81 arznei-telegramm 9/91 Netzwerk-Forum BETABLOCKER PLUS KALZIUMANTAGONIST Im transparenz-telegramm 90/91 (S. 427) führen Sie unter NIF-TEN aus, daß die gleichzeitige Anwendung von Betablockern und Kalziumantagonisten zur Behandlung der Hypertonie nicht selten eine Herzinsuffizienz auslöst. Gilt dies auch für die gleichzeitige Anwendung, wenn beispielsweise der Kalziumantagonist (Nifedipin) morgens und eventuell mittags und der Betablocker (Propranolol) abends oder der Kalziumantagonist in der erforderlichen Dosierung (z. B. 3x täglich Nifedipin 10 mg) und zusätzlich zur Vermeidung einer durch Nifedipin hervorgerufenen Tachykardie ein Betablocker in der kleinstmöglichen Dosierung, z. B. morgens und abends 10 mg Propranolol, genommen wird. H. MÜLLER W-5060 Bergisch Gladbach Betablocker wie Propranolol (DOCITON u. a.) und Kalziumantagonisten wie Nifedipin (ADALAT u. a.) wirken negativ inotrop, hemmen also die Kontraktionskraft des Herzens. Bei gleichzeitiger Einnahme addieren sich die Hemmeffekte. Dies ist ein Nachteil der Fixkombinationen aus beiden Stoffgruppen. Der Effekt kommt zum Tragen, wenn die Kontraktionskraft des Herzens nur grenzwertig ist (latente Herzinsuffizienz). Dann kann aus der grenzwertigen Herzleistung ein Versagen des Herzens im Sinne einer Herzinsuffizienz werden. Bei Herzen mit ausreichender Kontraktionskraft, z. B. bei Patienten im jüngeren Lebensalter, muß die Hemmwirkung auf die Kontraktilität nicht zum Versagen der Herzleistung führen. Werden Nifedipin morgens und mittags und der Betablocker abends eingenommen, dürfte kein additiver Effekt zu erwarten sein, da Nifedipin selbst eine kurze Wirkungs-Halbwertzeit hat. Reagiert der Patient auf den Kalziumantagonisten mit einer Tachykardie, sind Betablocker in der Regel angezeigt. Der Nutzen der Reduktion der Herzschlagfrequenz überwiegt dann die mögliche Hemmung der Kontraktionskraft. In diesen Fällen kann die kombinierte Anwendung von Nifedipin und Propranolol in der angegebenen sehr niedrigen Dosierung durchaus angezeigt sein (–Red.). NIMOTOP UND NIMOTOP S: WIDERSPRÜCHE Eine ältere Patientin ist seit geraumer Zeit wegen zerebraler Durchblutungsstörungen in meiner Behandlung. Neurologisches und HNO-ärztliches Konsil verliefen ergebnislos. Alle gängigen Pharmaka brachten keinen Erfolg, angedeutet psychotherapeutische Versuche waren ebenso mühsam wie sinnlos. NIMOTOP setze ich persönlich nicht ein, die Patientin erhielt es von einem Kollegen, den sie in unserer Vertretung aufsuchte. Über die gewünschte Wirkung läßt sich noch keine Aussage machen. Als unerwünschte Wirkung traten prompt Unterschenkelödeme auf. Die Patientin ließ sich jedoch in ungebrochenem Vertrauen auf das Präparat eine neue Packung aufschreiben und kam 2 Tage später völlig aufgelöst zu mir, weil sie in der Apotheke NIMOTOP S erhalten habe. Das könne doch gar nicht dasselbe sein, denn sie nahm bisher nur 3 x 1 und nun soll sie nach vorheriger Infusion 6 x 2 nehmen! Ich war selbst auch irritiert, besonders, als ich beim Vergleich der Beipackzettel feststellte, daß es sich um die gleiche Substanz in gleicher Menge handelt, aber mit sehr unterschiedlicher Beschreibung in eigentlich allen Punkten... Dr. med. D. LOSKILL W-6520 Worms 23 NIMOTOP und NIMOTOP S enthalten pro Tablette jeweils 30 mg Nimodipin. Der vom Nifedipin (ADALAT u.a.) abgeleitete Dihydropyridin-Kalziumantagonist soll besonders ausgeprägte Wirkungen auf die Zerebralgefäße haben. Wegen der geringen Bioverfügbarkeit von nur etwa 10% ist die orale Behandlung umstritten. Bisher gibt es Hinweise auf einen Nutzen bei zerebralen Vasospasmen nach Subarachnoidalblutungen oder nach intrazerebralen Eingriffen mit Blutungen (vgl. a-t 11 [1989], 102). Die Firma Bayer erklärt die