1) In der Unterstufe

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Physikalisches Schulversuchspraktikum
Wintersemester 2000 / 2001
Versuche zur Rotation
in der Unter- und Oberstufe
Matrikelnummer: 9655056
Studienkennzahl: 412 / 406
Name: Angela Grafenhofer
Abgabetermin: 9.11.2000
1
Inhaltsverzeichnis
1) In der Unterstufe:
a) Lernziele in der Unterstufe
b) Versuche in der Unterstufe
1.
2.
3.
4.
Zentralkräfte
Versuch zur Messung der Fliehkraft
Eigenschaften der Zentripetal- und Zentrifugalkraft
Beispiele der Zentrifugalkraft
a.
b.
c.
d.
e.
f.
Abplattung der Erde
Fliehkraftregler
Kreiselpumpe
Wäschezentrifuge und Honigschleuder
Milchzentrifuge
Radfahrer in der Kurve
2) In der Oberstufe
a) Lernziele in der Oberstufe
b) Versuche in der Oberstufe
1.
2.
3.
4.
5.
Trägheitsmoment
Rotationsenergie
Freie Achsen
Der Drehimpuls im abgeschlossenen System
Der Kreisel
a. Der kräftefreie Kreisel
b. Die Präzession
2
1) In der Unterstufe:
a) Lernziele in der Unterstufe:
Die Schüler sollen sich in der 4. Klasse mit der Kreisbewegung
auseinandersetzen. Die Unterschiede zwischen Kreisbewegung und
gleichförmiger Bewegung sollen mit den Schülern erarbeitet werden. Weiter
sollen die Schüler interessante Versuche zu diesem Thema sehen und
verstehen. Hier sollte auch auf Anwendungen im Alltagsleben eingegangen
werden. Folgendes sollen sie aus dem Unterricht mitnehmen:
• Bedeutung der Begriffe Zentrifugalkraft und Zentripetalkraft
• Die Fliehkraft ist um so größer, je größer die Masse des
Körpers ist.
• Die Fliehkraft ist bei gleichbleibender Drehgeschwindigkeit
umso größer, je weiter der Körper von der Drehachse entfernt
ist.
• Die Fliehkraft ist umso
Drehgeschwindigkeit ist.
größer,
je
größer
die
• Die Fliehkraft ist bei gleicher Bahngeschwindigkeit umso
größer, je kleiner der Radius der Kreisbahn ist.
• Die Ursache für die Abplattung der Erde soll erklärt werden.
• Die Funktionsweise einer Wäschezentrifuge soll erklärt
werden.
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b) Versuche in der Unterstufe:
1. Zentralkräfte:
Wir befestigen einen durchbohrten Gummistöpsel an einer Schnur und
zwingen ihn im Kreis herum. Dabei spüren wir, dass während der ganzen
Bewegung mit unserer Hand eine Kraft ausgeübt werden muss, die den
Körper in eine Kreisbahn zwingt. Reißt die Schnur oder lassen wir sie aus, so
fliegt der Körper in der Richtung der Tangente zur Kreisbahn und nicht in der
Richtung der gespannten Schnur weiter.
Die Erklärung für dieses Versuchsergebnis gibt das Trägheitsgesetz. In jedem
Punkt der Kreisbahn ist der Körper infolge seiner Trägheit bestrebt, sich in
der Richtung der jeweiligen Tangente zur Kreisbahn geradlinig und
gleichförmig weiterzubewegen. Durch die vom Faden übertragene Zugkraft
wird der Körper in eine Kreisbahn gezwungen. Gegen diese Ablenkung zeigt
der Körper wegen seiner Trägheit einen Widerstand. Diesen spüren wir als
eine nach außen gerichtete Kraft, die den Faden spannt.
Soll ein Körper in einer Kreisbahn bewegt werden, so muss auf ihn dauernd
eine zum Kreismittelpunkt gerichtete Kraft wirken. Sie wird Zentripetalkraft
genannt.
4
Diese Kraft kann mit Hilfe einer Federwaage gemessen werden. Die
Federwaage zeigt dabei die Größe der Fliehkraft an, der gespannte Faden die
Richtung.
Die durch die Trägheit des Körpers bedingte, nach außen gerichtete Kraft
heißt Fliehkraft oder Zentrifugalkraft.
Du spürst sie, wenn du z. B. auf einem Ringelspiel fährst und dabei nach
außen gedrückt wirst. Ein nicht mitfahrender Zuschauer kann dagegen nicht
erkennen, ob eine Zentrifugalkraft vorhanden ist. Für ihn existiert nur die
Zentripetalkraft, die den Körper auf die Kreisbahn zwingt.
5
Ein weiteres Beispiel ist das Roundup. Selbst wenn es Kopf steht, fällt keine
Person heraus. Wichtig ist hier wiederum: Der im Roundup mitrotierte
Fahrgast verspürt eine Kraft nach außen. Diese nennt man Fliehkraft oder
Zentrifugalkraft. Diese kann jedoch nicht von einem Beobachter festgestellt
werden, der außerhalb des Roundup steht.
Ein weiteres Beispiel ist ein Versuch mit einem Eimer voll Wasser. Hierbei
füllt man einen Eimer halbvoll mit Wasser und schleudert ihn wie in
folgender Abbildung:
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Nun stellt man sich natürlich die Frage:
„Warum fließt kein Wasser aus?“
Auf die mitrotierenden Wasserteilchen im Eimer wirkt ebenfalls die
Fliehkraft. Dadurch werden sie an den Boden des Eimers gedrückt.
Zusammenfassend kann man nun sagen:
Die Zentripetalkraft (sie ist notwendig, um den Körper auf der Kreisbahn zu
halten) ist genau so groß (aber verkehrt orientiert) wie die Zentrifugalkraft,
die der rotierte Körper verspürt.
In der Folge genügt es von einer Zentralkraft zu sprechen, da
jeweils nur entweder Zentrifugal- oder Zentripetalkraft in Frage
kommt.
Fällt die Zentripetalkraft weg, so fliegt der Körper in der Tangentialrichtung
weg. Somit muss man im richtigen Augenblick loslassen, damit der
Gegenstand in die gewünschte Richtung fliegt.
