FMH-Quiz 57

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FMH - Quiz
Vol. 25 Nr. 2 2014
FMH-Quiz 57
Sie beurteilen eine 12-jährige Adoleszente
weil sie seit gut 1 Monat wiederholte tägliche
Fieberepisoden bis 40°, zervikale Adenopathien, Unwohlsein, Kopf- und lumbale Schmerzen aufweist. Sie lebt mit ihren Eltern und 2
Schwestern zu Hause, die alle gesund sind.
Sie hat eine 5-jährige Katze und 2 Vögel. Vor
6 Monaten war sie bei Bekannten auf einer
Ranch in Mexiko in den Ferien, wo sie Kühe
gemolken, Schweine und Geflügel ernährt und
Pferde geritten hat. Sie hat ebenfalls die lokale Küche entdeckt! Bei der klinischen Untersuchung ist sie febril, müde und gibt Muskelkrämpfe an. Sie zeigt diffuse 1 cm grosse
zervikale indolente Lymphknoten, eine Splenomegalie und die Palpation der lumbalen
Region ist schmerzhaft. Blutbild: Lc 4.9 G/l
mit 15 % Stab-, 31 % Segmentkernigen, 48 %
Lymphozyten und 6 % Monozyten. Die Blutsenkungsreaktion liegt bei 70 mm/h und das
CRP bei 68 mg/l.
Frage
Welches ist die wahrscheinlichste Diagnose?
A. Brucellose
B. Katzenkratzerkrankheit
C. EBV-bedingte Mononukleose
D. Leptospirose
E. Toxocariose
Antwort
A. Bruzellose
Kommentar
Die Fallvignette in diesem Quiz zeigt die differentialdiagnostische Problematik eines prolongierten Fieber ungeklärter Ursache oder im
Englischen Sprachgebrauch häufiger als «fever
of unknown origin» (FUO) bezeichnet. Die
Differentialdiagnose eines FUO ist äus­serst
breit, weshalb das Stellen der korrekten Dia­
gnose häufig eine Herausforderung ist. In etwa
der Hälfte der Fälle mit FUO findet sich eine
infektiologische Ursache; entzündliche und
maligne Ursachen finden sich in 5 % bis 10 %
und in bis zu einem Viertel der Fälle kann trotz
intensiver Suche keine Diagnose gestellt werden1). Die genaue Erhebung der Anamnese ist
in dieser Situation äusserst wichtig und zur
Diagnosestellung hilfreich. Das Mädchen hat
eine Reiseanamnese nach Mexiko, weshalb
eine dort erworbene infektiöse Erkrankung in
die Differentialdiagnose eingeschlossen werden muss. Insbesondere auch eine Krankheit
welche durch Tierkontakt und/oder durch den
Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln
übertragen werden kann ist hier möglich. Insofern sind eine Brucellose, Leptospirose oder
Toxocariose in der geschilderten Situation in
Erwägung zu ziehen. Zusätzlich zur Anamnese
sind aber auch die klinische Untersuchung und
die Laboruntersuchungen hilfreich. Die Patientin hat eine zervicale Lymphadenopathie, eine
Splenomegalie und ein Leukopenie.
Die Leptospirose ist eine weltweit verbreitete Zoonose, welche Fieber, Kopfschmerzen,
Myalgien und eine Hepatosplenomegalie hervorrufen kann. Das Hauptreservoir für Leptospiren sind Wild- und Haustiere, insbesondere
Mäuse und Ratten. Die Übertragung auf den
Menschen erfolgt entweder direkt durch
Kontakt mit Urin oder Blut infizierter Tiere
oder häufiger indirekt, durch Kontakt mit
kontaminiertem Wasser oder Erde. Deshalb
findet sich in der Anamnese von Patienten mit
Leptospirosen häufig eine Betätigung im Wasser oder Wassersport, was bei der beschriebenen Jugendlichen fehlt.
