2. Herbstschule 2003 System Erde Erde und Atmosphäre Donnerstag, 23. 10. 2003 System Erde - Neues von unserem dynamischen Planeten Prof. Dr. Dr. hc. Rolf Emmermann, GFZ Potsdam Wir leben auf einem dynamischen Planeten, der sich, angetrieben durch großräumige Stoffund Energieumlagerungsvorgänge in seinem Innern sowie durch vielfältige Einwirkungen von außen, in einem permanenten Wandel befindet. Modernes Prozessverständnis betrachtet das Zusammenwirken aller Komponenten des "Systems Erde" - der Geosphäre, Kryosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre. Heute ist es möglich, Prozesse in allen zeitlichen und räumlichen Skalenbereichen hoch aufgelöst zu erfassen und zu quantifizieren. Dazu gehört ein breites Spektrum an Methoden und Techniken, von speziellen Satelliten über Verfahren der geophysikalischen Tiefensondierung und Forschungsbohrungen bis hin zu Laborexperimenten, mathematischen Ansätzen zur Systemtheorie und der Modellierung von Geoprozessen. Die "Erdsystemforschung" will einen maßgeblichen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten und Konzepte und Strategien entwickeln für die immer drängender werdenden Fragen der Sicherung und umweltverträglichen Gewinnung natürlicher Ressourcen, der Nutzung des ober- und unterirdischen Raums, der Klima- und Umweltentwicklung und des anthropogenen Einflusses sowie der Vorsorge vor Naturkatastrophen und der Minderung ihrer Folgen. Ausgehend von großen internationalen Forschungsprogrammen skizziert der Vortrag den derzeitigen Kenntnisstand über das System Erde, stellt die wichtigsten Geoprozesse vor und zeigt innovative Ansätze für künftige Forschungsaktivitäten. Tropische Entwaldung und Kohlenstoffkreislauf Prof. Dr. Wolfgang Cramer, PIK Die verbleibenden Kohlenstoffvorräte in feuchten tropischen Wäldern sind derzeit sowohl durch den vom Menschen verursachten Waldrückgang als auch durch die Möglichkeit einer vom Klimawandel angetriebenen Kohlenstoff-Freisetzung gefährdet. Um die relativen Rollen der CO2-Zunahme, von sich ändernden Temperatur und Niederschlag sowie des Waldrückgangs und die Größenordnung ihres Einflusses auf die Konzentration von atmosphärischem CO2 in der Zukunft zu identifizieren, haben wir ein dynamisches globales Vegetationsmodell angewandt. Es benutzt verschiedene Szenarien des tropischen Waldrückgangs (die von Abschätzungen der gegenwärtigen Raten extrapoliert sind) und verschiedene Szenarien des sich ändernden Klimas (abgeleitet von vier unabhängigen Modellen der Allgemeinen Zirkulation im Offline-Modus). Die Ergebnisse zeigen, dass der Waldrückgang wahrscheinlich große Kohlenstoffverluste zur Folge haben wird, trotz der Ungewissheit, die es bezüglich der Rückgangsraten gibt. In einigen Klimamodellen werden zusätzliche starke Flüsse produziert, die von zunehmendem Trockenstress auf Grund von steigender Temperatur und zurückgehendem Niederschlag herrühren. Einem Klimamodell zufolge gibt es jedoch eine zusätzliche Kohlenstoff-Senke. Alles in allem reichen unsere Abschätzungen der zusätzlichen Kohlenstoff-Emissionen im 21. Jahrhundert für alle Klimaund Waldrückgangs-Szenarios von 101 bis 367 Gt C. Das führt zu einer Zunahme der CO2Konzentration gegenüber dem Hintergrund zwischen 29 und 129 ppm. Eine Beurteilung der Methode zeigt, dass besser Abschätzungen der tropischen Kohlenstoffquellen und -senken verbesserte Einschätzungen des gegenwärtigen und zukünftigen Waldrückgangs sowie 1 konsistentere Niederschlags-Szenarios der Klimamodelle benötigen. Trotz der Unsicherheiten wird fortgesetzter Waldrückgang in den Tropen ganz sicher eine sehr große Rolle bei der stetigen Zunahme der zukünftigen Treibhausgas-Konzentrationen spielen. Berliner Luft und Klima unter der Lupe Prof. Dr. Wilfried Endlicher, HU Berlin n diesem