Mobile Marketing

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Mobile Marketing:
Anyhow, Anywhere, Anytime!?!
Von Professor Dr. Torsten Tomczak* und Kai Kruthoff*
„She will rather forget her underpants than her mobile“ behauptet Robert Hasegawa, Creative
Director bei Hakuhodo, Japans zweitgrösster Werbeagentur, über die Bedeutung von Handys in Asien.
Sollte diese – für europäische Ohren etwas befremdlich klingende – Einschätzung auch hierzulande
zutreffen, so könnte Mobile Marketing schon bald zu einem der wichtigsten neuen Konzepte im
Marketing werden. Wie die Chancen für eine solche Entwicklung tatsächlich stehen, untersucht dieser
Beitrag.
Drei Viertel der Bevölkerung in den G7-Staaten kommuniziert bereits mobil. Das Handy wird bei Jung
und Alt immer mehr zu einem persönlichen Lifestyle-Tool und ein sich immer schneller wandelndes
Konsumentenverhalten fordert die etablierten Formen des Marketing zunehmend heraus. Welche
Marketing-Lösungen erscheinen daher zukünftig erfolgversprechend?
Marketing macht mobil... Personalisierung, Lokalisierung, Emotionalisierung, Ubiquität und Interaktivität
sind die Zauberwörter der Mobile Marketing-Anhänger. Spamming, Verlust der Privatsphäre,
unausgereifte Technik und Missbrauch von Kundendaten erwidern die Gegner. Ähnlich wie bei vielen
anderen Themen im Bereich des Mobilfunks ist auch die Diskussion um das Thema Mobile Marketing in
den vergangenen zwei Jahren stark von Visionen und Versprechungen auf der einen Seite sowie Frust und
Ernüchterung auf der anderen Seite geprägt worden. Zu kontrovers und widersprüchlich sind bislang die
Einschätzungen und Prognosen in diesem neuen Feld des Marketing, als dass sich bereits eine einheitliche
Meinung innerhalb der Marketing-Community gebildet hätte. Doch was verbirgt sich nun tatsächlich
hinter diesem schillernden neuen Marketing-Begriff? Wie sehen die Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren dieses Konzepts aus? Ist es möglich, mit Mobile Marketing-Aktionen neue Zielgruppen
zu erreichen, virtuelle Communities zu bilden sowie traditionelle Marketing-Kampagnen zu unterstützen?
Um die Chancen und Herausforderungen des mobilen Marketing besser abschätzen zu können, werden
diese Fragen im Folgenden näher betrachtet.
Mobile Marketing ergänzt den traditionellen Marketing-Mix
Unter Mobile Marketing sollen hier – in Anlehnung an Schmich und Juszcyk (2001) – alle diejenigen
Marketing-Konzepte verstanden werden, die, unterstützt durch die Kenntnis des Standortes und der
individuellen Präferenzen von Kunden, ein zielgerichtetes „One-to-One Marketing“ ermöglichen. Mobile
Marketing kann somit als eine digitale Ergänzung des klassischen Marketing-Mix, mit seinen „vier Ps“
Product, Price, Promotion und Place, verstanden werden. Der Fokus von Mobile Marketing Massnahmen
liegt dabei vielfach auf der Kommunikation und Information, also auf dem dritten P – der Promotion.
Somit eignet sich Marketing über einen mobilen Kanal daher auch sehr gut zur gezielten
Kundenansprache innerhalb der verschiedenen Phasen des Buying Cycles der Konsumenten. Vor allem
als interaktiver Rückkanal, z. B. in Kombination mit klassischen TV- und Plakatkampagnen oder auch
im Zusammenhang mit Gewinnspielen gewinnt Mobile Marketing eine zunehmende praktische
Bedeutung. Abbildung 1 illustriert verschiedene Verknüpfungsmöglichkeiten von Mobile MarketingMassnahmen und klassischem Marketing-Mix.
Kommunikationspolitik
• Mobile Advertising
• Angebot oder Sponsoring
mobiler Dienste
• Nutzung mobiler Response-Kanäle
Produktpolitik
• Mobile Zusatzdienste
• Einführung eigenständiger
mobiler Produkte und
Services
Preispolitik
MarketingMarketingMix
Mix
• Mobile preispolitische
Instrumente (Rabatte etc.)