7
2. Versuch zur Messung der Fliehkraft:
Versuchsaufbau:
Diese Rotationsmaschine wird mit einer Handkurbel in Rotation versetzt.
Durch die Fliehkraft wirkt auf das kleine Fahrzeug eine Zentrifugalkraft, die
auf der Federwaage angezeigt wird. Nun soll beobachtet werden, wie die
Höhe der angezeigten Kraft von der Masse des Fahrzeuges, der
Geschwindigkeit der Drehung und der Position des Fahrzeuges abhängt.
Dabei erhält man folgende Ergebnisse:
• Die Fliehkraft ist um so größer, je größer die Masse des
Körpers ist.
• Die Fliehkraft ist bei gleichbleibender Drehgeschwindigkeit
umso größer, je weiter der Körper von der Drehachse entfernt
ist.
• Die Fliehkraft ist umso größer, je größer die
Drehgeschwindigkeit des Körpers ist.
8
3. Eigenschaften der Zentripetal- und Zentrifugalkraft:
Aufschluss über die Größe der Zentripetal- bzw. der Zentrifugalkraft geben
uns Versuche mit der Schwungmaschine. Mit ihr können wir eine vertikale
Achse in rasche Drehung versetzen.
Versuchsaufbau:
Auf einer waagrechten Stange mit einer vertikalen Drehachse sind zwei
Zylinder mit verschieden großen Masse angebracht. Sie sind leicht
verschiebbar und durch eine Faden miteinander verbunden.
Versuchsdurchführung:
Wir geben die beiden Zylinder in gleiche Entfernungen von der Drehachse
und bringen das Gerät mit der Schwungmaschine in Rotation.
Versuchsergebnis:
Der Körper mit der größeren Masse zieht den Körper mit der kleineren Masse
auf seine Seite und schlägt am Rahmen an.
Die Fliehkraft ist umso größer, je größer die Masse des Körpers ist.
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Versuchsdurchführung:
Nun geben wir die größere Masse sehr nahe an die Drehachse, sodass die
kleinere weiter davon entfernt ist. Bei der Rotation zieht die kleinere Masse
die größere auf ihre Seite.
Die Fliehkraft ist bei gleicher Drehgeschwindigkeit umso größer, je
weiter der Körper von der Drehachse entfernt ist
Mit Hilfe dieser beiden Versuche konnten die gleichen Ergebnisse wie im
vorigen Teil gefunden werden. Mit den folgenden beiden Versuchen können
weitere Eigenschaften gefunden werden.
Die Schwierigkeit für die Schüler wird in diesem Teil dabei liegen zwischen
den beiden folgenden Aussagen zu unterscheiden:
• Die Fliehkraft ist bei gleicher Drehgeschwindigkeit umso größer, je
weiter der Körper von der Drehachse entfernt ist.
• Die Fliehkraft ist bei gleicher Bahngeschwindigkeit umso größer, je
kleiner der Radius der Kreisbahn ist.
Hierbei sollte es den Schülern klar sein, dass es sich bei Bahn- und
Drehgeschwindigkeit um verschiedene Geschwindigkeiten handelt. In der
Oberstufe kann dieser Zusammenhang durch Betrachtung der Formel sofort
festgestellt werden.
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Für das Feststellen des Zusammenhanges zwischen der Größe der
Drehgeschwindigkeit und der Fliehkraft könnte auch folgender Versuch
durchgeführt werden:
Versuchsaufbau:
Wir legen eine Kugel in eine halbkreisförmige Rinne nach folgender
Abbildung:
Versuchsdurchführung:
Nun setzen wir das Gerät in immer schneller werdende Rotation. Die Kugel
wird in der Rinne immer mehr nach außen gedrückt und dabei angehoben.
Versuchsergebnis:
Auf die Kugel wirken zwei Kräfte, das Gewicht G und die waagrecht
wirkende Fliehkraft F. Die Fliehkraft „hebt“ die Kugel umso höher, je
schneller die Schwungmaschine gedreht wird. Daraus folgt, dass die
Fliehkraft umso größer ist, je größer die Drehgeschwindigkeit ist
Die Fliehkraft ist umso größer, je größer die Drehgeschwindigkeit
ist.
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Schließlich hängt die Fliehkraft auch noch vom Radius der Kreisbahn ab:
Versuchsaufbau:
Wir legen zwei Schläuche so nebeneinander, dass sie eine kreisförmige
Rinne bilden.
Versuchsdurchführung:
In diese lassen wir von einer schiefen Ebene mehrmals eine Kugel so
hineinrollen, dass sie sich bei jedem Versuch in der Bahn mit annähernd
gleicher Geschwindigkeit bewegt. Nun verengen wir die Kurve, indem wir
ihren Krümmungsradius verkleinern. Die Kugel wird aus der Kurve getragen.
Die Fliehkraft ist bei gleicher Bahngeschwindigkeit umso größer, je
kleiner der Radius der Kreisbahn ist.
Bevor nun Anwendungen folgen eine kleine Zusammenfassung des bisher
Festgestellten:
Für die Bewegung eines Körpers auf einer Kreisbahn ist eine
Zentripetalkraft notwendig. Bewegt sich ein Körper auf einer Kreisbahn, so
wirkt auf ihn eine Zentrifugalkraft (Fliehkraft). Diese ist gleich groß wie die
Zentripetalkraft, aber entgegengesetzt gerichtet. Die auf einen Körper
wirkende Fliehkraft hängt von seiner Masse, von seiner Drehgeschwindigkeit
und von seiner Entfernung von der Drehachse bzw. vom Radius der
Kreisbahn ab.
Die Anwendungen der Zentrifugalkraft reicht von der Wäschezentrifuge,
Milchzentrifuge, Honigschleuder, Kreiselpumpe bis zur Erklärung der
Abplattung der Erde.
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4. Beispiele der Zentrifugalkraft:
a. Abplattung der Erde:
Auf die Fliehkraft stoßen wir bei allen Drehbewegungen. So ist die Fliehkraft
auch die Ursache für die Abplattung der Erde an den Polen.