Sommer 2003 schmelzen die Gletscher der Alpen wieder sehr stark ab. Der Grund dafür ist zum einen in dem geringen Schneefall im vergangenen Winter und Frühjahr zu sehen, aber auch in den sehr hohen sommerlichen Lufttemperaturen. Wenn sich der generelle Abschmelztrend in den kommenden 100 Jahren so fortsetzt, werden viele Alpengletscher verschwunden sein. Wie ist es aber zu erklären, dass es in Europa auch Regionen gibt, die ein Anwachsen der Gletscher verzeichnen? Der hohe Abfluss durch das Abschmelzen der Gebirgsgletscher wird den Meeresspiegel nicht wesentlich erhöhen. Der Einfluss auf den Meeresspiegel muss aber beim Schmelzen der Inlandeismassen berücksichtigt werden, in denen sehr viel mehr Wasser gespeichert ist. Wie sind in diesem Zusammenhang die Inlandeismassen Grönlands und der Antarktis einzuschätzen? Macht Klima Geschichte? Prof. Dr. Gerald Haug, GFZ Potsdam Es ist eine alte These, dass Klimaveränderungen eine zentrale Rolle in der Chronik der Menscheits- und Zivilisationsgeschichte spielten. Es ist allerdings äußerst schwierig, Klimadaten in ausreichender Qualität zu erstellen, um diese Hypothese zu testen. Dies ist beispielsweise anhand von geochemischen Untersuchungen der Sedimente des CariacoBeckens vor der Küste Venezuelas möglich. Es ist es gelungen, ein präzises Bild der klimatischen Rahmenbedingungen zu zeichnen, welches die Blütezeit klassischen Maya Kultur und die Phase des abrupten Kollapses dieser Kultur im 9. Jahrhundert nach Christus charakterisierten. Es konnte nachgewiesen werden, dass das Klima im nördlichen Südamerika im 8. und 9. Jahrhundert trockener war als zuvor. Der terrigene Sediment-Eintrag in dieses Becken ist durch den Titanium-Gehalt des Sediments charakterisiert und spiegelt den hydrologischen Zyklus in jährlich geschichteten Ablagerungen wider. Neue Analysemethoden haben nun eine nahezu monatliche Auflösung der Klimavariabilität in der Region ergeben. Die Daten stellen damit ein präzises Klimaarchiv dar, das die jährliche Variabilität des Klimas der Region aufzeichnet und damit ein Abschätzung des direkten Einfluss des Klimas auf dem Lebensraum der Maya in Yucatan zulässt. Dieses Bild ergibt deutliche Hinweise, dass das Klima überaus stark auf die Maya-Kultur am Ende der klassischen Blütephase einwirkte. Zu diesem Zeitpunkt wohnten auf Yucatan mehrere Millionen Menschen. Die Maya lebten in großen Städten, sie kannten gewaltige Umweltprobleme wie die Bodenerosion, was unter anderem zu Nahrungsengpässen schon in der Zeit vor dem Kollaps führte. Die neuen Klimadaten zeigen, dass während der archäologisch gut beschriebenen Phase des Kollapses die Niederschläge generell reduziert waren. Daneben traten verstärkte Trockenperioden mit einer Dauer von 3 bis 9 Jahren auf, die sich auf etwa AD 810, 860, und 910 datieren lassen und eine gute Übereinstimmung mit wichtigen Phasen der demographischen Katastrophe der Maya aufweisen. Auswirkungen der gegenwärtigen Klimaänderungen auf die Massenbilanz von Gletschern und Inlandeismassen Prof. Dr. Achim Schulte, FU Berlin n diesem Sommer 2003 schmelzen die Gletscher der Alpen wieder sehr stark ab. Der Grund 2 dafür ist zum einen in dem geringen Schneefall im vergangenen Winter und Frühjahr zu sehen, aber auch in den sehr hohen sommerlichen Lufttemperaturen. Wenn sich der generelle Abschmelztrend in den kommenden 100 Jahren so fortsetzt, werden viele Alpengletscher verschwunden sein. Wie ist es aber zu erklären, dass es in Europa auch Regionen gibt, die ein Anwachsen der Gletscher verzeichnen? Der hohe Abfluss durch das Abschmelzen der Gebirgsgletscher wird den Meeresspiegel nicht wesentlich erhöhen. Der Einfluss auf den Meeresspiegel muss aber beim Schmelzen der Inlandeismassen berücksichtigt werden, in denen sehr viel mehr Wasser