• Differenzierte Preismodelle für mobile Nutzer
Vertriebspolitik
• Mobile Push-Werbung mit
Transaktionsfunktionen
• Verbindung mobiler Transaktionsfunktionen mit
klassischen Medien
Abbildung 1: Ergänzung des Marketing-Mix durch das Mobile Marketing (in Anlehnung Berlecon Research 2003)
Im Rahmen von Mobile Marketing-Massnahmen lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Arten von
Aktivitäten unterscheiden: „Pull- “ und „Push-Massnahmen“. Hauptunterscheidungsmerkmal beider
Dienste ist die unterschiedliche Einflussnahme des Kunden. Bei einem Pull-Dienst stellt die aktive
Kommunikation des Nutzers den bestimmenden Faktor dar (z. B. der Abruf einer aktuellen AutobahnStaumeldung bei einem Automobilclub). Im Fall eines Push-Dienstes wird der Nutzer dagegen zum
passiven Empfänger von Informationen, wie zum Beispiel den – bei vielen Handynutzern oftmals wenig
beliebten – Netzbetreiber-SMS-Mitteilungen, die dem Kunden beim Eintritt in den Empfangsbereich
eines neuen Mobilfunknetzes unaufgefordert zugesandt werden.
Auf der technischen Seite basiert das Mobile Marketing heute im wesentlichen auf der Nutzung der drei
mobilen Hauptübertragungsprotokolle GSM, WAP und GPRS, die in naher Zukunft durch die UMTSTechnologie ergänzt werden (Italien, Österreich und Grossbritannien setzen die UMTS-Technologie
bereits heute ein). Die genannten Protokolle unterscheiden sich für den Nutzer vor allem durch die
verwendeten Bandbreiten und damit durch ihre unterschiedlichen Übertragungsgeschwindigkeiten und
die im Display der Endgeräte darstellbaren Zeichen. Aus einer Anbieter-Perspektive bedeutet dies
folglich eine mehr oder weniger starke Begrenzung der jeweiligen Mobile Marketing-Aktivitäten in
Bezug auf den Umfang der angebotenen Inhalte sowie hinsichtlich der grafischen Aufbereitung.
Betrachtet man die Prognosen zum Marktpotential im Bereich Mobile Marketing, so ergibt sich noch ein
uneinheitliches Bild. Einer Schätzung von Forrester Research zufolge, kann man für das Jahr 2005 von
einem europaweiten Umsatz von 3,4 Mrd. US$ ausgehen. Das Unternehmen OVUM hält für den gleichen
Zeitraum – allerdings weltweit betrachtet – etwa 16 Mrd. US$ für realistisch. Insgesamt lässt sich
festhalten, das Mobile Marketing langsam den Kinderschuhen entwächst und sich in Zukunft damit wohl
zu einem stark beachteten neuen Marketing-Konzept entwickeln wird.
Mobile Marketing hat viele Gesichter
Wie Abbildung 1 bereits andeutete, kann Mobile Marketing grundsätzlich in fast allen MarketingTeilbereichen eingesetzt werden. Wichtige Zielbereiche und denkbare Mittel hierfür stellen z. B. folgende
Einsatzgebiete dar:
•
Kundenakquisition und Absatzförderung: z. B. mittels SMS-Kampagnen als Response-Element für
klassische Werbekampagnen
•
Kundenbindung und Steigerung der Kundenzufriedenheit: z. B. durch die Einbindung von Kunden
in interaktive Dialoge mittels Gewinnspielen zur Gewinnung von Kundendaten für effiziente CRMMassnahmen
•
Image- und Markenbildung: z. B. durch das Angebot aktueller und relevanter Informationen zu
neuen Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens
•
Marktforschung und Marketing-Wirkungsanalysen: z. B. mittels mobiler Produkt- und Markttests
bzw. mobiler Kundenbefragungs-Tools
Unternehmen wie die BMW Group haben bereits verschiedenste dieser Mobile Marketing-Massnahmen
erfolgreich in der Praxis getestet und eingesetzt. So zum Beispiel hat das mobile „Formel BMW Racing
Game 2003“ – ein Autorennspiel für verschiedene Nokia Handys – innerhalb der ersten drei Monate mehr
als 25.000 Kunden dazu gebracht, sich das Spiel aus dem Internet auf Ihr Mobiltelefon herunter zu laden.
