Empfehlungen Obstipation bei palliativen Patienten

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Klinik für Allgemeine Innere Medizin – Palliative Care
Empfehlungen
Obstipation bei palliativen Patienten
Obstipation ist ein häufiges Symptom in der palliativen Situation (1, 2).
Prävalenz der Obstipation bei Palliativpatienten: ca. 50%, unter Opioidtherapie: ca 90%
Definition (1, 3)
Subjektiver Eindruck, den Darminhalt
o nicht in adäquater Häufigkeit,
o nicht in ausreichender Menge,
o in zu harter Konsistenz und/ oder
o nur unter Beschwerden ausscheiden zu können.
Ätiologie (1, 2, 3, 4, 5, 6)
Funktionell bedingt: Immobilität, Schwäche, Inaktivität, veränderte Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit, Depression, situative Faktoren.
Medikamentös bedingt: u. a. Opioide, Anticholinergika, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Diuretika,
Neuroleptika, Sedativa.
Organisch bedingt: gastrointestinale Obstruktion, neurogene Störung durch Tumorinfiltration,
neurologische Erkrankung, Divertikulose, Rektoanalerkrankungen, metabolische Störungen
(Hyperkalzämie, Hypokaliämie), endokrine Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypothyreose).
Klinik/ Symptome (1, 2, 4, 6)
Unwohlsein, Völlegefühl, Blähungen, starkes Pressen beim Stuhlgang, harter oder klumpiger Stuhl,
Gefühl der inkompletten Entleerung oder der anorektalen Obstruktion, evt. manuelle Manöver zur
Erleichterung der Defäkation, Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, kolikartige Schmerzen, Tenesmen,
psychosoziale Beeinträchtigung (Erfolgsdruck, Hilflosigkeit, Ekel-/Schamgefühle, starke Fixierung
auf Obstipation).
Komplikationen (1, 2, 4)
Paradoxe Diarrhoe, Inkontinenz, Ileus, Durchwanderungsperitonitis, Harnretention, Verwirrtheit,
Gewichtsabnahme.
Diagnostik (1, 2, 4)
Anamnese (Gewohnheiten und Häufigkeit der Darmentleerung, Konsistenz, Volumen, Beimengungen,
Begleitsymptome, Ernährung, Laxantien und andere Medikamente)
Körperliche Untersuchung (Abdomen, Darmgeräusche, Rektaluntersuchung)
Apparativ-diagnostische Verfahren (Sono Abdomen, Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens),
wenn weitere Abklärungen notwendig. Prognose und Belastbarkeit des Patienten berücksichtigen.
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I. Schaefer
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Therapie-Grundsätze (1, 2, 4)
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Palliativpatienten erleben Obstipation als Symptom, welches die Lebensqualität erheblich
beeinträchtigt.
Wichtig sind Prophylaxe und rechtzeitiges Handeln beim Auftreten einer Obstipation.
Vor Behandlung einer Obstipation Ursache abklären.
Für Patienten in den letzten Lebenstagen: die Änderungen der Lebensführung (Bewegung,
ballaststoffreiche Ernährung, Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr) sind meistens nicht mehr möglich.
Die medikamentöse Obstipationsprophylaxe und –therapie ist in allen palliativen Situationen
Standard.
Bei Opioidbehandlung kommt es bezüglich der Obstipation zu keiner Toleranzentwicklung.
Ziel ist eine erleichterte Stuhlentleerung etwa alle 3 Tage.
Keine Füll- und Quellstoffe bei Palliativpatienten, da ausreichende Flüssigkeitszufuhr nicht mehr
gewährleistet ist.
Medikamentöse Therapie (1, 3, 5, 6, 7)
Die medikamentöse Behandlung der Obstipation bei Palliativpatienten beruht aufgrund des Fehlens
von Studiendaten vorwiegend auf den Erfahrungen von Praktikern. Empfohlen wird standardisiertes
Vorgehen nach einem Stufenschema, wobei Substanzen mit unterschiedlichen physiologischen
Angriffspunkten kombiniert werden sollten. Die Dosierung der oralen Laxantien wird alle 3 bis 5 Tage
angepasst.