gespeichert ist. Wie sind in diesem Zusammenhang die Inlandeismassen Grönlands und der Antarktis einzuschätzen? Vulkane - geochemische Landschaftsfabriken Dr. Knut Hahne, GFZ Potsdam Weltweit sind heute Hunderte Millionen Menschen durch Vulkane bedroht. Vulkanausbrüche haben bekannterweise Auswirkungen auf die Atmosphäre und damit auf das Klima. Vulkane sind zugleich aber auch geochemische Landschaftsfabriken. Das Eruptionsverhalten von Vulkanen ist durch ihre Geochemie bestimmt. Pyroklastische Masseströme, so genannte Ignimbrite, sind eines der gefährlichsten Phänomene, die mit explosivem Vulkanismus verbunden sind. Als Modellbeispiel für diesen Vulkantyp gelten die Anden. Dort finden sich Ignimbrite mit Volumina von bis zu Tausenden Kubikkilometern, die vor Jahrmillionen plateaubildend wirkten. Die Ergebnisse solch starker Eruptionen prägen bis heute die Landschaft. Derartige gewaltige Ausbrüche sind in historisch belegter Zeit noch nicht aufgetreten, sie würden heute in besiedelten Regionen Tausende von Quadratkilometern vollständig zerstören. Freitag, 24. 10. 2003 Wie sagt man Klima vorher und wie wird es in 100 Jahren aussehen? Prof. Dr. Ulrich Cubasch, FU Berlin In der Diskussion über den Klimawandel treffen zwei Hypothesen aufeinander: Die eine besagt, dass seit Beginn der Industrialisierung die Menschheit das Klima in zunehmenden Maße durch den Ausstoß von Treibhausgasen verändert und in der Zukunft sehr stark beeinflussen wird. Hieran hat das Kohlenstoffdioxid, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, z. B. Erdöl und Kohle, freigesetzt wird, den größten Anteil. Die andere besagt, dass die beobachtete Erwärmung der letzten 150 Jahre überwiegend auf Variationen der Sonneneinstrahlung zurückzuführen sei, denn es hätte schon vor der Menschheit Warm- und Kaltzeiten gegeben, die das, was der Mensch verursachen kann, in den Schatten stellen. Um das Verhältnis zwischen Sonne, Mensch und Klima realistisch einzuschätzen, muss man zunächst das Klimasystem und seine Komponenten betrachten. Das Klimasystem besteht aus der Atmosphäre, der Hydrosphäre (Ozean und Wasserkreislauf), der Kryosphäre (Eis und Schnee), der Biosphäre (Pflanzen und Tiere), der Pedosphäre (Boden) und der Lithosphäre (Gestein). Die Komponenten des Klimasystems schwanken mit unterschiedlichen Zeitskalen und beeinflussen sich wechselseitig. Man bezeichnet dieses als "Klimarauschen". Das Klimasystem wird durch externe Faktoren angeregt. Dazu gehören Veränderungen in der Sonneneinstrahlung, entweder bedingt dadurch, dass sich die Bahn der Erde um die Sonne sowie die Lage der Erdachse mit der Zeit ändern oder durch Schwankungen in der Strahlungsabgabe der Sonne. Diese externen Faktoren werden den anthropogenen (d. h. durch den Mensch gemachten) Ursachen, also dem zusätzlichen Treibhauseffekt und der Schadstoffbelastung der Atmosphäre - gegenübergestellt, und ihr Effekt wird durch das Klimarauschen überlagert. Um den physikalisch-dynamischen Zusammenhang zwischen 3 Sonneneinstrahlung, Treibhauseffekt und Klima zu berechnen, setzt man Klimamodelle ein. Dieses sind umgebaute Wettervorhersagemodelle und kalkulieren das Klima aufgrund physikalischer Gesetze. Man kann mit ihnen hochrechnen, dass die von der Sonne ausgelösten Änderungen die seit 1850 beobachtete Erwärmung nur zu etwa 20 bis 30 Prozent erklären, und der Rest anthropogenen Ursprungs ist. In der Zukunft ist zu erwarten, dass der anthropogene Anteil noch zunimmt. Klimaprojektionen für die nächsten 100 Jahre sagen voraus, dass sich die globale Mitteltemperatur um ca. 1,4 bis 5, 8 °C erhöhen wird, je nachdem, wie sich die Weltbevölkerung, ihr Energieverbrauch und die dabei eingesetzten Energieträger entwickeln werden. Mit dem Satelliten CHAMP auf der Spur von globalen Klimaänderungen Dr. Jens Wickert, GFZ Potsdam In den 90er Jahren etablierte sich das U.S.