Auf ausgewählten Original Formel 1-Rennstrecken konnten die Kunden ihr Können auf dem eigenen
Handy unter Beweis stellen. Zusätzlich war es über eine Highscore-Tabelle auf der BMW MotorsportSeite möglich, sich mit anderen Handy-Spielern weltweit zu messen. Auf diese Art und Weise konnte
ausserdem eine erhebliche Medienresonanz erreicht werden, die eine zusätzliche positive Imagewirkung
für das Unternehmen BMW bewirkte, das sich bei seinen Fans nun auch als erster Automobilhersteller
mit einem „branded mobile game“ empfehlen konnte. Nicht zuletzt aus diesem Grunde denkt man bei
BMW derzeit bereits über weitere Mobile Gaming-Angebote nach, da man erkannt hat, dass gerade im
Bereich Gaming noch grosse Marketing-Potentiale schlummern, die über viele Altersgruppen hinweg
erschlossen werden können.
In eine ähnliche Richtung ging auch die SMS-Kampagne des Haarkosmetik-Anbieters Wella Design. Im
Zuge dieser Aktivitäten verschickten Jugendliche über 55.000 „elektronische Küsse“ über ihre Handys,
womit der Grundidee von Wella Design Werbung Rechnung getragen wurde, die ein küssendes Paar
zeigt. Per SMS konnten die Teilnehmer Wunschpersonen angeben, die sie küssen wollten. Diese wurden
umgehend kontaktiert und erhielten kostenlos einen 20 Sekunden anhaltenden Kuss per Sprachcomputer.
Obendrein gab es eine kostenlose SMS in der der Name des Küssenden kommuniziert wurde. Neben
diesem „mobilen Handy-Kuss“ gehörten u.a. auch ein kostenloses Wella-Kussmund-Logo mit zu dieser
mobilen Kampagne. Bei den so angesprochenen Personen konnte die Markenbekanntheit von Wella
Design um mehr als 90 Prozent gesteigert werden, was Kundenbefragungen durch das
Marktforschungsinstitut Eye Research später ergaben.
Nicht minder erfolgreich war eine Mobile Marketing-Kampagne des britischen Unterwäscheherstellers
Gossard. In einer integrierten Kampagne aus TV- und Print-Werbung und in Kombination mit einem
dazugehörenden mobilen Rückkanal per Handy-Kurzmitteilung wurde Gossards Damen-G-StringKollektion überaus erfolgreich beworben. Mit dem SMS-Text „G4Me“ wurde den Kunden eine 1£Ermässigung in Form eines Gutscheins für den nächsten Unterwäschekauf per Handy angeboten. Gossard
konnte mit dieser ungewöhnlichen Aktion rund 25.000 Gutschein-Anfragen verzeichnen. 62 Prozent der
anfragenden Kunden waren sogar bereit, ihre persönlichen Angaben und Adresse zu hinterlassen, um von
diesem Angebot profitieren zu können. Gossard konnte somit sein Halbjahresziel in diesem
Textilsegment bereits innerhalb von sechs Wochen erreichen. Inzwischen existiert auf der GossardHomepage darüber hinaus eine eigene G4Me-Rubrik mit zusätzlichen Features und Gewinnspielen für die
Kunden.
Herausforderungen im Bereich Mobile Marketing
Trotz dieser Erfolgsbeispiele bringt natürlich auch das Mobile Marketing spezifische Herausforderungen
mit sich, denen sich ein mobil werbendes Unternehmen stellen muss und die hier kurz beleuchtet werden
sollen. Den zuvor erläuterten Chancen wie z.B. einem jederzeitigen Kundenzugang über das Mobiltelefon
der Nutzer, den individuellen Ansprachemöglichkeiten der Kunden im Sinne eines One-to-OneMarketing sowie den vielfältigen interaktiven Möglichkeiten dieses neuen Kommunikationskanals stehen
bislang noch die folgenden Herausforderungen gegenüber: Relativ kleine Nutzergruppen,
Sicherheitsbedenken der Verbraucher, mangelnde Benutzerfreundlichkeit und Unausgereiftheit
verschiedener mobiler Technologien sowie rechtliche Beschränkungen. Diese erschweren zur Zeit noch
die Akzeptanz von Mobile Marketing-Massnahmen. Darüber hinaus existierenden auch innerhalb einiger
Unternehmen – hauptsächlich aufgrund der jüngsten (nicht immer nur positiven) e-CommerceErfahrungen – einige interne Bedenken gegenüber der mobilen Marketing-Welt, die zunächst noch
überwunden werden müssen. Festzuhalten bleibt daher, dass Chancen und Risiken im Bereich Mobile
Marketing dicht beieinander liegen und dass bei einem falschen Einsatz dieses neuen Mediums dem
mobil werbenden Unternehmen auch erhebliche Fehlinvestitionen und im schlimmsten sogar schwere
Imageschäden drohen können, wenn Mobile Marketing-Aktivitäten allzu euphorisch und ungeplant
gegenüber den Kunden eingesetzt werden.