Versuchsaufbau:
Wir setzen auf die Schwungmaschine zwei kreisförmige, federnde
Metallstreifen.
Versuchsdurchführung:
Wir setzen die Schwungmaschine in Bewegung und beobachten dabei die
Verformung der Metallstreifen.
Versuchsergebnis:
Die Verformung der Metallstreifen bei zunehmender Drehgeschwindigkeit
zeigt ganz klar, wie es zur Abplattung der Erde kommt. Da der Drehradius
am Äquator am größten ist, wirken auf die Orte am Äquator größere
Fliehkräfte. Dadurch wird die Erde am Äquator ausgebaucht.
Somit ist die Erde keine Kugel sondern ein Geoid.
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b. Fliehkraftregler:
Beim Fliehkraftregler entfernen sich die Kugeln durch die Fliehkraft umso
mehr von der Drehachse, je schneller die Rotation erfolgt.
Ihre Bewegung wird über ein Gestänge z.b. auf ein Ventil übertragen, das
den Gang der Maschine regelt.
c. Kreiselpumpe:
Bei der Kreiselpumpe wird das Wasser im Gehäuse durch ein Schaufelrad in
Drehung versetzt.
Durch die Fliehkraft wird es in einem tangential angesetzten Steigrohr
emporgedrückt. Das Saugrohr ist in der Drehachse angebracht. Nach
demselben Prinzip arbeitet auch der elektrische Haartrockner.
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d. Wäschezentrifuge und Honigschleuder:
Bei vielen Geräten wird die Fliehkraft praktisch ausgenützt. Beispiele dafür
sind die Wäschezentrifuge und die Honigschleuder.
Bei der Honigschleuder wird durch die Fliehkraft der Honig an die Wand des
Behälters geschleudert und kann dort abrinnen.
In der Wäschezentrifuge wird das Wasser durch die rasche Drehung (800
Umdrehungen/Minute) nach außen gedrückt. Die Wäsche bleibt an der
Trommel haften und das Wasser kann durch die Löcher nach außen abrinnen.
e. Milchzentrifuge:
Bei der Milchzentrifuge wirkt auf die leichteren Fettteilchen eine kleinere
Zentrifugalkraft als auf die übrigen Bestandteile der Milch. Dadurch werden
sie voneinander getrennt.
Da Fett leichter als die übrigen Milchbestandteile ist, kann durch
Zentrifugieren
die
Milch
entrahmt
werden.
Eine
solche
Milchentrahmungszentrifuge nennt man Separator.
15
f. Radfahrer in der Kurve:
Wenn du mit dem Fahrrad eine Kurve fährst, musst du dich „in die Kurve“
legen.
Ein Radfahrer, der bei einer Fahrt in der Kurve die Fliehkraft richtig
berücksichtigt, legt sich „in die Kurve“. Er tut dies umso mehr, je schneller
er fährt und je kleiner der Kurvenradius ist.
Im Stillstand würde er in dieser Schräglage umfallen. Während der Fahrt
wird dies durch die Zentrifugalkraft verhindert. In der Abbildung wird
angedeutet, welche Resultierende sich aus der Gewichtskraft des Radfahrers
und der Fliehkraft ergibt.
Je schneller sicher der Fahrer in die Kurve begibt, desto schräger muss seine
Kurvenlage sein, da die Zentrifugalkraft ja mit dem Quadrat der
Geschwindigkeit wächst.
Allerdings besteht in der Schräglage die Gefahr, dass das Rad seitlich
wegrutscht, wenn die Fliehkraft größer als die Reibung zwischen Reifen
und Fahrbahn wird. Zur Erhöhung der Sicherheit schneller Fahrzeuge
werden die Fahrbahnen in Kurven außen überhöht. Die
Höchstgeschwindigkeit, mit der eine Kurve durchfahren werden kann,
ergibt sich aus der Überhöhung, dem Kurvenradius, dem Zustand der Reifen
und
dem
Fahrbahnzustand
(Bodenhaftung!).
Wird
diese
Höchstgeschwindigkeit überschritten, kann das Fahrzeug aus der Kurve
getragen werden.
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2) In der Oberstufe:
a) Lernziele in der Oberstufe:
In der 5. Klasse wird die Bewegung auf der Kreisbahn, die bereits in der
Unterstufe behandelt wurde wiederholt. Dabei wird nun auf die Begriffe
Drehwinkel, Winkelgeschwindigkeit, Bahngeschwindigkeit, Zentripetalkraft
und Winkelbeschleunigung eingegangen. Die zugehörigen Formeln werden
erarbeitet und einige Anwendungen wiederholt. Daraufhin wendet man sich
den folgenden neuen Themen zu. Folgendes sollte der Schüler aus dem
Unterricht mitnehmen:
• Das Trägheitsmoment I wächst mit der Masse m eines rotierenden
Körpers und mit dem Quadrat der jeweiligen Entfernung r der
Massenpunkte vom Drehpunkt.
• Die Figuren mit dem größeren Trägheitsmoment müssen einen
größeren Anteil der potentiellen Energie in Rotationsenergie
investieren und rollen daher langsamer.
• Das Schwungrad dient zum Speichern von kinetischer Energie. Die
gesamte Rotationsenergie ist die Summe der Energiebeiträge aller
Massenpunkte des Schwungrades.
• Das Trägheitsmoment hängt von der Wahl der Drehachse ab. Jene
Drehachsen, bei denen die Fliehkräfte einander aufheben, heißen freie
Achsen.
• Im abgeschlossenen System bleibt der Gesamtdrehimpuls konstant.
• Der Drehimpulsvektor ist parallel zur Drehachse und steht daher
normal auf die Bahnebene der Drehbewegung, seine Länge entspricht
dem Betrag des Drehimpulses, und seine Orientierung wird durch den
Drehsinn der Drehbewegung festgelegt.
• Der Schüler sollte Anwendungen der Drehimpulserhaltung kennen
lernen und verstehen.
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b) Versuche in der Oberstufe:
Zu Beginn muss die Formel für die Rotationenenergie hergeleitet werden.