-amerikanische Satellitennavigationssystem GPS (Global Positioning System) zum Standardverfahren für hochpräzise Navigation. Die dabei benutzten Radiosignale von derzeit 29 GPS-Satelliten werden beim Durchgang durch die Erdatmosphäre in charakteristischer Weise verändert. Für eine genaue Positionierung ist diese Tatsache eine Fehlerquelle. Die Veränderung der GPS-Signale kann allerdings auch benutzt werden, um wichtige Eigenschaften der Atmosphäre (Refraktivität, Temperatur, Wasserdampfgehalt) sehr genau zu bestimmen. Innerhalb des Strategiefondsprojektes GASP (GPS Atmosphere Sounding Project, 2000-2002, Projektleitung GFZ Potsdam) der Helmholtz-Gemeinschaft wurde in Deutschland eine Infrastruktur zur Nutzung des GPS für die Fernerkundung der Atmosphäre aufgebaut. Hierbei wurden sowohl boden- als auch satellitengestützte GPS-Sondierungstechniken entwickelt. Das hohe Potential der innovativen GPS-Fernerkundungsmethode für vielfältige Anwendungen in der Wettervorhersage und Atmosphärenforschung sowie für Klimastudien konnte dabei unter Beweis gestellt werden. Im Mittelpunkt steht die satellitengestützte GPS-Fernerkundung. Aus sogenannten GPSRadiookkultationsmessungen, aufgezeichnet an Bord des deutschen Geoforschungssatelliten CHAMP (CHAllenging Minisatellite Payload), werden damit kontinuierlich und wetterunabhängig bis zu 200 global verteilter Vertikalprofile von Refraktivität, Temperatur und Wasserdampf von der Erdoberfläche an bis ca. 35 km Höhe abgeleitet. Die GPSRadiookkultationstechnik wird eingeführt. Ein Überblick über die bisher von CHAMP erreichten wissenschaftliche Ergebnisse und einen Ausblick auf zukünftige Satellitenmissionen wird gegeben. Andere Verfahren der GPS-Fernerkundung (bodengestützte Wasserdampfbestimmung, Ionosphärensondierung und Reflexionsmessungen) werden kurz charakterisiert. Die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Küstenbereiche der Welt Dr. Frank Thomalla, PIK Projektionen der IPCC sagen voraus, dass der globale mittlere Meeresspiegel zwischen 1990 und 2100 um 0,09 bis 0,88 Meter ansteigen wird. Zu den Folgen in den Küstenzonen gehören häufigere und stärkere Überschwemmungen, zunehmende Erosion, der Verlust von Ökosystemen wie Feuchtgebieten und Mangrovenwäldern und die Versalzung von Süßwasserreserven. Zusätzlich wirken sich Veränderungen der klimatischen Schwankungen sowie Veränderungen der Häufigkeit und Intensität extremer Klimaphänomene auf natürliche und von Menschen geschaffene Systeme im Küstenbereich aus. Für bestimmte Gebiete der Erde wird eine Zunahme der Intensität und des Ausmaßes von Stürmen und deren Folgen vorhergesagt. Erhöhte Spitzenwindgeschwindigkeiten von Stürmen bedeuten ein erhöhtes Risiko für Menschenleben und Gesundheit, vermehrte Küstenerosion, vermehrte Schäden an 4 Küstenbauwerken und Küstenökosystemen und höhere Besitz- und Infrastrukturverluste. Die Überschwemmung von menschlichen Ansiedlungen in Küstenzonen als Folge des Anstiegs des Meeresspiegels gilt als eines der am meisten verbreiteten direkten Risiken des Klimawandels. Hinzu kommt die rasche Verstädterung tief liegender Küstenzonen in Industrienationen und Entwicklungsländern. Die in Küstennähe wachsende Bevölkerung und die von ihr geschaffenen Vermögenswerte sind immer mehr klimatischen Extremen ausgesetzt. Modellrechnungen sagen eine potenzierte Zunahme der Menschen, die durch Küstenstürme und Überschwemmungen betroffen sein werden, voraus. Die geschätzten möglichen Kosten für einzelne Länder belaufen sich auf mehrere Milliarden Dollar. Die Störanfälligkeit dieser Systeme hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie z.B. ihrer geografischen Lage, den sozialen, den ökonomischen Bedingungen