Inline-Oberflächenreinigung von Metallsubstraten durch Plasmen

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Titelthema — Bericht
Oberflächentechnik, Feinbearbeitung
Inline-Oberflächenreinigung von
Metallsubstraten durch Plasmen
F. Händel, F.-H. Rögner
Um im Rahmen von Hochvakuumbeschichtungen eine ideale Anbindung von
Teilchen an eine Oberfläche zu gewährleisten, besteht die Notwendigkeit, die zu
beschichtende (Metall-) Oberfläche ohne Verunreinigungen (beispielsweise
schwach gebundene Moleküle) zur Verfügung zu stellen. Moderne Inline-Prozesse
erfordern somit unter Hochvakuumbedingungen die atomare Reinheit von Oberflächen. Zudem muss die erneute Adsorption von Wasserschichten oder die Oxidation reduziert werden, um haftfeste Schichten abscheiden zu können. In der technischen Realisierung von Vakuumbeschichtungen sind hierfür trockene Ätzverfahren
und die Glimmentladungsbehandlung etabliert. Hierbei wird die Oberfläche ohne
Säuren und Laugen durch auftreffende Gasteilchen feinstgereinigt.
Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, wurden im Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahlund Plasmatechnik (FEP) die Technologien für das magnetfeldver-
stärkte und das hohlkathodenunterstützte Sputterätzen entwickelt.
Diese Verfahren zeichnen sich durch
hohe in-situ-Ätzraten und geringe
Durchlaufzeiten aus.
Dipl.-Phys. Frank Händel, Dipl.-Phys. Frank-Holm Rögner
Fraunhofer-Institut für
Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP)
Abteilung: Beschichtung von Platten und Metallbändern
Winterbergstr. 28, D-01277 Dresden
Tel. +49 (0)351 / 2586-241, Fax +49 (0)351 / 2586-55 241
E-Mail: [email protected]
Internet: www.fep.fraunhofer.de
Plasmaphysikalischer
Hintergrund
Das verwendete „Arbeitsmittel
Plasma“ ist ein teilweise ionisiertes
Gas. Es besteht neben neutralen
Atomen und Molekülen aus Radikalen sowie einer bedeutenden Anzahl
freier Ladungsträger, wie Elektronen und Ionen. Die Ladungsträger
werden durch Elektronenstoßionisation der Gasmoleküle beziehungsweise -atome erzeugt. Durch eine
Diffusion in der Gasphase gelangen
die Teilchen zur Metalloberfläche.
Im elektrischen Feld einer Plasmarandschicht werden die positiv geladenen Ionen zur Metalloberfläche
hin beschleunigt. Der Ionenbeschuss bewirkt durch den Impulsübertrag eine physikalische Ablösung von Oberflächenteilchen (Zerstäuben, englisch: Sputtern). Ist
das verwendete Sputtergas gegenüber dem abzustäubenden Material
chemisch aktiv, lässt sich die Effizienz des Ätzprozesses unter Umständen deutlich erhöhen.
Tabelle. Übersicht zu Einsatzfeldern von Plasmavorbehandlungen
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Oft soll neben einer physikalischen und chemischen Reinigungswirkung gleichzeitig eine Aktivierung der Oberfläche erreicht
werden. Die verschiedenen Prozesse
sowie die Potentiale einer Kombination sind in der Tabelle zusammengefasst. Die Prinzipdarstellung in
Bild 1 zeigt schematisch die Wirkungsmechanismen eines Plasmas
auf eine Oberfläche.
Die Haupteffekte der Plasmabehandlung (Ionenbeschuss, chemische Reaktion des ionisierten Gases, UV-Strahlung durch Rekombination angeregter Gasteilchen)
sind in ihrer Stärke proportional zur
Ladungsträgerdichte im Plasma,
also dem Grad der Ionisierung.
Deshalb ist es insbesondere für
Inline-Prozesse mit hoher Prozessgeschwindigkeit erforderlich, auch
für die Vorbehandlung eine hohe Effektivität durch eine hohe Ladungsträgerdichte zu erreichen.
Der Vakuumbehandlung geht
eine vollautomatische nass-chemische Vorreinigung unter Atmosphärenbedingungen voraus, um grobe
Verunreinigungen und Korrosionsschutzmittel auf niedriglegierten
Metallsubstraten zu entfernen.