Hier wird auch auf die Rotation um eine freie Achse eingegangen.
1. Trägheitsmoment:
Die Formel für die Translationsenergie
Ek =
m ⋅ v2
2
lässt sich nur anwenden, wenn alle Teile eines Körpers die gleiche
Geschwindigkeit v haben. Die Geschwindigkeit der Teile eines rotierenden
Körpers ( v = ω ⋅ r ) wächst aber mit ihrer Entfernung von der Drehachse. Wir
müssen uns daher den rotierenden Körper in kleine Teile m1, m2,... zerlegt
denken, für jeden Teil die Bewegungsenergie berechnen und diese
Energieanteile summieren.
Das Masseteilchen m1, in der Entfernung r1, von der Drehachse hat die
Bewegungsenergie:
E k1 =
m1 ⋅ v12 m1 ⋅ ω 2 ⋅ r12
ω2
=
= m1 r12
2
2
2
18
Da ω1 = ω 2 = ... = ω ist, gilt für die gesamte Bewegungsenergie:
E Rot
ω2
ω2
= (m1 ⋅ r + m2 ⋅ r + ...) ⋅
=I⋅
2
2
2
1
2
2
Hierbei ist E Rot die Rotationsenergie und I das Trägheitsmoment.
Durch die Einführung der physikalischen Größe „Trägheitsmoment“ erhält
die Formel für die Rotationsenergie die gleiche Gestalt wie jene für die
Translationsenergie. Das Trägheitsmoment spielt also für die Rotation die
gleiche Rolle wie die Masse bei der Translation. Während die Masse konstant
ist, hängt das Trägheitsmoment von der Lage der Drehachse ab. Für
regelmäßige Körper kann das Trägheitsmoment leicht berechnet werden.
Folgende Abbildung zeigt einige Beispiele.
Das Trägheitsmoment I wächst mit der Masse m eines rotierenden
Körpers und mit dem Quadrat der jeweiligen Entfernung r der
Massenpunkte vom Drehpunkt.
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Versuchsaufbau:
Versuchsdurchführung:
Lässt man verschiedene Körper mit gleicher Masse eine schiefe Ebene
herunterrollen, so bemerkt man, dass sie nicht gleichzeitig unten ankommen.
Wie man in der Abbildung sehen kann, ist die Kugel am schnellsten. Danach
kommt der Zylinder und erste dann der Ring.
Verwendet man einen Hohl- und einen Vollzylinder mit gleicher Masse, so
kommt der Vollzylinder als erstes an.
Versuchserklärung:
2
5
• Laut Tabelle besitzt die Kugel ein Trägheitsmoment von I = ⋅ m ⋅ R 2 .
1
2
• Der Ring ein Trägheitsmoment von I = m ⋅ R 2 .
• Der Zylinder ein Trägheitsmoment von I = ⋅ m ⋅ R 2 .
• Das Trägheitsmoment eines Hohlzylinders ist ebenfalls größer als das
Trägheitsmoment eines Vollzylinders.
Die kinetische Energie der Rotationsbewegung wächst mit dem Quadrat der
Winkelgeschwindigkeit und ist um so größer, je größer das Trägheitsmoment
ist. Körper haben bezüglich ihrer Drehachse dann ein großes
Trägheitsmoment, wenn die Masse in großem Achsenabstand angebracht ist.
Die Figuren mit dem größeren Trägheitsmoment müssen einen
größeren Anteil der potentiellen Energie in Rotationsenergie
investieren und rollen daher langsamer.
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Versuche mit gekochten und nicht gekochten Eiern:
Will man zwischen gekochten und ungekochten Eiern unterscheiden, ohne
sie zu öffnen, kann man folgende Versuche machen. Diese Versuche können
die Schüler selbst zuhause durchführen.
Versuchsdurchführung:
Zuerst versetzt man beide Eier in Rotation und beobachtet sie.
Das gekochte Ei rotiert als starrer Körper, im rohen wird das Innere nicht so
schnell mitbeschleunigt und bremst durch innere Reibung die Rotation viel
schneller ab.
21
Versuchsdurchführung:
Man lässt die beiden Eier von einer schiefen Ebene herunterrollen und
beobachtet, welches Ei hierbei schneller ist.
Ein rohes Ei rollt schneller auf einer schiefen Ebene herab, weil das Innere
praktische ohne Drehung nach unten gleitet. (Hinweis: Ei vorher schütteln!)
Nun noch eine Bemerkung zum Gleiten:
Wenn einige Objekte eine schiefe Ebene hinunterrollen und andere
hinuntergleiten, ist die Situation folgendermaßen: Die Körper, die
hinuntergleiten kommen am schnellsten an, da ihre potentielle Energie nicht
in Rotationsenergie umgesetzt wird.
22
2. Rotationsenergie:
Körper haben bezüglich ihrer Drehachse dann ein großes Trägheitsmoment,
wenn die Masse in großem Achsenabstand angebracht ist. Das ist
beispielsweise bei Schwungrädern der Fall.
Schwungräder sind daher Energiespeicher. Sie finden in der Technik überall
dort Verwendung, wo ein gleichmäßiger Maschinenlauf gewährleistet werden
soll. Beschleunigt nämlich eine Maschine aus irgendeinem Grund ihren Lauf,
so fließt der größte Teil der zugeführten Energie in das Schwungrad, so dass
die Winkelgeschwindigkeit nur unwesentlich ansteigen kann. Verzögert sich
dagegen der Lauf der Maschine, so fließt die Energie aus dem Schwungrad
wieder
heraus
und
verhindert
ein
rasches
Absinken
der
Winkelgeschwindigkeit. Ungleichmäßigkeiten im Maschinenlauf werden so
durch das Schwungrad ausgeglichen.
23
Das Schwungrad dient zum Speichern von kinetischer Energie. Die
gesamte Rotationsenergie ist die Summe der Energiebeiträge aller
Massenpunkte des Schwungrades.