und den Umweltbedingungen. Viele unterentwickelte Regionen sind besonders gefährdet, weil sie Klimaveränderungen besonders ausgesetzt sind, ein großer Teil ihrer Wirtschaft in klimaempfindlichen Branchen angesiedelt ist, oder weil sie geringe Anpassungsfähigkeit besitzen. Anpassungsstrategien für Küstenzonen haben sich in den letzten Jahren immer mehr von harten Schutzmaßnahmen wie Mauern und Buhnen zu weichen Vorkehrungen wie Sandvorspülung, kontrolliertem Rückzug und erhöhter Flexibilität von biophysikalischen und sozioökonomischen Systemen in Küstenregionen verschoben. Ozon in der Atmosphäre Dr. habil. Ulrike Langematz, FU Berlin Folgende Themen werden u.a. behandelt: Messungen der atmosphärischen Ozonkonzentration; beobachtete klimatologische Verteilung sowie zeitliche und räumliche Variabilität des Ozons; Einfluss von Chemie und Dynamik auf die Ozonverteilung; Ozontrends in der Stratosphäre und Troposphäre ("Ozonloch" vs. "Ozonminiloch") sowie deren Auswirkungen auf das Klima. Ozeanzirkulation und Klima Prof. Dr. Stefan Rahmstorf, PIK Die Weltmeere bedecken rund 71 Prozent der Erdoberfläche und absorbieren etwa die doppelte Menge an Sonnenenergie wie die Landoberflächen. Sie sind daher eine wichtige Komponente des Klimasystems. Durch ihre riesige Wärmekapazität dämpfen sie Temperaturschwankungen, aber sie spielen auch eine wesentlich aktivere und dynamischere Rolle. Meeresströme transportieren riesige Wärmemengen quer über den Planeten - etwa ebensoviel Wärme wie die Atmosphäre. Doch anders als die Atmosphäre ist der Ozean zwischen Landmassen eingeschlossen, so dass sein Wärmetransport in bestimmte Regionen gelenkt wird. Die immer wieder auftretenden El Niño-Ereignisse im tropischen Pazifik demonstrieren eindrucksvoll, wie eine regionale Änderung von Meeresströmungen - in diesem Fall u.a. dem Humboldtstrom - die klimatischen Verhältnisse um den ganzen Globus beeinflussen kann. Dürren in den Staaten des westlichen Pazifik, verheerende Waldbrände in Südost-Asien und Überschwemmungen in Teilen Afrikas sind nur einige der Folgen. Eine weitere Region, in der der Einfluss der Meeresströmungen sich besonders stark bemerkbar macht, ist der Nordatlantik. Er befindet sich an einem Ende eines Strömungssystems, das vom Antarktischen Ozean bis ins Nordmeer reicht und riesige Wärmemengen in unsere Breiten transportiert. Der Golfstrom und sein verlängerter Arm, der Nordatlantikstrom, spielen eine wichtige Rolle in diesem System, das als thermohaline Zirkulation bezeichnet wird. Der Ausdruck beschreibt die Antriebskräfte: Temperatur (thermo) und Salzgehalt (halin) des Meerwassers bestimmen die Dichteunterschiede, die die Strömung antreiben. Warmes Wasser strömt dabei in der nähe der Oberfläche nach Norden, gibt die Wärme an die Luft ab, sinkt 5 nach unten und kehrt in 2-3 km Tiefe gen Süden zurück. Dabei wird eine Wärmemenge freigesetzt, die der Leistung von einer halben Million Großkraftwerken entspricht. Vergleicht man Orte in Europa mit vergleichbaren Orten auf dem amerikanischen Kontinent, wird die Klimawirkung deutlich. Bodö in Norwegen hat mittlere Temperaturen von -2°C im Januar und 14°C im Juli; in Nome, an der Pazifikküste Alaskas auf demselben Breitengrad, herrschen dagegen -15°C im Januar und nur 10°C im Juli. Auf Satellitenbildern erkennt man, wie die warme Atlantikströmung das europäische Nordmeer ungewöhnlich eisfrei hält. Änderungen im Verlauf dieser Strömung haben in der Klimageschichte, vor allem während der letzten Eiszeit, immer wieder zu abrupten Klimawechseln geführt. Das Verhalten der Strömung kann in aufwendigen Computersimulationen nachvollzogen, mit ausgefeilten Methoden der nichtlinearen Dynamik analysiert, aber in Grundzügen auch mit wenigen einfachen Gleichungen verstanden werden. 6