unterschiedlichen Bezeichnungen NIMOTOP und NIMOTOP S mit verschiedenen Indikationen (Vorbeugung neurologischer Defizite nach zerebralen Vasospasmen bzw. hirnorganisch be- dingte Leistungsstörungen im Alter) und den unterschiedlichen Dosierungsempfehlungen: „Um auszuschließen, daß die betroffenen Patienten durch die stark unterschiedlichen Dosierungsempfehlungen irritiert werden, halten wir auch im Interesse der Therapie- und Arzneimittelsicherheit unterschiedliche Bezeichnungen mit entsprechend unterschiedlichen Packungsbeilagen für notwendig” (Schreiben der Bayer AG vom 9. Aug. 1991). Die fehlenden Hinweise im Beipackzettel von NIMOTOP S auf Tachykardie, Schwindel, Schwächegefühl, Ödeme, Zeichen einer übermäßigen Anregung des Gehirns u.a. sind nicht nachvollziehbar, zumal NIMOTOP S vierfach höher dosiert werden soll als NIMOTOP. Bei NIMOTOP wiederum fehlt ein Hinweis auf starke Blutdrucksenkung durch gleichzeitige Verwendung von Betarezeptorenblockern (–Red.). ABFÜHRMITTELMISSBRAUCH – WAS TUN? #6 #7 Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Entwöhnung nach Mißbrauch anthrachinonhaltiger Abführmittel? Dieses Problem beschäftigt uns sehr seit Beginn der Apothekenpflicht für diese Mittel. Jahrzehntelange Einnahme der entsprechenden Drogen ist die Regel. Meistens werden Mischungen von gleichen Teilen Sennesblättern und -schoten verlangt, teils als Tee, mehr aber noch als Pulver. Hinweise unsererseits werden mit den zu erwartenden Bemerkungen über die Gewöhnung beantwortet, auch seien zum Beispiel die Kaliumwerte normal... Unsere Erfahrungen mit Entwöhnungsplänen, den Patienten auch schriftlich mitgegeben, sind negativ. Dr. T. RASCHE Schloß-Apotheke W-4000 Düsseldorf 30 #8 Abführmittelmißbrauch begünstigt durch Kaliumverarmung Obstipation. Anthrachinonhaltige Mittel (Präparate mit Aloe, Faulbaumrinde, Rhabarber, Sennesblätter und schoten) schädigen zudem die Innervation des Plexus myentericus zum Teil irreversibel. Im Endstadium ist der Darm ein funktionsloses Rohr (RIEMANN, J. F. et al.: intern. prax. 23 [1983], 155). Abführmittelverwender müssen eindringlich auf dieses Risiko der oft verharmlosend als „natürlich” oder „rein pflanzlich” bezeichneten Laxantien hingewiesen werden. Die Präparate sind ggf. sofort abzusetzen. Im Gespräch ist nach den Ursachen der mißbräuchlichen Dauereinnahme zu forschen, die möglicherweise auf falschen Vorstellungen zur Stuhlfrequenz beruht, aber auch medikamentenbedingt (Anticholinergika, Psychopharmaka, Antihistaminika, Opioide etc.) sein kann. Etwa zugrundeliegende Erkrankungen (Schilddrüsenunterfunktion, Tumoren im Magen-Darm-Trakt etc.) sind auszuschließen bzw. zu behandeln. Meist bereitet eine Entwöhnung von Laxantien wenig Probleme. Mehr Bewegung sowie Gewichtsreduktion unterstützen die Bemühungen, den Darm wieder „abführmittelunabhängig” zu machen. Von besonderer Bedeutung ist die Umstellung von ballaststoffarmen Nahrungsmitteln wie Weißbrot auf ballaststoffreiche Kost (Getreide, Gemüse, frisches Obst). Diese fördert – gegebenenfalls unterstützt durch Pflanzenfasern (Weizenkleie, Quellmittel) – über eine Volumenzunahme die Dehnung des Darmes und damit die Darmperistaltik – sofern der Darm noch nicht zu sehr geschädigt ist. Reichliche Flüssigkeitszufuhr verhindert ein Hartwerden des Darminhaltes. Im Einzelfall kann plötzliches Absetzen von Laxantien einen Subileus oder Ileus auslösen. Wenn nach mehrtägigem Warten eine Defäkation nicht in Gang kommt, sind Arzneimittel angezeigt, meist Einläufe, mitunter auch Darmwand-reizende Stoffe wie Bisacodyl (DULCOLAX u.a.). Ist die Ansprechbarkeit des Rektums auf einen Dehnungsreiz herabgesetzt, bringen Glyzerinsuppositorien (GLYCILAX) mitunter Erleichterung. Dies muß die Ausnahme bleiben (–Red.).