Anwendungen von Schwungrädern:
a. Schwungrad als Energiespeicher beim Schnellstartmotor:
Beim Anhalten des Pkws wird die Zündung des Motors abgestellt
(Reduzierung des Benzinverbrauches, Reduzierung der Abgase!). Das
rotierende Schwungrad wird mit einer Kupplung vom Motor getrennt. Beim
Wegfahren wird zunächst das Schwungrad an den Motor gekuppelt; der
Motor wird dadurch gestartet.
Bemerkung: Bei Autos mit Hybridantrieb (Verbrennungs- und Elektromotor)
dient der Anker des Elektromotors als Schwungrad.
b. Schwungradgenerator
Ein Schwungradgenerator dient zum Speichern großer Energiemengen, die
beim Abbremsen des Schwungrades kurzzeitig frei werden. Mit
Elektromotoren wird das Schwungrad allmählich auf hohe Drehzahlen
gebracht - während des kurzzeitigen Abbremsens stehen große Leistungen
(bzw. hohe Stromstärken) zur Verfügung.
24
Versuchsaufbau:
Bei diesem Versuch wird die Bewegung eines frei fallenden und eines
abrollenden Jo – Jos verglichen.
Versuchsdurchführung:
Das frei fallende Jo - Jo bewegt sich schneller nach unten als das abrollende
Jo - Jo.
Versuchserklärung:
Bei der Bewegung des Jo - Jos nimmt die potentielle Energie ab und die
Bewegungsenergie im gleichen Maß zu. Beim abrollenden Jo - Jo verteilt
sich die Bewegungsenergie jedoch auf Translation und Rotation. Es sinkt
daher langsamer als das fallende Jo - Jo.
25
3. Freie Achsen:
Denken wir uns das Autorad in folgender Abbildung vorerst durch zwei
Massenpunkte m1 und m2 ersetzt! Wenn die Summe der am rotierenden Rad
auftretenden Fliehkräfte nicht Null ist, wird die Achse mit einer
resultierenden Fliehkraft F= F1 + F2 beansprucht, die ihre Richtung ständig
ändert. Um das zu vermeiden, verlangen wir:
F1 = F2 ⇔ m1 ⋅ ω 2 ⋅ r1 = m2 ⋅ ω 2 ⋅ r2 ⇒
r1 m2
=
r2 m1
Das bedeutet, dass der Massenmittelpunkt auf der Drehachse liegen muss. Ist
das wie in folgender Abbildung nicht der Fall, so besteht statische Unwucht.
Sie ist auch am ruhenden Rad feststellbar: Es bleibt (ohne Reibung!) nur bei
tiefster Lage von S in Ruhe.
In folgendem Bild ist die statische Unwucht durch eine Zusatzmasse m3 (ein
Bleistück bei Autorädern) beseitigt. Die Drehachse ist jetzt eine
Schwerpunktachse. Die Fliehkräfte sind jetzt zwar gegengleich; sie liegen
aber nicht mehr auf derselben Wirkungslinie und erzeugen daher am
rotierenden Rad ein Kippmoment (ein Drehmoment), das Achse und Lager
beansprucht.
26
Diese dynamische Unwucht kann nach folgendem Bild nur durch zwei
Zusatzmassen m4 = m5 beseitigt werden, um nicht neuerlich statische
Unwucht zu erzeugen. Jetzt ist die Drehachse eine freie Achse.
Beachte:
Bei Rotation um eine freie Achse verschwindet sowohl die Summe
der Fliehkräfte als auch deren Drehmoment. Nur
Schwerpunktachsen können freie Achsen sein.
27
Alle schnell rotierenden Maschinenteile müssen sorgfältig ausgewuchtet
werden, um ruhigen Lauf zu gewährleisten, um vorzeitigen Verschleiß und
die Anregung oft gefährlicher Schwingungen zu vermeiden. Die Unwucht
von Autorädern führt bei schneller Fahrt zu deutlich spürbarem Vibrieren.
Auswuchtmaschinen für Autoräder zeigen die nötigen Zusatzmassen und ihre
Lage am Rad an. Man kann zeigen, dass vollständige Auswuchtung stets mit
zwei Zusatzmassen möglich ist. Abweichungen bis 5g werden toleriert.
Turbinenläufer werden weit genauer ausgewuchtet (auf 10 g genau trotz einer
Masse bis 20 t).
Das Trägheitsmoment hängt von der Wahl der Drehachse ab. Jene
Drehachsen, bei denen die Fliehkräfte einander aufheben, heißen freie
Achsen. Wenn ein Körper um eine freie Achse rotiert, so sagt man, dass er
(dynamisch) ausgewuchtet ist. Die Achse wird dann nicht beansprucht. Dazu
sollen nun ein zwei Versuche gemacht werden, um den Sachverhalt zu
veranschaulichen: Zuerst ein Versuch mit einer Kette und danach ein
Versuch mit einem Quader durchgeführt.
Versuchsdurchführung:
In diesem Versuch lässt man eine Kette um die Drehachse mit dem größten
Trägheitsmoment rotieren. Dies zeigt Abbildung c).
Versuchserklärung:
Wenn ein Körper um eine Symmetrieachse rotiert und dabei keine kippende
Kraft auf ihn wirkt, dann rotiert er störungsfrei. Allerdings zeigt sich, dass
nicht um alle Symmetrieachsen Drehungen möglich sind, bei denen die
Drehachse erhalten bleibt. Ein Körper, bei dem sich die Drehachse während
der Drehung nicht ändert, dreht sich stets um die Symmetrieachse mit dem
größten (oder kleinsten) Trägheitsmoment.
28
Zweiter Versuch zu den freien Achsen der Rotation:
Der Quader in folgender Abbildung hat drei aufeinander normale freie
Achsen. Wir setzen ihn um die freie Achse kleinsten Trägheitsmoments (das
ist offensichtlich a1) vorsichtig in Rotation. Er verbleibt in diesem
Rotationszustand.
Stört man den Körper aber etwas, so geht er in den Rotationszustand um die
freie Achse größten Trägheitsmoments über. Er verbleibt in diesem Zustand
auch bei beträchtlichen Störungen, weil sie zu rücktreibendem Drehmoment
der Fliehkräfte führen.