Die schwere Form der Leptospirose (WeilSyndrom), welche persistierend hohes Fieber
über mehrere Wochen verursacht, führt 2 bis
3 Wochen nach Kranheitsbeginn typischerweise zu einer Leberpathologie mit Ikterus
(stark erhöhtes Bilirubin und mässig erhöhte
Transaminasen), was bei der beschriebenen
Patientin fehlt. Ebenfalls kann im Verlaufe
dieser Form der Leptospirose eine Nephropathie mit Hämaturie und Proteinurie sowie Erhöhung von Serumkreatinin und Harnstoff
auftreten, die zu einem akuten Nierenversagen führen kann. Es gibt auch eine an-ikterische Form der Leptospirose welche jedoch
als Leitsymptom schwere retrobulbäre Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit hat. Typischerweise geht aber bei dieser Form das
Fieber nach einer Woche zurück und es sind
nur noch subfebrilen Temperaturen zu verzeichnen. Die beschriebene Patientin hat aber
tägliche Fieberepisoden bis 40°C.
Eine Toxocariose, ebenfalls eine weltweit­
verbreitete Zoonose durch den Hunde- oder
2J
Katzenspulwurm, kann Fieber, eine Hepatosplenomeglie und Kopfschmerzen verursachen. Erregerreservoir sind Hunde (Toxocara
canis) und Katzen (Toxocara gati). Menschen
können sich über direkten Kontakt mit Hunden (häufiger) oder Katzen (seltener) infizieren. Am häufigsten ist jedoch die indirekte
Übertragung durch mit Hunde- oder Katzenkot kontaminierte Böden (z. B. auch Sandkästen), weshalb diese Erkrankung auch typischerweise jüngere Kinder trifft. Im Blutbild
findet sich in vielen Fällen eine Eosinophilie,
was bei der Patientin der Fallvignette nicht
beschrieben wird.
Eine Brucellose, ist ebenfalls eine Zoonose,
welche in vielen mittel- und nordeuropäischen
Ländern selten geworden ist. In Teilen von
Mexico, Zentral- und Südamerika, im Mittelmeer-Raum, mittleren Osten und indischen
Subkontinent ist die Erkrankung aber durchaus häufig mit geschätzt einer Million Fälle
pro Jahr. Als Reservoir der Brucellen kommen
eine Vielzahl von Tieren in Frage: Ziegen,
Schafe, Rinder, Schweine, Hasen, Hunde und
Wildtiere wie z. B. Wildschweine. Menschen
infizieren sich durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren (v. a. Landwirte, Tierärzte,
Melker, Schlachter) oder durch den Verzehr
kontaminierter Lebensmittel, vor allem pasteurisierte Milch oder Milchprodukte von
Ziegen oder Kühen.
Eine Brucellose beginnt oft mit Fieber, Nachtschweiss, Myalgien und Kopfschmerzen. Eine
Vielzahl anderer Symptome sind beschrieben:
Splenomegalie, Hepatomegalie, Lymphadenitis, Meningitis/Encephalitis, Uveitis und
Endokarditis. Eine Arthritis oder Osteomyelitis
ist die häufigste lokalisierte Form der Erkrankung. Bei kleineren Kindern sind eher das
Hüft- oder Kniegelenk betroffen, bei Erwachsenen findet sich eher eine Sakroiliitis oder
eine Spondylitis2) . Die Fallvignette würde gut
zu einer Brucellose passen aufgrund der Reiseanamnese nach Mexiko, der Einnahme von
potentiell kontaminiertem Essen, dem täglichen Fieber, der Splenomegalie und Lymphadenopathie und den lumbalen Schmerzen als
Hinweis für eine Infektion mit osteo-artikulärer Beteiligung.
Trotz Reiseanamnese ist es jedoch sinnvoll in
der Schweiz erworbene Krankheiten bei jedem FUO differentialdiagnostisch zu berücksichtigen. Eine Bartonellose (oder Katzenkratzerkrankheit), ist eine Zoonose, welche vor
allem durch Katzen (selten auch Hunde)
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Vol. 25 Nr. 2 2014
übertragen wird. Typischerweise findet sich
in der Anamnese eine Biss- oder Kratzwunde
einer jungen Katze. In der Fallvignette hat die
Patientin eine 5-jährige Katze was die Diagnose einer Bartonellose unwahrscheinlicher
macht, jedoch nicht ausschliesst. Infektionen
mit Bartonella henselae verursachen meist
eine Lymphadenitis im Lymphknoten des
Drainagegebiets der Eintrittspforte (Hautläsion). Häufig findet sich bei genauer Untersuchung an der Eintrittsstelle eine kleine Papel.
