c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 1 Der Begriff der Entropie in der Thermodynamik Einleitung In der Thermodynamik spielen drei Merkmale eines Systems und ihre Beziehungen zueinander eine wesentliche Rolle, nämlich die thermische Energie Q, die Temperatur h i T und die Entropie S mit den SI-Einheiten: [Joule], [Kelvin] Joule und . Die thermodynamische “Entropie” kann im Gegensatz zur Kelvin Entropie einer Wahrscheinlichkeitsverteilung als eine geheimnisvolle Größe angesehen werden für die viele widersprüchliche oder kaum verständliche Interpretationen existieren. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass diese Größe, die kaum einer versteht, von der aber in der Physik behauptet wird, dass sie den “Lauf” des Universums bestimmt, in allen Bereichen zur Erklärung der unterschiedlichsten Phänomene herangezogen wird. Beispielsweise werden mit Hilfe der thermodynamischen Entropie in der Physik Aussagen über das Schicksal des Universum gemacht. Danach ist das Ende des Universums ein Zustand maximaler Entropie, der auch als “Wärmetod” bezeichnet wird. Eine Schlussfolgerung daraus ist [10]: Wer den Entropiegedanken verstanden hat, gewinnt Einblicke in Gut und Böse, er labt sich gewissermaßen vom Baum der Erkenntnis. Im Folgenden soll der Begriff der thermodynamischen Entropie entmythologisiert werden. Der Begriff soll zudem dazu verwendet werden, das generelle Vorgehen der Physik bei der Entwicklung von “Theorien” zu beschreiben. Das Vorgehen beruht nicht auf der Realität, sondern folgt den mathematischen Herleitungen. Die Entropie und der 2. Hauptsatz der Thermodynamik In der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte Rudolf Clausius (1822–1888), dass es unmöglich ist, dass Wärme von selbst von einem kälteren zu einem wärmeren Körper fließt. Er schloss daraus, dass alle Vorgänge in der Natur in Richtung eines thermischen Gleichgewichts verlaufen. Der Makrozustand eines im thermischen Gleichgewicht befindlichen Systems kann nach Clausius mit Hilfe einer Größe beschrieben werden, die er mit S bezeichnete und für die er den Namen Entropie wählte. Zwischen der Entropie S der Temperatur T und der Energie Q eines abgeschlossenen Systems im Gleichgewicht schlug Clausisus die folgende Beziehung vor: c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 2 Q (1) T Welche reale Größe die Entropie dabei allerdings darstellt, wird in der Physik nicht klar angegeben. Im Gegenteil, es existieren viele, zum Teil widersprüchliche Interpretationen der Größe S. Dabei finden sich folgende Interpretationen: S= • Die Entropie ist ein (logarithmisches) Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustands, ein Maß für die “Unordnung” in einem System ([2], S. 19). Kommentar: Eine Wahrscheinlichkeit sollte sich auf ein zukünftiges Ereignis beziehen. Sie ist ein Maß für die Neigung des Ereignisses, tatsächlich einzutreten. Es scheint, dass hier “Wahrscheinlichkeit” mit “Unordnung” interpretiert wird. Eine große Wahrscheinlichkeit für einen Zustand bedeutet danach große Unordnung im System. Da Unordnung kein in der Wissenschaft definierter Begriff ist, muss diese Interpretation mehr verwirren als erklären. • Die Größe Entropie ist aus atomistischer Sicht ein Maß für – die Menge der atomaren Unordnung in einem Körper, – und zwar hinsichtlich Art, Lage und Bewegung der Atome, genauer gesagt, hinsichtlich jedweden Merkmals, durch das sich Atomgesamtheiten voneinander unterscheiden können ([3], S. 19). Kommentar: Der Übergang von “Unordnung” zu “Menge der Unordnung” macht die Aussage nicht klarer, sondern noch unverständlicher, denn was bedeutet hier ”Menge”? Auch der Hinweis, auf welche Merkmale sich die Unordnung beziehen kann, macht die Aussage nicht verständlicher. • Als Maß für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Makrozustandes zur selben Energie (= Temperatur) definieren wir eine neue fundamentale Größe, die Entropie S des Zustands ([5], §5.3.1). Kommentar: Wie in der ersten Interpretation wird hier die Entropie als Maß für eine Wahrscheinlichkeit eingeführt, wobei auch noch Energie mit Temperatur gleichgesetzt wird. Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit wird der Zufall quantifiziert, damit ist die Wahrscheinlichkeit ein Maß. Es scheint, dass der Begriff der Wahrscheinlichkeit hier in einem ganz anderen Sinn verwendet wird, woraus sich natürlich Missverständnisse c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 3 ergeben müssen. Die Wahrscheinlichkeit ist ein Maß für den Zufall, so wie der Meter ein Maß für die Länge ist. Ein gesondertes Maß für das Längenmaß Meter einzuführen, würde keinen Sinn ergeben. Neben diesen “wissenschaftlichen” Erklärungsversuchen existieren viele “anschauliche” Erklärungen der Entropie, die aber auch nicht viel zum Verständnis beigetragen haben. Eine davon lautet folgendermaßen [6]: Sitzen Sie gerade an Ihrem Schreibtisch mit einer dampfenden Tasse Kaffee? Dann wünsche ich Ihnen, dass Folgendes nicht passiert: Sie stoßen zufällig an die Tasse, diese fällt nach unten und zerbricht, wobei sich der Kaffee auf dem Teppichboden verteilt. Sowas ist ärgerlich, aber jederzeit möglich. Das kann leicht passsieren, und vielleicht ist es Ihnen auch schon selbst passiert. Ist Ihnen auch Folgendes schon passiert? Der heiße Kaffee auf dem Teppichboden kühlt sich plötzlich ab. Die dadurch frei werdende Energie nutzt der Kaffee, um in Richtung Tasse zu fließen, welche sich ebenfalls abkühlt und mit dem Kaffee zusammen wieder auf den Tisch fliegt. Unmöglich, sagen Sie? Nun, energetisch gesehen keinesfalls. Gehen wir davon aus, dass sich sowohl Kaffee als auch Tasse um 70◦ C abkühlen, so entspricht - grob geschätzt die dabei frei werdende Energie dem 1000fachen derjenigen Energie, die nötig wäre, um wieder auf den Schreibtisch zu “fliegen”. Möglich wäre es also. Aber es ist unwahrscheinlich. So unwahrscheinlich, dass es seit Bestehen des Universums noch nirgends im Universum passiert ist. Es muss also neben der Energie noch eine andere Größe geben, die den “Lauf ” des Universums bestimmt. Diese Größe nennt man Entropie. Nach dem derzeitigen Glaubensstand in der Physik ist der im obigen Beispiel wiedergegebene Vorgang also möglich, wenn auch sehr, sehr unwahrscheinlich und zwar wegen der Existenz einer Größe namens “Entropie”, die wesentlich den “Lauf” des Universums bestimmt. Um die dieser Aussage zugrunde liegende Theorie empirisch zu beweisen, wäre es nötig, einmal den oben beschriebenen Vorgang zu beobachten. Statt mit Milliardenaufwand dem geheimnisvollen Higgs-Teilchen nachzuspüren, wäre es vielleicht sinnvoller, viele, viele Kaffeetassen fallen zu lassen, um irgendwann das mögliche, aber unwahrscheinliche Ereignis zu beobachten, dass Tasse und Kaffee wieder zurück auf den Tisch fließen. c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 4 Der Begriff der Entropie ist eng mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik verknüpft und daher macht es Sinn, ihn zum besseren Verständnis der Entropie anzusehen. Auch für den 2. Hauptsatz gibt es verschiedene Formulierungen: 1. Rudolf Clausius: Wärme fließt natürlicherweise vom warmen zum kalten Körper; sie fließt nicht spontan vom kalten zum warmen Körper. 