Rotation um die freie Achse a2 ist ohne feste Achse nicht erreichbar, sie ist
instabil. Es gilt:
Jeder Körper hat (mindestens) drei aufeinander normale freie
Achsen. Nur die Rotationen um die freien Achsen größten und
kleinsten Trägheitsmoments sind stabil.
29
4. Der Drehimpuls im abgeschlossenen System
Im abgeschlossenen System lautet der Impulssatz:
r
r
r
r
m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v 2 + m3 ⋅ v3 + ... = p = const.
Ein ähnlicher Erhaltungssatz gilt auch für Drehbewegungen. Er lautet:
r
r
r
r
I 1 ⋅ ω 1 + I 2 ⋅ ω 2 + I 3 ⋅ ω 3 + ... = L = const.
Man bezeichnet L als Gesamtdrehimpuls. Der Erhaltungssatz lautet also:
Im abgeschlossenen System bleibt der Gesamtdrehimpuls konstant.
Man versteht darunter die Vektorsumme der Einzeldrehimpulse:
r
r
r
r
I 1 ⋅ ω 1 + I 2 ⋅ ω 2 + I 3 ⋅ ω 3 + ... = L = const.
Dieses kann auch folgendermaßen ausgedrückt werden:
r
r
r
I ⋅ ω = m ⋅ v ⋅ r = L = const.
Der zuletzt genannte Zusammenhang ergibt sich mit Hilfe folgender
Formeln:
r r
I = m ⋅ r 2 sowie v = w ⋅ r
Die Drehbewegung lässt sich besser beschreiben, wenn Vektoren verwendet
werden. Der Drehimpulsvektor ist parallel zur Drehachse und steht daher
normal auf die Bahnebene der Drehbewegung, seine Länge entspricht dem
Betrag des Drehimpulses, und seine Orientierung wird durch den Drehsinn
der Drehbewegung festgelegt.
30
Wir wollen den Satz mit einigen Experimenten illustrieren.
Versuchsaufbau zum Trägheitsmoment:
Ein Mann sitzt auf einem Drehschemel und hält in jeder Hand ein
Kilogrammstück. Der Schemel wird angestoßen und dreht sich mit einer
bestimmten Winkelgeschwindigkeit um seine lotrechte Achse.
Versuchsdurchführung:
Streckt der Mann die Arme in waagrechter Richtung aus, so vergrößert sich
das Trägheitsmoment I, und die Winkelgeschwindigkeit ω verringert sich.
Zieht der Mann die Arme wiederum an den Körper, so verkleinert sich das
Trägheitsmoment, und die Winkelgeschwindigkeit steigt auf den
anfänglichen Wert. Das Produkt L = I ⋅ ω ist dabei tatsächlich eine
Erhaltungsgröße.
Versuchserklärung:
Nun wollen wir uns anschaulich klarmachen, wie diese seltsame Erscheinung
zustandekommt. Beim Anziehen der Arme zieht der Mann die
Kilogrammstücke auf „Spiralbahnen“ zu sich heran. Die hierzu nötige Kraft
können wir in zwei Komponenten F und F zerlegen, die senkrecht und
parallel zur Bahn stehen. Die senkrechte Komponente ist für die Krümmung
der Bahn verantwortlich. Die parallele Komponente dagegen steigert die
Bahngeschwindigkeit.
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Beispiele für die Drehimpulserhaltung:
a. Rotation eines Turmspringers:
Der Turmspringer beginnt einen Salto langsam mit gestrecktem Körper.
Während sich der Springer „zusammenrollt“, wird die Drehbewegung
rascher. Streckt sich der Springer, so kommt die Rotation praktisch zum
Stillstand. Der Springer kann „sauber“ ins Wasser eintauchen.
b. Pirouette beim Eiskunstlauf:
Ähnlich wird eine Pirouette im Eiskunstlauf eingeleitet: Das gestreckte Bein
wird nach einem entsprechenden „Schwungholen“ an die Körperachse
gezogen. Dadurch steigt die Rotationsgeschwindigkeit stark an.
Die Rotationsenergie wächst dabei im selben Maß wie die
Winkelgeschwindigkeit. Der Grund dafür ist folgender: Die Person setzt
beim Heranziehen der Gewichtsstücke körperinnere Energie in
Rotationsenergie um, sie verrichtet Arbeit. Auf diese Weise wird bei
Pirouetten auf den Eis durch Heranziehen von Armen und Beinen an die
Drehachse die Winkelgeschwindigkeit vergrößert. Ebenso wirkt das
Zusammenrollen des Körpers nach dem Absprung zum Salto. Das Strecken
des Körpers (z.b. bei einem Mehrfachsalto ins Wasser) beendet die schnelle
Drehung.
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c. Gymnastik:
Bei der Beschreibung des Bewegungsablaufes beim Felgumschwung in den
Bildern 4 bis 9 spielt ebenfalls die Erhaltung des Drehimpulses eine
bedeutende Rolle.
Auch bei der Beschreibung des Bewegungsablaufes beim Salto benötigt man
die Drehimpulserhaltung. Hierbei kann man sich jedoch noch überlegen,
welche Rolle die Bewegung in den Bildern 1 bis 3 spielt.
d. Planetenbewegung
Der Drehimpuls ist eine vektorielle Erhaltungsgröße. Aus der Erhaltung des
Drehimpulses folgt:
a) Die Planeten bewegen sich in
Ebenen.
b) Die Lage der Bahnebenen
bleibt erhalten.
c) Die Bahngeschwindigkeit v
eines Planeten wächst, wenn
die Entfernung zur Sonne
(Bahnradius r) abnimmt.
33
Versuchsaufbau zur Drehimpulserhaltung:
Ein Mann sitzt auf einem Drehschemel und hält die Achse eines Rades
lotrecht empor. Schemel und Rad befinden sich zunächst in Ruhe. Der
Drehimpuls des physikalischen Systems verschwindet daher.
Versuchsdurchführung:
• Nun greift der Mann in die Speichen des Rades und setzt es in
Rotation.
Dabei beginnt sich nach dem allgemeinen Wechselwirkungsgesetz der
Schemel in entgegengesetzter Richtung zu drehen, und zwar so, dass der
Gesamtdrehimpuls ständig Null bleibt.
