Abzählbarkeit Definition: Mächtigkeit von Mengen Sei eine Menge. Dann heißt (i) endlich, falls - ≠∅ - und für ein ∈ ℕ eine bijektive Abbildung : ℕ = {1, … , } → existiert (bijektiv heißt: „jedes Element in hat eine Nummer“ und „unterschiedliche Elemente in haben unterschiedliche Nummern). Die Mächtigkeit von ist in diesem Fall | | ≔ . (ii) unendlich, falls nicht endlich ist. Dann setze | | ≔ ∞. (iii) abzählbar, falls ein surjektive Abbildung : ℕ → existiert („d.h. man kann auflisten“ – die Liste kann dabei unendlich lang sein). (iv) überabzählbar, wenn nicht abzählbar ist. Lemma: Die Mächtigkeit | | einer Menge ist wohldefiniert, d.h. eindeutig bestimmt. Beweis: Angenommen es seien , ∈ ℕ und bzw. seien Bijektionen mit : ℕ → Zu zeigen: = . Betrachte die bijektive Abbildung ≔ ∘ :ℕ → ℕ . ist injektiv ⇒ |{ (1), (2), … , ( )}| = ist surjektiv ⇒ |{ (1), (2), … , ( )}| = Also: = . und : ℕ → . Bem.: Zwei Mengen heißen gleichmächtig, falls es eine Bijektion zwischen ihnen gibt. Satz: Die Mengen ℕ, ℤ, ℚ sind abzählbar unendlich. Beweis: ℕ ist trivial. Zu ℤ: Betrachte : ℤ → ℕ mit ( ) = −(2 + 1), 2 , < 0 ergibt gerade natürliche Zahlen ≥ 0 ergibt ungerade natürliche Zahlen ∎ Zu ℚ: Es ist ℚ = | ∈ ℤ, ∈ ℕ . Beweis mit Cantors erstem Diagonalargument: 0 1 -1 2 -2 1 0[1] 1[3] −1[6] 2[10] −2[15] 2 0[2] 1 3 0[4] 1 4 0[7] 1 5 0[11] b a [5] − 1 2[9] [8] − 1 3[13] 2 [12] −1 4 2 −1 5 2 2 3 4 1 5 2 2 [14] −2 2 3 −2 3 4 −2 4 5 −2 5 ∎ Galileisches Paradoxon: Analog gilt z.B. ℕ und ≔ { ∈ ℕ | ist gerade} sind gleichmächtig denn jedem ∈ ℕ kann bijektiv ein ∈ zugeordet werden (betrachte die Abbildung Υ: ℕ → mit ↦ 2 ). Dennoch gilt ⊂ ℕ. Hilberts Hotel: Hat für jede natürliche Zahl ein Zimmer 1 2 3 4 … Doch alle Zimmer sind belegt! Neuer Gast kommt. Dieser kann wie folgt untergebracht werden: (i) Jeder alte Gast zieht von Zimmer nach Zimmer + 1 (ii) Neuer Gast geht in Zimmer 1. Durch Wiederholung dieses Vorgangs gibt es Platz für endlich viele Gäste. Abzählbar unendlich viele Gäste: 1 ↷ 2, 2 ↷ 4, 3 ↷ 6, Alle Zimmer mit ungerader Nummer sind frei. allg.: ↷ 2 Abzählbar unendlich viele Busse mit je abzählbar unendlich vielen Gästen: Bus 1 ↷ Zimmer 3,9,27, … (Potenzen von 3) Bus 2 ↷ Zimmer 5,25,125, … (Potenzen von 5) allg.: Bus ↷ Zimmer , ², ³, … mit p als i+1-te Primzahl (vgl. „Satz von Euklid“) Es sind sogar noch unendlich viele Zimmer frei, z.B. #15. Korollar: Dedekind-Unendlichkeit Die Menge ist unendlich ⇔ besitzt eine gleichmächtige Teilmenge Definition: Kardinalzahl ℵ ist die kleinste unendliche Mächtigkeit. |ℕ| ≔ ℵ („Aleph-0“). Bem.: Aus Cantors Erstem Diagonalargument und der Bemerkung zur Gleichmächtigkeit von Mengen folgt |ℚ| = |ℕ| = ℵ . Satz: Die Menge der reellen Zahlen ℝ ist überabzählbar (d.h. nicht abzählbar). Beweis: Es genügt zu zeigen, dass [0,1) nicht abzählbar ist. Annahme: [0,1) sei abzählbar. ⇒ ∃ ( ) ∈ℕ mit [0,1) = { | ∈ ℕ}. Sei 10 ∈ℕ die eigentliche Dezimalbruchentwicklung von für ∈ ℕ, d.h. = 0, …. Betrachte das Schema = 0, = 0, = 0, … … … ⋮ Konstruiere nun ein ∈ [0,1) durch die eigentliche Dezimalbruchentwicklung ≔ lim 10 → = 0, … mit ≔ 0, 1, falls falls für ∈ ℕ. Somit ist ≠ ∀ ∈ ℕ, denn unterscheidet sich an der 1. Nachkommastelle von , der 2. Nachkommastelle von , ⋮ also ≠ ∀ ∈ ℕ. Steht im Wiederspruch zu [0,1) = { ⇒ [0,1) überabzählbar ⇒ ℝ ⊃ [0,1) überabzählbar ≠0 =0 | ∈ ℕ} ∎ Bem.: ℝ besitzt die Kardinalität der „überabzählbaren Mengen erster Stufe“, man sagt auch ℝ hat die Mächtigkeit des Kontinuums. Definition: Die nach ℵ höhere Mächtigkeit ist ℵ . Kontinuumshypothese: „Die Mächtigkeit der reellen Zahlen ist ℵ .“ Bem.: Hilbers erstes Problem Nach den Axiomen der Zermelo-Fraenkelschen-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (ZFC) ist die Kontinuumshypothese weder beweisbar (Paul Cohen, 1963) noch widerlegbar (Gödel, 1938).