Fazit: Mit individuellem Kundennutzen zum Erfolg im Mobile Marketing
Die hier ausgewählten Best Practice Fälle deuteten bereits darauf hin: Der Erfolg des Mobile Marketing
beruht in erster Linie auf dem (subjektiv wahrgenommenen) Mehrwert, der dem jeweiligen Zielpublikum
geboten wird. Dieser kann wie erwähnt aus relevanten Informationen (z. B. orts- , zeit- und
personenbezogen), Unterhaltungswert (z. B. Mobile Gaming, Gewinnspiele o.ä.) oder auch aus
geldwerten Vorteilen (z. B. Coupons per SMS) bestehen. Mobile Marketing kann hierdurch eine optimale
Ergänzung des klassischen Marketing-Mix darstellen. Letztlich gilt aber auch im Bereich Mobile
Marketing die alte Binsenweisheit: „Gut gewollt ist nicht unbedingt gleich gut gemacht.“ Ein Anbieter
muss daher auch bei seinen mobilen Marketing-Aktivitäten stets darauf bedacht sein, einen echten
Kundennutzen zu stiften, anstatt massive Verärgerung bei den Kunden durch plumpe Eingriffe in deren
Privatsphäre auszulösen. Es gilt somit, durch einen individuellen Zuschnitt von Mobile MarketingMassnahmen, dem Verbraucher eine wertvolle Nachricht oder Information zukommen zu lassen, anstatt
ihn in lästiger und ungewollter Art und Weise anzusprechen. Ohne Einverständnis der Kunden, die Nähe
zur anvisierten Zielgruppe, eine authentische Kundenansprache, kreative Botschaften sowie einem echten
Mehrwert sind denn auch die technisch anspruchsvollsten mobilen Marketing-Kampagnen zum Scheitern
verurteilt. Ein sensibler Umgang mit Kundendaten stellt zudem eine der wichtigsten Voraussetzungen für
erfolgreiche Mobile Marketing-Aktivitäten dar. Darüber hinaus sollte das mobile Marketing jeweils nicht
losgelöst von den traditionellen Werbeformen, sondern möglichst als Ergänzung bestehender Formen des
Marketing-Mix– also komplementär – eingesetzt werden. Die Gesamtwirkung der MarketingMassnahmen eines Unternehmens lässt sich auf diese Weise vielfach erhöhen.
Dass es bereits verschiedene Unternehmen gibt, die schon heute in der Lage sind, diese Anforderungen zu
erfüllen, haben die hier kurz vorgestellten Best Practice Fälle aufgezeigt. Aus Kundensicht können wir
daher gespannt sein, welche neuen Kampagnen und Services uns das Mobile Marketing in Zukunft auf
unser liebstes Lifestyle-Tool senden wird.
Literaturquellen:
•
Dufft, N./Wichmann, T. (2003): Basisreport Mobile Marketing – Einsatz, Erfolgsfaktoren,
Dienstleister; Berlecon Research GmbH, http://www.berlecon.de
•
Nester, K./Lyall, K. (2003): Mobile Marketing – A Primer Report; FirstPartner Research &
Marketing Ltd., http://www.firstpartner.co.uk
•
Schmich, P./Juszyck, L. (2001): Mobile Marketing – Verlust der Privatsphäre oder Gewinn für
Verbraucher?; in: Kahmann, M. (Hrsg.) (2001): Report Mobile Business - Neue Wege zum mobilen
Kunden, Symposion
*Professor Torsten Tomczak ist Direktor des Instituts für Marketing und Handel und Ordinarius für
Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Marketing an der Universität St.Gallen.
*Kai Kruthoff ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum für Distribution und
Kooperation des Instituts für Marketing und Handel an der Universität St.Gallen tätig.
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