Stufe 1
Osmotisches Laxans (bei hartem Stuhl) oder stimulierendes Laxans (bei weichem Stuhl oder rektaler
Hypotonie)
Beispiel
Macrogol 3350/Elektrolyte (Transipeg®/ -forte Pulver), Lactulose (Duphalac® Sirup) oder
Natriumpicosulfat (Laxoberon® Tropfen), Bisacodyl (Prontolax® Dragées)
Stufe 2
Osmotisches Laxans und stimulierendes Laxans
Beispiel
Macrogol 3350/Elektrolyte (Transipeg®/ -forte Pulver) in Kombination mit Natriumpicosulfat
(Laxoberon® Tropfen), Bisacodyl (Prontolax® Dragées)
Macrogol 3350/Elektrolyte (Transipeg®/ -forte Pulver) in Kombination mit Sennosiden (Valverde®
Verstopfung Sirup)
Stufe 3
Osmotisches Laxans und stimulierendes Laxans und Gleitmittel
Beispiel
Macrogol 3350/Elektrolyte (Transipeg®/ -forte Pulver) + Sennoside (Valverde® Verstopfung Sirup) +
Paraffin (Paragol® N Emuls)
Stufe 4
Osmotisches Laxans und stimulierendes Laxans und Gleitmittel und Suppositorium
Beispiel
Macrogol 3350/Elektrolyte (Transipeg®/ -forte Pulver) + Sennoside (Valverde® Verstopfung Sirup) +
Paraffin (Paragol® N Emuls) + Bisacodyl (Prontolax® Supp) oder Glyzerol (Bulboid® Supp)
Bei anhaltender Obstipation zusätzlich Klistiere und/oder Einläufe anwenden.
Kontraindikationen für rektale Massnahmen beachten: u. a. Thrombopenie, tiefe Anastomosen,
Rektalblutungen, Rektaltumoren, schwere Herzkrankheiten mit grossem Arrhythmierisiko.
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Wirkstoff
Handelsname
Wirkung
Macrogol 3350/Elektrolyte
Empfohlene Dosierung für Erwachsene (Arzneimittel-Kompendium der Schweiz,
2009) Kontraindikationen und Nebenwirkungen beachten
Anpassung der Dosierung nach Wirkung
jeweils morgens
1-3 Beutel Transipeg, jeden Beutel in 50 ml Wasser lösen
1-2 Beutel Transipeg forte, jeden Beutel in 100 ml Wasser lösen
®
Transipeg / -forte Pulver
osmotisch
Lactulose
jeweils morgens
initial während 3 Tagen 15-45 ml
dann 10-25 ml täglich
häufige Nebenwirkung: Meteorismus
abends
10-20 Tropfen
®
Duphalac Sirup
osmotisch
Natriumpicosulfat
®
Laxoberon Tropfen
stimulierend
Bisacodyl
abends
1-2 Dragées unzerkaut schlucken
®
Prontolax Dragées
stimulierend
Sennosid B
®
Valverde Verstopfung Sirup
stimulierend
Paraffin dickflüssig
®
Paragol N Emuls
Gleitmittel
Bisacodyl
®
Prontolax Supp
stimulierend
Glycerol
abends, 1 Stunde vor dem Schlafengehen
10-20 ml
mit genügend Flüssigkeit einnehmen, mindestens 1 Glas Wasser
abends, vor dem Schlafengehen
15-45 ml
wenn nötig, morgens nüchtern die Einnahme wiederholen
®
Bulboid Supp
Gleitmittel, bewirkt Defäkationsreiz
-
1 Suppositorium
Wirkungseintritt nach ca. 30 Minuten
-
1 Suppositorium bei Bedarf
Wirkung innerhalb von wenigen Minuten
Massnahmen bei impaktiertem Stuhl
 Weicher Stuhl im Rectum: Stimulantien: Bisacodyl-Suppositorien (Prontolax® Supp)
 Harter Stuhl im Rectum: Gleitmittel: Glyzerol-Suppositorien (Bulboid® Supp)
 Evtl. Kombination der Substanzklassen
 Bei Unwirksamkeit Einläufe mit salinischem Mittel
 Bleibt Defäkation aus: manuelle Ausräumung nach vorausgehender Prämedikation
Cave: Kontraindikationen für Einläufe und manuelle Ausräumung beachten (s. o.).