Wird daher in einem abgeschlossenen System ein Körper in der einen
Richtung in Drehung versetzt, so muss mindestens ein Körper in
entgegengesetzter Richtung zu rotieren beginnen. Nur so kann der
Gesamtdrehimpuls auf Null gehalten werden.
• Bremst der Mann das Rad wiederum ab, so sinkt auch die
Winkelgeschwindigkeit des Schemels.
Rad und Schemel bleiben schließlich gleichzeitig stehen.
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e. Bewegung einer Katze im Sprung:
Wir können nun auch verstehen, weshalb sich eine fallende Katze in der Luft
umdrehen kann und stets auf die Füße fällt. Das Tier vollführt während des
Fallens eine kreisende Bewegung mit dem Schwanz und erreicht dadurch
nach dem Satz von der Erhaltung des Drehimpulses eine entgegengesetzte
Drehung des Körpers um die Längsachse.
Fällt die Katze vom Baum oder vom Dach, erhält sie bei diesem
Kippvorgang immer einen gewissen Drehimpuls, den sie durch geschickte
Körperkrümmungen so ausnutzt, dass sie auf die Füße fällt. Dies schafft sie
aber auch, wenn man ihr jeden Drehimpuls vorenthält, indem man ihr die
Unterstützungsfläche plötzlich nach unten wegzieht. Die Katze macht dann
besonders mit dem Schwanz Drehbewegungen, die durch eine entsprechende
Drehung des Körpers um seine Längsachse kompensiert werden, bis die Füße
unten sind.
Versuchsdurchführung:
• Ein Mann sitzt auf einem ruhenden Drehschemel. Wir geben ihm das
bereits in Rotation versetzte Rad mit lotrecht gerichteter Achse in die
Hand.
Der Schemel bleibt dabei in Ruhe, denn dem physikalischen System wurde
der Drehimpuls von außen übergeben.
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• Bremst der Mann das Rad ab, so beginnt der Schemel im Drehsinn des
Rades zu rotieren.
Versuchserklärung:
Der Drehimpuls des Rades wird durch den Abbremsvorgang auf den Schemel
übertragen. Der Drehimpuls ist eine Erhaltungsgröße.
Im abgeschlossenen System existiert also neben der Gesamtenergie und dem
Gesamtimpuls noch eine dritte Erhaltungsgröße, der Gesamtdrehimpuls!
f. Spin bei Elementarteilchen:
Die meisten Elementarteilchen und Atomkerne haben einen Drehimpuls oder
Spin. Dieser bleibt zeitlich konstant, da an den Teilchen kein Drehmoment in
Richtung des Spins angreifen kann. Der Spin ist daher neben Ladung und
Masse ein wesentliches Kennzeichen der Teilchen. Für die klassische Physik
unverständlich ist jedoch, warum der Spin nur ganz bestimmte diskrete Werte
haben kann.
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Treten mehrere Drehimpulse gleichzeitig auf, so kann ein
Gesamtdrehimpuls angegeben werden. Der Gesamtdrehimpuls ist
einfach die Vektorsumme aller einzelner Drehimpulse.
Versuchsaufbau:
Ein Mann sitzt auf einem ruhenden Drehschemel. Wir geben ihm das bereits
in Rotation versetzte Rad mit lotrecht gerichteter Achse in die Hand.
Der Schemel bleibt dabei in Ruhe, denn dem physikalischen System wurde
der Drehimpuls von außen übergeben.
r
r
r
Zuerst: L = LR , LS = 0
r
L .....Gesamtdrehimpuls
r
LS ....Drehimpuls des Schemels
r
LR ....Drehimpuls des Rades
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Versuchsdurchführung:
• Schwenkt die Person die Drehachse des Rades, so beginnt sich der
Drehschemel zu drehen.
• Wird die Drehachse des rotierenden Rades um 180 Grad geschwenkt,
r
so setzen wir für den Drehimpuls des Rades − LR .
r
r
r
L = − L R + LS
r
r
r
Dann: LR = − LR + LS
r
r
LS = 2 ⋅ L R
Sobald sich das Rad wieder um seine ursprüngliche Drehachse rotiert, kommt
der Drehschemel zum Stillstand.
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5. Der Kreisel
Unter einem Kreisel verstehen wir einen rotationssymmetrischen Körper, der
um die Symmetrieachse (mit größtem Trägheitsmoment) rotiert.
1. Der kräftefreie Kreisel:
Versuchsdurchführung:
Setzt man einen ruhenden Spielzeugkreisel auf, so fällt er nach dem
Loslassen sofort um.
Setzt man einen (rasch) rotierenden Spielzeugkreisel so auf seine Spitze, dass
sein Massenmittelpunkt senkrecht über der Spitze liegt, so behält der Kreisel
seine Lage bei.
Versuchserklärung:
Liegt der Massenmittelpunkt des Kreisels exakt über der Spitze, so wirkt
keine Kraft senkrecht zur Drehachse.
Diese Eigenschaft von Kreiseln wird zur Richtungsstabilisierung wie in
folgender Anwendung verwendet.
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a. Lagestabilisierung von Satelliten:
Die Lage mancher Satelliten (z.b.: Beobachtungssatelliten der Astrophysik)
muss räumlich stabilisiert werden. Deshalb wird ein solcher Satellit in eine
Rotation um seine eigene Achse mit wenigen Umdrehungen pro Minute
versetzt. Wirken nur geringe Kräfte auf den Satelliten, so behält er praktisch
seine Lage bei.
2. Die Präzession:
Versuchsdurchführung:
Wir stellen einen rotierenden Kreisel schräg auf und betrachten seine
Bewegung.
Versuchserklärung:
r
Die Komponente F der Gewichtskraft verändert die Richtung der Drehachse
des Kreisels rund bewirkt ein „kippendes“ Drehmoment, das normal zum
Drehimpuls L des Kreisels steht:
r r r
r×F ⊥ L
r
r
r ....Kraftarm für die Kraft F
r
F ...Komponente der Gewichtskraft
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Wirkt auf einen rasch rotierenden Kreisel eine Kraft mit einer Komponente
normal auf die Drehachse, so wird die Richtung der Drehachse verändert.