Systemische Symptome wie prolongiertes
hohes Fieber oder eine Hepatosplenomegalie
sind bei einer Bartonellose selten und sprechen für einen disseminierten Verlauf. Diese
finden sich vor allem bei immundefizienten
Patienten.
Eine Infektion mit Ebstein-Barr-Virus kann
ebenfalls zu prolongierten Fieber führen. In
der aufgeführten differentialdiagnostischen
Liste ist diese Option die einzige Krankheit die
von Mensch zu Mensch übertragen wird. Typischerweise findet sich bei immunkompetenten, jugendlichen Patienten initial eine akute
infektiöse Mononukleose mit hohem Fieber,
Tonsillitis und zervicaler Lymphadenopathie,
was bei der Patientin in der Fallvignette nicht
beschrieben wird. Im Blutbild wäre eher eine
Leukozytose zu erwarten und im akuten Stadium können Lymphozytose und ein hoher
Anteil (> 10%) von atypischen Lymphozyten
(Pfeiffer-Zellen) vorhanden sein.
tion mit Brucellen ab der ersten Woche spezifische IgM und später IgG nachgewiesen
werden.
Die Therapie der Brucellose sollte unbedingt
in Zusammenarbeit mit einem pädiatrischinfektiologischen Zentrum erfolgen. Rückfallraten nach Monotherapie sind hoch, weshalb
heute eine Kombinationstherapie empfohlen
wird3) . Tetracycline haben die beste Effektivität gegen Brucellen, weshalb für Kinder über
9 Jahre folgende Therapie empfohlen wird:
Doxycyclin 2–4 mg/kgKG/Tag in 2 Einzeldosen plus Rifampicin 20 mg/kgKG/Tag in einer
Dosis. Für Kinder unter 9 Jahren ist Doxy­cyclin
nicht empfohlen, weshalb hier eine Therapie
mit Trimethoprim(TMP) -Sulfamethoxazole
(SMX), (TMP 10 mg/kgKG/Tag und SMX 50
mg/kg KG/Tag in 2 Einzeldosen) plus Rifampicin 20 mg/kgKG/Tag in einer Dosis ratsam
ist2) . Die Therapiedauer ist mindestens 6
Wochen, soll jedoch bei zusätzlichem Organbefall auf mehrere Monate verlängert werden. Praktisches Vorgehen
Die Brucellose ist in der Schweiz eine meldepflichtige Erkrankung und die Meldung ans
Bundesamt für Gesundheit muss innerhalb
einer Woche nach Diagnosestellung erfolgen.
Die Erkrankung ist bei uns sehr selten geworden; so wurden in den letzten 10 Jahren insgesamt nur 63 Fälle gemeldet (1 bis 11 pro
Jahr) wovon lediglich 3 (5 %) bei Kindern unter
15 Jahren waren. In der Schweiz gelten die
Nutztierbestände (Ziegen, Schafe, Rinder und
Schweine) seit längerem als Brucellose-frei.
Zur Diagnosesicherung einer Brucellose gehört der kulturelle Nachweis von Brucellen
spp. (Brucella melitensis, B. abortus, B. suis
oder B. canis) aus einer Blutkultur, einem
Knochenmarksaspirat oder anderem Gewebe.
Die Sensitivität der Kultur wird bei 15 % bis
70 % angegeben3) . In neuerer Zeit wird an einigen Orten auch der molekulare Nachweis
mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) angeboten. Serologisch können bei einer Infek-
2K
Referenzen
1) Ritz, N., [Fever without focus and fever of unknown
origin in childhood]. Praxis (Bern 1994), 2013. 102
(3): p. 157–64.
2) Young, E., Burcellosis, in Feigin and Cherry’s Textbook of Pediatric Infectious Diseases 2014, Saunders. p. 1611–1615.e3.
3) H.-I. Huppertz and R. Bialek, Brucellose, in DGPI
Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen 2013, Thieme. p. 178-180.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Nicole Ritz
Fachärztin für Pädiatrie und Infektiologie
Universitätskinderspital beider Basel (UKBB)
Spitalstrasse 33
CH-4031 Basel
[email protected]
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