Siddharta Gautamas Weg zum »Buddha« (nach: H. Küng, Spurensuche, S. 156-160) Gautamas Grund-Erfahrung Geboren ist Siddharta Gautama 566 oder 563 v. als in Lumbini (Nepal) aus dem Geschlecht der Shakya. Auf seiner ersten Ausfahrt aus dem Palastbereich, so die Legende, wurde der früh verheiratete Fürstensohn zum erstenmal mit jenem Leid konfrontiert, dem die Menschen nun einmal ausgesetzt sind: Er begegnete einem Alten, einem Kranken, einem Toten. Gautamas Einsicht: Es ist das Grundproblem allen menschlichen Daseins: Nichts im Leben ist stabil. Alles ist von anderem abhängig. Alles veränderlich und vergänglich. Alles letztendlich leidvoll. die Urfrage, was das Leiden ist, wie es entsteht, wie es überwunden werden kann und welches der Weg ist, dies zu erreichen. Das ist von jetzt ab seine Botschaft. In diesen Vier Edlen Wahrheiten ist alles zusammengefaßt. Buddha stirbt 486 oder 483 v. Chr. in Kushinagara an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung. Gautamas Konsequenz Zur Wende kommt es in Gautamas Leben durch die Begegnung mit einem Bettelmönch. Das privilegierte Leben erscheint ihm auf einmal sinnlos, wird ihm unerträglich. Mit 29 Jahren, kurz nach der Geburt seines Sohnes, erklärt sich Siddharta seiner Frau und Familie und Heimat. Im Gewand des Asketen zieht er umher, um endgültig Erlösung vom Leiden zu finden. Verschiedenen Wanderasketen schließt er sich an – ohne Erfolg. Allein übt er sich dann in geradezu lebensgefährlichem Fasten und Entsagen. Buddha – der »Erwachte« Nach sechs Jahren gibt er die Askese auf, zieht sich zurück und übt sich in Meditation. Unter einem Baum bei Uruvelaerfährt er nach langer Zeit in tiefer Versenkung endlich die ersehnte Erleuchtung, Erlösung, Befreiung. So ist Siddharta, zum »Erwachten«, zum Buddha geworden. Den Baum nennt man fortan Bodhi-Baum und Uruvela heißt Bodh Gaya. Antwort hat Buddha so gefunden auf CD-ROM „Spurensuche“ Neben Christus ist Buddha die am häufigsten künstlerisch dargestellte Gestalt. ◗ Die Wölbung auf dem Scheitel (ushnisha): Zeichen der Erleuchtung; hier tritt nach indischer Vorstellung die Seele ein und aus. ◗ Das »Dritte Auge« (urna): Symbol spiritueller Einsicht. ◗ Verlängerte Ohrläppchen (ursprünglich wohl die fürstlichen Ohrringe): Symbol der Weisheit. ◗ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 1 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Die Vier Edlen Wahrheiten 1. Wahrheit vom Leiden »Was aber, ihr Mönche, ist die Edle Wahrheit vom Leiden? Geburt ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Sterben ist Leiden, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung sind Leiden; das NichtErlangen dessen, was man begehrt, ist Leiden; kurz gesagt: die fünf mit Anhaften verbundenen Gruppen des Daseins sind Leiden. 2. Wahrheit von der Entstehung des Leidens Was aber, ihr Mönche, ist die Edle Wahrheit von der Leidensentstehung? Es ist jenes Wiederdasein erzeugende, von Lust und Gier begleitete, bald hier, bald dort sich ergötzende Begehren, nämlich das sinnliche Begehren, das Daseinsbegehren, das Selbstvernichtungsbegehren. 3. Wahrheit von der Aufhebung des Leidens Was aber, ihr Mönche, ist die Edle Wahrheit von der Leidenserlöschung? Es ist eben dieses Begehrens restloses Erlöschen, Aufgeben, Loslassen, Befreiung und Loslösung davon. 4. Wahrheit vom Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt Was aber, ihr Mönche, ist die Edle Wahrheit von dem zur Leidenserlöschung führenden edlen Pfade? Es ist jener Edle Achtfache Pfad, nämlich: vollkommene Erkenntnis, vollkommener Entschluß, vollkommene Rede, vollkommenes Handeln, vollkommener Lebenserwerb, vollkommene Anstrengung, vollkommene Achtsamkeit, vollkommne Sammlung.