2. William Thomson: Es gibt keine Maschine, deren einzige Wirkung darin besteht, eine gegebene Wärmemenge vollständig in Arbeit umzuwandeln. 3. Formulierung mit Hilfe der Entropie: Die gesamte Entropie S eines jeden Systems plus die seiner Umgebung wächst als Resultat jedes natürlichen Prozesses: ∆S = ∆Ssyst + ∆Sumg > 0 (2) Die verschiedenen Formulierungen des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik beantworten die Frage, wie die durch Clausius eingeführte Entropie zu interpretieren ist, nicht. Aber immerhin zeigen sie, dass dabei Wärme, Wärmemenge und Arbeit (oder Energie) eine Rolle spielen und dass die Entropie des Universums (als Summe der Entropien aller Teilsysteme) im Gegensatz zur Energie wächst, während die Energie nach der Theorie stets konstant bleibt. Wärme, Energie und Entropie In [4], S. 21 und 22, wird die thermische Arbeit mit der elektrischen und mechanischen Arbeit verglichen: Wenn wir in einen Gegenstand Wärme hineindrücken, dann müssen wir gegen seine thermische Spannung T Arbeit verrichten, genau wie beim Aufladen eines Körpers gegen sein elektrisches Potential φ und dem Füllen einer Gummiblase mit Wasser gegen den innen herrschenden Druck p. Bei der Zufuhr der Wärme dS, der Ladung dQ oder des Wasservolumens dV beträgt diese dW = T dS thermische Arbeit, dW = φdQ elektrische Arbeit, dW = pdV mechanische Arbeit. c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 5 Die obigen Beziehungen beschreiben in differentieller Form Zustandsänderungen. In absoluter Form als Zustandsbeschreibungen ergibt sich für die in einem System enthaltene thermische Energie Q: Q = TS (3) wobei • T = Wärmepotential oder Temperatur • S = Wärmemenge • Q = Wärmeenergie oder thermische Energie In [8], S. 33, heißt es dazu: Indem man der energetischen Größe Q den Namen “Wärmemenge” gab und damit die ganzen Assoziationen, die mit diesem Wort verbunden sind, an diesen Begriff knüpfte, konnte man die Größe S nicht mehr anschaulich deuten; sie konnte nur formal eingeführt werden und musste abstrakt bleiben. Die analogen Definitionen in anderen Zweigen der Physik zeigen, dass die Entropie S eines Systems gerade die im System enthaltene Wärmemenge ist. • Die Wärmemenge S bestimmt zusammen mit der Temperatur (= thermisches Potential) T die Wärmeenergie Q des Systems. • In gleicher Weise ergibt sich aus der elektrischen Ladungsmenge zusammen mit der vorliegenden Spannung (= elektrisches Potential) die elektrische Energie. • Genauso erhält man auch die potentielle Energie eines Körpers aus seiner Masse (= Materiemenge) und seinem Potential (Produkt aus Höhe und Gravitationsbeschleunigung). Die Richtigkeit der Interpretation der Entropie als Wärmemenge ersieht man auch aus der Definition der Wärmekapazität eines Systems, die durch eine Wärmemenge £ J ¤ gegeben ist und die gleiche Einheit hat wie die Entropie S, nämlich K . Die Entropie eines Systems bezeichnet also die im System enthaltene Wärmemenge. Um damit in ähnlicher Weise operieren zu können wie mit der Elektrizitätsmenge oder der Materiemenge muss die Wärmemenge quantifiziert werden. Eine Elektrizitätsmenge wird mit Hilfe der Mikrogröße Elementarladung c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 6 e = 1, 602176565 10−19 C (Coulomb) quantifiziert, während eine Materiemenge mit Hilfe der Makrogröße des Urkilogramms quantifiziert wird. Somit stellt sich die Frage, wie die Entropie bzw. die Wärmemenge quantifiziert werden kann. Quantifizierung der Entropie durch Boltzmann Ludwig Boltzmann gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der Quantenphysik und der Evolutionstheorie. Zu seinen