Skalenfarbe Schwarz 0001 PROPRANOLOL PROPRANOLOL WHO, FDA, 1968 Polyvalenter Betablocker-Veteran WIRKUNG Das linksdrehende Isomer von Propranolol bindet sich reversibel an adrenerge β1- und β2-Rezeptoren; beide Isomere besitzen eine membranstabilisierende Aktivität. Am Herzen führt Propranolol zu einer Senkung der Herzfrequenz und des Auswurfvolumens; initial tritt die blutdrucksenkende Wirkung wegen peripherer Vasokonstriktion mit Verzögerung ein. Die Überleitungszeit im AV-Knoten und die Refraktärzeit des AV-Knotens werden verlängert. In den meisten Gefässgebieten nimmt der Blutfluss ab. Propranolol senkt ausserdem die Plasmareninaktivität und unterdrückt die Lipolyse. Im Plasma steigen die Triglyzeride an, während das HDL-Cholesterin etwas absinkt. Die Bindung von Propranolol an β2-Rezeptoren bewirkt eine Erhöhung des Atemwegwiderstandes und eine Hemmung der Glykogenolyse und der Glukoneogenese. PHARMAKOKINETIK Biologische Verfügbarkeit variabel* 5-50% Max. Plasmaspiegel Halbwertszeit Aktive Metaboliten Ausscheidung 1-2 h 3-6 h wenig wichtig vorw. hepatisch * Ausgeprägter, individuell unterschiedlicher präsystemischer Metabolismus. INDIKATIONEN UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN Der therapeutische Nutzen von Propranolol bei Hypertonie und koronarer Herzkrankheit ist gut dokumentiert. Bei Angina pectoris muss die Dosis sorgfältig individuell angepasst werden. Der (nachgewiesene) Nutzen von Propranolol in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt beruht möglicherweise auf seiner antiarrhythmischen Wirkung. Diese Wirkung kann auch bei Katecholamin-Exzess - z.B. bei Phäochromozytom - oder (mit Digitalis zusammen) beim Vorhofflimmern genutzt werden. Bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie sind die Langzeitresultate enttäuschend. Gefährliche Reaktionen (Schock, Herzinfarkt) sind zwar selten, jedoch bei Personen mit vorbestehender Herzkrankheit oder bei brüskem Entzug von Propranolol möglich. Auch schwere Bronchospasmen oder Hypoglykämien sind beschrieben worden. Unter den vielen Nebenwirkungen, die unter Propranolol beobachtet werden, sind kalte Extremitäten, Müdigkeit, gastrointestinale Probleme (z.B. Durchfall) und Impotenz erwähnenswert. Gelenkschmerzen, psychische Veränderungen, Hautprobleme und Induratio penis plastica sind selten. KONTRAINDIKATIONEN Bei Thyreotoxikose beeinflusst Propranolol nicht nur die Herzfrequenz, sondern auch weitere Symptome (z.B. den Tremor) vorteilhaft. Propranolol senkt das Risiko von Blutungen aus Ösophagusvarizen bei portaler Hypertonie. Asthma bronchiale, ausgeprägte Bradykardie, manifeste Herzinsuffizienz, AV-Block II. oder III.Grades, Allergie auf Hymenopterengifte (erhöhtes Risiko bei Anaphylaxie) Gut nachgewiesen ist auch der Nutzen von Propranolol in der Intervallbehandlung der Migräne. Das Medikament kann sich ausserdem bei körperlichen Symptomen von Angstzuständen sowie bie essentiellem (familiärem) Tremor nützlich erweisen. Gefahr eines AV-Blocks bei Interaktion mit Digitalis oder Verapamil. Die Propranololwirkung wird durch Cimetidin und Fluvoxamin verstärkt. Propranolol kann Neuroleptikaund Theophyllinwirkung verstärken. 