« (Zit. nach: Nayanatiloka: Buddhistisches Wörterbuch, 2. rev. Aufl., Konstanz 1976) CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 2 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Legenden von der wunderbaren Empfängnis Buddhas und Jesu Es war Frühling, die schönste der Jahreszeiten. Die Bäume standen in reichem Blätterschmuck, die herrlichsten Blüten zierten sie in Überfülle. Kälte, Hitze, Dunkelheit und Staub waren vergangen. Junger, weicher Rasen bedeckte den Boden. Da ließ sich der Herr der drei Welten, der von allen Wesen verehrte Bodhisvatta, nach genauer Prüfung, zur richtigen Zeit aus dem TushitaHimmel herab. Es war am fünfzehnten Tage des Monats, und der Vollmond stand in Konjunktion mit dem Sternbild Pusya. Klar und bei vollem Bewusstsein ging er, als ein junger weißer Elefant mit sechs Stoßzähnen, zur rechten Seite in den Leib seiner Mutter ein, als diese gerade Fasttage hielt … Die Königin Maya war beseligt auf ihrem Lager eingeschlafen und träumte … Nie vorher hatte sie etwas so Schönes gesehen und gehört, nie ähnliche Wonne empfunden. Es war ein Gefühl körperlichen Glücks und gleichzeitiger Beseligung des Gemüts, das wie in tiefste Versenkung entrückt war. Aus dem Lalitavistara (nach: Karl-Heinz Golzio, Der Kaufmann, der eine bessere Predigt forderte. Lesebuch zum Buddhismus, Düsseldorf 1995, S. 26) Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel. Lukas 1,26-38 CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 3 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Parallelen Gautama – Jesus (nach: H. Küng, Spurensuche, S. 161f) Verhalten Verkündigung Gautama wie Jesus ◗ sprechen keine Gelehrten- oder Sakralsprache, sondern Umgangssprache; ◗ verwenden allgemeinverständliche, eingängige Spruchworte, Kurzgeschichten, Gleichnisse aus dem Alltag; ◗ appellieren an die Vernunft des Menschen; ◗ sehen in Gier, Macht, Verblendung die große Versuchung; ◗ sind durch kein Amt legitimiert; ◗ stehen in Opposition zum religiösen Establishment; ◗ scharen früh einen kleinen Jüngerkreis um sich; ◗ hinterlassen keine Niederschrift ihrer Lehre. Gautama wie Jesus ◗ treten als Lehrer auf; ◗ haben eine dringende, eine frohe Botschaft (der »Dharma«, das »Evangelium«); ◗ fordern nicht Orthodoxie, rechte Lehre, sondern Orthopraxie, rechtes Handeln; ◗ geben keine Welterklärung oder geheime Offenbarungen; ◗ gehen aus von der Vorläufigkeit und Vergänglichkeit der Welt; ◗ zeigen einen Weg der Erlösung aus Ichsucht und Weltverfallenheit; ◗ weisen einen Weg der Mitte: gleiche ethische Gebote (nicht töten, lügen, stehlen, Unzucht treiben); ◗ fordern Umkehr und Umdenken: Güte, Mitfreude, liebendes Mitleid (Buddha), mitleidende Liebe (Jesus). CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 4 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Eine Gemeinschaft aus Mönchen und Laien Sangha (»Menge«, »Schar«) Grundgebote für Novizen Buddhistische Gemeinde im engeren Sinn: Mönche, Nonnen, Novizen (Bewerber um ein Leben im Kloster). ◗ Später: die Gemeinschaft aller Gläubigen, auch der Laien (Nicht-Mönche). ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ Mönche ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ Tragen immer eine Ordenstracht. Verzichten auf Kopfhaar und persönliches Eigentum. Sollen nur nur acht Gegenstände besitzen: Almosenschale, Gürtel, Rasiermesser, Nadel, Zahnstocher und Sieb. Schenken dem Volk den Dharma, Buddhas Lehre. Stehen für häusliche Zeremonien zur Verfügung: Heirat, Totenfeier, Segnung einer neuen Wohnung. CD-ROM „Spurensuche“ Nur einmal täglich essen. Vergnügungen (Tanz, Festlichkeiten) meiden. Kein Schmuck und keine Parfums. Kein luxuriöses Bett oder Stuhl. Kein Geld für sich selber. Darüber hinaus, je nach Orden, zwischen 227 und 400 Regeln. Laien Geben den Mönchen Nahrung (in Thailand und Birma noch heute auf offener Straße). ◗ Unterstützen einzelne Mönche mit Sachspenden oder finanzieren ganze Klöster mit Stiftungen und Schenkungen. ◗ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 5 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog »10 Gebote« in Buddhismus und Judentum Buddhismus Judentum »Ich gelobe (übe ein) … »Ich bin der Herr, dein Gott … ◗ Kein Leben zu zerstören. ◗ Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen. ◗ Keine Dinge zu nehmen, die nicht gegeben werden. ◗ Du sollst den Namen deines Gottes nicht mißbrauchen. ◗ Denk an den Sabbat; halte ihn heilig. ◗ Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das dein Gott dir gibt. ◗ Du sollst nicht morden. ◗ Du sollst nicht die Ehe brechen. ◗ Du sollst nicht stehlen. ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ Enthaltung von unkeuschem Wandel. Vermeidung von Lüge. Verbot von Rausch durch den Genuss berauschender Getränke. Verzicht auf alles Essen nach Mittag. Abstinenz von Tanz, Gesang, Musik und Schauspielen. ◗ Verzicht auf Körperschmuck durch Blumenkränze, Wohlgerüche, Schminke und Salben. ◗ Du sollst nicht falsch gegen einen anderen aussagen. ◗ Nichtbenutzung hoher und üppiger Betten. ◗ Du sollst nicht nach der Frau eines anderen verlangen. ◗ Kein Gold und Silber annehmen. ◗ Du sollst nicht nach dem Haus eines anderen verlangen oder nach irgend etwas, das dem andern gehört. Die ersten 5 Gebote gelten für alle, also für Laien und Mönche, die letzten 5 Gebote nur für Mönche. CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 6 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Die drei »Fahrzeuge« des Buddhismus Schon früh führt man im Buddhismus das Konzept des »Fahrzeugs« ein: als »Gefährt«, mit dem der Übende den Weg zur Erleuchtung zurücklegt. Die bekanntesten von ihnen entsprechen jenen drei großen Schulrichtungen, die wir heute im Buddhismus unterscheiden. Hinayana (»Kleines Fahrzeug«) Mahayana (»Großes Fahrzeug«) Abwertende Bezeichnung jener konservativen Mönche, die in den ersten Streitigkeiten um die richtige Nachfolge Buddhas behaupteten, die »Lehre der Ältesten« zu bewahren. Deshalb auch Theravada (»Lehre der Ordensältesten«) genannt. Faktisch jener »südliche Buddhismus«, der heute in Sri Lanka, Thailand, Birma, Kambodscha und Laos verbreitet ist. ◗ Nur Mönche können die Erlösung erlangen, Laien können bestenfalls gute Verdienste sammeln. ◗ Weltentsagende Mönche, die allein oder in Klöstern ein bescheidenes Leben führen sollen Jene, die – neben einer Neuinterpretation zentrlar Lehren – u.a. für eine Öffnung des Sangha für Laien eintraten und die – anders als das »Kleine« Fahrzeug – alle Wesen (nicht nur die Mönche) fähig zur Erlösung hielten. ◗ Bringt alle Menschen über den breiten Fluß des Leidens zum anderen Ufer der Erlösung: Laienreligion, die auch Nicht-Mönchen, auch den Frauen, das Erlangen der Erleuchtung verspricht. ◗ Entstehung mächtiger Mönchshierarchien mit feierlichen Titeln (Äbte, Erzäbte, Generaläbte), kostbaren Gewändern und großen Tempel- und Klosterreichtümern. Vajrayana (»Diamant-Fahrzeug«) Um die Mitte des 1. Jahrtausends entstanden; mit ihm flossen u.a. Magie und Ritualismus in den Buddhismus