Anwendungen
und Einsatzgebiete
Es werden zwei Ätzverfahren
vorgestellt, die eine hocheffektive
physikalische Plasmareinigung von
Metalloberflächen im Niederdruckbereich erlauben. Diese Verfahren
sind insbesondere wegen ihrer hohen Reinigungsleistung geeignet,
in Kombination mit einer HochrateVakuumbeschichtung in InlineProzessen eingesetzt zu werden. Es
handelt sich dabei um das magnetfeldverstärkte (Bild 2) und das
hohlkathodenunterstützte (Bild 3)
Sputterätzen.
Bild 1. Prinzipdarstellung von Plasmawirkungen auf Oberflächen am Beispiel
eines Ar/O2-Plasmas auf einer kohlenstoffbelegten Oberfläche: • chemische
Reaktion von kohlenstoffhaltigen Kontaminationen mit Sauerstoffionen zu CO
beziehungsweise CO2; • mechanischer Abtrag von Oberflächenatomen durch
Ar-Ionen-Beschuss; • Einlagerung von Sauerstoff-Radikalen in die Oberfläche
mäßig am Magnetfeld und damit an
der dichten Plasmaentladung vorbeigeführt. Bei einer Inline-Beschichtungsanlage für Metallbänder
ist es nicht möglich, das Substrat
mit einer negativen Spannung zu
beaufschlagen; es bleibt auf Erdpotential. Aus diesem Grund wird
gegenüber dem Substrat eine geschirmte positive Anode installiert.
Zum Entfernen von natürlichen Oxiden ist eine mittelfrequente, unipolare Pulsung der Plasmaentladung
hilfreich. Die Strompulsung verhindert eine unerwünschte elektrische
Aufladung der Oberfläche.
Hohlkathodenunterstütztes
Sputterätzen
Eine weitere Form der Erzeugung
dichter Plasmen ist die Hohlkathodenbogenentladung. Auch hier wird
die gesamte Plasmaquelle mit einer
positiven Bias-Spannung gegenüber dem Substrat beaufschlagt.
Das Substrat selbst kann dabei vorteilhafterweise wieder auf Massepotential verbleiben. Die Plasmaelektronen treffen auf Gasteilchen
im Prozessraum und ionisieren
diese. Das von der Bias-Spannung
verursachte elektrische Feld in der
Magnetfeldverstärktes
Sputterätzen
Für die Plasmavorbehandlung
wird das Prinzip des Magnetronsputterns genutzt. Die Kathode ist
in diesem Fall das zu behandelnde
Substrat, auf dessen Oberfläche der
Abtrag erfolgen soll. Um einen
homogenen Flächenabtrag zu erreichen, wird das Substrat gleich-
Bild 2. Prinzipdarstellung des magnetfeldunterstützten Sputterätzens
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Bild 3. Hohlkathodenbogenentladungsplasma im Prozessraum
(in Richtung eines Metallsubstrates)
Plasma-Randschicht zwischen dem
Plasma und dem Substrat beschleunigt die Ionen zum Substrat hin.
Somit erfolgt ein Ionenbeschuss der
zu reinigenden Oberfläche. Das
hohlkathodenunterstützte Sputterätzen ist sehr flexibel einsetzbar
und gleichermaßen für ebene Substrate als auch für 3D-Bauteile
nutzbar.
Zusammenfassung
Beide physikalische Sputterätzverfahren nutzen ausgesprochen
dichte und damit leistungsfähige
Plasmen für die Vorbehandlung von
Oberflächen: Atomare Verunreinigungen werden im Hochvakuum vor
einer Beschichtung abgelöst. Bei
der Vorbehandlung von dünnen
ebenen Substraten (metallische
Bänder oder Platten) kommt vorrangig das magnetfeldverstärkte
Sputterätzen zur Anwendung.
Beide Verfahren sind in InlineProzessen einsetzbar und durch die
erreichten Ladungsträgerdichten
für hohe Prozessgeschwindigkeiten
geeignet. Die Verfahren gestatten
einen dynamischen Oberflächenabtrag von (5 … 10) nm ·m/s. In
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beiden Fällen ist es nicht notwendig, die zu behandelnden Substrate
aufwendig zu isolieren beziehungsweise für die Reinigung mit einer
elektrischen Spannung zu beaufschlagen.
Die zusammenfassend genannten Aspekte führen zu einer Prozessvereinfachung in Inline-Beschichtungsanlagen und werden im
Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) zur
Vorbehandlung metallischer Substrate im Rahmen von Hochvakuumbeschichtungen vielfach eingesetzt.
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