186 INTERAKTIONEN Hundert wichtige Medikamente (1994) 0001 Skalenfarbe Schwarz Skalenfarbe Schwarz 0002 PROPRANOLOL DOSIERUNG (Erwachsene) Indikation Verabreichung Angina pectoris oder arterielle Hypertonie Arrhythmien Initialdosis Erhaltungsdosis Dosis Intervall Dosis Intervall oral 10-40 mg 8h 40-160 mg 8-12 h* i.v. 0,5-3 mg 2 min** * Für die chronische Therapie eignen sich die Retardformen, die nur einmal täglich verabreicht werden. ** Die intravenöse Injektion muss langsam erfolgen (max. 1 mg/min), nur eine Wiederholung erlaubt. Schwangere Frauen Keine teratogene Wirkung bekannt. Harmlosigkeit aber nicht gesichert. Bei Neugeborenen allenfalls auf Symptome der Betablockade achten! Stillende Mütter In der Muttermilch nur kleine Mengen. Kann gegeben werden. Säugling in bezug auf Betablockade überwachen! Kinder Individuell dosieren: 1-4 mg/kg/Tag, in 3 bis 4 Dosen. Intravenöse Notfalltherapie wie bei Erwachsenen. Alte Menschen Propranolol hat bei älteren Leuten oft eine geringere blutdrucksenkende Wirkung als bei jüngeren Menschen. Niereninsuffizienz Keine Dosisanpassung notwendig. Leberinsuffizienz Bei Leberinsuffizienz nimmt die Bioverfügbarkeit zu: Dosis anpassen! Literatur Beta-Blocker Heart Attack Trial Research Group. A randomized trial of propranolol in patients with acute myocardial infarction. 1. Mortality results. JAMA 1982; 247: 1707-14 Diener HC. Tremor: Möglichkeiten und Grenzen einer medikamentösen Therapie. Med Monatsschr Pharm 1990; 13: 11-3 Poynard T, Calès P, Pasta L et al. Beta-adrenergic-antagonist drugs in the prevention of gastrointestinal bleeding in patients with cirrhosis and esophageal varices. N Engl J Med 1991; 324: 1532-8 Ziegler DK, Hurwitz A, Hassanein RS et al. Migraine prophylaxis: a comparison of propranolol and amitriptyline. Arch Neurol 1987; 44: 486-9 Hundert wichtige Medikamente (1994) 0002 Skalenfarbe Schwarz SPEZIELLE HINWEISE Propranolol ist bei Rauchern weniger wirksam (vermehrter präsystemischer Metabolismus). Um ein «Rebound»-Phänomen zu vermeiden, soll Propranolol schrittweise abgesetzt werden. Vor einer Narkose soll es möglichst nicht abgesetzt werden, da dies zu unvorhersehbaren intraoperativen Schwierigkeiten führen kann. KOSTEN Tagesdosis Präparat 160 mg Betaprol (80 mg) 160 mg Inderal LA 80 Kosten/Monat 27.37.10 VERFÜGBARE FORMEN Tabletten zu 10 mg, 40 mg (verschiedene Marken) und 80 mg (Betaprol); Retardkapseln zu 80 mg (Inderal LA 80) und zu 160 mg (Betaprol, Inderal retard). Ampullen zu 1 mg /ml (Inderal). KOMMENTAR Propranolol ist wegen der grossen individuellen Unterschiede seines Metabolismus kein besonders «praktischer» Betablocker. Ich verwende die Substanz deshalb nur noch selten bei Hypertonie und koronarer Herzkrankheit. Anderseits gibt es kaum einen Betablocker, der so gut dokumentiert ist wie Propranolol, besonders auch für die speziellen Indikationen (Hyperthyreose, Migräne, portale Hypertonie). In diesen Fällen ist Propranolol heute noch der Betablocker der ersten Wahl. Kurativer/präventiver Nutzen Symptomatischer Nutzen Verträglichkeit Kostenvorteil QQQQ QQQQ QQQQ QQQQ 187