bekanntesten Ergebnissen gehört die atomistisch-molekulare Quantifizierung der von Clausius eingeführten Entropie. Damit begründete er die statistische Mechanik, und die Thermodynamik erhielt eine neue Form. Die auf Boltzmann und Max Planck zurückgehende Quantifizierung der Entropie eines Systems basiert auf den möglichen Mikrozuständen eines gegebenen Makrozustandes. Ein Makrozustand eines Systems ist dabei durch Angabe der Werte einiger weniger phänomenologischer Zustandsgrößen, wie Druck, Temperatur oder Energie bestimmt. Ein Mikrozustand ist durch die Angabe der Ortskoordinaten, der Impulskoordinaten aller Teilchen des Systems festgelegt. Der Mikrozustand eines Systems mit n Teilchen besteht also aus n Punkten in einem mindestens 6-dimensionalen Phasenraum. Ein thermodynamischer Gleichgewichtszustand eines abgeschlossenen Systems ist durch die zeitliche Konstanz aller makroskopischen Größen charakterisiert. Ein Gleichgewichtszustand kann durch die Menge der unterscheidbaren Mikrozustände repräsentiert werden, die alle bezüglich des Gleichgewichtszustandes äquivalent sind. Angenommen, die Anzahl dieser äquivalenten Mikrozustände sei N , dann wird N in der Thermodynamik als die “thermodynamische Wahrscheinlichkeit” des zugehörigen Makrozustandes bezeichnet. Ersichtlich hat die thermodynamische Wahrscheinlichkeit nichts mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff der Bernoulli Stochastik gemein. Letzterer bezieht sich auf ein zukünftiges Ereignis und quantifiziert den Zufall durch den Grad der Sicherheit des Eintretens des betrachteten Ereignisses. Im Gegensatz dazu beschreibt die thermodynamische Wahrscheinlichkeit einen ganz speziellen Aspekt eines thermodynamischen Gleichgewichtszustandes des gegebenen Systems. Die Verwendung des Begriffs der Wahrscheinlichkeit in der statistischen Thermodynamik darf also nicht dahingehend gedeutet werden, dass der Zufall betrachtet wird. Tatsächlich kommt der Zufall in der statistischen Thermodynamik nicht vor. Für die zeitliche Abfolge der Mikrozustände werden nämlich deterministische Bewegungsgleichungen angenommen, was jede zufällige Ent- c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 7 wicklung ausschließt. Allerdings kennt der Beobachter den Anfangszustand nicht und weiß nur, dass der Anfangszustand einer von N zulässigen Mikrozustände sein muss. Diese Unwissenheit oder Ignoranz erzeugt Unsicherheit, die natürlich mit der Anzahl der möglichen Mikrozustände N anwächst. Aber es sollte klar sein, dass die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung sich gemäß der gemachten Annahmen ausschließlich auf den Beobachter (erzeugt durch Unwissenheit) und nicht auf das System selbst bezieht. Auf Boltzmann und Planck geht die folgende Quantifizierung der Entropie oder Wärmemenge S eines abgschlossenen Systems im Gleichgewicht mit Hilfe der Anzahl der zulässigen Mikrozustände zurück: S = k ln N wobei k die sogenannte Boltzmann-Konstante ist: · ¸ J R −23 k= = 1.381 10 Na K (4) (5) £ J ¤ die mit Hilfe der universellen Gaskonstante£ R = 8.3144621 und der mol K ¤ 1 Avogadroschen Zahl Na = 6.02214129 1023 mol definiert ist. Die auf der Quantifizierung (5) beruhende Version der Thermodynamik wird statistische Thermodynamik genannt. Die statistische Thermodynamik versucht mit Hilfe der Gesetze der klassischen Mechanik und der Quantenmechnik die makroskopischen Eigenschaften eines Systems aus den Eigenschaften der Atome und Moleküle des Systems herzuleiten. Da die Anzahl der involvierten Teilchen sehr groß ist (größer als 1020 ), ist die Lösung der relevanten Bewegungsgleichungen praktisch