche Begriffe teilweise nicht übersetzbar sind und neue Begriffe im Deutschen nicht existieren, sind eher fadenscheinig, da sie Einzelphänomene sind. Die Problematik mit englischen Werbesprüchen umfasst einerseits das sprachliche Verstehen, andererseits das inhaltliche Verstehen. So verfügen z.B. in Europa nur 41% aller Menschen über eine englische Vorbildung. Das werbende Unternehmen wird nur dann Produkte und Dienstleistungen verkaufen können, wenn die (potenziellen) Kunden den Werbespruch (und auch die weiteren Werbeelemente) sowohl sprachlich als auch inhaltlich verstehen. Ohne sprachliches Verstehen ist es unmöglich, den Inhalt zu verstehen. Das zentrale Problem englischer Werbesprüche ist aber der fehlende empirische Beweis der Wirksamkeit. Im Gegenteil: es gibt eher eine Negativ-Wirkung. Ein neues Problem ergibt sich für englische Werbesprüche aus einer Entwicklung, die ich “neues europäisches Selbstbewusstsein” nenne. Zahlreiche Unternehmen haben bereits auf die Entwicklung reagiert, dass in Europa ein Trend existiert, nicht (mehr) alles, was aus den USA kommt, gu zu heißen. Darüber hinaus wird der mit fremdsprachigen Werbesprüchen einhergehende Präzisionsverlust oft unterschätzt. Oft ist den Werbenden gar nicht bewusst, dass das gewählte Wort mehrere Bedeutungen hat und negativ ausgelegt wird. Transfer auf Slogan-Strategie Abbildung 3: Strategietypen Im dritten Teil habe ich diese Erkenntnisse anhand der Markentheorie im Bereich internationale Marken auf Slogan-Strategien transferiert. Dies bezieht sich auf international tätige Unternehmen. Es spielt dabei keine Rolle, in welchem Land das Unternehme seinen Sitz hat. Gerade deutsche Unternehmen haben sich da als besonders sprachunfähig erwiesen. T-Mobile setzt z.B. in Tschechien einen lokalen Spruch ein, in Deutschland aber einen englischen. Dabei unterscheidet man im Marketing zwischen multinationalen Strategien, bei der man in jedem Land eine eigene Markenstrategie verfolgt, hier also einen unterschiedlichen Werbespruch in jedem Land. Der Gegenpol ist eine globale Markenstrategie, bei der weltweit eine einheitliche Marke und Werbespruch etc. verwendet wird. In Bezug auf Werbesprüchen habe ich vier Typen identifiziert. Die Globale Slogan-Strategie würde weltweit einen einheitlichen Werbespruch einsetzen. In dieser Reinform gibt es diese Strategie allerdings nicht. Nicht einmal McDonald's hatte diese Strategie zu 100% umgesetzt. Die Unternehmen führen Effizienzgründe an, nehmen dafür aber in Kauf, dass individuelle Kulturen, Gewohnheiten, Werbegewohnheiten, Distributionssysteme und Rechtssysteme unberücksichtigt bleiben. Als Beispiel können Nokia, Intel, Dell, Nissan und amazon genannt werden. Allesamt erfolgreiche Unternehmen. Die “Artifical-Global”-Slogan-Strategie habe ich bewusst so “unförmig” genannt. Hier ist ein pseudo-globales Image das erklärte oder erwünschte Ziel. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die gar nicht global, allenfalls in einigen Ländern, aktiv sind. In der Empirie habe ich ausschließlich negative Beispiel für diese Strategie gefunden. Beispiele hierfür sind z.B. Maxdata, Germanwings, Redzac – allesamt nicht besonders erfolgreich. Die Herkunftsland-Strategie (Fachsprache: Country-of-Origin-Strategie) möchte mit der Wahl des Werbespruchs positive Assoziationen mit dem Herkunftsland des Unternehmens erreichen. Dies soll positiv auf die Marke abfärben und dem Unternehmen einen Differenzierungsvorteil gegenüber dem Wettbewerb liefern. Seat und Renault sind zwei besonders gute Beispiele. Diese setzen mit “auto emocion” bzw. “créateur d'automobiles” ganz bewusst auf den Heimateffekt, indem sie ihre Muttersprache weltweit verwenden. Audi hatte bis vor einigen Jahren sogar in den USA den Werbespruch “Vorsprung durch Technik” (in deutsch!). Die vierte Strategie ist die “Multinationale 'glocale'”Strategie. Dies ist in der Praxis derzeit die dominante Strateige. Dabei wird in jedem Land der Werbespruch (und viele weitere Elemente der Marketings, z.B. die Werbung) an die individuellen Kulturen, Gewohnheiten, Sprachen uvm. angepasst. Beispiele sind Audi und BMW, Lamy, Deutsche Bank, Lufthansa, Douglas, OBI und viele, viele mehr. Falsifizerung/Verifizierung der These Zusammenfassend habe ich meine These mit zwei Einschränkungen verifiziert: I versteh your really nicht – Fremdsprachige Slogans sind tatsächlich ein markenpolitischer Fehler! Fremdsprachige Werbesprüche haben eine Berechtigung, wenn ein Unternehmen den Herkunftsland-Effekt nutzen möchte und dies wirklich zu Produkt/Dienstleistung und dem Auftritt des Unternehmens “passt”, wie dies bei Seat der Fall ist: die Marke ist spritzig und frech positioniert, sportlich aber nicht übertrieben. Das sind Eigenschaften, die zum Werbespruch “auto emocion” passen. Die zweite Ausnahme, bei der fremdsprachige Werbesprüche sinnvoll sein können, ist dann gegeben, wenn durch den Slogan eine ganz spezielle Positionierung angestrebt wird und eine sehr spezifische Zielgruppe angesprochen wird, bei der sicher gestellt ist, dass der Werbespruch “passt”. Abbildung 4: Falsifizierung / Verifizierung der These Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel einen Beitrag leisten kann, dass der Dummdenglischwahn in den Köpfen einiger “Kreativer” und vor allem “Verantwortlicher” sofort geheilt wird und endlich wieder der Kunde mit seiner Muttersprache im Mittelpunkt unternehmerischen Denken und Handels steht. In diesem Sinne freue ich mich auf Diskussionen, Arregungen und Fragen. Kontakt Gerald Fränkl Freidankstr. 12 81739 München [email protected]