ein; verschmilzt mit dem Mahayana zum Tibetischen Buddhismus. CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 7 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Kaiser Ashoka (268-233 v. Chr.) (aus: H. Küng, Spurensuche, S. 169f) Der große Kaiser Ashoka (268-233 v. Chr.), Enkel des Chandragupta Maurya, hat nach dem Rückzug der Truppen Alexanders des Großen das erste indische Großreich begründet; nach einem blutigen Krieg umfaßt es schließlich fast den ganzen Subkontinent. In der reichen zentralindischen Handelsstadt Sanchi (nahe dem heutigen Bopal) hat er die Tochter eines Kaufmanns geheiratet, deren Sohn Mahendra den Buddhismus nach Sri Lanka bringt. Ashoka selber läßt in Sanchi den ursprünglichen Stupa errichten, der dem Urbild eines Grabhügels noch sehr nahesteht: ein erstes Zeichen für den Paradigmenwechsel zur Staats- und Kultreligion (P II). … Bis heute ist Ashoka, der als Buddhist sein früheres Blutvergießen bereut hat, das Idealbild eines buddhistischen Herrschers (cakravartin) geblieben. Wiewohl mit seiner Politik nicht unumstritten, werden seine Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Toleranz gegenüber anderen Religionen hervorgehoben. Und in der Tat will Ashoka jetzt nicht mehr durch das Schwert die Welt verändern, sondern durch den Dharma, das Gesetz des Buddha, das er in große Steininschriften einmeißeln läßt. Überall im Reich, auch in Sanchi, läßt er – wohl nach dem Vorbild der persischen Achämeniden – durch Ediktsäulen, mit Tierfiguren bekrönt und dem symbolischen Rad der Lehre geschmückt, Grundsätze der buddhistischen Ethik verkünden. Diese bis heute erhaltenen Säulen sind mit den Felsenedikten die ältesten erhaltenen monumentalen Zeugnisse indischer Kunst. CD-ROM „Spurensuche“ Zugleich begründet Ashoka einen Wohlfahrtsstaat mit Krankenhäusern für Menschen und Tiere, deren Unversehrtheit er ebenfalls schützen will. Auch vermacht er den buddhistischen Klöstern große Schenkungen, die zur Grundlage ihres wachsenden Reichtums werden. Nur die völlige Abschaffung der Jagd und des Tiereschlachtens erweist sich als undurchführbar. Ashoka macht deutlich: Die Lehre von der Überwindung des Leidens muß für Buddhisten keine soziale Passivität zur Folge haben. Und mit all dem begründet er die buddhistische Staatsreligion. Ashoka ist es auch, der Reliquien des Buddha an solche Orte des Reiches schicken läßt, wo dieser besonders tätig war. Schon bei dessen Tod gab es unter verschiedenen Fürsten der Gegend Streit um die Aschen- und Knochenreste des schließlich Hochberühmten. Jetzt wird der buddhistische Reliquienkult und Wunderglaube über das ganze Reich verbreitet, was den Absichten des Buddha sicher widersprach. Hier schon sehen wir also auch die buddhistische Kultreligion ausgebildet. Ashoka, Repräsentant auch staatlicher Zentralisierung und Nivellierung, ist so etwas wie ein buddhistischer Kaiser Konstantin, durch den der Buddhismus in Indien und darüber hinaus eine Staats-, Kult- und Volksreligion mit Reliquien und Wunderglauben wurde. Wie Konstantin beruft Ashoka ein Konzil ein, es ist schon das dritte Konzil der Buddhisten. Aber auch dieses Konzil vermochte die Spaltung nicht zu überbrücken, die sich langsam zwischen der Schule der Älteren, den späteren Theravada-Buddhisten, und der »Mehrheit« herausgebildet hatte. Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 8 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Die Ausbreitung des Buddhismus (aus: H. Küng, Spurensuche, S. 172) Mongolei Turfan Kuqa Peking Loulan Datong Seoul Jinan Taxila Kyoto Nara Kaifeng Shi'an Luoyang Lhasa an k Pa Ja pa n Kashgar ist Ne Sanchi China pal Varanasi Guangzhou La Pagan Ajanta s di nd na ila et In ha Vi Rangoon T en o Ellora Shaozhou Birma Bodh-Gaya Ph m Bangkok lip i pin Angkor en Anuradhapura Kambodscha Ma Sri Lanka Saigon lay siy a Su ma Bo P I (Urgemeinde) eo tra Ausbreitung des Buddhismus rn J ava Borobudur Prambanan B ali P II (Theravada) P III (Mahayana) P IV (Tibetischer Buddhismus) CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 9 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Hohe »Buddhologie« – hohe Christologie (nach: H. Küng, Spurensuche, S. 177f) Buddhismus Christentum Ist der Buddha nur Mensch und Lehrer (so die Theravada-Buddhisten) oder ein überweltliches ewiges Prinzip, das mit dem Absoluten identisch ist (so die Mahayana-Buddhisten)? ◗ Die Lehre von der Überwindung des Leidens kann unmöglich von einem menschlichen Geist erfunden worden sein; sie stammt von einem überweltlichen ewigen Wesen, das im historischen Buddha Gautama eine menschliche Gestalt angenommen hat (so die MahayanaBuddhisten). ◗ »Hohe Buddhologie« (Dreikörper-Lehre): Sichtbarer Erscheinungskörper (nirmanakaya) des historischen Buddha. Körper des Entzückens (samboghakaya) im Buddha-Paradies. Kosmischer, ewiger Dharmakörper (dharmakaya), identisch mit dem Gesetz des Universums, mit dem Absoluten. ◗ ◗ CD-ROM „Spurensuche“ Ist Jesus nur ein Mensch und die Rede von »Gottes Sohn« Ausdruck seiner inneren Beziehung zu Gott, in dessen Wirklichkeit er mit seinem Tod einging (so die ersten Judenchristen)? ◗ Liegt die Bedeutung des Erlösers Christus nicht gerade darin, daß er als Erlöser und »Sohn Gottes« seinem Wesen nach Teil hat an der Wirklichkeit Gottes, seit Ewigkeit bei ihm existiert und sich im Mensch Jesus inkarniert hat (so die ersten christlichen Apologeten und die frühen Konzilien)? ◗ »Hohe Christologie«: Leib des irdischen Jesus. Leib des verherrlichten und auferstandenen Christus. Leib des mit Gottes ewigen Logos identischen Christus). Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 10 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Der Tibetische Buddhismus (nach: H. Küng, Spurensuche, S. 165-167) Zur Geschichte ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ ◗ Auch »Lamaismus« genannt (tibetisch Lama = »Höherstehender«: religiöser Meister, Verkörperung des Buddha). Ab dem 8. Jahrhundert in Tibet, später auch in den angrenzenden Himalaja-Königtümern. Eigenständige Form des Mahayana, Synthese aus Mahayana, Vajrayana und tibetischer BönReligion. Erste Klostergründung: Kloster Samya (775) Rituale sehr vom Tantrismus geprägt. Farbenfroh-sinnliche Form des Buddhismus. Nach langen Schulstreitigkeiten setzen sich im 17. Jahrhundert die »Gelbhut-Mönche« durch, mit dem Dalai Lama als Oberhaupt. Das Mönchsleben Schon mit sechs oder sieben Jahren kann ein Kind – nur Jungen, keine Mädchen – in die Klosterschule aufgenommen werden. Dies bedeutet ein großes Verdienst und auch eine Ehre für die Eltern. Dem Kind ist eine gute klösterliche Bildung garantiert. Die Novizen lernen die heiligen Texte auswendig aus schmalen, breitformatigen Büchern, die, wie im alten China üblich, mit Holzmatrizen bedruckt sind. … Das Leben im Sangha umfaßt aber neben Meditation und Zeremonien auch das gründliche Studium der autoritativen buddhistischen Schriften. Doch die Studenten sollen den Dharma nicht nur studieren, sondern auch praktizieren und, wenn sie nicht das meditative Leben wählen, ihn an andere weitergeben. Während der Debatten sitzt der Prüfling. Der Prüfer, im Ausfallschritt, wirft ihm