unmöglich. Aus diesem Grund werden zur Untersuchung nur “statistische” Größen verwendet, die durch Mittelwertbildung bestimmt werden. Der Name “statistische Thermodynamik” ist also nur ein Hinweis auf die simplifizierte Art der Berechnungen und bedeutet nicht, dass der deterministische Ansatz in der Physik aufgegeben wird. Enthält ein System keinerlei Wärmemenge, dann gilt natürlich S = 0. Ein System ohne Wärmemenge (Entropie S = 0) hat nur einen einzigen Mikrozustand (N = 1) (alle Teilchen sind bildlich gesprochen festgefroren) und muss daher notwendig eine Temperatur haben, die dem absoluten Nullpunkt (T = 0) entspricht (3. Hauptsatz der Thermodynamik). Leitet man in ein solches System Wärmemenge (= Entropie) ein, dann erhöht sich die Anzahl N der Mikrozustände, denn die Teilchen beginnen sich zu bewegen und verschiedene Energieniveaus anzunehmen. Die Temperatur muss dabei nicht notwendig ansteigen, da die zusätzliche Wärmemenge auch zu einer Pha- c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 8 senänderung (z.B. fest nach flüssig) der beteiligten Materie verwendet werden kann. In einem solchen Fall wächst die Wärmemenge (= Entropie) S bei konstanter Temperatur T . Aus der Quantifizierung der Wärmemenge (Entropie) (5) folgt: • Die Anzahl der Mikrozustände eines Systems im Gleichgewicht wächst nicht linear, sondern exponentiell mit der Wärmemenge. Es gilt: N = eS k (6) • Die Zahl N der Mikrozustände bezieht sich auf die möglichen Werte der Ortskoordinaten und der Impulskoordinaten der einzelnen Teilchen. Ersichtlich gehen die beiden Möglichkeiten bei der Quantifizierung in gleicher Weise ein, d.h. welche der beiden Möglichkeiten jeweils dominierend ist, kann der Formel (5) nicht entnommen werden. Wegen der vielen Fehlinterpretationen der Entropie wird hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die Entropie oder Wärmemenge nichts mit dem Zufall zu tun hat. Eine gegebene Menge ist eine Tatsache und kann in sinnvoller Weise nicht durch ein zukünftiges Ereignis oder dessen Wahrscheinlichkeit repräsentiert werden. Irreversibilität thermodynamischer Vorgänge Aus Erfahrung weiß man, dass jedes System, in dem die Wärmemenge ungleichmäßig verteilt ist, nach einiger Zeit in einen sogenannten thermischen Gleichgewichtszustand übergeht. Ein solcher Gleichgewichtszustand ist dadurch ausgezeichnet, dass das System überall denselben Wert der Temperatur hat und dieser sich nicht ändert. Diese Erfahrung ist Inhalt des 2. Hauptsatz der Thermodynamik, nach dem Wärme (= Wärmemenge oder Entropie) stets vom größeren zum kleineren Potential fließt und nicht umgekehrt. Aus dem 2. Hauptsatz folgt, dass mit Sicherheit (Wahrscheinlichkeit 1) ein abgeschlossenes System in den entsprechenden thermischen Gleichgewichtszustand übergeht. Das Erreichen des Gleichgewichtszustandes unterliegt also nicht dem Zufall, wohl aber die dafür benötigte Zeit, die allerdings in der Thermodynamik keine zentrale Rolle spielt. Der Gleichgewichtszustand ist also das sichere Ereignis, so wie für jedes Lebewesen der Tod ein sicheres und irreversibles Ereignis darstellt. Die Irreversiblität der Entwicklung zum Gleichgewichtszustand lässt sich aus den deterministischen Bewegunggleichungen der statistischen Thermodynamik natürlich nicht herleiten. Diese prinzupielle Schwierigkeit ist natürlich c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 9 sehr wohl bekannt. Der Physiker Peter T. Landsberg (1922–2010) schreibt dazu (vgl. [10], p. 59): The Spreading of Gas into a Vacuum The most natural occurrence becomes problematical if one recalls that molecular collisions (insofar as