Wir bezeichnen das Produkt aus dieser Kraft und dem zugehörigen Kraftarm
als „kippendes Drehmoment“. Dieses Drehmoment verändert den
Drehimpuls (und in der Folge die Richtung der Drehachse):
r
r ∆L
r r
M =
≠ 0 ⇔ ∆L = M ⋅ ∆t
∆t
r
r
Die Änderung desr Drehimpulsvektors ∆L = M ⋅ ∆t ist parallel zum
Drehmomentvektor M . Die Drehachse des Kreisels wird somit in Richtung
des angreifenden Drehmomentvektors weitergedreht. Das Ausweichen der
Drehachse wird als Präzession des Kreisels bezeichnet.
Nun wird ein weiterer Versuch zur Präzession durchgeführt.
Versuchsdurchführung:
Wir hängen einen schnell rotierenden Kreisel folgendermaßen auf.
Versuchsdurchführung:
Obwohl nun von der Gewichtskraft F und der Fadenspannung –F ein
Drehmoment M ausgeübt wird, kippt die Kreiselachse nicht nach unten,
sondern bewegt sich langsam in einer horizontalen Ebene.
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Versuchserklärung:
Die Abbildung erklärt dieses überraschende Verhalten: Zur Zeit t = 0 hat der
Kreisel den Drehimpuls L. Während einer kurzen Zeit t erzeugt das
Drehmoment M einen zusätzlichen Drehimpuls L = Mt, der zu L normal
ist. L1 = L + L ist der Drehimpuls zur Zeit 0 + t. Der Betrag von L bleibt
unverändert, es wird nur die Richtung von L (und damit die Richtung der
Drehachse) geändert, und zwar umso langsamer, je größer L ist.
Die Kreiselachse folgt also einem „Kippmoment“ nicht; sie weicht vielmehr
normal dazu in einer Präzessionsbewegung aus. Da diese bei hohem
Drehimpuls sehr langsam erfolgt, kann man sagen: Der Kreisel ist bestrebt,
seine Achsenrichtung beizubehalten.
Nun folgen einige Anwendungen:
a) Geschosse:
Geschosse erhalten einen Drall, um ihre Richtung zu stabilisieren und somit
ein Überschlagen im Flug zu verhindern.
b) Die Präzession der Erde:
Die Gravitationskraft zwischen Erde, Sonne und Mond übt ein äußeres
Drehmoment auf die Erdachse aus. Dadurch beschreibt die Erdachse in
einem Zeitraum von 2,6 104 Jahren einen Kegelmantel („Platonisches Jahr).
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c) Autoräder:
Autoräder sollen beim Durchfedern nicht gekippt werden (wie in Abbildung
a), weil der damit erzwungenen Drehimpulsänderung L = Mt bei kleinem
t ein sehr hohes Drehmoment M = L/t entspricht. Es beansprucht die
Radlager sehr stark und stört die Lenkung, da es die Räder um eine (fast)
vertikale Achse zu drehen versucht.
d) Der Kreiselkompass:
Auf den Kreisel wirkt dann kein kippendes Drehmoment, wenn seine
Drehachse parallel zur Erdachse steht. Solange seine Drehachse von der
Richtung der Erdachse abweicht, wird die Drehachse durch die Präzession so
abgelenkt, dass sich der Kompass parallel zur Erdachse einstellt.
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Der Kreisel ist beispielsweise auf einem Schwimmer mit horizontaler Achse
montiert. Bild I zeigt den Kreisel am Äquator mit Achsenrichtung von Ost
nach West. Die Erddrehung würde die Kreiselachse in die Position II drehen.
Durch die Präzessionsbewegung wird die Kreiselachse parallel zur Erdachse
gedreht; die Achsenrichtung in Bild III weist von Nord nach Süd! Die
Kreiselachse behält diese Richtung anschließend bei, sodass die
geographische Breite aus dem Winkel der Kreiselachse mit dem Lot
bestimmt werden kann.
e) Rasch rotierende Maschinenteile:
Bewegt man einen laufenden Handhobel oder Winkelschleifer, so weicht die
Maschine gemäß den Regeln der Präzession aus. Achtung Verletzungsgefahr!
Versuche zum Kreisel und zur Präzession des Kreisels können auch von den
Schülern selbst in Schülerversuchen oder als Heimversuche durchgeführt
werden:
Heimversuche mit dem „Fahrradkreisel“:
Löse die Schrauben an der vorderen Achse deines Fahrrades und nimm das
Vorderrad aus der Gabel (Achtung vor Schmierfettflecken!). Am besten
führst du den Versuch mit einem „Helfer“ aus, der das Rad in Rotation
versetzt.
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1.
Realisiere den kräftefreien Kreisel und beobachte sein Verhalten!
2.
Ergreife die Achse des Rades mit beiden Händen und versuche die
Achsenrichtung des rotierenden Kreisels zu verändern! Achte genau
auf die Kräfte, die du verspürst.
3.
Hänge ein Ende der Achse in eine Schnurschlaufe und beobachte den
Fahrradkreisel. Hat die Winkelgeschwindigkeit des Kreisels einen
Einfluss auf die Präzessionsfrequenz?
4.
Versetze einen normalen Kinderkreisel in Rotation und drücke
vorsichtig mit einem Stäbchen oder Bleistift von der Seite her gegen
die Achse.
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Literaturhinweise:
Material wurde aus den verschiedensten Schulbüchern der Ober- und
Unterstufe entnommen:
• Jaros-Nussbaumer-Kunze: Basiswissen 1. Verlag Hölder-PichlerTempsky. Wien: 1993 (1990)
• Schreiner: Physik 1. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky. Wien: 1989
• Gollenz-Konrad-Stuzka-Eder: Begegnung mit Physik. Verlag HölderPichler-Tempsky. Wien: 1993 (1991)
• Ludick-Dopler-Hinterbuchinger-Reitinger: Bewegung mit Physik.
Veritas Verlag. Linz: 1991
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