Bei Obstipation frühzeitig palliativen Konsiliardienst einbeziehen.
Vorsicht bei der Anwendung saliner Laxantien (Magnesium- und Natriumsalze). Bei
Niereninsuffizienz Gefahr der Magnesiumintoxikation, bei Herzinsuffizienz Gefahr der
Überwässerung und Natriumretention!
Reserve Medikamente, die bei schwerer Obstipation Anwendung finden: Neostigmin, Dexpanthenol
sowie Opioidantagonisten (z.B. Methylnaltrexon, s.u.).
Bei paraplegischen Patienten Spezialisten hinzuziehen.
In der Finalphase Zurückhaltung bei Abführmassnahmen, Nutzen sorgfältig abwägen.
Nicht-medikamentöse Massnahmen und pflegerische Interventionen (2, 4)
Information von Patient und Angehörigen über Obstipation und Massnahmen.
Bisherige abführend wirkende Massnahmen, individuelle Gewohnheiten und Ausscheidungsmuster
des Patienten berücksichtigen.
Unterstützung beim Toilettengang, Intimität zur Darmentleerung ermöglichen.
Physiotherapeutische Massnahmen (Kolonmassage, Reflexzonentherapie) kritisch einsetzen.
Analpflege
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Neue Entwicklungen (8)
Methylnaltrexon (Relistor®1), subkutan injiziert, ist ein neuer medikamentöser Ansatz zur spezifischen
Therapie der opioid-induzierten Obstipation. Methylnaltrexon kommt zum Einsatz bei opioidinduzierter Obstipation, wenn alle konventionellen abführenden Massnahmen erfolglos blieben. Für
den Einsatz ist der palliative Konsiliardienst zu kontaktieren.
Mögliche Pflegediagnosen (9)
Obstipationsgefahr,
Obstipation
Selbstversorgungsdefizit: Toilettenbenutzung
Gefahr der Hautschädigung (siehe Pflegestandard Hautpflege bei trockener Haut)
Literatur
1 Wirz S, Beck D. Obstipation in der Palliativmedizin. Z Palliativmed 2008; 9: 11-26
2 Schubert R, Schuler U. Obstipation und Diarrhoe. In: Knipping K (Hrsg.): Lehrbuch Palliative Care. 1. Aufl.
Bern: Huber Verlag, 2006: 279-284
3 Klaschik E, Schwarzer A, Hoffmann-Menzel H. Obstipation – moderne Laxanzientherapie. Z Palliativmed
2003; 4: 117-122
4 Bausewein C, Roller S, Voltz R. Leitfaden Palliativmedizin Palliative Care. 3. Aufl. München: Elsevier, 2007:
416-421
5 Neuenschwander et al. Palliativmedizin. 2. Aufl. Bern: Krebsliga Schweiz, 2006: 99-103
6 Miles CL, Fellowes D, Goodman ML, Wilkinson S. Laxatives for the management of constipation in palliative
care patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 4. Art. No.: CD0034448
7 Arzneimittel-Kompendium der Schweiz 2009
8 Larkin PJ, Sykes NP, Centeno C, Ellershaw JE, Elsner F, Eugene B, Gootjes JRG, Nabal M, Noguera A,
Ripamonti C, Zucco F, Zuurmond WWA, On behalf of the European Consensus Group on Constipation in
Palliative Care. The management of constipation in palliative care: clinical practice recommendations.
Palliative Medicine 2008; 22: 796-807
9 NANDA International. NANDA-Pflegediagnosen 2005-2006. Bern: Huber-Verlag, 2005
Anmerkungen
Alle Personenbezeichnungen gelten sowohl für männliche wie auch weibliche Personen.
Diese Übersicht wurde mit aller Sorgfalt zusammengestellt. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben
können die Autoren trotzdem keine Gewähr übernehmen. In der Palliative Care weichen Indikation, Dosierung
und Applikationsform gegebenenfalls von der Zulassung (siehe Fachinformationen) ab.
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muss mit dem Formular „Arzneimittel ausserhalb der Arzneimittelliste“ bestellt werden
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