they are elastic) are reversible in time. Thus the entropy is constant and states of the system will recur again and again (Poincaré recurrence). For example, a three-particle gas started off in the left half of a box will come back to essentially this same state again and again. The principles of mechanics should thus make it rather difficult for a gas to expand into a vacuum, since it should contract back again from time to time. Um dieses grundsätzliche Problem zu lösen, ohne die offensichtlich inadäquaten Annahmen über die Bewegungsgesetze aufzugeben, wird in der statistischen Thermodynamik versucht, die Irreversibilität damit zu erklären, dass der Gleichgewichtszustand die größte thermodynamische Wahrscheinlichkeit, d.h. die größte Zahl von zulässigen Mikrozuständen unter allen Makrozuständen hat. Dazu heißt es (vgl. [9], S. 164): Schon bei relativ kleinen Abweichungen vom Gleichgewichtszustand nimmt die Zahl der Realisierungsmöglichkeiten und damit die thermodynamische Wahrscheinlichkeit stark ab, so dass die Rückkehr von dem Gleichgewichtszustand zu dem ursprünglichen Nichtgleichgewichtszustand sehr unwahrscheinlich ist. Zustandsänderungen, die zu Zuständen größerer Wahrscheinlichkeit führen, sind also unumkehrbar, irreversibel. Diese Aussage ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: 1. Die Behauptung, dass der Gleichgewichtszustand die größte thermodynamische Wahrscheinlichkeit darstellt, wird nicht bewiesen und ist auch nicht plausibel. Das soll an einem kleinen Beispiel erläutert werden. Man betrachte ein abgschlossenes System mit vier nicht unterscheidbaren Teilchen, wobei jedes Teilchen 8 verschiedene unterscheidbare Zustände annehmen kann. Gleichgewicht liege vor, wenn jedes Teilchen einen von jeweils 2 der 8 Zustände annimmt. In diesem Fall existieren 24 = 16 für den Gleichgewichtzustand zulässige Mikrozustände, aber 84 − 24 = 4080 Mikrozustände, die zu Ungleichgewichtszuständen gehören. c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 10 2. Die statistische Thermodynamik beruht darauf, dass alle Entwicklungen im Mikrobereich deterministisch ablaufen. Es macht daher keinen Sinn, von wahrscheinlichen oder unwahrscheinlichen Entwicklungen zu sprechen. 3. Die Unumkehrbarkeit einer Entwicklung kann nicht mit Unwahrscheinlichkeit definiert werden, denn jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass sehr wohl unwahrscheinliche Entwicklungen eintreten können. Die Schwierigkeiten der statistischen Themodynamik resultieren daraus, dass zufällige Entwicklungen mit Hilfe deterministischer Gesetze beschrieben werden. Der Versuch, mit willkürlich definierten thermodynamischen Wahrscheinlichkeiten den Widerspruch zur Realität aufzuheben, muss natürlich fehlschlagen. Die Irreversibilität des Wärmeübergangs führte zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik, wie er von Clausius formuliert wurde. Aus ihm folgt, dass Wärme mit positiver Wahrscheinlichkeit nur von warm nach kalt fließt, wobei sich die Wahrscheinlichkeit auf die Größe, aber nicht die Existenz des Wärmeflusses bezieht. Ist der zeitliche Wärmefluss, der vom Zufall abhängt, von Interesse, dann sollte er mit einem stochastischen Modell beschrieben werden. Entropie als Unordnung In den vielen Lehrbüchern der Thermodynamik wird die thermodynamische Entropie als ein Maß für Unordnung eingeführt. Dazu heißt es zum Beispiel in [9] auf Seite 167: Ein Zustand mit einer großen Zahl von Realisierungsmöglichkeiten ist ein Zustand großer Unordnung. Daher kann man die thermodynamische Wahrscheinlichkeit und damit auch die Entropie als einen quantitativen Ausdruck für den qualitativen Begriff der Unordnung auffassen. Der zweite Hauptsatz sagt dann aus, dass ein irreversibler Prozess vom unwahrscheinlichen Zustand hoher Ordnung zum wahrscheinlicheren Zustand größerer Unordnung führt. Spontane Prozesse gehen stets in Richtung größerer Unordnung. Die Unordnung ist also treibende Kraft aller natürlicher Vorgänge. Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik fließt die Wärme vom Warmen zum Kalten bis sie gleichmäßig verteilt ist und damit ein stabiler Systemzustand, d.h. ein Gleichgewichtszustand, erreicht ist. In einem stabilen thermodynamischen Makrozustand ist die Wärmemenge gleichmäßig verteilt und es c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 11 herrscht eine konstante Temperatur, daher kann er nicht von selbst verlassen werden. Alle zum Gleichgewichtszustand gehörenden Mikrozustände sind bezüglich des Makrozustandes äquivalent, d.h. gleichwertig. Die Begriffe Ordnung und Unordnung werden im Rahmen der statistischen Thermodynamik verwendet, um die “geheimnisvolle” Größe Entropie anschaulicher zu machen. Dabei wird offensichtlich vorausgesetzt, dass die Begriffe Ordnung und Unordnung eindeutig definiert und für alle Menschen leicht verständlich sind. Diese Annahme ist natürlich falsch. Ordnung und Unordnung beziehen sich auf die Anordnung gewisser Elemente gemäß einem vorgegebenen Kriterium. Wenn ein solches Kriterium nicht vorgegeben ist, dann sind Ordnung oder Unordnung nicht definiert und ihre Verwendung muss notwendig zu Missverständnissen führen. Ein System im Gleichgewicht ist ein stabiles System, d.h. es verlässt den einmal erreichten Zustand nicht von selbst. Wählt man die Stabilität eines Systems als Ordnungskriterium, dann folgt, dass ein stabiles System perfekte Ordnung darstellt, denn in einem stabilen System sind alle Teile an dem für sie vorbestimmten, stabilität-garantierenden Platz. Jede Änderung dieser Ordnung bedeutet Instabilität und daher Abweichung von der Ordnung. Aus der Tatsache, dass jedes natürliche abgeschlossene System mit Sicherheit in einen stabilen Gleichgewichtszustand übergeht, folgt, dass nicht die Unordnung, sondern die Ordnung die treibende Kraft der Natur ist. Literatur [1] Manfred Hieble: http://www.manfredhiebl.de/Physik/entropie. htm, Juli 2011. [2] K. Rauschnabel, Hochschule Heilbronn, http://mitarbeiter. hs-heilbronn.de/~rauschn/5_Thermodynamik/Physik_5_7_ Entropie.pdf. [3] Eduard-Job-Stiftung für Thermo- und Stoffdynamik, http://www. job-stiftung.de/pdf/skripte/Stoffdynamik/2.pdf. [4] Eduard-Job-Stiftung für Thermo- und Stoffdynamik, http://www. job-stiftung.de/pdf/buch/neudarstellung_der_waermelehre. pdf. [5] Univeristät Kiel: http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/ kap_5/backbone/r5_3_1.html, Juli 2011. c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 12 [6] Science Up, Technisch-wissenschaftliche Web-Agentur: http://www. quanten.de/entropie.php. [7] Arne Pönitz: http://www.poenitz-net.de/Chemie/3. Physikalische%20Chemie/3.3.S.5.Die%20thermodynamische% 20Definition.pdf, Juli 2011. [8] Elena Esposito: Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität. Aus dem Italinienischen Nicole Reinhardt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2007. [9] Christa Lüdecke und Dorothea Lüdecke: Physikalisch-chemische Grundlagen der thermischen Verfahrenstechnik. Springer Verlag, Heidelberg, 2000. [10] Peter T. Landsberg: Problems of Explanation in Physics. In: John L. Casti, Anders Karlqvist (eds): Beyond Befief. Randomness, Prediction and Explanation in Scienec.CRC Press, Boca Raton, 1991, pp. 55 - 64. Version: 1.00