Spaltoeffnung Seite 1 von 2 Botanik 1 Start Internettutorium Das ABC der Blütenbildung ........ .. .. Wie wird eine Angiospermenblüte gebildet? In seiner Metamorphose der Pflanze zeigt Goethe, dass die Blütenorgane (Kelch, Krone, Staubblätter, Fruchtblätter) Abwandlungen von Blättern sind. Obwohl er noch nichts von Genen wusste, beschrieb er auch schon „Mutationen“, bei denen beispielsweise die Staubblätter in Kronblätter umgewandelt waren. Die Blüten der Bedecktsamer entstehen als Folge von Blattkreisen (sogenannten Wirteln), wobei die Blätter sich in Form, Farbe und Funktion unterscheiden. Die Kelchblätter formen den äußersten Wirtel und sind noch am ehesten als Blätter zu erkennen. Die Kronblätter sind zumeist auffällig gefärbt und dienen der Anlockung der Bestäuber. Die Staubblätter stellen die männlichen Geschlechtsorgane dar, während der innerste Wirtel, die Fruchtblätter, die weiblichen Geschlechtsorgane sind. Die typische Blüte der Bedecktsamer ist daher also ein Zwitter (ein Hermaphrodit). Bei ursprünglichen Bedecktsamern (z.B. der Nieswurz), gibt es noch fließende Übergänge zwischen Blättern und Blütenorganen – dies erlaubte es Goethe, der nicht nur Dichter, sondern auch ein großer Naturbeobachter war, die Blütenorgane als „Metamorphosen“ (Abwandlungen) von Blättern zu erklären. Die Blüten der Bedecktsamer bestehen aus Wirteln, die jeweils verschiedenartige Blätter tragen. Es lassen sich typische Blattstrukturen wie Blattadern oder Spaltöffnungen feststellen. Es gibt nun Mutanten, bei denen die Wirtel zwar noch existieren, aber die „falschen“ Blütenorgane tragen. Solche Mutationen nennt man homöotisch. Bei der Löwenmäulchen-Mutante deficiens sind z.B. die Kronblätter und die Staubblätter durch Kelchblätter ersetzt. Beim Löwenmäulchen Antirrhinum majus haben Gärtner und Züchter im Lauf der Jahre eine ganze Sammlung solcher homöotischer Mutanten zusammengetragen. Jahrelange Puzzlearbeit zeigte, dass diese Mutationen einem bestimmten Gesetz gehorchten. Durch geduldige Unter-suchung homöotischer Mutan-ten beim Löwenmäulchen Antirrhinum majus konnte Dr. Zsuzsanna Schwarz-Sommer vom Max-PlanckInstitut für Züchtungsforschung in Köln drei Klassen von Mutanten erkennen. Dies war die Grundlage für die ABC-Regel Diese sogenannte ABC-Regel der Blütenbildung nimmt an, dass die Entwicklung der Blattorgane eines Wirtels durch genetische Schalter festgelegt Fließender Übergang von Laub- zu wird. Von diesen Schaltern gibt es drei Arten, die in unterschiedlichen Wirteln Kelchblättern bei der Nieswurz aktiv sind: (Helleborus). Wenn nur die A-Gene aktiv sind, entstehen Kelchblätter. Wenn die A-Gene gleichzeitig mit den B-Genen aktiv sind, enstehen Kronblätter. Wenn die B-Gene gleichzeitig mit den C-Genen aktiv sind, enstehen Staubblätter. Wenn nur die C-Gene aktiv sind, enstehen Fruchtblätter. Tatsächlich lassen sich fast alle der homöotischen Mutanten durch Ausfall einzelner ABC-Gene verstehen. Bei der Löwenmäulchen-Mutante deficiens ist z.B. ein B-Gen ausgefallen, so dass Kronblätter (A+B) und Staubblätter (B+C) durch Kelchblätter (A) bzw. Fruchtblätter (C) ersetzt sind. Diese Gene konnten inzwischen identifiziert werden: es sind Transkriptionsfaktoren, also Proteine, Prinzip der ABC-Regel: die andere Gene an- oder abschalten. Sie bilden Paare mit unterschiedlicher Wirkung. Das A-Protein schaltet also unterschiedliche Gene an, je nach dem, Es gibt drei Arten von genetischen ob es mit einem anderen A-Protein oder mit einem B-Protein eine Paarbindung file://D:\Netz\Institut\Lemi\Hintergrund\ABC.html 18.11.2010 Spaltoeffnung Schaltern (A, B, C), die jeweils in 2 der Wirtel des Blühmeristems aktiv sind. A und C unterdrücken sich dabei gegenseitig. Seite 2 von 2 eingegangen ist. Die Identität der Blütenschalter wurde inzwischen geklärt – es sind sogenannte Transkriptionsfaktoren, also Proteine, die andere Gene an- oder ausschalten können. Was geschieht nun, wenn ein solcher Schalter fehlt oder ausfällt? Prinzip "Lego" oder warum die Angiospermen so erfolgreich sind Die Bedecktsamer (Angiospermen) entstanden als jüngste Gruppe der Landpflanzen vor etwa 100 Mio. Jahren. Innerhalb von sehr kurzer Zeit („nur“ wenige 10 Mio. Jahre) hatten sie die gesamte Erde erobert und sind heute die beherrschende Pflanzengruppe mit unzähligen Arten. Wie in so kurzer Zeit eine solche Vielfalt von Formen entstehen konnte, war schon für Darwin ein „abominable mystery“. Vermutlich hat das damit zu tun, dass die Blüte der Angiospermen nach Art eines Legobaukastens organisiert ist – durch Kombination und Abwandlung der „Legobausteine“ lassen sich sehr schnell und einfach mannigfache Formen erzeugen. Gefüllte Blüten bei einer Pfingstrosen-Hybride lassen sich durch Ausfall der C-Gene erklären (Bilder: Karlheinz Knoch) Wenn z.B. die C-Gene fehlen, dann würden die A-Gene in die beiden inneren Kreise einer Blüte einwandern und man hätte also folgende Situation: Aussen: nur A-Gene, also Kelchblätter Zweitäusserster Kreis: A-Gene+B-Genen, also Kronblätter Zweitinnerster Kreis: A-Gene+B-Genen, also Kronblätter Innerster Kreis: nur A-Gene, also Kelchblätter Das ist bei vielen sogenannten, gefüllten Blüten der Fall. © 2009 Peter Nick, Botanisches Institut 1, alle Rechte vorbehalten Ihre Meinung zu unserem Webauftritt ist uns wichtig - schreiben Sie uns Letzte Änderung Dienstag, 20. Januar 2009 file://D:\Netz\Institut\Lemi\Hintergrund\ABC.html 18.11.2010