die Frage zu und beendet sie jedesmal mit lautem Klatschen. So werden Dialektik und Rhetorik gelernt, schnelles analytisches Denken und rhetorische Überzeugungskraft. … CD-ROM „Spurensuche“ Vor allem die Mönche Tibets, die viel vom indischen Tantrismus gelernt haben, verstehen es, in verschiedenster Gestalt kleine und große Meditationsbilder herzustellen: Mandalas (Sanskrit für »Kreis«, »Ring«, »Bogen«, »Abschnitt«). Diese Diagramme verbinden konzentrische Kreise mit Quadraten. Sie wollen kosmische Kräfte, die Götterwelt oder auch die psychische Persönlichkeitsstruktur des Übenden, oft in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit, zur Darstellung bringen. Ein ganzes mystisches Universum oder einer seiner Aspekte wird hier entfaltet, Symbole der äußeren kosmischen wie der inneren spirituellen Ordnung. Buddhas, Bodhisattvas, Schutzgottheiten und Schutzheilige sollen helfen, um die Leere der Welt und ihrer Erscheinungen zu durchschauen und Erleuchtung zu finden. … Der Meditierende konzentriert seine Gedanken auf bestimmte Aspekte des Mandala, in dem alles gleichnishaft und geheimnisvoll ist, und vertieft sich darin: in Einheit von Innenwelt und Außenwelt ein Weg zur Einheit mit einer letzten Wirklichkeit. In langen Jahren der Übung hat er es gelernt, Farben, Formen und Gestalten in endlosen Reihen zu verknüpfen und alle möglichen Symbole zu assoziieren … Im Westen sind vor allem die höchst komplexen farbigen, auf Reispapier gemalten Rollbilder (thankas) bekannt, von Buddhas, Bodhisattvas, Gottheiten, vom Rad der Zeit und vom Kosmos. Oft arbeiten mehrere Mönche tagelang an einem großen Sandmandala: Verschiedenfarbiger feinster Sand wird mit Hilfe nadeldünner Trichteröffnungen minutiös gestreut zur Herstellung eines kunstvoll-komplexen Meditationsbildes. Dieses wird aber dann, um die Vergänglichkeit alles Seins zu demonstrieren, wieder in alle Winde zerstreut oder in einen Fluß geschüttet. Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 11 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog Der ZEN-Buddhismus »Zen« ist eine Abkürzung des japanischen »zenna«, chinesisch ch‘ann-na, einer Übersetzung des Sanskrit-Wortes dhyana – »Sammlung des Geistes«. Seinen Ursprung hat der Zen-Buddhismus in einer Mahayana-Reformbewegung (ch‘an) des 6./ 7. Jahrhunderts in China: eine Synthese aus Meditations-Buddhismus (dhyana) und Daoismus. Er gelangt im 13. Jahundert nach Japan. Im »kleinen Fahrzeug«, dem Hinayana, ging man davon aus, daß die menschliche Existenz ver- CD-ROM „Spurensuche“ gänglich, ohne Bestand, leidvoll und damit letztlich »leer« sei. Die Erlösung, das »Nirvana« (Sanskrit »Verlöschen«) besteht in der Überwindung von Haß, Gier und Verblendung; damit wird der Mensch frei von der Determiniertheit durch die eigenen Taten (karma). Im »großen Fahrzeug« und besonders im Zen gelangte man zu der Überzeugung, die gesamte Wirklichkeit sei Nicht-Wesenheit: nichts existiere aus sich selbst, ja nichts habe ein »Selbst«, alles sei im Grunde »leer«. Die Erlösung, das Nirvana bestehe in der unmittelbaren Erfahrung dieser »Leere« (shunyata) als dem Urgrund allen Seins. Dazu dient im Zen-Buddhismus das Za-Zen: das absichtslose, stille Sitzen in Versunkenheit zur inneren Sammlung und Leerwerden des Geistes; Pardoxe Rätsel, Koans, sollen helfen, aus den Zwängen des Denken auszubrechen: loszulassen, leerzuwerden, den Urgrund des Seins zu erkennen. Materialienblatt zum Buddhismus Blatt 12 von 12 ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ © 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog